Klassismus

Klassismus ist die Bezeichnung für die systematische Diskriminierung von Angehörigen einer aufgrund ökonomischer Unterschiede im Wirtschaftsprozess anders positionierten, meist als 'niedriger' wahrgenommenen sozialen Klasse durch eine andere.[1] Der Begriff konstatiert die Existenz einer Klassengesellschaft und ist eine aus dem Englischen kommende Parallelbildung zu Racism (Rassismus).

Der Begriff Klassismus ist negativ besetzt. Gegen Klassismus in der Politik, Gesellschaft und Kultur wendet sich der Antiklassismus.

Begriffsbildung

Klassismus ist die deutsche Übersetzung des englischen Begriffs Classism, der in den USA gebildet wurde, um die Ansicht zu transportieren, dass Diskriminierung nicht nur in Form von Rassismus aufgrund ethnischer Herkunft oder in Form von Sexismus aufgrund des geschlechtlicher Zuordnung, aufgrund des Alters, oder anderer Gruppierungsmuster, sondern auch auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Klasse stattfinden würde. Während Antirassisten die Existenz von Rassen jedoch verneinen, geht Antiklassismus von der Existenz von Klassen aus.

Der Begriff ist im deutschen Sprachgebrauch vergleichsweise ungebräuchlich und wird oft mit der Stilepoche Klassizismus verwechselt.

Theorie

Klassismustheoretiker unterscheiden zwischen Diskriminierung gegenüber Arbeitern (working class) und armen Menschen (poverty class).

Der Klassismustheoretiker Chuck Barone unterscheidet drei Ebenen von Klassismus:

  • Makro-Ebene: Institutionell bedingte Unterdrückung einer Klasse durch eine andere vor allem durch ein bestimmtes polit-ökonomisches System. [2] Das hieße auch, dass der Kapitalismus an sich bereits klassistisch sei, bzw. das Antiklassismus auf dieser Ebene notwendigerweise antikapitalistisch sein müsse.
  • Meso-Ebene: Unterdrückung einer Klasse auf Gruppenebene durch den Aufbau von negativen Vorurteilen gegenüber Angehöriger einer „niedrigeren“ Klasse u.a. mit Hilfe der Medien. Antiklassismus auf dieser Ebene umfasst deshalb auch die Forderung nach einer anderen Medienkultur.
  • Mikro-Ebene: Unterdückung auf Einzelebene durch individuelle Einstellungen, Identitäten und Interaktionen. [3] In den USA gibt es seit einigen Jahren Anti-Klassimus-Trainings analog zu den Anti-Rassismus-Trainings, um individuelle klassistische Einstellungen zu überwinden.

Im Unterschied zu beispielsweise maoistischen Marxisten gehen Klassismustheoretiker nicht unbedingt davon aus, dass die Auseinandersetzung zwischen Klassen ein so genannter „Hauptwiderspruch“, Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht oder Ethnizität hingegen nur so genannte „Nebenwidersprüche“ seien. Es geht ihnen vor allem darum, zu verhindern, dass die Diskussion über die von ihnen angenommene Klassendiskriminierung gegenüber den heute dominierenden Diskussionen über die beiden anderen genannten Formen von Diskriminierung weiter in den Hintergrund gerät. Betont wird auch die Überschneidung verschiedener Unterdrückungsformen, wie sie beispielsweise von der Triple Oppression-Theorie formuliert wird.

Klassismustheoretiker gehen davon aus, dass Klassenzugehörigkeit „sozialer Vererbung“ unterliege. Ihrer Ansicht nach existieren besonders im Bildungsbereich klassistische Selektionsmechanismen, die dazu führen würden, dass Menschen oftmals in der sozialen Klasse verbleiben, in der sie geboren wurden.

Die Klassismustheorie hat Kontinentaleuropa und insbesondere Deutschland bisher kaum erreicht. Im europäischen Diskurs spielen – vor allem im Bezug auf die soziale Vererbung von Klasse – eher die Begriffe Kapitalsorten, Habitus und symbolische Gewalt von Pierre Bourdieu eine Rolle, die wiederum in den USA weniger gebräuchlich sind.

Klassistische Ideologien und Schlagworte

Klassistisch abwertende Schlagworte sind unter anderem: Prolet, White Trash, Mob

Siehe auch

Fußnoten

  1. Chuck Barone: The foundations of class ans classism: "We define classism as the systematic oppression of one group by another based on economic distinctions based on one`s position within the system of production and distribution."
  2. Chuck Barone: Extending our analysis of class oppression: Bringing classism more full into the race & gender picture: "On the macro level oppression is a matter of collectivety, of economic, social, political, and cultural/ideological intitutions."
  3. Chuck Barone: Extending our analysis of class oppression: Bringing classism more full into the race & gender picture:"The micro level is a matter of individuality and identity, our attitudes and interactions with others."

Literatur

  • Maurianne Adams, Warren J. Blumenfeld, Rosie Castaneda, Heather W. Hackman, Madeline L. Peters, Ximena Zuniga (Hrsg.): Readings for Diversity and Social Justice: An Anthology on Racism, Antisemitism, Heterosexism, Ableism, and Classism. Routledge, New York/London 2000, ISBN 0-4159-2634-3
  • Marcia Hill, Esther D. Rothblum (Hrsg.): Classism and Feminist Therapy. Counting Costs. Harrington Park Press, New York 1996, ISBN 1-56023-092-4
  • Bell Hooks: Where We Stand. Class Matters. Routledge, New York 2000, ISBN 0-415-92911-3
  • Betsy Leondar-Wright: Class Matters: Cross-Class Alliance Building for Middle Class Activists. New Society Publishers, Gabriola Island 2005. ISBN 0-865-71523-8
  • Anja Meulenbelt: Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1988, ISBN 3-498-04316-1
  • John Russo, Sherry Lee Linkon (Hrsg.): New Working-Class Studies. ILR Press, Ithaca 2005, ISBN 0-801-48967-9
  • Alphons Silbermann: Von der Kunst der Arschkriecherei. Rowohlt. Berlin 1997 [1]
  • Heike Weinbach: Social Justice statt Kultur der Kälte. Alternativen zur Diskriminierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Karl Dietz Verlag Berlin 2006 ISBN 3-320-02911-8 ISBN 978-3-320-02911-1 [2]