„Organhandel im Kosovo“ – Versionsunterschied

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Die genauen Geschehnisse sind bisher nicht abschließend geklärt. Auf Grundlage mehrerer Untersuchungen und Recherchen kam es zu verschiedenen Anschuldigungen von organisierten Kriminalität, Menschenhandel, Organraub und illegalem Organhandel, Mord sowie weiterer schwerer Delikte.
Die genauen Geschehnisse sind bisher nicht abschließend geklärt. Auf Grundlage mehrerer Untersuchungen und Recherchen kam es zu verschiedenen Anschuldigungen von organisierten Kriminalität, Menschenhandel, Organraub und illegalem Organhandel, Mord sowie weiterer schwerer Delikte.


Nach dem Kosovo-Krieg soll die UÇK im Juni 1999 bis zu 300 Gefangene aus der teilweise von der UÇK kontrollierten serbischen Provinz Kosovo in die nordalbanischen Orte [[Kukës]] und [[Tropoja]] verschleppt und in Lagerhäusern und Baracken festgehalten haben. Von dort aus seien ausgesuchte Gefangene in das „gelbe Haus“ in einem Dorf bei Burrel gebracht worden.<ref name="Spiegel_22-09-2008" /> Dort (nach anderen Untersuchungen dagegen vorwiegend an anderen Orten<ref name="Blick-ch_14-12-2010" />) sollen bis zu 50 Gefangenen Organe entnommen und dann über den [[Flughafen Tirana]] ins Ausland transportiert worden sein, wo wohlhabende Käufer bereits auf eine Transplantation der Organe gewartet haben sollen.<ref name="Spiegel_22-09-2008" />
Nach dem Kosovo-Krieg soll die UÇK im Juni 1999 bis zu 300 Gefangene aus der teilweise von der UÇK kontrollierten serbischen Provinz Kosovo in die nordalbanischen Orte [[Kukës]] und [[Tropoja]] verschleppt und in Lagerhäusern und Baracken festgehalten haben. Von dort aus seien ausgesuchte Gefangene in das „gelbe Haus“ in einem Dorf bei Burrel gebracht worden.<ref name="Spiegel_22-09-2008" /> Dort (nach anderen Untersuchungen dagegen vorwiegend in Fushë-Kruja<ref name="Blick-ch_14-12-2010" /> oder nach serbischen Angaben auch in der neurochirurgischen Abteilung des Gefängnisses 320 in der Nähe von Tropoje<ref name="AZ-OL_29-10-2008" />) sollen bis zu 50 Gefangenen Organe entnommen und dann über den [[Flughafen Tirana]] ins Ausland transportiert worden sein, wo wohlhabende Käufer bereits auf eine Transplantation der Organe gewartet haben sollen.<ref name="Spiegel_22-09-2008" />


=== Erste Vorwürfe ===
=== Erste Vorwürfe ===

Version vom 3. Mai 2013, 18:50 Uhr

Das gelbe Haus (albanisch shtëpia e verdhë, serbisch-kyrillisch жута кућа/žuta kuća) ist ein Gebäude in Rribe (Albanisch offiziell meist Rripa resp. Rripë) rund zehn Kilometer südlich von Burrel[1] in Albanien. Es steht als Symbol[2] für mutmaßliche Kriegsverbrechen der paramilitärischen UÇK während des Kosovokrieges sowie für illegalen Organhandel von UÇK und Verbrecherorganisationen ethnischer Albaner nach der Militärintervention der NATO und dem Abzug der serbisch-jugoslawischen Sicherheitskräfte im Jahr 1999. Opfer der nachgewiesenen und mutmaßlichen Verbrechen waren überwiegend ethnische Serben sowie Roma und jugoslawientreue Kosovo-Albaner (Kollaborateure aus Sicht der UÇK).

Der Fall Gelbes Haus

Organhandel im Kosovo (Albanien)
Organhandel im Kosovo (Albanien)
Burrel
Tropoja
Kukës
Flughafen Tirana
Fushë-Kruja
Rripë
Prizren
Priština
Rahovec
Suhareka
Lage angesprochener Orte in Albanien und Kosovo

Burrel galt schon zu kommunistischen Zeiten als ein gefürchteter Ort der in Albanien herrschenden Obrigkeit und stand für Folter, Mord und das Verschwinden von Gefangenen. Nach dem Zerfall des kommunistischen Staates Albanien entstanden organisierte Verbrechenbanden, die sich am illegalen Organhandel beteiligten. Nach Human Rights Watch wurden auch russische und andere Frauen aus dem ehemaligen Ostblock in dem Haus Opfer des illegalen Organhandels, was auf eine länger laufende Einrichtung schließen lässt.

