„Sera“ – Versionsunterschied

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{{Tibetischer chinesischer Begriff|Tibetisch=སེ་ར་|Wylie=se ra|IPA=sera|offiziell=Sêra|THDL=Sera|andere=—|Tc=色拉寺|Vc=色拉寺|Py=Sèlā Sì}}
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'''Sêra''' ist eines der Drei Großen [[Kloster|Klöster]] (dainsa sum / ''gdan-sa gsum'') des [[Gelug|Gêlug]]-Ordens des [[Vajrayana|tibetischen Buddhismus]]. Es liegt in [[Lhasa]], der Hauptstadt des [[Autonomes Gebiet Tibet|Autonomen Gebiets Tibet]] in der [[Volksrepublik China]].
'''Sêra''', besser bekannt unter '''Sera''', ist eines der Drei Großen [[Kloster|Klöster]] (dainsa sum / ''gdan-sa gsum'') des [[Gelug]]-Ordens des [[Vajrayana|tibetischen Buddhismus]]. Es liegt in [[Lhasa]], der Hauptstadt des [[Autonomes Gebiet Tibet|Autonomen Gebiets Tibet]] in der [[Volksrepublik China]].


== Geschichte ==
== Geschichte ==
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Sêra bedeutet „[[Wildrose]]“ oder „[[Hagebutte]]“. Das Kloster liegt ca. drei Kilometer nördlich von Lhasa. Der Legende nach soll [[Tsongkhapa|Zongkaba]] (''tsong kha pa'', 1357–1419), der Gründer des [[Gelug|Gêlug]]-Ordens, im Jahr 1409 seinen Kommentar „Rigpai Gyaco“ ''(rigs pa’i rgya mtsho)'' zu einem Werk von [[Nāgārjuna]] in einer Einsiedelei namens Sêra Qoiding ''(se ra chos lding)'' oberhalb der Stelle, an der sich heute das Kloster befindet, geschrieben haben. Beim Schreiben soll eine der Seiten vom Wind davon geweht worden sein; goldene Buchstaben sollen von der Seite ausgegangen sein und sich auf einem Stein festgesetzt haben. Zongkaba prophezeihte, dass an dieser Stelle eine große Stätte [[Buddhismus|buddhistischer]] Gelehrsamkeit errichtet werden würde, vor allem für die [[Madhyamaka]]-Lehre von der Leere, und 1419, als Zongkaba starb, gründete einer seiner Schüler – Jamqên Qoijê Xagya Yêxê (''byams chen chos rje shâ kya ye shes'', 1354–1435) – an dieser Stelle das Kloster Sêra. Sêra, [[Gandain]] und [[Drepung|Zhaibung]] gelten als die Drei Großen Klöster des Gêlug-Ordens.
Sêra bedeutet „[[Wildrose]]“ oder „[[Hagebutte]]“. Das Kloster liegt ca. drei Kilometer nördlich von Lhasa. Der Legende nach soll [[Tsongkhapa]] (''tsong kha pa'', 1357–1419), der Gründer des [[Gelug]]-Ordens, im Jahr 1409 seinen Kommentar "Rigpai Gyatso" ''(rigs pa’i rgya mtsho)'' zu einem Werk von [[Nāgārjuna]] in einer Einsiedelei namens Sera Choeling ''(se ra chos lding)'' oberhalb der Stelle, an der sich heute das Kloster befindet, geschrieben haben. Beim Schreiben soll eine der Seiten vom Wind davon geweht worden sein; goldene Buchstaben sollen von der Seite ausgegangen sein und sich auf einem Stein festgesetzt haben. [[Tsongkhapa]] prophezeihte, dass an dieser Stelle eine große Stätte [[Buddhismus|buddhistischer]] Gelehrsamkeit errichtet werden würde, vor allem für die [[Madhyamaka]]-Lehre von der Leere, und 1419, als Tsongkhapa starb, gründete einer seiner Schüler – Yangchen Chöje Shakya Yeshe (''byams chen chos rje shâ kya ye shes'', 1354–1435) – an dieser Stelle das Kloster Sêra. Sera, [[Ganden]] und [[Drepung]] gelten als die Drei Großen Klöster des Gelug-Ordens.


