„Kritik am Intelligenzbegriff“ – Versionsunterschied

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Intelligenz ist [[per definitionem]] [[Standardnormalverteilung|normalverteilt]] im Sinne einer Standardnormalverteilung nach Gauss (Glockenkurve). Erst entsprechende Aufgabenauswahl und Testkonstruktion lässt diese Normalverteilungsform erreichen. Sie ist ein willkürliches Kriterium, welches ein "guter" Intelligenztest erfüllen muss. Diese Normalverteilungsannahme geht auf [[Francis Galton]] zurück. Diese ging davon aus, dass die Begabung in einer Gesellschaft (ähnlich wie biologische Merkmale, wie zum Beispiel die Körpergröße) normalverteilt sei. Ähnlich wie es in einer Gesellschaft viele Leute von mittlerer Größe gibt und nur wenige sehr kleine und wenige sehr große, ging Galton davon aus, dass es in einer Gesellschaft viele mittelmäßig begabte Menschen gebe, aber nur wenig sehr begabte und wenig sehr unbegabte. Diese Annahme wurde von Galtons Schülern übernommen und als schließlich die ersten Intelligenztests konstruiert wurden, wurde ebenfalls von dieser Annahme ausgegangen, die bis heute in der Intelligenztestkonstruktion eine Rolle spielt. Kritiker beklagen den ''Biologismus'' dieser Annahme.<ref>Christiane Schmerl (1978): Sozialisation und Persönlichkeit - Zentrale Beispiele zur Soziogenese menschlichen Verhaltens. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag; S. 61 und 82</ref>
Intelligenz ist [[per definitionem]] [[Standardnormalverteilung|normalverteilt]] im Sinne einer Standardnormalverteilung nach Gauss (Glockenkurve). Erst entsprechende Aufgabenauswahl und Testkonstruktion lässt diese Normalverteilungsform erreichen. Sie ist ein willkürliches Kriterium, welches ein "guter" Intelligenztest erfüllen muss. Diese Normalverteilungsannahme geht auf [[Francis Galton]] zurück. Dieser ging davon aus, dass die Begabung in einer Gesellschaft (ähnlich wie biologische Merkmale, wie zum Beispiel die Körpergröße) normalverteilt sei. Ähnlich wie es in einer Gesellschaft viele Leute von mittlerer Größe gibt und nur wenige sehr kleine und wenige sehr große, ging Galton davon aus, dass es in einer Gesellschaft viele mittelmäßig begabte Menschen gebe, aber nur wenig sehr begabte und wenig sehr unbegabte. Diese Annahme wurde von Galtons Schülern übernommen und als schließlich die ersten Intelligenztests konstruiert wurden, wurde ebenfalls von dieser Annahme ausgegangen, die bis heute in der Intelligenztestkonstruktion eine Rolle spielt. Kritiker beklagen den ''Biologismus'' dieser Annahme.<ref>Christiane Schmerl (1978): Sozialisation und Persönlichkeit - Zentrale Beispiele zur Soziogenese menschlichen Verhaltens. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag; S. 61 und 82</ref>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 25. Dezember 2008, 20:16 Uhr

Der Begriff der Intelligenz, wie er in der differentiellen Psychologie verwendet wird, erfährt häufig Kritik von verschiedenen Seiten. Eine grundsätzliche Kritik am IQ-Begriff formulierte bereits Theodor W. Adorno im Artikel no. 126 seiner Minima Moralia (1946/47).

Oft wird kritisiert, dass Intelligenztests, und damit die allgemein verwendete Definition von „Intelligenz“ als eine Reihe bestimmter kognitiver Fähigkeiten, Personen und besonders Kinder aus niedrigen sozialen Schichten oder auch Minderheiten wie Afroamerikaner benachteilige. Andere Kritiker sprechen diesen Tests völlig den Anspruch ab, Intelligenz messen zu können oder kritisieren in ihren Augen schwere methodische Fehler.