Seit 1998 kam es zu Entführungen in der damals serbischen autonomen Region Kosovo (damals zu Jugoslawien gehörend), die der UÇK zugeschrieben wurden.

Die genauen Geschehnisse sind bisher nicht abschließend geklärt. Auf Grundlage mehrerer Untersuchungen und Recherchen kam es zu verschiedenen Anschuldigungen von organisierten Kriminalität, Menschenhandel, Organraub und illegalem Organhandel, Mord sowie weiterer schwerer Delikte.

Nach dem Kosovo-Krieg soll die UÇK im Juni 1999 bis zu 300 Gefangene aus der teilweise von der UÇK kontrollierten serbischen Provinz Kosovo in die nordalbanischen Orte Kukës und Tropoja verschleppt und in Lagerhäusern und Baracken festgehalten haben. Von dort aus seien ausgesuchte Gefangene in das „gelbe Haus“ in einem Dorf bei Burrel gebracht worden.[3] Dort (nach anderen Untersuchungen dagegen vorwiegend in Fushë-Kruja[4] oder nach serbischen Angaben auch in der neurochirurgischen Abteilung des Gefängnisses 320 in der Nähe von Tropoje[5]) sollen bis zu 50 Gefangenen Organe entnommen und dann über den Flughafen Tirana ins Ausland transportiert worden sein, wo wohlhabende Käufer bereits auf eine Transplantation der Organe gewartet haben sollen.[3]

Erste Vorwürfe

Im Jahr 2002 führten Zeugenaussagen von Menschenhandel in Verbindung mit Organraub den als seriös und unabhängig geltenden US-amerikanischen Kriegsjournalisten Michael Montgomery und Kollegen bei seinen Recherchen zu dem „gelben Haus“ in der Nähe der zentralalbanischen Stadt Burrel, wohin ein Zeuge Gefangene gebracht und an Ärzte übergeben haben wollte.[2] Bei Montgomerys Zeugen handelte es sich nach seinen Angaben um drei UÇK-Fahrer. Ein Zeuge gab an, dabei gewesen zu sein, als die Toten in einem nahen Friedhof vergraben worden seien. Das Journalistenteam sammelte bis bis ins Jahr 2003 Material zu dem angeblichen UÇK-Organhandel.[2]

Schließlich wandte sich das Team um Montgomery mit Bitte um Unterstützung an den damaligen Vorsteher des UN-Büros für Vermisste in Kosovo, José Pablo Baraybar. Baraybar gilt als „einer der wenigen Uno-Leute, die sich damals für die vermissten Serben einsetzten und den Mut zu Untersuchungen aufbrachten, auch gegen die UCK [UÇK]“.[2] Laut dem peruanischen Forensiker Baraybar war die zusammengetragene Beweislast nicht ausreichend für eine Verurteilung, jedoch die Indizienlast, wie auch Zeugenaussagen, ausreichend für eine Anklageerhebung.[2]

Die ehemalige Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY, auch „Haager Tribunal“) in Den Haag, Carla Del Ponte, die spätestens seit ihrer Bearbeitung vom 29. Juni 2001 gegen im ICTY-Prozess gegen Slobodan Milošević und vier andere serbisch-jugoslawische Führungskräfte als Kriegsverbrecher-„Jägerin“ sowie „eiserner Engel der Gerechtigkeit und Jeanne d’Arc des internationalen Rechts“[6][7] in den westlichen Medien tituliert und vielfach ausgezeichnet wurde, soll die Organhandel-Vorwürfe zunächst nicht geglaubt haben, ließ aber „ihre Leute zumindest weiterermitteln“.[2]

Es kam in der Folge zu Unstimmigkeiten zwischen den in die Untersuchungen involvierten drei Parteien, dem Forensiker Baraybar vom UN-Büro für Vermisste, dem Journalisten Montgomery und den Mitarbeitern Del Pontes vom Haager Tribunal. Montgomery schützte die Identität seiner Zeugen gegenüber dem Haager Tribunal, das volle Akteneinsicht forderte und die Identität der Zeugen nicht ermitteln konnte, die nach Einschätzung Montgemerys aus dem Jahr 2010 bereits nicht mehr leben.[2]

