„Maurya-Reich“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Mauryan Empire 260 BCE.png|mini|280px|Die Ausdehnung des Maurya-Reiches, 260 v. Chr.]]
Die '''Maurya''' ([[Sanskrit]], मौर्य, maurya) waren eine altindische [[Dynastie]], im Zeitraum zwischen 320 und 185 v. Chr., deren Reich die Nachfolge des [[Nandareich|Nanda-Staates]] antrat.


Gegründet um 320 v. Chr. von [[Chandragupta Maurya]] († um 297 v. Chr.), hatte das Reich seinen Ausgangspunkt in [[Magadha]], was das indische Kernland von der [[Antike]] bis zum indischen [[Harsha|Frühmittelalter]] darstellte.
Die '''Maurya''' ([[Sanskrit]] मौर्य ''maurya'') waren eine altindische [[Dynastie]], im Zeitraum zwischen 320 und 185 v. Chr., deren Reich die Nachfolge des [[Nandareich|Nanda-Staates]] antrat. Gegründet um 320 v. Chr. von [[Chandragupta Maurya]] († um 297 v. Chr.), hatte das Reich seinen Ausgangspunkt in [[Magadha]], was das indische Kernland von der [[Antike]] bis zum indischen [[Harsha|Frühmittelalter]] darstellte. Besondere Bedeutung und seine größte Ausdehnung erreichte das Maurya-Reich unter [[Ashoka]], der in seinem Reich und in den angrenzenden Ländern für die Ausbreitung des [[Buddhismus]] sorgte.


== Chandragupta ==
== Geschichte ==
=== Chandragupta ===
Chandragupta Maurya floh vor dem letzten Nanda-Herrscher aus [[Pataliputra]] und kämpfte gegen die von [[Alexander der Große|Alexander dem Großen]] im [[Indus]]tal zurückgelassenen Garnisonen. Wann und unter welchen Umständen es ihm gelang, Pataliputra einzunehmen und den letzten Nanda-König zu stürzen, ist unbekannt. Der erste Feldzug scheint fehlgeschlagen zu sein, aber im zweiten besetzte er gegen 320 v. Chr. das Land und übernahm Magadhas Königswürde. Die Nandas galten in der späteren Literatur als Inbegriff der Habgier. Somit wurde das Nandareich, nach griechischen und indischen Quellen, kurz nach Alexanders Einfall in Indien von dem Mauryareich unter Chandragupta und seinem Mentor [[Chanakya|Kautilya]] abgelöst.
Der Aufstieg des ersten Maurya-Herrschers, Chandragupta Maurya, begann einige Jahre nach dem Einfall Alexanders des Großen in Indien. Chandragupta kämpfte gegen die von [[Alexander der Große|Alexander dem Großen]] im [[Indus]]tal zurückgelassenen Garnisonen. Wann und unter welchen Umständen es ihm gelang, [[Pataliputra]] einzunehmen und den letzten Nanda-König zu stürzen, ist unbekannt. Um 320 v. Chr. scheint der Umsturz stattgefunden zu haben, mit dem Chandragupta die Herrschaft übernahm. Somit wurde das Nandareich, nach griechischen und indischen Quellen, wenige Jahre nach Alexanders Einfall in Indien von dem Mauryareich unter Chandragupta und seinem Mentor [[Chanakya|Kautilya]] abgelöst.<ref name="Kulke78">Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 78.</ref>


Bekannt ist Chandragupta auch durch einen Vertrag mit dem Alexandernachfolger [[Seleukos I.|Seleukos I. Nikator]]. In Indien schloss Seleukos 303 v. Chr. einen Frieden mit Chandragupta (griech. [[Sandrokottos]]), dem ersten Vertreter der Maurya-Dynastie in dieser Zeit, indem Seleukos auf einen Teil des Herrschaftsgebietes verzichtete und im Gegenzug 500 [[Kriegselefant]]en erhielt. Seleukos war im [[Hindukusch]] einmarschiert, um auch dort das Erbe Alexanders anzutreten. Chandragupta trat ihm im [[Punjab]] erfolgreich entgegen. Gegen den Austausch der Kriegselefanten erhielt Chandragupta 303 v. Chr. alle Gebiete östlich von [[Kabul]] (die antiken Regionen [[Gedrosien]], [[Arachosien]], [[Gandhara]] und [[Paropamisaden]]).
Bekannt ist Chandragupta auch durch einen Vertrag mit dem Alexandernachfolger [[Seleukos I.|Seleukos I. Nikator]]. In Indien schloss Seleukos 303 v. Chr. einen Frieden mit Chandragupta (griech. [[Sandrokottos]]), dem ersten Vertreter der Maurya-Dynastie in dieser Zeit, indem Seleukos auf einen Teil des Herrschaftsgebietes verzichtete und im Gegenzug 500 [[Kriegselefant]]en erhielt. Seleukos war im [[Hindukusch]] einmarschiert, um auch dort das Erbe Alexanders anzutreten. Chandragupta trat ihm im [[Punjab]] erfolgreich entgegen. Gegen den Austausch der Kriegselefanten erhielt Chandragupta 303 v. Chr. alle Gebiete östlich von [[Kabul]] (die antiken Regionen [[Gedrosien]], [[Arachosien]], [[Gandhara]] und [[Paropamisaden]]).<ref name="Kulke78"/>