Soziale Diskriminierung

Leute aus den unteren Sozialschichten und deren Kinder erreichen auf standardisierten Intelligenztests einen niedrigeren IQ als Leute aus den oberen Sozialschichten und deren Kinder.[1] Es wird diskutiert, ob dies daran liegt, dass traditionelle Intelligenztests gegenüber Arbeitern und deren Kindern unfair sind[2]

Anastasi berichtet etwa, dass auf den traditionellen Intelligenztests Ober- und Mittelschichtskinder stets besser abschneiden als Arbeiter- und Unterschichtskinder. Jedoch gibt es auch Tests, auf denen Unterschichtskinder anderen voraus sind. Dazu gehört beispielsweise der Minnesota Mechanical Assembly Test (etwa: Minnesota-Test für mechanisches Zusammenbauen), der mechanische Fähigkeiten testet. Den Probanden wird als Bewertung ein T-Score zugeordnet. Je höher dieser ist, desto besser sind die Fähigkeiten. Die Mittelwerte dieses Tests weisen keine konsistente Beziehung zum Sozialstatus auf, Unterschichtskinder erzielten aber durchweg die besten Ergebnisse. Als eine mögliche Ursache wird angesehen, dass Unterschichtssöhne mehr Erfahrung im Umgang mit mechanischen Objekten hinter sich haben und somit mit den Aufgaben dieses Tests vertrauter sind.[3]

Janke und Havighurst: Intelligenztests diskriminieren Kinder unterer Schichten

Ergebnisse der Studie von Janke und Havighurst[4]
Schicht der Eltern
(A ist die höchste)
Stanford-Binet-Test
(IQ) im Alter von 16 Jahren
Ergebnisse beim Minnesota Mechanical Assembly Test
im Alter von 16 Jahren (T-Score)
A & B12846,8
C11251,6
D10448,8
E9853,0
Alle10850

Die Studie von Janke und Havighurst, die bereits 1945 stattfand, gilt als wegweisend. Die Verfasser testeten Kinder und Jugendliche aus „einer typischen Stadt im mittleren Westen der USA“ mit verschiedenen Intelligenztests. Bei den meisten Tests schnitten Unterschichtskinder deutlich schlechter ab als Kinder der Ober- oder Mittelschicht. Nur beim Minnesota Mechanical Assembly Test konnten die Unterschichtenkinder bessere Ergebnisse vorweisen.[4]

Die Tabelle rechts zeigt beispielhaft die Ergebnisse von zwei Tests, welche mit 16jährigen aus verschiedenen Herkunftsschichten durchgeführt wurden: Des Stanford-Binet-Test, einem klassischen IQ-Test (bei dem die Schichtunterschiede sehr ausgeprägt sind), und die des Minnesota Mechanical Assembly Test, der mechanische Fähigkeiten testet.

Es zeigte sich also, dass die Jugendlichen aus der höchsten Sozialschicht, gemessen am Stanford-Binet-Test, durchschnittlich den höchsten IQ hatten. Mit sinkender Sozialschicht nahm der IQ ab. In den beiden untersten Sozialschichten D und E besuchten zum Zeitpunkt der Testung einige Jugendliche bereits nicht mehr die Schule und wurden nicht erfasst. Es wird vermutet, dass es sich bei diesen um Jugendliche mit besonders niedrigem IQ handelt, weil Highschool-Drop-Outs, also Schüler, die die Schule ohne Abschluss vorzeitig verlassen, meistens einen niedrigen IQ haben. Die Intelligenzquotienten in den Schichten D und E sind demnach wahrscheinlich noch niedriger, als in der Studie angegeben. Darauf deutet auch der hohe insgesamte IQ-Durchschnitt hin.[4]

Der T-Score hingegen folgte nicht diesem Muster: Er war in der untersten Schicht am höchsten. Da der durchschnittliche T-Score aller Sozialschichten beim Minnesota Mechanical Assembly Test 50 war, was der erwartete Wert war, ist bei diesem Test nicht mit systematischen Verzerrungen zu rechnen.[4]

Bourdieu: Intelligenz ist klassistisch

Der Soziologe Pierre Bourdieu kritisierte den Begriff Intelligenz als klassistisch:

„Die Klassifizierung durch die Schule ist eine legitimierte und wissenschaftlich ausgewiesene soziale Diskriminierung. Hier findet man auch die Psychologie wieder, mit ihrer von Anfang an tatkräftigen Unterstützung des Funktionieren des Schulsystems. Das Auftauchen von Intelligenztests wie dem Binet-Simon-Test hängt damit zusammen, dass dank der Schulpflicht Schüler in das Schulsystem kamen, mit denen dieses Schulsystem nichts anzufangen wusste, weil sie nicht „prädisponiert“ waren, nicht „begabt“, das heißt, nicht von ihrem familialen Milieu her mit jenen Prädispositionen ausgestattet, die die Voraussetzung für das normale Funktionieren des Schulsystems sind: Kulturelles Kapital und guter Wille in bezug auf die Schulabschlüsse. Diese Tests, die die von der Schule verlangten sozialen Prädispositionen messen, sind genau dazu da, jene schulischen Verdikte im voraus zu legitimieren, durch die sie legitimiert werden; daher auch ihre Aussagekraft in bezug auf den Schulerfolg“