Ursprünglich war das Kloster ein Zentrum für Studium und Praxis des [[Tantra]], doch schon bald nach seiner Gründung wurde der Schwerpunkt in eine [[Scholastik|scholastisch]]-[[Philosophie|philosophische]] Richtung verlagert.
Ursprünglich war das Kloster ein Zentrum für Studium und Praxis des [[Tantra]], doch schon bald nach seiner Gründung wurde der Schwerpunkt in eine [[Scholastik|scholastisch]]-[[Philosophie|philosophische]] Richtung verlagert.


Der dritte [[Abt]] von Sêra, Kungru Gyaicain Sangbo (''gung ru rgyal mtshan bzang po'', 1383–1450) teilte das Kloster in vier [[Fakultät]]en (Chacang / ''grwa tshang''): Gya ''(rgya)'', Zhomdêng ''(’brom steng)'', Doi ''(stod)'' und Mai ''(smad)''. Bald darauf wurden diese vier zu zwei Fakultäten zusammengelegt, nämlich Doi und Mai; in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde Doi mit einer neu geschaffenen Fakultät – ''(byes)'' – zusammengelegt. Für über zweihundert Jahre waren dies die beiden Fakultäten von Sêra. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die dritte Fakultät – Ngagba ''(ngnag pa)'' – eingerichtet. und Mai waren philosophische Fakultäten (Cannyi Chacang / ''mtshan nyid grwa tshang''), an denen nach zwanzigjährigem Studium ein [[Gêxê]]-Titel ''(dge bshes)'' vergeben wurde. Ngagba war eine tantrische Fakultät (gurim chacang / ''sku rim grwa tshang'').
Der dritte [[Abt]] von Sera, Kungru Gyaltsen Sangpo (''gung ru rgyal mtshan bzang po'', 1383–1450) teilte das Kloster in vier [[Fakultät]]en (Chacang / ''grwa tshang''): Gya ''(rgya)'', Zhomdêng ''(’brom steng)'', Doi ''(stod)'' und Mai ''(smad)''. Bald darauf wurden diese vier zu zwei Fakultäten zusammengelegt, nämlich Doi und Mai; in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde Doi mit einer neu geschaffenen Fakultät – Je ''(byes)'' – zusammengelegt. Für über zweihundert Jahre waren dies die beiden Fakultäten von Sêra. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die dritte Fakultät – Ngagba ''(ngnag pa)'' – eingerichtet. Je und Mai waren philosophische Fakultäten (Cannyi Chacang / ''mtshan nyid grwa tshang''), an denen nach zwanzigjährigem Studium ein [[Geshe]]-Titel ''(dge bshes)'' vergeben wurde. Ngagba war eine tantrische Fakultät (gurim chacang / ''sku rim grwa tshang'').


und Ngagba verwendeten die Lehrbücher (yigqa / ''yig cha'') von Jêzünba Qoigyi Gyaicain (''rje btsun pa chos kyi rgyal mtshan'', 1469–1544); Mai verwendete die Lehrbücher von Kaizhub Gêdün Dainba Dargya (''mkhas grub dge ’dun bstan pa dar rgyas'', 1493–1568).
Je und Ngagba verwendeten die Lehrbücher (yigqa / ''yig cha'') von Jetsunpa Chökyi Gyaltsen (''rje btsun pa chos kyi rgyal mtshan'', 1469–1544); Mai verwendete die Lehrbücher von Kaizhub Gêdün Dainba Dargya (''mkhas grub dge ’dun bstan pa dar rgyas'', 1493–1568).


Den drei Fakultäten unterstanden insgesamt 35 Abteilungen (Kangcain / ''khang tshan''), denen die [[Mönch]]e je nach ihrer Herkunft zugeteilt wurden.
Den drei Fakultäten unterstanden insgesamt 35 Abteilungen (Kangcain / ''khang tshan''), denen die [[Mönch]]e je nach ihrer Herkunft zugeteilt wurden.
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Bis 1959 hatte jede Fakultät ihre eigene Verwaltung und ihren eigenen Abt. Der so genannte Rat der Zehn Lamas (Lakaju / ''bla kha bcu'') unter Führung der Äbte der drei Fakultäten verwaltete das Kloster als Ganzes. Es gab offiziell 3.300, tatsächlich jedoch 7.500 bis 10.000 Mönche, von denen 1958 jedoch nur 400 „lesende Mönche“ (Bêqawa / ''dpe cha ba'') waren, die tatsächlich studierten. Die übrigen arbeiteten, und etwa ein Siebtel waren Dobdobs ''(ldob ldob)'', d.h. Angehörige bewaffneter Banden, welche die Ordensregeln nicht einhielten.
Bis 1959 hatte jede Fakultät ihre eigene Verwaltung und ihren eigenen Abt. Der so genannte Rat der Zehn Lamas (Lakaju / ''bla kha bcu'') unter Führung der Äbte der drei Fakultäten verwaltete das Kloster als Ganzes. Es gab offiziell 3.300, tatsächlich jedoch 7.500 bis 10.000 Mönche, von denen 1958 jedoch nur 400 „lesende Mönche“ (Bêqawa / ''dpe cha ba'') waren, die tatsächlich studierten. Die übrigen arbeiteten, und etwa ein Siebtel waren Dobdobs ''(ldob ldob)'', d.h. Angehörige bewaffneter Banden, welche die Ordensregeln nicht einhielten.