Am 4. Februar 2004 schlossen sich die in die Untersuchungen involvierten Parteien zusammen und etwa zwei Dutzend Experten besuchten das einer albanischen Familie gehörende Bauernhaus. Unter anderem wurden Medikamentenhüllen, Mittel zur Muskelentspannung, Spritzen sowie Blutspuren in der Küche des bewohnten Hauses gefunden.[2] Während die albanische Familie behauptete, das Haus sei immer weiß gestrichen gewesen, fanden die Ermittler unter dem weißen Anstrich des Hauses an einer Stelle Überreste von gelber Farbe.[2][3] Über drei Tage hinweg hielten sich Mitarbeiter Baraybars, Carla del Pontes und der Journalist Montgomery mit einem Kollegen an dem mutmaßlichen Tatort auf, wo es zu einem Expertenstreit kam, als sich die albanische Familie in Widersprüche verstrickte. Nach der Hausinspektion von 2004 sollen die zuständigen UNMIK-Behörden im Kosovo jedoch keine weitere Schritte im Organhandel-Fall mehr unternommen haben.[2][8]

Doch erst im Jahr 2008 wurde der Fall des „gelben Hauses“ der Weltöffentlichkeit schlagartig bekannt,[2] als Del Ponte der UÇK im April 2008 vorwarf, nach der Militärintervention der NATO von 1999 mindestens 300 serbische Gefangene aus dem Kosovo nach Nordalbanien entführt und ihnen dort Organe entnommen zu haben, um diese über den Flughafen in Tirana außer Landes zu schaffen und zu verkaufen. Zeugen zufolge sollen Gefangenen Nieren entfernt worden sein, um sie erst später zu töten und ihnen schließlich weitere Organe zu entnehmen. Die Gefangenen sollen sich dabei ihres Schicksals bewusst gewesen sein. Einige Opfer sollen nahe dem Haus in Burrel und auf einem nahegelegenen Friedhof vergraben worden sein. Unter den Opfern sollen sich auch Albaner befunden haben sowie entführte Frauen aus Osteuropa, die gezwungen worden seien als Prostituierte zu arbeiten.[9] Del Ponte beschreibt in ihrem Buch Die Jagd – Ich und die Kriegsverbrecher (engl.: The Hunt) ihre Untersuchungen der Vorfälle des Organschmuggels um das gelbe Haus und erhebt diesbezüglich schwere Vorwürfe gegen das Haager Tribunal und den politischen Unwillen von Behörden der UN und Albaniens, durch Kosovo-Albaner begangene Verbrechen aufzuarbeiten. Sie sei bei ihren Ermittlungen sowohl von kosovo-albanischer als auch von westlicher Seite auf eine „Mauer des Schweigens“ gestoßen, so dass sie ihre Ermittlungen nicht erfolgreich habe abschließen können.[10] In der Bilanz ihrer achtjährigen Tätigkeit in der Anklagebehörde des Haager Tribunals beschwerte sich Del Ponte über die Einseitigkeit der Strafverfolgung: „Die Ermittlungen gegen Teile der UCK erwiesen sich als die frustrierendsten im Lauf der Arbeit des Jugoslawien-Tribunals.“ Den Regierungen Albaniens und des Kosovo warf sie vor, am lukrativen Geschäft des Organhandels beteiligt gewesen zu sein.

Von der Schweizer Regierung erhielt del Ponte nach ihrer Veröffentlichung von 2008 Redeverbot.[3]

Die Einreichung eines Antrags zur Anklageerhebung wurde vom Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien mit der Begründung der Auflösung des Tribunals im Jahr 2010 abgelehnt. Das albanische Gericht für Kriegsverbrechen lehnt eine Untersuchung aus Mangel an Beweisen ab.