Pierre Bourdieu: Soziale Fragen[5]

Bourdieu rät dazu, sich auf das Problem der biologischen Grundlagen von Intelligenz erst gar nicht einzulassen, sondern dem Problem nachzugehen, welches die sozialen Bedingungen für das Auftreten einer solchen Fragestellung sind und den damit einhergehenden „Rassismus der Intelligenz“ bzw. „Klassenrassismus“ zu untersuchen.

Bourdieu ist inzwischen tot, so dass er sich nicht mehr zu aktuellen Debatten äußern kann. Die These Bourdieus, dass die „Begabungsideologie“ den Interessen privilegierter Schichten diene, wird jedoch nach Meinung von Bildungssoziologen durch die jüngsten Erhebungen der IGLU-Studie unterfüttert: Die meisten Angehörigen der hohen Dienstklasse wollen ihre Kinder unabhängig von den Lehrerempfehlungen als Gymnasiasten sehen. Und dies vor dem Hintergrund, dass bereits Lehrer überproportional die Gymnasialempfehlung für die Kinder dieser Gruppe nicht objektiv aufgrund deren kognitiver oder deren Leseleistung aussprechen, sondern beeinflusst durch deren hohe soziale Herkunft. Die Beurteilungen in der Schulformfrage für die Kinder dieser Schicht haben sich mit der Zunahme der Bedeutung des Bildungserfolges sowohl bei den privilegierten Schichten als auch bei den Lehrern weiter von deren tatsächlichen Leistungen und zugunsten deren Lebensweges verzerrt. Der Diskurs des weniger gut messbaren Werts der Begabung bzw. der Hochbegabung, ist nach Bourdieu als Legitimationswissenschaft der „herrschenden Klasse“ zu sehen.

Eysenck und Jensen: Intelligenztests bevorzugen die Mittelschicht

Die Psychologen Hans Jürgen Eysenck und Arthur Jensen sind der Meinung, dass Intelligenz vererbt ist, doch sie schließen sich der Meinung an, dass Begabungstest Arbeiterkinder nicht fair behandeln. Anders als Bourdieu sind sie der Meinung, dass Begabungstests eine genetisch bedingte Fähigkeit messen - doch, so Eysenck, messen sie nicht die ganzen Fähigkeiten einer Person. Es würden in den typischen Intelligenztest Fähigkeiten gemessen, die bei Kinder der Mittelschicht typischerweise besonders stark ausgeprägt seien. Fähigkeiten jedoch, die bei Arbeiterkindern besonders ausgeprägt seien, würden eher nicht gemessen.

Jensen und Eysenck weisen jedoch auch darauf hin, dass diese Unterschiede nur in bei den kognitiven (sog. Ebene-II-Leistungen, Level II abilities) bestehen, nicht jedoch bei den assoziativen Leistungen (sog. Ebene-I-Leistungen Level I abilities). Jensen schreibt über Unterschichtskinder mit niedrigem IQ:

„[…] viele dieser Kinder scheinen viel aufgeweckter zu sein, als ihre IQs erwarten liessen… Ein Kind der Unterschicht, das in eine neue Klasse kommt, wird sich zum Beispiel in ein paar Tagen die Namen von 20 oder 30 Kindern einprägen, wird schnell die Regeln und das Geschick verschiedener Spiele auf dem Schulhof erlernen und so weiter – Leistungen, die praktisch seinen IQ Lügen strafen, der vielleicht nicht höher als 60 ist. Dies alles hinterlässt den Eindruck, dass der Test gegenüber benachteiligten Kindern „unfair“ ist, da Mittelstandskinder auf dieser IQ-Stufe meist ein ganzes Jahr in einer Klasse verbringen, ohne die Namen von mehr als ein paar Mitschülern zu erlernen.“

Arthur Jensen: in „Die Ungleichheit der Menschen“[6]

Während sich bei traditionellen IQ-Tests große Unterschiede zwischen den Schichten finden, gibt es beim Pfadfindertest keine.[7] Bei diesem Test werden dem Kandidaten 30 Gegenstände auf einem Tablett gezeigt, das nach einer gewissen Zeit abgedeckt wird. Anschließend soll die getestete Person die Gegenstände nennen.

