Antifaschismus

Antifaschismus ist eine politische Grundhaltung, die sich gegen jede Form von Faschismus und Nationalsozialismus richtet und diese aktiv zu bekämpfen sucht. Oft wird diese Opposition auf Nationalismus, Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und Kapitalismus ausgedehnt, die viele Antifaschisten als Wurzeln und Bestandteile des Faschismus ansehen.

Überblick

Parallel zum Aufstreben des Fascismo entstand in Italien eine Gegenbewegung dazu: Gegner Mussolinis sammelten sich in der „Antifaschistischen Aktion“.

In Deutschland führte die KPD diesen Begriff um 1930 als politischen Kampfbegriff ein, auch um eine „Volksfront“ mit anderen Gegnern der NSDAP zu bilden. Seit 1933 bezeichneten auch Nichtkommunisten ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus als Antifaschismus.

Während des Spanischen Bürgerkriegs ab 1936 war Antifaschismus das Selbstverständnis des heterogenen Lagers auf der Seite der republikanischen Regierung, die gegen den von den Nationalsozialisten unterstützten Putsch Francos kämpfte.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gründeten deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion das Nationalkomitee Freies Deutschland, zu dem nach 1945 auch Exilkommunisten, Sozialdemokraten und Radikaldemokraten stießen. Sie wollten eine völlig neue gesamtdeutsche Gesellschaftsordnung auf antifaschistischer Grundlage konzipieren.

Als Antifaschisten verstanden sich nach 1945 alle neu gegründeten politischen Parteien in Deutschland, die einen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Nationalsozialismus sahen und das Wiedererstarken der Kräfte verhindern wollten, die Adolf Hitler zur Macht verholfen hatten. Auch die CDU hatte mit ihrem Ahlener Programm zunächst politische Zielvorstellungen, die ähnlich wie die der KPD eine Enteignung kriegswichtiger Schlüsselindustrien vorsahen.

Mit dem Kalten Krieg und der deutschen Teilung wurde der Begriff des Antifaschismus in den Westzonen jedoch zunehmend vom Antikommunismus verdrängt, während er in der Sowjetischen Besatzungszone zum antikapitalistischen Selbstverständnis der aus SPD-Ost und KPD zwangsvereinigten SED avancierte. Seit 1949 diente er in der Deutschen Demokratischen Republik zur ideologischen Abgrenzung gegenüber der Zeit des Nationalsozialismus und der als „postfaschistisch“ verstandenen Bundesrepublik Deutschland.

Neu aufgenommen wurde der Antifaschismus dort durch die sogenannten Autonomen, die seit den 1980er Jahren, verstärkt nach der Wiedervereinigung Deutschlands, viele sogenannte Antifa-Gruppen bildeten, die sich in der Tradition des antifaschistischen Widerstands sehen.

Geschichte

Antifaschistische Aktion der KPD

Bereits 1923 gründete sich aus dem Rotkämpferbund der KPD eine Jugendorganisation mit dem Namen „Antifaschistische Aktion". Diese sollte nach dem Hitlerputsch das Erstarken und die Machtergreifung der Faschisten in Deutschland zu verhindern versuchen. Im Gegensatz zum „Roten Frontkämpferbund" (RFB) gingen die Ziele der Gruppe nicht darüber hinaus. Ihr einziges Ziel war die Verteidigung der erkämpften, emanzipatorischen Veränderungen in der Weimarer Republik.

Die „Antifaschistische Aktion" verstand sich als oppositionelles Gegenstück zur SA und später auch zur SS. Methodisch ähnelten ihre Verhaltensweisen jenen der heutigen Antifas. Sie gingen Bündnisse mit Bürgerlichen ein und bekämpften die Nationalsozialisten auf der Straße - auch mit gewaltsamen Mitteln.