Seleukos schickte den Gesandten [[Megasthenes]] im Jahre 302 v. Chr. an den Hof Chandraguptas. Megasthenes verfasste einen umfangreichen Bericht über das indische Reich. So schildert er z.&nbsp;B. sieben Berufsgruppen, die im indischen Leben eine Rolle spielen. Er berichtet, dass der König Eigentümer allen Landes sei. Für die politische Organisation spielen Spione und Aufpasser eine große Rolle. Es entsteht der Eindruck eines straff organisierten Staates. Die Beobachtungen von Megasthenes beziehen sich jedoch primär auf die Hauptstadt und das unmittelbare Hinterland.
Seleukos schickte den Gesandten [[Megasthenes]] im Jahre 302 v. Chr. an den Hof Chandraguptas. Megasthenes verfasste einen umfangreichen Bericht über das indische Reich. So schildert er z.&nbsp;B. sieben Berufsgruppen, die im indischen Leben eine Rolle spielen. Er berichtet, dass der König Eigentümer allen Landes sei. Für die politische Organisation spielen Spione und Aufpasser eine große Rolle. Es entsteht der Eindruck eines straff organisierten Staates. Die Beobachtungen von Megasthenes beziehen sich jedoch primär auf die Hauptstadt und das unmittelbare Hinterland.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 78–79.</ref>
[[Datei:Seleukidenreich.png|mini|300px|Im Nordwesten grenzte das Maurya-Reich an das griechisch geprägte [[Seleukidenreich|Reich der Seleukiden]]. Die Zugehörigkeit der Satrapien wurde in der jeweils vorchristlichen Zeitrechnung angegeben.]]
[[Datei:Seleukidenreich.png|mini|300px|Im Nordwesten grenzte das Maurya-Reich an das griechisch geprägte [[Seleukidenreich|Reich der Seleukiden]]. Die Zugehörigkeit der Satrapien wurde in der jeweils vorchristlichen Zeitrechnung angegeben.]]


In einem Atemzug mit der Politik Chandraguptas wird sein Minister Kautilya (oder Chanakya) genannt, der Autor des [[Arthashastra]]s. Das Reich Chandraguptas scheint eine direkte Umsetzung der im Arthashastra geforderten politischen Maxime zu sein. Die von Megasthenes erwähnten Spione empfiehlt Kautilya auch im Arthashastra als Mittel der Politik.
In einem Atemzug mit der Politik Chandraguptas wird sein Minister Kautilya (oder Chanakya) genannt, der Autor des [[Arthashastra]]s. Das Reich Chandraguptas scheint eine direkte Umsetzung der im Arthashastra geforderten politischen Maxime zu sein. Die von Megasthenes erwähnten Spione empfiehlt Kautilya auch im Arthashastra als Mittel der Politik.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 79–80.</ref>


Angeblich soll Chandragupta sich dem [[Jainismus]] zugewandt haben. Die jainistische Überlieferung erzählt, er habe sich in [[Karnataka]] zu Tode gefastet.
Angeblich soll Chandragupta sich dem [[Jainismus]] zugewandt haben. Die jainistische Überlieferung erzählt, er habe sich in [[Karnataka]] zu Tode gefastet.<ref name="Kulke81">Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 81.</ref>


== Bindusara ==
=== Bindusara ===
Unter Chandraguptas Sohn [[Bindusara]] (um 297–268 v. Chr.) nahm die Reichserweiterung ihren Fortgang und fand mit der Eroberung des [[Kalinga (Indien)|Königreichs Kalinga]] (Gebiet des heutigen [[Orissa]]) unter Kaiser [[Ashoka]] (268–232 v. Chr.) ihren Abschluss. An seinem Hof erschienen auch griechische Gesandte, so [[Daimachos (3. Jahrhundert v. Chr.)|Daimachos]] im ([[3. Jahrhundert v. Chr.]]) und (eventuell) [[Dionysios (Gesandter)|Dionysios]], die wie Megasthenes heute verlorene Werke über Indien verfassten ([[Indika]]). Im Fall des Dionysios ist es allerdings unklar, bei welchem indischen Herrscher er als Gesandter fungierte; vielleicht handelte es sich auch um Ashoka (siehe unten).
Unter Chandraguptas Sohn [[Bindusara]] (um 297–268 v. Chr.) nahm die Reichserweiterung ihren Fortgang und fand mit der Eroberung des [[Kalinga (Indien)|Königreichs Kalinga]] (Gebiet des heutigen [[Orissa]]) unter Kaiser [[Ashoka]] (268–232 v. Chr.) ihren Abschluss. An seinem Hof erschienen auch griechische Gesandte, so [[Daimachos (3. Jahrhundert v. Chr.)|Daimachos]] im ([[3. Jahrhundert v. Chr.]]) und (eventuell) [[Dionysios (Gesandter)|Dionysios]], die wie Megasthenes heute verlorene Werke über Indien verfassten (''[[Indika]]'').<ref name="Kulke81"/> Im Fall des Dionysios ist es allerdings unklar, bei welchem indischen Herrscher er als Gesandter fungierte; vielleicht handelte es sich auch um Ashoka.