„Gewöhnliche IQ-Tests sind nicht als „unfair“ anzusehen in dem Sinne, daß man ein ungenaues und ungültiges Maß für die vielen benachteiligten Kinder hätte, die niedrige Scores erzielen. Wenn sie unfair sind, so deswegen, weil sie nur einen Teil des gesamten Spektrums der geistigen Fähigkeiten berühren und nicht jenen Aspekt enthüllen, der vielleicht die eigentliche Stärke des benachteiligten Kindes ist − die Fähigkeit für assoziatives Lernen […] da die traditionellen Methoden des Klassenzimmerunterrichts in Bevölkerungskreise entwickelt wurden, welche ein überwiegend mittelständisches Vorbild an Begabungen hatten, setzen sie größeren Nachdruck auf kognitives als auf assoziatives Lernen […] zum großen Nachteil für viele Kinder, deren Lernweise vorherrschend assoziativ ist. Viele der Grundfertigkeiten können durch verschiedene Mittel erworben werden, und ein Unterrrichtsschema, das einen einzigen Lernstil übermäßig herausstellt, muß bei all den Kindern magere Ergebnisse erhalten, welchen dieses Muster nicht angemessen ist.“

Arthur Jensen: in „Die Ungleichheit der Menschen“[8]

Intelligenztest bevorzugen bestimmte Ethnien und benachteiligen andere

Die Grafik zeigt die Normalverteilungskurven der IQs des schwarzen und des weißen Teils der US Bevölkerung. Nach: Social Consequences von Linda Gottfredson.

Oft wird der Vorwurf erhoben, dass es sich bei Intelligenztests um Tests handele, die in der nordamerikanischen und europäischen Mainstream-Kultur verwurzelt wären. Die Fähigkeiten anderer Völker würden dabei übersehen. Auch würden die Fähigkeiten von ethnischen Minderheiten wie etwa Afroamerikanern übersehen. Anderson führt aus:

Gerade das Konzept der Intelligenz ist in Relation zur jeweiligen Kultur zu betrachten. Was in der einen Kultur als intelligent gilt, kann in einer anderen Kultur ganz anders beurteilt werden. Beispielsweise halten die Kpelle, eine afrikanische Kulturgemeinschaft, die Art, wie in der westlichen Kultur Exemplare Kategorien zugeteilt werden (worauf einige Items in Intelligenztests beruhen) für widersinnig. Sternberg (persönliche Mitteilung) bemerkt, dass in einigen Kulturen nicht mal ein Wort für Intelligenz existiert. Allerdings bleibt die Tatsache bestehen, dass Intelligenztests eine Voraussage der Leistung in unseren (westlichen) Schulen ermöglichen. Es ist eine ausgesprochen schwierige Frage zu beurteilen, was überwiegt: dass Intelligenztests einen wertvollen Dienst bei der Zuweisung von Schülern leisten oder dass sie lediglich willkürliche kulturelle Überzeugungen durchsetzen.[9]

Auch die sogenannten kulturfreien Tests benachteiligen Personen aus Minderheitengruppen.[10] Es wird kritisiert, dass diese Tests "Vertrautheit mit der abendländischen Logik" voraussetzen würden. So werden zum Beispiel Kenntnisse des Symmetrieprinzips, des Bewegungsprinzips des Uhrzeigers, Gesetze perspektivischer Abbildung, Kenntnisse des Kongruenzprinzip und andere euklidische Axiome in Intelligenztests oft vorausgesetzt. Kritiker befürchten, dass [d]ie Prinzipien der abendländischen Logik [...] demnach auch jene (von Angehörigen der weißen Mittelschicht) entworfenen Intelligenzaufgaben bestimmen, die ohne die Verwendung verbaler Fähigkeiten auskommen.[11]

Messung von Intelligenz

Einige Kritiker sprechen Intelligenztests die Möglichkeit ab, Intelligenz hinreichend messen zu können.