Ein Plakat der KPD von 1923 rief auf: Kämpfende Jugend zur Antifaschistischen Aktion

Antifaschistischer Widerstand während der NS-Zeit

Hauptartikel: Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Als antifaschistischer Widerstand während der Zeit des Nationalsozialismus bezeichnete sich hauptsächlich der kommunistische Widerstand, aber auch Widerstand aus sozialdemokratischen, gewerkschaftlichen und anarchistischen Kreisen wird manchmal so genannt. Der antifaschistische Widerstand grenzt sich von den anderen Widerstandsformen dadurch ab, dass er das Gesellschafts- und Herrschaftssystem des Faschismus insgesamt abschaffen, nicht nur die nationalsozialistische Regierung stürzen wollte. Teile der deutschen Kommunisten hielten dabei theoretisch am Ziel einer sozialen Revolution nach dem Vorbild der Sowjetunion fest, während andere dieses Vorbild unter dem Eindruck der Rolle der Sowjetunion im spanischen Bürgerkrieg, besonders aber wegen des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes kritisierten.

Antifaschismus als Staatsdoktrin der DDR

Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) hat sich selber in die Nachfolge des antifaschistischen Kampfes der KPD und des kommunistischen Widerstands gegen das NS-Regime gestellt. Wegen dieses auch als Gründungsmythos bezeichneten Anspruchs erhob sie den Antifaschismus früh zur leitenden Staatsdoktrin, die zur Abgrenzung vom Nationalsozialismus, aber auch von der Bundesrepublik Deutschland (BRD) diente. Aufgrund einer marxistischen Faschismustheorie verstand man die Bundesrepublik als „postfaschistisch" und versuchte, ideologische und personelle Kontinuitäten zum Nationalsozialismus nachzuweisen.

Anspruch und Feindbild der DDR-Staatsideologie werden spätestens seit der Wende von 1989 historisch stark kritisiert: Sie hätten eine wirkliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus dort verhindert. Der von oben verordnete Antifaschismus habe eine wirkliche Entnazifizierung und einen Bruch mit autoritären und totalitären Staatsformen blockiert, die Bevölkerung nicht wirklich erreicht und sei zur Durchsetzung politischer Selbstbehauptung im Rahmen des Kalten Krieges instrumentalisiert worden.

Generell wurde die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland gemäß der Faschismustheorie als Ausdruck des sich verschärfenden Klassenkampfs betrachtet. Dieses Geschichtsbild bewirkte, dass das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus besonders auf kommunistische Widerstandskämpfer konzentriert wurde und die ermordeten Juden und andere Opfergruppen nur am Rande thematisiert wurden. Die gesamte Rassenideologie der Nationalsozialisten wurde lediglich als „Instrument zur Täuschung der Arbeiterklasse" erklärt. Diese Geschichtsverständnis bot der DDR-Führung die Möglichkeit ihre Herrschaft zu legitimieren. Der DDR-Bevölkerung bot sie die Möglichkeit eventuelle Verstrickungen in der Zeit des Nationalsozialismus zu externalisieren, da der Faschismus als Phase des Klassenkampfes quasi historisch zwangsläufig erschien und mit der „antifaschistischen DDR" endgültig überwunden sei. Jeder DDR-Bürger konnte sich selbst und die DDR als Sieger der Geschichte begreifen.

Der Antifaschismus stellte die zentrale Selbstlegitimationsgrundlage für die Existenz der DDR da. Er rechtfertigte das Machtmonopol der SED ebenso wie die Berliner Mauer („Antifaschistischer Schutzwall“).

Antifaschismus in der Bundesrepublik

Als Organisation der (antifaschistischen) Widerstandskämpfer gründete sich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), die sich 1971 mit dem Bund der Antifaschisten (BdA) zur VVN-BdA zusammenschloss. Sie sprachen sich u. a. gegen die so genannte Restauration der Bundesrepublik, die Tatsache, dass aktive Nationalsozialisten hochrangige Ämter in Justiz und Verwaltung bekleiden konnten, sowie die Remilitarisierung und die Westintegration aus. Zahlreiche Mitglieder der VVN wurden während der Adenauer-Ära in den 1950er Jahren strafrechtlich verfolgt und in den 1970er Jahren verstärkt durch den Verfassungsschutz beobachtet. Dabei konnte die Mitgliedschaft in der Organisation beruflich negative Konsequenzen haben, hauptsächlich bei Beamten. (vgl. "Radikalenerlass").