Untersuchungsbericht von Dick Marty

Kurz nach Erscheinen des Buches von Del Ponte erwirkte Russland eine politische Mission. Im Auftrag des Europarats übernahm der Schweizer Europaratsabgeordnete und ehemalige Staatsanwalt Dick Marty die Sonderermittlung.[2] Er bestätigte die Vorwürfe des Organhandels in seinem Untersuchungsbericht zu Händen des Europarats im Dezember 2010 (vorläufiger Bericht[11]) und Januar 2011.[12] In seiner zweijährigen Untersuchung stützt sich Marty zum Teil auf die Ermittlungen des FBI und auf Erkenntnisse von Geheimdiensten. Der UÇK werden im Bericht Verwicklungen in illegale Organhandelsgeschäfte vorgeworfen. In einem Krankenhaus seien Gefangenen Organe entnommen und anschließend auf dem internationalen Schwarzmarkt an ausländische Kliniken verkauft worden.[13] Ausdrücklich verweist der Bericht auf Hashim Thaçi als Kopf der Drenica-Gruppe. Diese „kleine aber unvorstellbar mächtige Gruppe von UÇK-Persönlichkeiten“ habe seit 1998 die Kontrolle über die organisierte Kriminalität übernommen.[14][13] Durch die diplomatische und politische Unterstützung der USA und anderer westlicher Länder habe sich Thaçi nach dem Kosovokrieg „unberührbar“ gewähnt. Weiter behauptet Marty, dass westliche Regierungen über die Verbrechen informiert gewesen seien, diese aber ignoriert und sich daher mitschuldig gemacht hätten.[13] Die internationalen Organisationen im Kosovo hätten aber für ihre pragmatische Politik der „befristeten Stabilität um jeden Preis eine bedeutende Prinzipien der Justiz geopfert“ und für einen langen Zeitraum die Beweisaufnahme in Zusammenhang mit Verbrechen der UÇK gegenüber der serbischen Bevölkerung und bestimmten Kosovo-Albanern vernachlässigt.[15] Die Ergebnisse Martys sollen Geheimdiensten und Regierungen international bekannt gewesen sein, doch sei aus politischen Gründen der „Stabilität“ niemand zur Rechenschaft gezogen worden.[4]

Als einen der Tatorte für die Organentnahme einer „Handvoll“ Gefangener nannte Marty ein zweistöckiges Haus auf einem Bauernbetrieb in der Nähe der mittelalbanischen Stadt Fushë-Kruja als „improvisierte Klinik“, unweit des Flughafens der albanischen Hauptstadt Tirana. Im Unterschied zu anderen UÇK-Gefangenen seien diese Opfer gut genährt und verhältnismäßig gut behandelt worden. Unter den von der UÇK verschleppten Gefangenen sollen sich nicht nur ethnische Serben, sondern auch als Kollaborateure der Serben eingestufte oder aus sonstigen Gründen missliebige Kosovo-Albaner befunden haben. Die Gefangenen seien erschossen, von Chirurgen zerlegt und ihre Organe zum Flughafen im nahegelegenen Tirana gebracht worden. Nach unbestätigten Berichten sollen sich die Organabnehmer in Israel oder der Türkei befunden haben. Der Organhandel sei nur eine von diversen Einnahmequellen der „Drenica-Gruppe“ gewesen, doch sollen sich die UÇK-Spitzen bei den Organgeschäften auch persönlich bereichert haben.[4]

Marty geht gestützt auf Zeugenaussagen davon aus, dass auch das Gelbe Haus von der UÇK besetzt und kontrolliert worden war. Es sollen Gefangene dorthin verbracht worden sein, darunter auch Frauen und Mädchen, die dort von UÇK-Soldaten und Dorfbewohnern sexuell missbraucht wurden. Eine kleine Zahl von Gefangenen sei in Rribe getötet worden. Primär sei das Haus aber eine Zwischenstation unter anderem vor dem Transport in die Organklinik gewesen, wobei hier auch medizinische Tests durchgeführt worden seien. „Seine genaue Funktion und seine Bedeutung für die Gesamtoperation wurden früher vielleicht falsch verstanden“, urteilt Marty schlussendlich in Bezug auf die Memoiren von Carla Del Ponte und ihre Quellen.[16][17]

Nach vorliegenden Zeugenaussagen werden die Premierminister des Kosovo, Hashim Thaçi und Agim Çeku, sowie der albanische Ministerpräsident Sali Berisha beschuldigt, direkt von den Vorfällen gewusst zu haben beziehungsweise das gelbe Haus sogar persönlich aufgesucht zu haben.