Stephen Gould: Der falsch vermessene Mensch

→ Hauptartikel: The Mismeasure of Man

Eine umfassende Kritik am bestehenden Intelligenzbegriff übte der Paläontologe und Harvard-Professor Stephen Jay Gould in seinem 1981 erschienenen Buch The Mismeasure of Man (deutsch: Der falsch vermessene Mensch).

Grundsätzlich wendet Gould sich gegen die Annahme, dass sich soziale und ökonomische Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen aus vererbten Merkmalen ergeben. Speziell in Bezug auf Intelligenz widerspricht er damit der These von einer bestimmten, angeborenen kognitiven Kapazität. Er versucht zu zeigen, dass der Versuch, „Intelligenz“ als eine einheitliche Größe zu messen, von Beginn an zum Scheitern verurteilt sei, da es sich bei der gemessenen „Intelligenz“ um eine wahllose Zusammenstellung kognitiver Fähigkeiten handele.

Gould nimmt damit sehr deutlich Stellung in der Diskussion um die Ursachen von Intelligenz. Kritisiert wurde er von einigen Wissenschaftlern, weil er in ihren Augen seriöse Quellen mit rassistischen Theorien vermengt. Weiterhin gibt es Anzeichen, dass Intelligenz doch, zumindest zu einem Teil, vererbt ist.

Gould bezeichnet zwei Schlussfolgerungen des IQ-Konzepts von Charles Spearman als Fehlschlüsse.

  1. Wesenheit: Das Behaupten einer Wesenheit, nämlich der einen „Intelligenz“, die in jeder Handlung durchschimmere. Er statuiert in einer methodisch-mathematischen Kritik den Fehler einer Verdinglichung. Bei den einzelnen psychologischen Tests des IQ-Test erreichen sehr oft die Personen hohe Punktezahlen, die auch bei anderen Tests des IQ-Test hohe Punktezahlen erreichen, es ergeben sich positive Korrelationen. Diese beschreiben aber keine Ursache, genauso gibt es positive Korrelationen etwa zwischen Benzinpreis und dem Alter einer bestimmten Person (älter ↔ teurer). Niemand würde hier die Ursachen des einen in dem anderen vermuten. Die Faktorenanalyse ist im Grunde eine Verfeinerung der Korrelation, einer Matrix von Korrelationen. In dieser Faktorenanalyse wird eine erste Hauptkomponente (g für general intelligence) angenommen und dieser eine unzulässige Bedeutung gegeben. Sie wird fälschlicherweise als „unzweideutige Kausalinterpretation“ verdinglicht, also das, was untersucht wird, wird in Wirklichkeit schon a priori angenommen. Sowohl Hauptkomponenten wie auch Faktoren sind mathematische Abstraktionen und keine Ursachen. Die Vererbungstheorie von Intelligenz ist auf einem einzigen Konzept aufgebaut: „Der schimärenhafte Charakter von g ist der faule Kern in [...] der ganzen erbtheoretischen Schule“. Mathematisch formuliert: Spearmans g, die Hauptkomponente der Korrelationsmatrix von Tests geistiger Fähigkeiten „löst [nur] bis 60 % der Gesamtinformation in der Matrix auf“ (Gould: 1999).
  2. Rangordnungen: Das „Dingliche“ soll dann auch vermessen werden. Es wird also ein Maß gefordert und danach eine eindeutige Reihenfolge vorgenommen. „Wir wollen also komplexe Phänomene auf einer eindimensionalen Skala messen.“ [12]

„Testintelligenz“

Durch regelmäßiges Üben lassen sich die Aufgaben von Intelligenztests trainieren und damit ein besseres Ergebnis erzielen, als unvorbereitete Personen erreichen würden. Dies liegt schon in der Natur der Tests, zeigt aber auch, dass die Ergebnisse nicht unbedingt aussagekräftig sind. Dies bezeichnet man mit dem Begriff der Testintelligenz (englisch: test-wiseness). Kritiker sprechen deswegen Intelligenztests die Fähigkeit ab, objektiv die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zu bestimmen.