== Ashoka ==
=== Ashoka ===
[[Datei:Mauryam Empire map.svg|mini|Die unmittelbare Einflusszone des Maurya-Reiches in seiner größten territorialen Ausdehnung zur Zeit Kaiser Ashokas 268 bis 232 v. Chr.]]
[[Datei:Mauryam Empire map.svg|mini|Die mögliche Einflusszone des Maurya-Reiches in seiner größten territorialen Ausdehnung zur Zeit Kaiser Ashokas 268 bis 232 v. Chr.]]
[[Ashoka|Samrat Ashoka]], ein jüngerer Sohn Bindusaras, verdrängte in einem Staatsstreich mit Hilfe seines Ministers Radhagupta seine Brüder, und übernahm selbst die Macht.
[[Ashoka|Samrat Ashoka]], ein jüngerer Sohn Bindusaras, verdrängte in einem Staatsstreich mit Hilfe seines Ministers Radhagupta seine Brüder, und übernahm selbst die Macht. Unter diesem Kaiser entfaltete sich die Maurya-Dynastie zum größten Reich der indischen Antike, das den gesamten indischen Subkontinent bis in den äußersten Süden, und zudem Teile des heutigen Pakistans und Afghanistans umfasste. Allerdings schließt man aus dem Fehlen von Inschriften im [[Dekhan]] auf regionale Schwachpunkte im Machtgefüge.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 86–88.</ref>
Unter diesem Kaiser entfaltete sich die Maurya-Dynastie zum größten Reich der indischen Antike, das den gesamten indischen Subkontinent bis in den äußersten Süden, und zudem das heutige Pakistan und Afghanistan umfasste. Allerdings schließt man aus dem Fehlen von Inschriften im [[Dekhan]] auf regionale Schwachpunkte im Machtgefüge.


Unter Ashoka erreichte das Maurya-Reich seine größte Ausdehnung. Die Fläche wird auf etwa 5.000.000 km² geschätzt und die Einwohnerzahl auf etwa 50–60 Millionen, was es zu einem der bevölkerungsreichsten Reiche der Antike macht.<ref>Dirk Bronger, Lutz Trettin: ''Megastädte – Global Cities HEUTE: Das Zeitalter Asiens?'' (= ''Asien – Wirtschaft und Entwicklung.'' 5). LIT, Münster 2011, ISBN 978-3-6431-1158-6, S. 131.</ref>
Unter Ashoka erreichte das Maurya-Reich seine größte Ausdehnung. Die Fläche wird auf etwa 5.000.000 km² geschätzt und die Einwohnerzahl auf etwa 50–60 Millionen, was es zu einem der bevölkerungsreichsten Reiche der Antike macht.<ref>Dirk Bronger, Lutz Trettin: ''Megastädte – Global Cities HEUTE: Das Zeitalter Asiens?'' (= ''Asien – Wirtschaft und Entwicklung.'' 5). LIT, Münster 2011, ISBN 978-3-6431-1158-6, S. 131.</ref>


Der Kaiser – nach der extrem blutigen Eroberung von Kalinga in eine tiefe Krise geraten – konvertierte zum [[Buddhismus]] und gestaltete seine Politik fortan nach den Prinzipien der Lehre [[Buddha]]s, in der Friedfertigkeit und Toleranz die obersten Leitziele darstellen. Er schuf damit das erste aus der Geschichte bekannte Staatswesen, in dem Gewaltverzicht und soziale Wohlfahrt die tragenden Säulen einer gerechten Politik darstellen.
Der Kaiser – nach der extrem blutigen Eroberung von Kalinga in eine tiefe Krise geraten – konvertierte zum [[Buddhismus]] und gestaltete seine Politik fortan nach den Prinzipien der Lehre [[Buddha]]s, in der Friedfertigkeit und Toleranz die obersten Leitziele darstellen. Er schuf damit das erste aus der Geschichte bekannte Staatswesen, in dem Gewaltverzicht und soziale Wohlfahrt die tragenden Säulen einer gerechten Politik darstellen.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 83.</ref>


Das Reich endete mit der Entmachtung des letzten Maurya von Magadha, Ashokas Enkel Brihadratha, durch seinen General Pushyamitra 185 v. Chr. Dieser begründete auf den „Ruinen“ des Maurya-Reiches die [[Shunga-Dynastie]], über die jedoch, trotz einer 112-jährigen Herrschaftszeit, aufgrund von Quellenarmut sehr wenig bekannt ist.
Das Reich endete mit der Entmachtung des letzten Maurya von Magadha, Ashokas Enkel Brihadratha, durch seinen General [[Pushyamitra Shunga|Pushyamitra]] 185 v. Chr. Dieser begründete auf den „Ruinen“ des Maurya-Reiches die [[Shunga-Dynastie]], über die jedoch, trotz einer 112-jährigen Herrschaftszeit, aufgrund von [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quellenarmut]] sehr wenig bekannt ist.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 89–90.</ref>


== Herrscher von Maurya ==
=== Maurya-Herrscher ===
* [[Chandragupta Maurya]] (321/320–ca. 297 v. Chr.)
* [[Chandragupta Maurya]] (321/320–ca. 297 v. Chr.)
* [[Bindusara]] (297–268 v. Chr.)
* [[Bindusara]] (297–268 v. Chr.)
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* Samprati (224–215 v. Chr.)
* Samprati (224–215 v. Chr.)
* Salisuka (215–202 v. Chr.)
* Salisuka (215–202 v. Chr.)
* Devadharama (Devardharman) (202–195 v. Chr.)
* Devadharama (Devadharman) (202–195 v. Chr.)
* Satadhanvan (Satamdhanu) (195–187 v. Chr.)
* Satadhanvan (Satamdhanu) (195–187 v. Chr.)
* Brihadratha (187–185 v. Chr.)
* Brihadratha (187–185 v. Chr.)

