Labyrinth

Labyrinth (griech.: labyrinthos, ein Lehnwort aus einer vorgriechischen Sprache. Evtl. von karisch(?) labrys Doppelaxt, Haus der Labrys) bezeichnet:

  1. ein Symbol
  2. in der griechischen Mythologie ein von Daidalos für den kretischen König Minos von Knossos errichtetes Gebäude, aus dessen verschlungenen Gängen niemand herausfand und in dessen Innern der Minotauros gefangen war. Theseus vermochte mit Hilfe des Ariadnefadens den Weg zu finden.
  3. bei Herodot (II 148) ein gewaltiges Bauwerk in Ägypten.
  4. in der Kunstgeschichte ein in den Fußboden von Kirchen eingelegte Figur nach dem Grundriss eines Labyrinths, die den Weg des Büßers nach Jerusalem symbolisiert.
  5. in der Anatomie den als Gehörorgan und Gleichgewichtsorgan dienenden inneren Teil des Ohrs bei Wirbeltieren und Menschen
  6. eine Anzahl von Filmen aus den Jahren 2003, 2002, 1999, 1997, 1991, 1986, 1985, 1979, 1976 und 1959); der wohl bekannteste daraus ist der Fantasy-Film Die Reise ins Labyrinth von Jim Henson aus dem Jahr 1986 (OT: Labyrinth; mit David Bowie und Jennifer Connelly).
  7. eine Form des Rätsels
  8. ein Gesellschaftsspiel (Das verrückte Labyrinth)

Labyrinthe kamen als rituelle oder heilige Anlagen der Frühzeit weltweit vor: in Indien, Australien, im Orient, dem alten Europa, Skandinavien, Mittel- und Südamerika wurden Rasen- und Steinlabyrinthe gefunden, die ihrem Alter nach von der so genannten Megalithkultur stammen könnten. Bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. war die Labyrinththematik in Ägypten bekannt. Der Totentempel des Königs Amenemhet III. (1844 - 1797) mit vermutlichen 3000 Räumen legt darüber ein Zeugnis ab. Labyrinthe wurden u.a. auch auf kretische Münzen geprägt , in römische Fußbodenmosaike eingearbeitet. Mittelaterliche Labyrinthe finden sich in vielen Kathedralen, beispielsweise in Notre-Dame de Chartres, in Notre-Dame de Amiens und im Dom von Siena als Fußbodenlabyrinthe. Ein Fingerlabyrinthe befindet sich am Eingang des Doms in Lucca, Norditalien.

Das Motiv der Legende von Minothaurus gilt für einige modernere Labyrinthdarstellungen als Anstoß. Der quadratische Mäander gilt als die allgemeine Grundform des Labyrinthes.

Häufig ist der Eingang bei begehbaren historischen Labyrinthen im Westen zu finden, der für die Kelten die Richtung des Todes oder den Eingang zur Anderswelt bzw. Unterwelt bedeutete. Der Weg in einem Labyrinth symbolisiert seit jeher Meditation und Erneuerung. Er stellt das Abbild einer verschlungenen Lebensbahn und zugleich den Weg in das Innere Selbst dar, die zur Umkehr bzw. zum Überdenken des eigenen Lebens auffordern. Erlösung verspricht das Finden der Mitte als Zentrum des Labyrinthes. Der Pfad eines kirchlichen Fußbodenlabyrinths galt als heilige bzw. magische Linie, die mit Bedacht und Konzentration, meist mit einer Kerze in der einen Hand, abgeschritten werden sollte. In Reims ist dieser rituelle Weg mehr als 1 km lang. Ingesamt kann man sagen, dass das Labyrinth als magischer Platz der Ruhe und Besinnung galt, an dem Augenblicke der Erleuchtung und Einkehr gesucht wurden.

Labyrinthe werden oft mit Irrgärten verwechselt, da der Begriff des Labyrinthes ursprünglich ein Gebäude mit verwirrenden Gängen bezeichnete, aus dem ein Entrinnen nicht möglich schien. Im Gegensatz zum Irrgarten gibt es im Labyrinth seit dem 16. Jahrhundert immer nur einen Weg. Dieser kann zwar sehr verschlungen und lang sein, aber es gibt keine Abzweigungen. Die insbesondere in Großbritannien sehr beliebten Heckenanlagen in Parks mit vielen Abzweigungen sind Irrgärten. Auch das oben erwähnte Gesellschaftspiel hat als Spielplan eigentlich einen Irrgarten. Irrgärten vermitteln ein wenig die Gefahr, sich zu verirren, aber auch die Spurensuche. Sie haben meist mehrere Wege, die sich kreuzen können, und mehrere Sackgassen. Irrgärten wurden von Königshäusern auch zur Erholung und zum reinen Zeitvertreib als Lustgärten angelegt.

Römisches Labyrinth

Fingerlabyrinth am Dom in Lucca

Literatur

  • John Kraft: Die Göttin im Labyrinth. edition amalia, Bern, 1997