Im April 2011 berichtete NDR Info über ein geheimes Dokument der UNO, in dem die Vorwürfe gegen die UÇK bekräftigt werden.[18] Unterlagen der UNMIK von 2003 nennen als Ausgangspunkte der illegalen Gefangenentransporte von 1999 und 2000 unter anderem die Orte Prizren, Suhareka (serb.: Suva Reka) und Rahovec (serb.: Orahovac). Für die Kontrolle dieser Orte und des Grenzübergangs von ihnen nach Albanien war damals das deutsche Bundeswehr-Kontingent der NATO-Truppe KFOR verantwortlich.[19]

Die Besitzerfamilie des Gelben Hauses verklagte im März 2011 Dick Marty vor einem Gericht in Tirana wegen Verleumdung.[20] Die Klage wurde abgewiesen.[21]

Untersuchungen der EULEX

Im Januar 2011 forderte der Europarat weitere Untersuchungen der EU-Polizei- und Justizmission im Kosovo (EULEX Kosovo) zum mutmaßlichen illegalen Organhandel im Kosovo.[19] Im Juni 2011 kündigte die EULEX Kosovo an, die im Bericht von Marty erhobenen Vorwürfe untersuchen zu wollen.[22] Seit Herbst 2011 läuft die Untersuchung unter Leitung des Amerikaners John Clint Williamson.[23] Im Mai 2012 stimmte das albanische Parlament einem Gesetz zu, das Untersuchungshandlungen der EULEX in Albanien erlaubt.[24]

Medicus-Fall

In der in der kosovarischen Hauptstadt Priština gelegenen Medicus-Klinik war es im Jahr 2008 zu illegalen Transplantationen von mindestens 23 Nieren und zu damit verbundenem Menschenhandel gekommen. Die Organspender stammten unter anderem aus der Türkei, aus Russland, Moldawien und Kasachstan und waren wirtschaftlich besonders schwachgestellt. Sie waren unter der Zusicherung nach Priština gelockt worden, Geldbeträge von rund 10.000 bis 12.000 Euro für eine Niere zu erhalten. Die Organempfänger waren mehrheitlich aus Israel stammende, wohlhabende Patienten. Ein aus zwei EULEX-Richtern und einem lokalen Richter bestehendes Richtergremium verurteilte im April 2013 nach der Anhörung von rund 80 Zeugenaussagen in erster Instanz fünf Angeklagte zu Haftstrafen in der Höhe von bis zu acht Jahren. Darunter befindet sich auch der Direktor der Klinik sowie sein Sohn, ebenfalls ein Arzt. Wichtige Verdächtige blieben jedoch noch immer flüchtig.[23]

Zwischen dem Medicus-Fall und dem mutmaßlichen Organhandel unmittelbar nach Kriegsende besteht nach Überzeugung von Dick Marty ein Zusammenhang.[23]

Kontroversen um die Vorwürfe

Del Pontes Anschuldigungen führten dazu, dass der UNMIK vorgeworfen wurde, sich mit den ehemaligen UÇK-Kämpfern arrangiert zu haben. Hohe UÇK-Kommandanten wie Ramush Haradinaj, gegen die Del Ponte Ermittlungen durchgeführt und mehrmals auch Anklage erhoben hatte, hatten sich nach der Militärintervention der NATO von 1999 als führende Politiker im Kosovo etabliert. Del Pontes Belastungszeugen der Anklage während der Prozesse gegen mutmaßliche UÇK-Haupttäter, die wegen des Vorwurfs der Entführung und Tötung von Serben vor der Anklage standen, wurden sukzessive ermordet. Dem Zeugenschutz der UN-Behörden wurde dabei vorgeworfen katastrophal zu sein.[2] Auch Dick Marty bemängelte mit Hinweis auf die Ermordung von Belastungszeugen vergangener Prozesse vor dem Haager Tribunal gegen Kosovo-Albaner, dass es zwar viele Zeugen für den verbrecherischen Organhandel gebe, er jedoch die Wirksamkeit des Zeugenschutzes der ELEX anzweifle.[8]

Bernard Kouchner, der von Mitte 1999 bis Anfang 2001 als UN-Sonderbeauftragter (SRSG) und Chef der UN-Mission im Kosovo (UNMIK) über weitreichende Befugnisse im Kosovo verfügt hatte und im Jahr 2008 französischer Außenminister war, bezeichnete del Pontes Vorgehen als unseriös, da es nicht auf ernsthaften Untersuchungen beruhe. Er stritt ab, je über Vorwürfe des Organhandel informiert gewesen zu sein: „Wir waren informiert über Übergriffe. Wir kannten das organisierte Verbrechen, den Menschenhandel und die Prostitution in den Balkanstaaten. (...) Aber wir haben nie etwas von Organhandel gehört.“ Kouchner - selbst Arzt - argumentierte, der kosovarischen UÇK hätten nicht die notwendigen Mittel für den Handel mit Organen zur Verfügung gestanden. „Im Spital von Pristina habe es ja nicht einmal eine Heizung gegeben“ (NZZ online).[25]