== Staat, Gesellschaft und Wirtschaft ==
[[Megasthenes]], einem Gesandten des Seleukos am Hof des Chandraguptas, verdankt die historische Forschung einen der ausführlichsten Berichte über den Aufbau der Gesellschaft im Maurya-Reich während der Herrschaft Chandraguptas um 300 v.&nbsp;Chr. Auch wenn der Originaltext nicht überliefert ist, so gibt es doch lange Passagen seines Textes, die von mehreren klassischen Autoren zitiert werden.

Megasthenes beschreibt in seinem Bericht über das indische Maurya-Reich sieben Stände oder Berufsgruppen: Philosophen (vermutlich die [[Brahmanen]]), Bauern (der zahlenmäßig größte Stand), Hirten, Kunsthandwerker, Krieger, die „Aufpasser“ ([[Spionage|Spione]], die dem König über die Vorgänge im Reich Bericht erstatten) und schließlich die Ratgeber und Beisitzer des Königs (wozu auch Angehörige der [[Gericht]]shöfe und [[Verwaltung]] gezählt werden). Bemerkenswert an Megasthenes Bericht ist die Aussage, dass alles Land dem König gehöre. So müssen die Bauern dem König einen [[Pachtzins]] für ihr Land sowie ein Viertel ihres Ertrags an die Staatskasse zahlen. Die Kunsthandwerker wiederum erhalten Getreide aus dem königlichen Speicher, während den Kriegern die Ernährung der Kriegspferde und -[[Kriegselefant|elefanten]] bezahlt wird. Außerdem ist für die Forschung plausibel, dass Spione und Aufpasser als Herrschaftsinstrumente eingesetzt wurden.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 79.</ref>

Eine weitere wichtige Quelle über das öffentliche Leben und die Wirtschaft des Maurya-Reiches ist das [[Staatslehre|Staatslehrbuch]] ''[[Arthashastra]]'' von [[Kautilya]], ein Mitstreiter Chandraguptas. Weil die heutige Forschung es eher für wahrscheinlich betrachtet, dass Kautilya in dem ''Arthashastra'' seine eigenen Vorstellungen und Erfahrungen zum politischen Handeln lehrbuchartig darstellt als ein exaktes Abbild des Maurya-Staates, ist das ''Arthashastra'' als Quelle zu Politik und Gesellschaft des Maurya-Reichs nur begrenzt von Wert. Dennoch kann aus dem Werk vermutlich geschlossen werden, dass das Maurya-Reich ein effizient organisierter, zentral regierter Staat war, in dem [[Landwirtschaft]], [[Bergbau]], [[Handel]] und [[Handwerk]] eine wirtschaftlich große Rolle spielten. Durch das Werk des Kautilya wird noch einmal bestätigt, dass die Maurya-Könige Spione zur Machtstabilisierung einsetzen.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 79–81.</ref><ref>Herman Kulke: ''Der Maurya-Staat (4. bis 2. Jh. v.Chr.): Gesamtindisches Großreich oder Imperium?''. In: Michael Gehler, Robert Rollinger (Hrsg.): ''Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche, Teil 1''. Harrassowitz, Wiesbaden 2014, S. 505.</ref>

Aus der Herrschaftszeit von Ashoka sind eine Vielzahl von in Fels gehauene Ankündigungen, Anordnungen und Edikte überliefert (sog. [[Ashoka-Edikte]]). Aus den bis heute erhaltenen Felsinschriften kann die Geschichtsforschung Rückschlüsse auf Ashokas Politik und die staatliche Entwicklung des frühen Indiens ziehen. So geht aus den Inschriften hervor, dass das Reich unter Ashoka in fünf große Bereiche oder Provinzen eingeteilt war, mit Magadha und seiner Reichshauptstadt Pataliputra als Kerngebiet. Dieses Kerngebiet unterstand der direkten Herrschaft der Mauryas. Außerdhalb dieses Kerngebietes gab es vier Großprovinzen, über die weitere Herrscher als Vizekönige oder Gouverneure regierten, und in [[Taxila]] im Nordwesten, in [[Kalinga (Indien)|Kalinga]] im Osten, im Westen in [[Ujjain]] und im Süden in Suvarnagiri bei [[Kurnool]]. Diese Großprovinzen waren wiederum in Unterprovinzen oder Großdistrikte unterteilt, die von Distriktbeamten verwaltet wurden.<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 83–86.</ref>

== Religion ==
{{siehe auch|Ashoka-Edikte}}
[[Datei:India northeast Mauryan period c 200 BC - Mother goddess in terracotta IMG 9625 Museum of Asian Civilisation.jpg|mini|[[Muttergottheit]] in [[Terrakotta]] aus der Maurya-Zeit um 200 v.&nbsp;Chr., Ausstellungsstück im Asian Civilisations Museum, [[Singapore]]]]
Im Norden Indiens, dem Kerngebiet des Maurya-Reiches, hatte sich die [[vedische Religion]] ausgebreitet (die später, nach dem Untergang des Maurya-Reiches, in den [[Hinduismus]] überging). Historiker gehen davon aus, dass die vedischen Götter zur Zeit der Maurya schon an Bedeutung verloren haben. Durch den Bericht des griechischen Diplomaten Megasthenes vom Hof des Chandragupta weiß man, dass es Kulte um Götter wie [[Shiva]] und [[Krishna]] gab, die jedoch schließlich von den [[Brahmanen]] in die vedische Götterwelt eingebunden wurden. Daneben verehrte die Landbevölkerung eine Vielzahl von anderen Göttern, [[Geist]]ern und [[Dämon]]en, etwa die [[Muttergöttin]], Schlangengötter und -göttinnen (''naga'' und ''nagini''), Dämonen, Erdkräfte und Baumgeister.<ref>Manfred Görgens: ''Kleine Geschichte der indischen Kunst''. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 39.</ref>

Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr., der Zeit der Städteentwicklung, ermöglichte ein zunehmenden Wohlstand und gesellschaftlicher Wandel mehr [[Individualismus]], auch in religiösen Fragen. So entstanden neue, zunächst [[Mönchtum|mönchisch]] geprägte Religionsformen, wie der [[Jainismus]] und der [[Buddhismus]], die von einer wohlhabenden städtischen [[Elite]] unterstützt werden konnten.<ref>Stefano Piano: ''Religion und Kultur Indiens''. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2004, ISBN 3-205-77195-8, S. 215–216.</ref> Von Chandragupta, dem ersten Maurya-Herrscher, ist überliefert, dass er sich dem Jainismus zuwandte.

Religionsgeschichtlich bedeutender ist das Interesse Ashokas, seines Nachfahren, am Buddhismus. Ashoka wurde ein Förderer des Buddhismus, durch dessen [[Missionierende Religion|Missionstätigkeit]] sich der Buddhismus nicht nur im Kernreich der Maurya ausbreitete, sondern auch in Südostindien und [[Sri Lanka]] (durch Ashokas Bruder oder Sohn Mahinda) sowie in Nordwestindien. Diese Missionsaktivitäten waren grundlegend dafür, dass sich der Buddhismus später, auch nach dem Ende des Maurya-Reichs, von Südostindien und Sri Lanka aus nach [[Südostasien]] ausbreitete und von Nordwestindien weiter nach [[Zentralasien]] und bis in das [[Kaiserreich China]].<ref>Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 84.</ref> Zur Bekanntmachung der neuen Ethik des Buddhismus verwandte sich Ashoka unter anderem eine Praxis, die bereits in Persien bekannt war: [[Edikt]]e, die in Felsen und [[Siegessäule]]n eingehauen und so in verschiedenen Landesteilen seines Reiches verbreitet wurden.<ref>Manfred Görgens: ''Kleine Geschichte der indischen Kunst''. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 33.</ref>

== Kunst und Kultur ==
[[Datei:Ashoka pillar at Vaishali, Bihar, India 2007-01-29.jpg|mini|Löwensäule des Ashoka in [[Vaishali (Stadt)|Vaishali]], Bihar]]
Bedeutende [[Kunstgeschichte|kunsthistorische]] Hinterlassenschaften aus der Maurya-Zeit sind vor allem die [[Siegessäule]]n der Maurya. Sie sind zwar [[persisch]] beeinflusst, haben aber einen eigenen Stil durch den glänzend polierten Schaft, das Fehlen einer [[Basis (Architektur)|Basis]] und den umgestülpten [[Lotosblumen|Lotuskelch]] als [[Kapitell]]. Besonders bekannt ist die Ashoka-Säule, die durch Löwen gekrönt wird, heute das Wappen des Staates Indien. Neben Löwen trugen eine Reihe von Ashoka-Säulen auch das „Rad der Lehre“ (''dharmachakra'') an der Spitze.<ref>Manfred Görgens: ''Kleine Geschichte der indischen Kunst''. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 33.</ref>

Unter Ashoka entwickelte sich auch eine Bautätigkeit, so ließ er Unterkünfte für buddhistische Mönche in Felsenhöhlen anlegen oder einfache [[Kloster|Klöster]] (''viharas'') aus Ziegeln erbauen. Unter Ashoka wurden auch eine Vielzahl von [[Stupa]]s errichtet, buddhistische Bauwerke, die [[Buddha]] selbst und seine Lehre symbolisieren sollten. Vorläufer der Stupas unter Ashoka waren kreisförmig aufgeschüttete [[Grabhügel]], die ursprünglich der Bestattung von Herrschern dienten. In späteren Stupas bewahrte man die Asche Buddhas auf. Stupas wurden so [[Ritual|rituelle]] Zentren der Buddhaverehrung.<ref>Manfred Görgens: ''Kleine Geschichte der indischen Kunst''. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 37–38.</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Hermann Kulke]], [[Dietmar Rothermund]]: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' Broschierte Sonderausgabe, durchgesehen und aktualisiert. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54997-7.
* [[Hermann Kulke]], [[Dietmar Rothermund]]: ''Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute.'' 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5.
* [[Romila Thapar]]: ''The Penguin History of Early India. From the Origins to AD 1300.'' Penguin, London u.&nbsp;a. 2003, ISBN 0-14-028826-0.
* [[Romila Thapar]]: ''The Penguin History of Early India. From the Origins to AD 1300.'' Penguin, London u.&nbsp;a. 2003, ISBN 0-14-028826-0.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Mauryan Empire|Maurya-Reich}}
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{{Wiktionary}}
* [http://puratattva.in/2012/06/08/the-mauryas-part-2-1609.html ''Geschichte des Maurya-Reichs''] (englisch)
* [http://puratattva.in/2012/06/08/the-mauryas-part-2-1609.html ''Geschichte des Maurya-Reichs''] (englisch)
* [http://www.anythinganywhere.com/commerce/coins/coinpics/indi-punch.html ''altindische Münzen, u.&nbsp;a. von den Maurya'']
* [http://www.anythinganywhere.com/commerce/coins/coinpics/indi-punch.html ''altindische Münzen, u.&nbsp;a. von den Maurya'']

Aktuelle Version vom 7. Februar 2024, 10:31 Uhr

Silbermünze des Maurya-Reichs
Die Ausdehnung des Maurya-Reiches, 260 v. Chr.