Im Herbst 1944 gingen sieben bis zehn Mönche von Sêra und einer von Sêra Ngagba nach [[Lhünzhub]] nördlich von Lhasa, um Zinsen einzutreiben. Die Bauern konnten die Zinsen nicht entrichten und appellierten an die Regierung, die den Kreisverwalter anwies, zu vermitteln. Die Mönche von Sêra gerieten mit diesem in Streit und erschlugen ihn mit einem getrockneten Schafsbein. Das Kloster nahm die Mörder in Schutz und gab sie nicht heraus. Im Konflikt zwischen den [[Regent]]en Razhêng Casa ''(rwa sgreng dza sa)'' und Dagzhag Rinboqê ''(stag brag rin po che)'' 1939 hatten die Mönche von Sêra den Regenten Razhêng unterstützt, der am 4. Dezember 1944 erstmals nach seinem Rücktritt nach Lhasa kam, in der Hoffnung, wieder die Macht zu übernehmen. Außerdem versuchte er, die Mönche von Sêra zur Rebellion aufzustacheln. Diese Konflikte führten dazu, dass die Mönche von Sêra das Große Gebetsfest vom 14. bis 17. Februar 1945 [[boykott]]ierten und der Abt von Sêra im März nach Qamdo floh, in ein Gebiet, das nicht unter der Kontrolle von Lhasa stand. Er wurde von der Guomindang-Verwaltung empfangen und kehrte erst 1951 wieder nach Lhasa zurück. Der Regent Dagzhag ernannte den [[Mongolen]] Daindar ''(bstan dar)'' zum Abt von Sêra , was zum endgültigen Bruch zwischen Dagzhag und Razhêng führte.
Im Herbst 1944 gingen sieben bis zehn Mönche von Sera Je und einer von Sera Ngagba nach [[Lhünzhub]] nördlich von Lhasa, um Zinsen einzutreiben. Die Bauern konnten die Zinsen nicht entrichten und appellierten an die Regierung, die den Kreisverwalter anwies, zu vermitteln. Die Mönche von Sera gerieten mit diesem in Streit und erschlugen ihn mit einem getrockneten Schafsbein. Das Kloster nahm die Mörder in Schutz und gab sie nicht heraus. Im Konflikt zwischen den [[Regent]]en Razhêng Casa ''(rwa sgreng dza sa)'' und Dagzhag Rinboqê ''(stag brag rin po che)'' 1939 hatten die Mönche von Sera den Regenten Ratheng unterstützt, der am 4. Dezember 1944 erstmals nach seinem Rücktritt nach Lhasa kam, in der Hoffnung, wieder die Macht zu übernehmen. Außerdem versuchte er, die Mönche von Sera Je zur Rebellion aufzustacheln. Diese Konflikte führten dazu, dass die Mönche von SSera Je das Große Gebetsfest vom 14. bis 17. Februar 1945 [[boykott]]ierten und der Abt von Sera Je im März nach Qamdo floh, in ein Gebiet, das nicht unter der Kontrolle von Lhasa stand. Er wurde von der Guomindang-Verwaltung empfangen und kehrte erst 1951 wieder nach Lhasa zurück. Der Regent Dagzhag ernannte den [[Mongolen]] Daindar ''(bstan dar)'' zum Abt von Sera Je, was zum endgültigen Bruch zwischen Dagzhag und Ratheng führte.