Entsprechend wurde 2008 in der Presse der serbische Neurochirurgieprofessor Momcilo Djordjevic mit einer Aussage, die er gegenüber der Belgrader Zeitung NIN gemacht hatte, zitiert: „Für so etwas sind eine ausgefeilte Organisation, Technik, Technologie, ein perfektes Wissen und eine ebenso perfekte Logistik notwendig. [...] Das alles konnte Albanien in der damaligen Zeit nicht besitzen und hat es selbst heute nicht“.[5]

Bevor das „gelbe Haus“ spätestens seit den Untersuchungen Martys als Nebenschauplatz und nicht als hauptsächlicher Ort der Organentnahme angesehen wurde, erschienen in der Presse Argumentationen, die die Glaubwürdigkeit des Organhandelvorwurfs aufgrund der schlechten Infrastruktur in der Region von Burrel in Frage stellten. Es wurde hervorgehoben, dass es sich bei dem weiß angestrichenen Haus in Rribe um ein typisches „großes albanisches Bauernhaus“ (Magazin) handle,[26] das „nur über Schotter und Geröll erreichbar“ (Spiegel) und „durch enge Serpentinen und kratertiefe Schlaglöcher“ (Spiegel) zu erreichen ist und „buchstäblich am Ende der Zivilisation“ (Spiegel) liege.[27] Es wurde in Frage gestellt, dass in dieser armen, schwer erreichbaren Region damals die „Organisation, Technik, Technologie, ein perfektes Wissen und eine ebenso perfekte Logistik“ (Ärztezeitung) vorhanden waren, die für solche schwierige chirurgische Eingriffe notwendig sind.[5] Auch dass das Haus „im allgegenwärtigen Grau und Braun der Landschaft und der schäbigen Häuser eigens so knallig [gelb] gestrichen worden sein soll“ (Ärztezeitung), wurde als fragwürdig dargestellt.[5]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Paul Lewis: At family farm, grim claims of organ culling from captured Serb soldiers. In: The Guardian. 25. November 2008, abgerufen am 9. Oktober 2010 (englisch).
  2. a b c d e f g h i j k l m Was geschah in Burrel? - Haben Albaner nach dem Krieg Serben ermordet und ihre Organe verkauft? (PDF), Das Magazin, 6/2010, 13. Februar 2010, von Thomas Zaugg, Bilder von Fabian Biasio, archiviert von www.swisspressphoto.ch/data/1294405696_18008.pdf am 3. Mai 2013. Weitere Archivversion: http://web.archive.org/web/20101123045546/http://dasmagazin.ch/index.php/was-geschah-in-burrel/
  3. a b c d Das Haus am Ende der Welt, Der Spiegel, 39/2008, 22. September 2008, von Renate Flottau, archiviert vom Original am 3. Mai 2013.
  4. a b c Die furchtbaren Details aus dem Bericht zum Kosovo-Krieg - «Schweizer» Mafiaboss in Organhandel verwickelt!, Blick (Zeitung), 14. Dezember 2010, von Henry Habegger, archiviert vom Original am 3. Mai 2013.
  5. a b c d Deutsche Presse-Agentur: Gab es Organdiebstahl in Albanien? Zweifel werden immer lauter. In: Ärztezeitung online. 29. Oktober 2008, abgerufen am 9. Oktober 2010.
  6. Westfälischer Friedenspreis 2002 für Carla Del Ponte. Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe (WWL), 28. Dezember 2001, archiviert vom Original am 19. Januar 2013.
  7. Chefanklägerin Del Ponte wird für ihren Mut ausgezeichnet. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Dezember 2001, von Jutta Steinhoff, dpa, archiviert vom Original am 19. Januar 2013.
  8. a b Klage gegen Dick Marty - Albanische Familie fordert Entschädigung nach Bericht über illegalen Organhandel, Neue Zürcher Zeitung, 31. März 2011, archiviert vom Original am 3. Mai 2013.
  9. Former war crimes prosecutor alleges Kosovan army harvested organs from Serb prisoners (englisch). The Guardian, 12. April 2008, von Ian Traynor, archiviert vom Original am 2. Mai 2013.
