Matteo Messina Denaro

Matteo Messina Denaro (* 26. April 1962 in Castelvetrano auf Sizilien) ist ein Anführer bzw. Capo dei Capi der sizilianischen Cosa Nostra. Sein Spitzname ist U siccu (sizilianisch für „der Dürre“), er wird auch Diabolik oder Rolex[1] genannt. Auf Sizilien ist sein Vater Francesco Messina Denaro unter dem Namen Don Ciccio bekannt. Nach der Verhaftung von Salvatore Lo Piccolo 2007 gilt er als möglicher alleiniger Nachfolger von Bernardo Provenzano und Salvatore Riina[2] und damit als Nummer 1 der sizilianischen Mafia.[3]

Denaro tauchte 1993 unter.[2] Mehrere Versuche, ihn durch Razzien zu fassen, blieben zunächst erfolglos.[4] Denaro wurde am Morgen des 16. Januar 2023 auf Sizilien festgenommen.[5][6] Er war in der Privatklinik "La Maddalena" in Palermo unter falschem Namen (Andrea Bonafede) in Behandlung, als er verhaftet wurde.

Biografie

Matteo Messina Denaro wurde in eine Mafiafamilie geboren. Sein Vater Francesco Messina Denaro leitete in den 1970er Jahren die Familie von Castelvetrano. Francesco Denaro tauchte ebenfalls unter und starb 1998 im Untergrund. Die Provinz Trapani galt neben Palermo als stärkste Basis der Cosa Nostra. Mit 14 Jahren lernte Matteo Messina Denaro zu schießen; mit 18 beging er seinen ersten Mord und stieg schnell in der sizilianischen Mafia auf. Seit 1992 gehört er zur Führungsriege der Cosa Nostra. Er arbeitete mit anderen Führungsmitgliedern wie Bernardo Provenzano († 2016) und Totò Riina († 2017) zusammen. Denaro gehörte stellvertretend sowohl zum Gremium, welches die Attentate auf Giovanni Falcone und Paolo Borsellino beschloss, als später auch zum nachfolgenden „Direktorium“ Provenzanos. 1993 tauchte Matteo Messina Denaro mit 31 Jahren unter und war bis zu seiner Verhaftung 2023 flüchtig.[7]

Im Mai 2002 wurde er für seine Mittäterschaft bei diesen Attentaten in Abwesenheit zu keiner lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch an einer Attentatswelle auf dem italienischen Festland in den Jahren 1993–1995 war er aktiv beteiligt. 1993 wurde in einem durchsuchten Haus in Mazara del Vallo ein Liebesbrief von Denaro an seine vormalige Freundin gefunden, in dem stand:

„Ich muss gehen, aber ich kann dir die Gründe dafür nicht erklären. Momentan spricht vieles gegen mich. Ich kämpfe für eine Sache, welche in dieser Zeit noch nicht verstanden werden kann. Aber eines Tages werden die Menschen sehen, dass ich auf der richtigen Seite gestanden habe.“

Die Inhalte weiterer Briefe aus den Jahren 2005 und 2006 wurden später veröffentlicht. Darin lästerte er über den „alten Provenzano“, klagte darüber, dass die Justiz „verrottet“ sei, es keine „Rassen-Politiker“ mehr gäbe und die Cosa Nostra an Bedeutung verloren habe. Zugleich kündigte er an: „Man wird noch viel von mir sprechen.“

Neben der italienischen Polizei suchte auch das amerikanische FBI nach ihm. Das FBI sieht in ihm einen der gefährlichsten Drogenhändler der Welt und fahndete nach ihm. Er soll enge Kontakte zu großen Drogenhändlern in Kolumbien und zur kalabrischen ’Ndrangheta unterhalten. Seit der Verhaftung von Bernardo Provenzano im Jahr 2006 galt er als ein möglicher neuer Kopf der Cosa Nostra. Messina Denaro war der Capomafia der Provinz Trapani, seit Vincenzo Virga im Jahr 2001 festgenommen wurde. Bis dahin nur capo-mandamento von Castelvetrano und dem umgebenden Territorium, schweißte Messina Denaro die ganze Provinz zu einem einzigen Mandamento unter seinem Kommando zusammen. Insbesondere nach der Festnahme Salvatore Lo Piccolos im Jahr 2007 soll er zudem auch an Einfluss in der Provinz Palermo gewonnen haben. Mit der Familie von Brancaccio (einem Stadtteil von Palermo) unterhält er enge Verbindungen; mit Giuseppe und Fillippo Guttadauro, den Regenten der Familie, ist er durch Heirat verwandt. Im Jahr 2000 entging er nur knapp der Festnahme auf dem Territorium von Brancaccio; zudem fand man heraus, dass er sich eine Zeitlang auch in der traditionellen Mafia-Hochburg Bagheria versteckt gehalten hatte. Mitte 2010 wurde sein Bruder Salvatore Messina Denaro verhaftet, der als Mittler und enger Vertrauter für Matteo fungierte.