Nach der Festnahme von Razhêng ermordeten Mönche von Sêra am 16. April 1947 den Abt Daindar, weil dieser nicht gegen die Verhaftung von Razhêng protestiert hatte. Sie begannen einen bewaffneten Aufstand gegen den Regenten Dagzhag und versuchten, Razhêng aus dem Gefängnis zu befreien. Vom 26. bis 29. April kämpfte die tibetische Armee gegen das Kloster und schlug den Aufstand schließlich nieder, wobei 200 bis 300 Mönche getötet wurden.<ref>Melvyn Goldstein: ''A History of Modern Tibet, 1913-1951: The Demise of the Lamaist State'' (University of California Press 1991), ISBN 0520075900.</ref>
Nach der Festnahme von Ratheng ermordeten Mönche von Sera Je am 16. April 1947 den Abt Daindar, weil dieser nicht gegen die Verhaftung von Ratheng protestiert hatte. Sie begannen einen bewaffneten Aufstand gegen den Regenten Dagzhag und versuchten, Ratheng aus dem Gefängnis zu befreien. Vom 26. bis 29. April kämpfte die tibetische Armee gegen das Kloster und schlug den Aufstand schließlich nieder, wobei 200 bis 300 Mönche getötet wurden.<ref>Melvyn Goldstein: ''A History of Modern Tibet, 1913-1951: The Demise of the Lamaist State'' (University of California Press 1991), ISBN 0520075900.</ref>


Nach dem Aufstand von 1959 wurde das Kloster aufgelöst und die Gebäude als [[Kaserne]] benutzt. Während der [[Kulturrevolution]] wurde ein großer Teil der Gebäude zerstört. 1980 wendete die chinesische Regierung eine halbe Million Yuan [[Renminbi]] für die Renovierung des Klosters und der Betrieb wurde wieder aufgenommen. 1982 wurde das Kloster vom [[Staatsrat der Volksrepublik China|Staatsrat]] unter [[Denkmalschutz]] gestellt. Ein großer Teil der Gebäude wurde wieder errichtet bzw. renoviert. Die beiden philosophischen Fakultäten wurden jedoch nicht wieder hergestellt, sondern alle Mönche folgen der Tradition von Qê. Derzeit leben rund 750 Mönche im Kloster. Im Jahr 1992 hatte das Kloster offiziell Einnahmen von rund 860.000 Yuan, davon waren die Hälfte Spenden.
Nach dem Aufstand von 1959 wurde das Kloster aufgelöst und die Gebäude als [[Kaserne]] benutzt. Während der [[Kulturrevolution]] wurde ein großer Teil der Gebäude zerstört. 1980 wendete die chinesische Regierung eine halbe Million Yuan [[Renminbi]] für die Renovierung des Klosters und der Betrieb wurde wieder aufgenommen. 1982 wurde das Kloster vom [[Staatsrat der Volksrepublik China|Staatsrat]] unter [[Denkmalschutz]] gestellt. Ein großer Teil der Gebäude wurde wieder errichtet bzw. renoviert. Die beiden philosophischen Fakultäten wurden jedoch nicht wieder hergestellt, sondern alle Mönche folgen der Tradition von Qê. Derzeit leben rund 750 Mönche im Kloster. Im Jahr 1992 hatte das Kloster offiziell Einnahmen von rund 860.000 Yuan, davon waren die Hälfte Spenden.

Version vom 21. Januar 2007, 14:27 Uhr

Tibetische Bezeichnung
Tibetische Schrift:
སེ་ར་
Wylie-Transliteration:
se ra
Aussprache in IPA:
[sera]
Offizielle Transkription der VRCh:
Sêra
THDL-Transkription:
Sera
Andere Schreibweisen:
Chinesische Bezeichnung
Traditionell:
色拉寺
Vereinfacht:
色拉寺
Pinyin:
Sèlā Sì

Sêra, besser bekannt unter Sera, ist eines der Drei Großen Klöster (dainsa sum / gdan-sa gsum) des Gelug-Ordens des tibetischen Buddhismus. Es liegt in Lhasa, der Hauptstadt des Autonomen Gebiets Tibet in der Volksrepublik China.