Die Maurya (Sanskrit मौर्य maurya) waren eine altindische Dynastie, im Zeitraum zwischen 320 und 185 v. Chr., deren Reich die Nachfolge des Nanda-Staates antrat. Gegründet um 320 v. Chr. von Chandragupta Maurya († um 297 v. Chr.), hatte das Reich seinen Ausgangspunkt in Magadha, was das indische Kernland von der Antike bis zum indischen Frühmittelalter darstellte. Besondere Bedeutung und seine größte Ausdehnung erreichte das Maurya-Reich unter Ashoka, der in seinem Reich und in den angrenzenden Ländern für die Ausbreitung des Buddhismus sorgte.

Geschichte

Chandragupta

Der Aufstieg des ersten Maurya-Herrschers, Chandragupta Maurya, begann einige Jahre nach dem Einfall Alexanders des Großen in Indien. Chandragupta kämpfte gegen die von Alexander dem Großen im Industal zurückgelassenen Garnisonen. Wann und unter welchen Umständen es ihm gelang, Pataliputra einzunehmen und den letzten Nanda-König zu stürzen, ist unbekannt. Um 320 v. Chr. scheint der Umsturz stattgefunden zu haben, mit dem Chandragupta die Herrschaft übernahm. Somit wurde das Nandareich, nach griechischen und indischen Quellen, wenige Jahre nach Alexanders Einfall in Indien von dem Mauryareich unter Chandragupta und seinem Mentor Kautilya abgelöst.[1]

Bekannt ist Chandragupta auch durch einen Vertrag mit dem Alexandernachfolger Seleukos I. Nikator. In Indien schloss Seleukos 303 v. Chr. einen Frieden mit Chandragupta (griech. Sandrokottos), dem ersten Vertreter der Maurya-Dynastie in dieser Zeit, indem Seleukos auf einen Teil des Herrschaftsgebietes verzichtete und im Gegenzug 500 Kriegselefanten erhielt. Seleukos war im Hindukusch einmarschiert, um auch dort das Erbe Alexanders anzutreten. Chandragupta trat ihm im Punjab erfolgreich entgegen. Gegen den Austausch der Kriegselefanten erhielt Chandragupta 303 v. Chr. alle Gebiete östlich von Kabul (die antiken Regionen Gedrosien, Arachosien, Gandhara und Paropamisaden).[1]

Seleukos schickte den Gesandten Megasthenes im Jahre 302 v. Chr. an den Hof Chandraguptas. Megasthenes verfasste einen umfangreichen Bericht über das indische Reich. So schildert er z. B. sieben Berufsgruppen, die im indischen Leben eine Rolle spielen. Er berichtet, dass der König Eigentümer allen Landes sei. Für die politische Organisation spielen Spione und Aufpasser eine große Rolle. Es entsteht der Eindruck eines straff organisierten Staates. Die Beobachtungen von Megasthenes beziehen sich jedoch primär auf die Hauptstadt und das unmittelbare Hinterland.[2]

Im Nordwesten grenzte das Maurya-Reich an das griechisch geprägte Reich der Seleukiden. Die Zugehörigkeit der Satrapien wurde in der jeweils vorchristlichen Zeitrechnung angegeben.

In einem Atemzug mit der Politik Chandraguptas wird sein Minister Kautilya (oder Chanakya) genannt, der Autor des Arthashastras. Das Reich Chandraguptas scheint eine direkte Umsetzung der im Arthashastra geforderten politischen Maxime zu sein. Die von Megasthenes erwähnten Spione empfiehlt Kautilya auch im Arthashastra als Mittel der Politik.[3]

Angeblich soll Chandragupta sich dem Jainismus zugewandt haben. Die jainistische Überlieferung erzählt, er habe sich in Karnataka zu Tode gefastet.[4]

Bindusara

Unter Chandraguptas Sohn Bindusara (um 297–268 v. Chr.) nahm die Reichserweiterung ihren Fortgang und fand mit der Eroberung des Königreichs Kalinga (Gebiet des heutigen Orissa) unter Kaiser Ashoka (268–232 v. Chr.) ihren Abschluss. An seinem Hof erschienen auch griechische Gesandte, so Daimachos im (3. Jahrhundert v. Chr.) und (eventuell) Dionysios, die wie Megasthenes heute verlorene Werke über Indien verfassten (Indika).[4] Im Fall des Dionysios ist es allerdings unklar, bei welchem indischen Herrscher er als Gesandter fungierte; vielleicht handelte es sich auch um Ashoka.

Ashoka

Die mögliche Einflusszone des Maurya-Reiches in seiner größten territorialen Ausdehnung zur Zeit Kaiser Ashokas 268 bis 232 v. Chr.