Antifa

Hauptartikel: Antifa

Bereits zu Beginn der 1980er Jahre gründeten sich im gesamten Gebiet der BRD aus der Autonomen- und Hausbesetzer-Szene heraus sogenannte Antifa-Gruppen. Diese versuchen sich in die Tradition des Antifaschismus zu stellen. Sie sahen ihr Hauptaktionsfeld in der Sabotage von geplanten Aktivitäten von rechtsextremen Parteien oder Organisationen, etwa Parteitagen der NPD oder sogenannten Nazi-Aufmärschen. Dies war damals jedoch noch kein Hauptschwerpunkt aller autonomen Gruppen. Antifaschismus fungierte als Kerngedanke, unterschiedliche Gruppen zu einen.

Wegen der Zunahme rechtsextremer Gewalttaten nach der Wiedervereinigung Deutschlands befürchteten die Antifa-Gruppen ein Wiedererstarken des Nationalismus. Deshalb wurden die Versuche, rechtsextreme Organisation und Propaganda in der Öffentlichkeit wirksam zu verhindern, von vielen linksgerichteten Gruppen intensiviert. Besonders in der autonomen Szene entwickelten sich diese Bestrebungen nun zum Hauptaktionsfeld unter dem Begriff Antifaschismus. Im Verlauf der 1990er Jahre entstanden daher weitere Antifagruppen im gesamten Bundesgebiet. 1992 haben sich einige davon als Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) organisiert. Obwohl diese sich im April 2001 auflöste, hinterließ sie sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern feste Organisationsstrukturen.

Dennoch blieb die Antifa eine heterogene Bewegung, in der inzwischen ein Grundkonsens darüber erreicht wurde, dass man den Faschismus weder auf eine materialistische Theorie reduzieren noch ihn gänzlich ohne materialistische Bezüge erklären könne. In den meisten Kreisen wird er als besonderes Stadium des Kapitalismus oder Imperialismus betrachtet. Daher konzentriert sich die Antifa nicht nur auf den Kampf gegen rechtsextreme Gruppen, Parteien und ihre Vernetzung, sondern behandelt meist auch soziale Fragen und sieht sich selbst als revolutionäre, antikapitalistische Kraft. Als bessere Gesellschaftsform der Zukunft wird dort fast immer Kommunismus oder Anarchismus favorisiert.

Bei den Mitteln des politischen Kampfes setzt die Antifa auf das Schaffen einer Gegenöffentlichkeit, auf die Aufklärung über rechtsextreme Tendenzen und auch auf direkte Aktionen gegen Rechtsextremisten. Deren Demonstrationen und Versammlungen werden durch Gegendemonstrationen begleitet und behindert. Vor allem Gruppen der autonomen Antifa befürworten dabei auch sogenannte Militanz, das heißt praktisch oft Gewalt in Form von Sachbeschädigungen. Oft kommt es aber auch zu Prügeleien und Steinwürfen unter Inkaufnahme von gefährlicher Körperverletzung.

Theorie

Der marxistische Antifaschismus vor 1945 sah das Aufkommen und den Machtantritt faschistischer Regimes in den 1930er Jahren als Ergebnis ungelöster Klassenwidersprüche und Wirtschaftskrisen des Kapitalismus. Deshalb meinte man den Faschismus und Nationalsozialismus nur zusammen mit seiner „Basis“, der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, wirklich überwinden zu können. Solange dies nicht geschehe, so die antifaschistische Grundüberzeugung, sei eine Entwicklung zu einem neuen Faschismus in den Strukturen dieser Gesellschaft angelegt und werde in einer ökonomischen Krisensituation erneut hervorbrechen, wie es Bertolt Brecht formulierte:

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Die heutigen „Antifagruppen“ beziehen diese auch nach 1945 von großen Teilen der Linken zuerst noch geteilte Faschismustheorie häufig in stark vereinfachter Form auf eine historisch grundlegend veränderte Situation: Der demokratische Rechtsstaat hat sich seit 1949 in der Bundesrepublik etabliert und aus Sicht seiner Vertreter auch in vielen Krisensituationen bewährt, so dass die Gleichsetzung von bürgerlicher Demokratie mit Faschismus in jeder Hinsicht falsch und ahistorisch sei.