Ein Beispiel dafür ist auch der Minnesota Mechanical Assembly Test, der mechanische Fertigkeiten testet. Die Ergebnisse von Unterschichtskindern sind hier durchgehend besser als die von sozial besser gestellten Kindern, vermutlich deswegen, weil sie die geforderten Aufgabenstellungen bereits häufiger lösen mussten und damit trainiert haben.[3]

Es wird außerdem beklagt, dass der Intelligenzquotient von Kindern während der Sommerferien absinke. Probanden hatten nach einem dreiwöchigem Urlaub bis zu 3 IQ-Punkte weniger als üblich.[13] Des Weiteren kann die Bedrohung durch Stereotype die Leistungen bei Tests, möglicherweise auch bei IQ-Tests, senken.[14]

Beschränkte Definition

Verschiedentlich wurde darauf hingewiesen, dass es menschliche Fähigkeiten gibt, die durch den traditionellen IQ-Test nicht erfasst werden. Diese können aber mitunter eine bedeutende Rolle im Leben eines Menschen spielen. Ein hoher IQ allein führt oft nicht zu einem glücklichen Lebenslauf, wenn dafür andere Fähigkeiten fehlen.

Emotionale Intelligenz

Von Kritikern wird die These vertreten, dass die emotionale Intelligenz für den persönlichen und beruflichen Erfolg viel wichtiger sei als der IQ.[15] Forscher haben begonnen, Messinstrumente zu entwickeln, von denen sie hoffen, dass sie reliable und valide Maße des EQ ergeben. Eines dieser Messinstrumente ist die Multifactor Emotional Intelligence Scale. Hier werden von den Testpersonen Lösungsvorschläge für eine Reihe von emotionsbezogenen Aufgaben verlangt. Beispielsweise sollen sie die Emotion identifizieren, die eine bestimmte Situation hervorrufen würde. Sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen korrelierten die EQ-Werte nur mäßig mit den IQ-Werten.[16]

Multiple Intelligenzen

Der Psychologe und Erziehungswissenschaftler Howard Gardner hat kritisiert, dass es viele Dinge gäbe, die durch den IQ nicht erfasst und erklärt würden. Gardner identifizierte zahlreiche Intelligenzen, die der IQ-Test nicht misst.[17] Es gibt laut Gardner unter anderem die logisch-mathematische, linguistische, musikalische, räumliche, körperlich-kinästhetische, interpersonale, intrapersonale und ökologische Intelligenz. In neueren Veröffentlichungen denkt Gardner darüber nach, ob es eine spirituelle/existenzielle Intelligenz (die Fähigkeit über große Fragen wie den Sinn des Lebens nachzudenken) gibt.[18] Die Wertschätzung dieser verschiedenen Intelligenzen variiert von Gesellschaft zu Gesellschaft. Westliche Gesellschaften schätzen oft andere Intelligenzen als nichtwestliche Gesellschaften. Beispielsweise müssen auf den Karolinen, einer Inselgruppe, die zu Mikronesien gehört, die Leute in der Lage sein, weite Strecken ohne Karte zu navigieren. Sie verwenden dazu ihre räumliche und kinästhetische Intelligenz. Auf Bali, wo künstlerische Darbietungen im Alltagsleben eine große Rolle spielen, wird vor allem die musikalische Intelligenz hoch geschätzt. Zwischenmenschliche Intelligenz wird in Japan, wo kooperatives Handeln und das Leben in der Gemeinde betont werden, geschätzt. In westlichen Gesellschaften werden vor allem die logisch-mathematische und die linguistische Intelligenz geschätzt.[19]

Methodische Kritik

Normalverteilung der Intelligenz

Glockenkurve der Intelligenz

Intelligenz ist per definitionem normalverteilt im Sinne einer Standardnormalverteilung nach Gauss (Glockenkurve). Erst entsprechende Aufgabenauswahl und Testkonstruktion lässt diese Normalverteilungsform erreichen. Sie ist ein willkürliches Kriterium, welches ein "guter" Intelligenztest erfüllen muss. Diese Normalverteilungsannahme geht auf Francis Galton zurück. Dieser ging davon aus, dass die Begabung in einer Gesellschaft (ähnlich wie biologische Merkmale, wie zum Beispiel die Körpergröße) normalverteilt sei. Ähnlich wie es in einer Gesellschaft viele Leute von mittlerer Größe gibt und nur wenige sehr kleine und wenige sehr große, ging Galton davon aus, dass es in einer Gesellschaft viele mittelmäßig begabte Menschen gebe, aber nur wenig sehr begabte und wenig sehr unbegabte. Diese Annahme wurde von Galtons Schülern übernommen und als schließlich die ersten Intelligenztests konstruiert wurden, wurde ebenfalls von dieser Annahme ausgegangen, die bis heute in der Intelligenztestkonstruktion eine Rolle spielt. Kritiker beklagen den Biologismus dieser Annahme.[20]