Samrat Ashoka, ein jüngerer Sohn Bindusaras, verdrängte in einem Staatsstreich mit Hilfe seines Ministers Radhagupta seine Brüder, und übernahm selbst die Macht. Unter diesem Kaiser entfaltete sich die Maurya-Dynastie zum größten Reich der indischen Antike, das den gesamten indischen Subkontinent bis in den äußersten Süden, und zudem Teile des heutigen Pakistans und Afghanistans umfasste. Allerdings schließt man aus dem Fehlen von Inschriften im Dekhan auf regionale Schwachpunkte im Machtgefüge.[5]

Unter Ashoka erreichte das Maurya-Reich seine größte Ausdehnung. Die Fläche wird auf etwa 5.000.000 km² geschätzt und die Einwohnerzahl auf etwa 50–60 Millionen, was es zu einem der bevölkerungsreichsten Reiche der Antike macht.[6]

Der Kaiser – nach der extrem blutigen Eroberung von Kalinga in eine tiefe Krise geraten – konvertierte zum Buddhismus und gestaltete seine Politik fortan nach den Prinzipien der Lehre Buddhas, in der Friedfertigkeit und Toleranz die obersten Leitziele darstellen. Er schuf damit das erste aus der Geschichte bekannte Staatswesen, in dem Gewaltverzicht und soziale Wohlfahrt die tragenden Säulen einer gerechten Politik darstellen.[7]

Das Reich endete mit der Entmachtung des letzten Maurya von Magadha, Ashokas Enkel Brihadratha, durch seinen General Pushyamitra 185 v. Chr. Dieser begründete auf den „Ruinen“ des Maurya-Reiches die Shunga-Dynastie, über die jedoch, trotz einer 112-jährigen Herrschaftszeit, aufgrund von Quellenarmut sehr wenig bekannt ist.[8]

Maurya-Herrscher

  • Chandragupta Maurya (321/320–ca. 297 v. Chr.)
  • Bindusara (297–268 v. Chr.)
  • Ashoka (268–232 v. Chr.)
  • Kunala und Dasaratha (232–224 v. Chr.)
  • Samprati (224–215 v. Chr.)
  • Salisuka (215–202 v. Chr.)
  • Devadharama (Devadharman) (202–195 v. Chr.)
  • Satadhanvan (Satamdhanu) (195–187 v. Chr.)
  • Brihadratha (187–185 v. Chr.)

Staat, Gesellschaft und Wirtschaft

Megasthenes, einem Gesandten des Seleukos am Hof des Chandraguptas, verdankt die historische Forschung einen der ausführlichsten Berichte über den Aufbau der Gesellschaft im Maurya-Reich während der Herrschaft Chandraguptas um 300 v. Chr. Auch wenn der Originaltext nicht überliefert ist, so gibt es doch lange Passagen seines Textes, die von mehreren klassischen Autoren zitiert werden.

Megasthenes beschreibt in seinem Bericht über das indische Maurya-Reich sieben Stände oder Berufsgruppen: Philosophen (vermutlich die Brahmanen), Bauern (der zahlenmäßig größte Stand), Hirten, Kunsthandwerker, Krieger, die „Aufpasser“ (Spione, die dem König über die Vorgänge im Reich Bericht erstatten) und schließlich die Ratgeber und Beisitzer des Königs (wozu auch Angehörige der Gerichtshöfe und Verwaltung gezählt werden). Bemerkenswert an Megasthenes Bericht ist die Aussage, dass alles Land dem König gehöre. So müssen die Bauern dem König einen Pachtzins für ihr Land sowie ein Viertel ihres Ertrags an die Staatskasse zahlen. Die Kunsthandwerker wiederum erhalten Getreide aus dem königlichen Speicher, während den Kriegern die Ernährung der Kriegspferde und -elefanten bezahlt wird. Außerdem ist für die Forschung plausibel, dass Spione und Aufpasser als Herrschaftsinstrumente eingesetzt wurden.[9]

Eine weitere wichtige Quelle über das öffentliche Leben und die Wirtschaft des Maurya-Reiches ist das Staatslehrbuch Arthashastra von Kautilya, ein Mitstreiter Chandraguptas. Weil die heutige Forschung es eher für wahrscheinlich betrachtet, dass Kautilya in dem Arthashastra seine eigenen Vorstellungen und Erfahrungen zum politischen Handeln lehrbuchartig darstellt als ein exaktes Abbild des Maurya-Staates, ist das Arthashastra als Quelle zu Politik und Gesellschaft des Maurya-Reichs nur begrenzt von Wert. Dennoch kann aus dem Werk vermutlich geschlossen werden, dass das Maurya-Reich ein effizient organisierter, zentral regierter Staat war, in dem Landwirtschaft, Bergbau, Handel und Handwerk eine wirtschaftlich große Rolle spielten. Durch das Werk des Kautilya wird noch einmal bestätigt, dass die Maurya-Könige Spione zur Machtstabilisierung einsetzen.[10][11]

Aus der Herrschaftszeit von Ashoka sind eine Vielzahl von in Fels gehauene Ankündigungen, Anordnungen und Edikte überliefert (sog. Ashoka-Edikte). Aus den bis heute erhaltenen Felsinschriften kann die Geschichtsforschung Rückschlüsse auf Ashokas Politik und die staatliche Entwicklung des frühen Indiens ziehen. So geht aus den Inschriften hervor, dass das Reich unter Ashoka in fünf große Bereiche oder Provinzen eingeteilt war, mit Magadha und seiner Reichshauptstadt Pataliputra als Kerngebiet. Dieses Kerngebiet unterstand der direkten Herrschaft der Mauryas. Außerdhalb dieses Kerngebietes gab es vier Großprovinzen, über die weitere Herrscher als Vizekönige oder Gouverneure regierten, und in Taxila im Nordwesten, in Kalinga im Osten, im Westen in Ujjain und im Süden in Suvarnagiri bei Kurnool. Diese Großprovinzen waren wiederum in Unterprovinzen oder Großdistrikte unterteilt, die von Distriktbeamten verwaltet wurden.[12]