Geschichte

Sêra bedeutet „Wildrose“ oder „Hagebutte“. Das Kloster liegt ca. drei Kilometer nördlich von Lhasa. Der Legende nach soll Tsongkhapa (tsong kha pa, 1357–1419), der Gründer des Gelug-Ordens, im Jahr 1409 seinen Kommentar "Rigpai Gyatso" (rigs pa’i rgya mtsho) zu einem Werk von Nāgārjuna in einer Einsiedelei namens Sera Choeling (se ra chos lding) oberhalb der Stelle, an der sich heute das Kloster befindet, geschrieben haben. Beim Schreiben soll eine der Seiten vom Wind davon geweht worden sein; goldene Buchstaben sollen von der Seite ausgegangen sein und sich auf einem Stein festgesetzt haben. Tsongkhapa prophezeihte, dass an dieser Stelle eine große Stätte buddhistischer Gelehrsamkeit errichtet werden würde, vor allem für die Madhyamaka-Lehre von der Leere, und 1419, als Tsongkhapa starb, gründete einer seiner Schüler – Yangchen Chöje Shakya Yeshe (byams chen chos rje shâ kya ye shes, 1354–1435) – an dieser Stelle das Kloster Sêra. Sera, Ganden und Drepung gelten als die Drei Großen Klöster des Gelug-Ordens.

Ursprünglich war das Kloster ein Zentrum für Studium und Praxis des Tantra, doch schon bald nach seiner Gründung wurde der Schwerpunkt in eine scholastisch-philosophische Richtung verlagert.

Der dritte Abt von Sera, Kungru Gyaltsen Sangpo (gung ru rgyal mtshan bzang po, 1383–1450) teilte das Kloster in vier Fakultäten (Chacang / grwa tshang): Gya (rgya), Zhomdêng (’brom steng), Doi (stod) und Mai (smad). Bald darauf wurden diese vier zu zwei Fakultäten zusammengelegt, nämlich Doi und Mai; in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde Doi mit einer neu geschaffenen Fakultät – Je (byes) – zusammengelegt. Für über zweihundert Jahre waren dies die beiden Fakultäten von Sêra. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die dritte Fakultät – Ngagba (ngnag pa) – eingerichtet. Je und Mai waren philosophische Fakultäten (Cannyi Chacang / mtshan nyid grwa tshang), an denen nach zwanzigjährigem Studium ein Geshe-Titel (dge bshes) vergeben wurde. Ngagba war eine tantrische Fakultät (gurim chacang / sku rim grwa tshang).

Je und Ngagba verwendeten die Lehrbücher (yigqa / yig cha) von Jetsunpa Chökyi Gyaltsen (rje btsun pa chos kyi rgyal mtshan, 1469–1544); Mai verwendete die Lehrbücher von Kaizhub Gêdün Dainba Dargya (mkhas grub dge ’dun bstan pa dar rgyas, 1493–1568).

Den drei Fakultäten unterstanden insgesamt 35 Abteilungen (Kangcain / khang tshan), denen die Mönche je nach ihrer Herkunft zugeteilt wurden.

Bis 1959 hatte jede Fakultät ihre eigene Verwaltung und ihren eigenen Abt. Der so genannte Rat der Zehn Lamas (Lakaju / bla kha bcu) unter Führung der Äbte der drei Fakultäten verwaltete das Kloster als Ganzes. Es gab offiziell 3.300, tatsächlich jedoch 7.500 bis 10.000 Mönche, von denen 1958 jedoch nur 400 „lesende Mönche“ (Bêqawa / dpe cha ba) waren, die tatsächlich studierten. Die übrigen arbeiteten, und etwa ein Siebtel waren Dobdobs (ldob ldob), d.h. Angehörige bewaffneter Banden, welche die Ordensregeln nicht einhielten.

Im Herbst 1944 gingen sieben bis zehn Mönche von Sera Je und einer von Sera Ngagba nach Lhünzhub nördlich von Lhasa, um Zinsen einzutreiben. Die Bauern konnten die Zinsen nicht entrichten und appellierten an die Regierung, die den Kreisverwalter anwies, zu vermitteln. Die Mönche von Sera gerieten mit diesem in Streit und erschlugen ihn mit einem getrockneten Schafsbein. Das Kloster nahm die Mörder in Schutz und gab sie nicht heraus. Im Konflikt zwischen den Regenten Razhêng Casa (rwa sgreng dza sa) und Dagzhag Rinboqê (stag brag rin po che) 1939 hatten die Mönche von Sera den Regenten Ratheng unterstützt, der am 4. Dezember 1944 erstmals nach seinem Rücktritt nach Lhasa kam, in der Hoffnung, wieder die Macht zu übernehmen. Außerdem versuchte er, die Mönche von Sera Je zur Rebellion aufzustacheln. Diese Konflikte führten dazu, dass die Mönche von SSera Je das Große Gebetsfest vom 14. bis 17. Februar 1945 boykottierten und der Abt von Sera Je im März nach Qamdo floh, in ein Gebiet, das nicht unter der Kontrolle von Lhasa stand. Er wurde von der Guomindang-Verwaltung empfangen und kehrte erst 1951 wieder nach Lhasa zurück. Der Regent Dagzhag ernannte den Mongolen Daindar (bstan dar) zum Abt von Sera Je, was zum endgültigen Bruch zwischen Dagzhag und Ratheng führte.