Einzelnachweise

  1. Philip. G. Zimbardo, Richard J. Gerrig (2004): Psychologie - 16., aktualisierte Auflage; München: Pearson Studium. ISBN-13: 987-3-8273-7056-3, ISBN-10: 3-8273-7056-6, S. 423, 424
  2. Pierre Bourdieu: Soziale Fragen, edition suhrkamp 1993, S. 254f.
  3. a b Anastasi, Anne (1976): Differentielle Psychologie: Unterschiede im Verhalten von Individuen und Gruppen 2. Band. Weinheim, Basel: Beltz, ISBN 3-407-51102-7, S. 554
  4. a b c d Janke, Havighurst (1945): Relations between ability and social status in a midwestern community. In Dunlap (Hrsg.): The Journal of Educational Psychology, Volume XXXVI, S. 499, S. 503-504, S. 507, S. 509
  5. Pierre Bourdieu: Soziologische Fragen, edition suhrkamp 1993, ISBN 3-518-11872-2, S. 254f.
  6. Jensen, zitiert nach: Eysenck, Hans Jürgen (1984): Die Ungleichheit der Menschen. Kiel: Orion-Heimreiter-Verlag. ISBN 3-89093-100-6, S. 244
  7. Eysenck, Hans Jürgen (1984): Die Ungleichheit der Menschen. Kiel: Orion-Heimreiter-Verlag. ISBN 3-89093-100-6, S. 245
  8. Jensen, zitiert nach: Eysenck, Hans Jürgen (1984): Die Ungleichheit der Menschen. Kiel: Orion-Heimreiter-Verlag. ISBN 3-89093-100-6, S. 245
  9. John R. Anderson (2007): Kognitive Psychologie. 6 Auflage. Deutsche Ausgabe herausgegeben von Joachim Funke, aus dem Englischen übersetzt von Guido Plata. Berlin/Heidelberg: Spektrum akademischer Verlag. ISBN 978-3-8274-1743-5; S. 517/518
  10. Anita Woolfolk (2008): Pädagogische Psychologie. 10. Auflage- überarbeitet und übersetzt von Prof. Dr. Ute Schönpflug. Pearson Studium. ISBN:978-3-8273-7279-6; S. 149 (Kasten)
  11. Christiane Schmerl (1978): Sozialisation und Persönlichkeit - Zentrale Beispiele zur Soziogenese menschlichen Verhaltens. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag; S. 76
  12. Eine illustrative Anmerkung über "Intelligenz". Abgerufen am 16. Januar 2006.
  13. code-knacker
  14. Zimbardo, Richard J. Gerrig (2004): Psychologie - 16., aktualisierte Auflage; München: Pearson Studium. ISBN-13: 987-3-8273-7056-3, ISBN-10: 3-8273-7056-6, S. 428
  15. Tania Konnerth Emotionale Intelligenz. Zeitzuleben.de, abgerufen am 14.05.2008
  16. Philip. G. Zimbardo, Richard J. Gerrig (2004): Psychologie - 16., aktualisierte Auflage; München: Pearson Studium. ISBN-13: 987-3-8273-7056-3, ISBN-10: 3-8273-7056-6, S. 418
  17. Philip. G. Zimbardo, Richard J. Gerrig (2004): Psychologie - 16., aktualisierte Auflage; München: Pearson Studium. ISBN-13: 987-3-8273-7056-3, ISBN-10: 3-8273-7056-6, S. 416
  18. Anita Woolfolk (2008): Pädagogische Psychologie. 10. Auflage- überarbeitet und übersetzt von Prof. Dr. Ute Schönpflug. Pearson Studium. ISBN:978-3-8273-7279-6; S. 141
  19. Philip. G. Zimbardo, Richard J. Gerrig (2004): Psychologie - 16., aktualisierte Auflage; München: Pearson Studium. ISBN-13: 987-3-8273-7056-3, ISBN-10: 3-8273-7056-6, S. 416
  20. Christiane Schmerl (1978): Sozialisation und Persönlichkeit - Zentrale Beispiele zur Soziogenese menschlichen Verhaltens. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag; S. 61 und 82