Italienischen Ermittlern zufolge hat Denaro im Lauf seiner Verbrecher-Karriere mindestens 50 Menschen persönlich umgebracht oder umbringen lassen. Hierbei handelt es sich bspw. um den Mord an Vincenzo Milazzo und dessen Freundin Antonella Bonomo. Milazzo war ein Mafiakollege auf der gleichen Seite wie Messina Denaro, allerdings hatte er das Vertrauen seiner eigenen Leute verloren. Eine ganze Reihe von Mafiamitgliedern, unter anderem auch Leoluca Bagarella, der Schwager Salvatore Riinas, waren an dem Doppelmord beteiligt. Zum Erwürgen der Frau nutzten sie ein Seil.[8][9] Im November 1993 soll Denaro an der Entführung des 12 jährigen Jungen Giuseppe Di Matteo beteiligt gewesen sein, der 779 Tage von der Mafia festgehalten wurde, damit sein Vater eine Aussage zum Mord an dem italienischen Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone zurückziehe.[7] Giuseppe Di Matteo wurde am Ende erdrosselt und sein Körper in Säure aufgelöst.[9]

Ermittlungen und Festnahme

Die Behörden versuchten viele male Messina Denaro habhaft zu werden. Behhördenvertreter sagten, Denaro habe ein Netz von Komplizen in Sizilien gehabt, speziell in der Region wim Westen von Trapani.[7]

Die einzige Szimmaufnahem von Denaro stammte von einer Gerichtsverhandlung in Palermo in dne 1990er Jahren sowie ein hangeschriebener Liebesbrief, den er vor seinem Untertauchen 1993 verfasst hatte (siehe oben).[7]

Am 13. März 2018 wurden zwölf Männer gefasst, die mit Denaro in Verbindung gestanden haben sollen.[10] Wegen seiner Beteiligung an Bombenanschlägen im Jahr 1992, bei denen die gegen die Mafia vorgehenden Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino sowie sieben weitere Menschen getötet und hundert verletzt wurden, verurteilte ein Gericht auf Sizilien Denaro im Oktober 2020 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft.[2][9]

Am 16. Januar 2023 wurde Denaro in einer Privatklinik in Palermo von der Carabinieri-Spezialeinheit ROS festgenommen, nachdem er seit 1993 auf der Flucht war. Er leistete keinen Widerstand. Seine Verhaftung erfolgte 30 Jahre nach der des Cosa-Nostra-Führungsmitglieds Salvatore Riina, der am 15. Januar 1993 ebenfalls in Palermo in Gewahrsam genommen worden war. Denaro hatte sich in der Klinik einer Chemotherapie unterzogen und stand bei seiner Festnahme gerade für den COVIDTest an.[7] He briefly tried to flee.Die Ermittlungen, die zur Festnahme von Denaro führten, wurden von den Staatsanwälten Maurizio de Lucia und Paolo Guido aus Palermo geleitet.[6][9][11]

Als Reaktion auf seine Verhaftung flog Italiens Premieministerin Giorgia Meloni nach Sizilien um Polizei und Staatsanwaltschaft zu gratulieren.[7] Auch Staatspräsident Sergio Mattarella, dessen Bruder Piersanti Mattarella 1980 von der Mafia ermordet wurde, gratulierte den Behörden.[7]

Mystifizierung

Denaro galt seit seinem Untertauchen im Juni 1993 als Fantasma (Gespenst). Keine Überwachungskamera hatte je sein Gesicht aufgenommen, es lagen keine Stimmdokumete vor. Es existierten nur einige jahrzehntealte Fotos von ihm.[9]

Messina Denaro kommunizierte wie sein Vorgänger Bernardo Provenzano unter anderem über sogenannte Pizzini, über die er codierte Befehle an seine Untergebenen gab.[9]

Einzelnachweise

  1. Profiteur der Krise: Die neue Mafia. In: Süddeutsche Zeitung. 21. Juli 2011, abgerufen am 21. Juli 2011 (englisch).
  2. a b c Meistgesuchter Mafia-Boss Italiens zu lebenslanger Haft verurteilt. In: spiegel.de. 21. Oktober 2020, abgerufen am 16. Januar 2023.
  3. Rai – Chi l'ha visto: Fahndungsaufruf für Matteo Messina Denaro (Memento vom 15. Mai 2008 im Internet Archive)
  4. Mafiaboss Denaro geht Einsatzkräften durchs Netz. In: spiegel.de. 1. Oktober 2021, abgerufen am 16. Januar 2023.
  5. Matthias Rüb (FAZ): „Wir hatten keine Ahnung, dass wir Messina Denaro in Behandlung hatten“
  6. a b Arrestato Matteo Messina Denaro. In: ansa.it. 16. Januar 2023, abgerufen am 16. Januar 2023 (italienisch).
  7. a b c d e f g Gaia Pianigiani: Mafia Boss Arrested in Italy After Eluding Capture for 30 Years. In: The New York Times. 16. Januar 2023, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 16. Januar 2023]).
  8. Salvatore Mugno: Matteo Messina Denaro. Un padrino del nostro tempo. Massari Editore, Bolsena 2011, S. 92–95.
  9. a b c d e f Matteo Messina Denaro: Italiens meistgesuchter Mafiaboss festgenommen. In: Der Spiegel. 16. Januar 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. Januar 2023]).
  10. Mafia: soldi clan per latitanza Messina Denaro. 13. März 2018, abgerufen am 23. September 2021 (italienisch).
  11. Matthias Rüb: Der „Boss der Bosse“ wurde verhaftet. In: faz.net. 16. Januar 2023, abgerufen am 16. Januar 2023.