Religion

Muttergottheit in Terrakotta aus der Maurya-Zeit um 200 v. Chr., Ausstellungsstück im Asian Civilisations Museum, Singapore

Im Norden Indiens, dem Kerngebiet des Maurya-Reiches, hatte sich die vedische Religion ausgebreitet (die später, nach dem Untergang des Maurya-Reiches, in den Hinduismus überging). Historiker gehen davon aus, dass die vedischen Götter zur Zeit der Maurya schon an Bedeutung verloren haben. Durch den Bericht des griechischen Diplomaten Megasthenes vom Hof des Chandragupta weiß man, dass es Kulte um Götter wie Shiva und Krishna gab, die jedoch schließlich von den Brahmanen in die vedische Götterwelt eingebunden wurden. Daneben verehrte die Landbevölkerung eine Vielzahl von anderen Göttern, Geistern und Dämonen, etwa die Muttergöttin, Schlangengötter und -göttinnen (naga und nagini), Dämonen, Erdkräfte und Baumgeister.[13]

Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr., der Zeit der Städteentwicklung, ermöglichte ein zunehmenden Wohlstand und gesellschaftlicher Wandel mehr Individualismus, auch in religiösen Fragen. So entstanden neue, zunächst mönchisch geprägte Religionsformen, wie der Jainismus und der Buddhismus, die von einer wohlhabenden städtischen Elite unterstützt werden konnten.[14] Von Chandragupta, dem ersten Maurya-Herrscher, ist überliefert, dass er sich dem Jainismus zuwandte.

Religionsgeschichtlich bedeutender ist das Interesse Ashokas, seines Nachfahren, am Buddhismus. Ashoka wurde ein Förderer des Buddhismus, durch dessen Missionstätigkeit sich der Buddhismus nicht nur im Kernreich der Maurya ausbreitete, sondern auch in Südostindien und Sri Lanka (durch Ashokas Bruder oder Sohn Mahinda) sowie in Nordwestindien. Diese Missionsaktivitäten waren grundlegend dafür, dass sich der Buddhismus später, auch nach dem Ende des Maurya-Reichs, von Südostindien und Sri Lanka aus nach Südostasien ausbreitete und von Nordwestindien weiter nach Zentralasien und bis in das Kaiserreich China.[15] Zur Bekanntmachung der neuen Ethik des Buddhismus verwandte sich Ashoka unter anderem eine Praxis, die bereits in Persien bekannt war: Edikte, die in Felsen und Siegessäulen eingehauen und so in verschiedenen Landesteilen seines Reiches verbreitet wurden.[16]

Kunst und Kultur

Löwensäule des Ashoka in Vaishali, Bihar

Bedeutende kunsthistorische Hinterlassenschaften aus der Maurya-Zeit sind vor allem die Siegessäulen der Maurya. Sie sind zwar persisch beeinflusst, haben aber einen eigenen Stil durch den glänzend polierten Schaft, das Fehlen einer Basis und den umgestülpten Lotuskelch als Kapitell. Besonders bekannt ist die Ashoka-Säule, die durch Löwen gekrönt wird, heute das Wappen des Staates Indien. Neben Löwen trugen eine Reihe von Ashoka-Säulen auch das „Rad der Lehre“ (dharmachakra) an der Spitze.[17]

Unter Ashoka entwickelte sich auch eine Bautätigkeit, so ließ er Unterkünfte für buddhistische Mönche in Felsenhöhlen anlegen oder einfache Klöster (viharas) aus Ziegeln erbauen. Unter Ashoka wurden auch eine Vielzahl von Stupas errichtet, buddhistische Bauwerke, die Buddha selbst und seine Lehre symbolisieren sollten. Vorläufer der Stupas unter Ashoka waren kreisförmig aufgeschüttete Grabhügel, die ursprünglich der Bestattung von Herrschern dienten. In späteren Stupas bewahrte man die Asche Buddhas auf. Stupas wurden so rituelle Zentren der Buddhaverehrung.[18]

Literatur

Commons: Maurya-Reich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Maurya-Reich – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 78.
  2. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 78–79.
  3. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 79–80.
  4. a b Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 81.
  5. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 86–88.
  6. Dirk Bronger, Lutz Trettin: Megastädte – Global Cities HEUTE: Das Zeitalter Asiens? (= Asien – Wirtschaft und Entwicklung. 5). LIT, Münster 2011, ISBN 978-3-6431-1158-6, S. 131.
  7. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 83.
  8. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 89–90.
  9. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 79.
  10. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 79–81.
  11. Herman Kulke: Der Maurya-Staat (4. bis 2. Jh. v.Chr.): Gesamtindisches Großreich oder Imperium?. In: Michael Gehler, Robert Rollinger (Hrsg.): Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche, Teil 1. Harrassowitz, Wiesbaden 2014, S. 505.
  12. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 83–86.
  13. Manfred Görgens: Kleine Geschichte der indischen Kunst. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 39.
  14. Stefano Piano: Religion und Kultur Indiens. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2004, ISBN 3-205-77195-8, S. 215–216.
  15. Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute. 3. Auflage. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72063-5, S. 84.
  16. Manfred Görgens: Kleine Geschichte der indischen Kunst. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 33.
  17. Manfred Görgens: Kleine Geschichte der indischen Kunst. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 33.
  18. Manfred Görgens: Kleine Geschichte der indischen Kunst. Dumont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1543-0, S. 37–38.