  10. Kosovo: Ein privilegierter Partner, 13. März 2011, archiviert von der Internetversion auf www.politonline.ch am 23. Januar 2013, ursprüngliche Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58025, vom 11. März 2011; mit Verweis auf: Carla del Ponte, La Caccia. Io e i Criminali di Guerra, Meiland 2008.
  11. Inhuman treatment of people and illicit trafficking in human organs in Kosovo (provisional version) in: Europarat, Entschließungsentwurf und erläuterndes Memorandum von Dick Marty, (englisch, PDF; 396 kB) vom 12. Dezember 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010
  12. Council of Europe: Parliamentary Assembly, Inhuman treatment of people and illicit trafficking in human organs in Kosovo, Committee on Legal Affairs and Human Rights, Doc. 12462, 7. Januar 2011, von Dick Marty, archiviert vom Original am 2. Mai 2013.
  13. a b c Vorwürfe im Europarat: Kosovo-Premier Thaçi soll an Organmafia beteiligt sein. Spiegel online, 15. Dezember 2010, archiviert vom Original am 27. Januar 2013.
  14. Council of Europe: Parliamentary Assembly, Inhuman treatment of people and illicit trafficking in human organs in Kosovo, Committee on Legal Affairs and Human Rights, Doc. 12462, 7. Januar 2011, von Dick Marty, S. 13f., archiviert vom Original am 2. Mai 2013.
  15. Council of Europe: Parliamentary Assembly, Inhuman treatment of people and illicit trafficking in human organs in Kosovo, Committee on Legal Affairs and Human Rights, Doc. 12462, 7. Januar 2011, von Dick Marty, S. 2, archiviert vom Original am 2. Mai 2013.
  16. Dick Marty: Inhuman treatment of people and illicit trafficking in human organs in Kosovo. Hrsg.: Europarat. Doc. 12462, 7. Januar 2011 (Website des Europarats – Bericht zuhanden des Europarats).
  17. Henry Habegger: Schock-Bericht zum Kosovo-Krieg: „Schweizer“ Mafiaboss in Organhandel verwickelt! In: Blick. 15. Dezember 2010, S. 2 (Blick.ch).
  18. Deportationen unter den Augen der Bundeswehr? (PDF; 278 kB) In: NDR Info. 11. April 2011, abgerufen am 11. Oktober 2012.
  19. a b Illegaler Organhandel: Wurden Kosovo-Serben unter den Augen von Bundeswehrsoldaten nach Albanien entführt?, NDR, Pressemeldung, 7. April 2011, archiviert vom Original am 2. Mai 2013.
  20. Klage gegen Dick Marty. In: NZZ Online. 31. März 2011, abgerufen am 31. März 2011.
  21. Albanisches Gericht lehnt Verleumdungsklage gegen Dick Marty ab. In: Die Südostschweiz. 8. Juni 2011, abgerufen am 8. Juni 2011.
  22. EU steps up probe into Kosovo organ-trafficking claims. In: EUbusiness. 10. Juni 2011, abgerufen am 11. Mai 2012 (englisch).
  23. a b c Thomas Fuster: Illegale Organverpflanzungen in Kosovo. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 100, 2. Mai 2013, S. 7 (Artikel auf NZZOnline vom 30. April 2013 [abgerufen am 2. Mai 2013]).
  24. Albanien gibt internationalen Ermittlungen zu Organhandel grünes Licht. 10. Mai 2012, abgerufen am 11. Mai 2012.,
    EULEX, arrests in Albania?! In: Top Channel. 10. Mai 2012, abgerufen am 11. Mai 2012 (englisch).
  25. Bernard Kouchner sieht keine Beweise für Organhandel - Ehemaliger Uno-Verwalter für Kosovo kritisiert Del Ponte und Marty, Neue Zürcher Zeitung Online, 5. April 2011, archiviert vom Original am 3. Mai 2013.
  26. Thomas Zaugg: Was geschah in Burrel? In: Das Magazin. 13. Februar 2010, archiviert vom Original am 23. November 2010; abgerufen am 9. Oktober 2010.
  27. Renate Flottau: Das Haus am Ende der Welt. In: Der Spiegel. Nr. 39, 2008 (online).