Nach der Festnahme von Ratheng ermordeten Mönche von Sera Je am 16. April 1947 den Abt Daindar, weil dieser nicht gegen die Verhaftung von Ratheng protestiert hatte. Sie begannen einen bewaffneten Aufstand gegen den Regenten Dagzhag und versuchten, Ratheng aus dem Gefängnis zu befreien. Vom 26. bis 29. April kämpfte die tibetische Armee gegen das Kloster und schlug den Aufstand schließlich nieder, wobei 200 bis 300 Mönche getötet wurden.[1]

Nach dem Aufstand von 1959 wurde das Kloster aufgelöst und die Gebäude als Kaserne benutzt. Während der Kulturrevolution wurde ein großer Teil der Gebäude zerstört. 1980 wendete die chinesische Regierung eine halbe Million Yuan Renminbi für die Renovierung des Klosters und der Betrieb wurde wieder aufgenommen. 1982 wurde das Kloster vom Staatsrat unter Denkmalschutz gestellt. Ein großer Teil der Gebäude wurde wieder errichtet bzw. renoviert. Die beiden philosophischen Fakultäten wurden jedoch nicht wieder hergestellt, sondern alle Mönche folgen der Tradition von Qê. Derzeit leben rund 750 Mönche im Kloster. Im Jahr 1992 hatte das Kloster offiziell Einnahmen von rund 860.000 Yuan, davon waren die Hälfte Spenden.

Architektur

Das Kloster hat heute eine Fläche von 114.946 Quadratmetern. Der größte Teil der Fläche wird von den Gebäuden der Kangcain eingenommen. Die drei größten Gebäude sind die großen Hallen der drei Fakultäten und des Cogqên (tshogs chen), die Große Versammlungshalle des ganzen Klosters.

Der Cogqên wurde 1710 errichtet, ist vier Stockwerke hoch und befindet sich im Nordosten des Areals. Die Haupthalle wird von 125 Säulen getragen und nimmt eine Fläche von 2.000 Quadratmetern ein. In dem Gebäude befindet sich u.a. eine Statue von Xagya Yêxê und eine Ausgabe des Gangyur (bka’ ’gyur), ein Geschenk des Ming-Kaisers Chengzhu. Hinter der Haupthalle sind drei kleinere Hallen, in der u.a. eine Ausgabe des Gangyur (bka’ ’gyur) aufbewahrt wird, ein Geschenk des Ming-Kaisers Zhudi aus dem Jahr 1410.

Das älteste Chacang-Gebäude ist das der Mai-Fakultät aus dem Jahr 1419. Es hat besonders gut erhaltene Fresken. Im Gebäude der Qê-Fakultät von 1435 befindet sich eine berühmte Hayagriva-Statue. Im Debatten-Hof der Qê-Fakultät befindet sich der Uma Lhakang (dbu ma lha khang, Madhyamaka-Tempel). Er soll sich an der Stelle des Steines aus der Gründungslegende von Sêra befinden. Das dritte und kleinste Chacang-Gebäude ist das der Ngagba-Fakultät; es stammt aus dem Jahr 1559.

Sêra hat heute 33 Kangcain-Gebäude mit jeweils einem Hof.

Hinter dem Kloster liegt heute der einzige Platz für Himmelsbestattungen von Lhasa.

Literatur

  • blo bzang kun mkyen / Luòsāng Gòngqīn 洛桑贡钦: chos sde chen po se ra theg chen gling gi gnas bshad gser gyi sgron me / Sèlā Sì jiǎnjiè 色拉寺简介 (Lhasa, bod ljongs mi dmangs dpe skrun khang / Xīzàng rénmín chūbǎnshè 西藏人民出版社 2003), ISBN 7-223-01560-8.
  • Xióng Wénbīn 熊文彬 (Hg.): Sèlā Sì 色拉寺 (Beijing, Wǔzhōu chuánbō chūbǎnshè 五洲传播出版社 1997), ISBN 7-80113-319-6.

Fußnoten

  1. Melvyn Goldstein: A History of Modern Tibet, 1913-1951: The Demise of the Lamaist State (University of California Press 1991), ISBN 0520075900.

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