Gleichwohl sehen Antifagruppen den schon seit Mitte der 1960er Jahre vorhandenen Rechtsextremismus nicht als isoliertes Randphänomen, sondern im Zusammenhang mit anderen Diskriminierungsideologien wie Sexismus und Rassismus. Sie sehen deren Kontinuität und phasenweises Anwachsen als Ausdruck tieferer Gesellschaftsprobleme. Deshalb seien die „bürgerlichen“ Parteien nicht in der Lage und willens, rechtsextremistische Tendenzen wirksam zu bekämpfen und deren Wählerschichten zu integrieren. Stattdessen werde der Rechtsextremismus geduldet und teilweise sogar für eigene Zwecke - z. B. die Aushöhlung des Asylrechts, Populismus, Abbau des Sozialstaats u. a. - instrumentalisiert. Man müsse daher von einem „Extremismus der Mitte“ sprechen, aus dem der Rechtsextremismus seine Konstanz, seinen Rückhalt und sein latent ausdehnungsfähiges Wählerreservoir beziehe.

Aus dieser Sichtweise leiten sie für die Praxis die Forderung ab, dass konsequenter Antifaschismus sich nicht auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus beschränken dürfe, sondern diesen zusammen mit anderen „systemimmanenten“ Herrschaftsideologien angreifen und deren Zusammenhang sichtbar machen müsse.

Im Verständnis der meisten Antifaschisten können die Wurzeln des Faschismus, den sie nur graduell vom Nationalsozialismus unterscheiden, letztendlich nur innerhalb einer anarchistischen oder kommunistischen Gesellschaft aufgehoben werden. Viele heutige Antifaschisten beziehen sich dabei auf den Schwur von Buchenwald:

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Kritik

Der Begriff des Antifaschismus und die politische Ausrichtung seiner Vertreter stößt bei verschiedenen, vor allem konservativen und liberalen Politikwissenschaftlern und Politikern auf Kritik.

Die Soziologin Antonia Grunenberg vom Oldenburger Hannah-Arendt-Institut sieht den Begriff wegen seiner nur negativen Definition als eine „merkwürdige Wortschöpfung, die ein Dagegen-Sein ausdrückt, aber kein politisches Konzept“[1]. Vermisst werde eine damit verbundene einheitliche positive Zielsetzung: Daher könne Antifaschismus sowohl mit demokratischen Überzeugungen wie totalitären Ideologien verbunden sein. Jeder Demokrat sei ohnehin Antifaschist, aber nicht jeder Antifaschist sei Demokrat.

Auch für den Bonner Politologen Manfred Funke verwischt der Begriff den Unterschied zwischen Demokraten und Gegnern der Demokratie. Antifaschismus sei eine politische Allzweckwaffe mit Blendcharakter.[2]

Literatur

  • Manfred Agethen/Eckhard Jesse/Ehrhart Neubert: Der missbrauchte Antifaschismus. DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken, Freiburg i.B. 2002, ISBN 3-451-28017-5
  • Henry Leide, NS-Verbrecher und Staatssicherheit. Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR, Göttingen 2005
  • Tim Peters: Der Antifaschismus der PDS aus antiextremistischer Sicht, Wiesbaden, VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, ISBN 3-531-14775-7
  • Josef Spiegel, Die Faschismuskonzeption der KPD 1929 - 1933: e. Unters. mit bes. Berücks. d. kommunist. Presse, Münster: Lit, 1986
  • József Wieszt, KPD-Politik in der Krise, 1928-1932; Zur Geschichte u. Problematik d. Versuchs, d. Kampf gegen d. Faschismus mittels Sozialfaschismusthese u. RGO-Politik zu führen, Frankfurt a.M.: Materialismus Verlag, 1976
  • Gestapo-Berichte über den antifaschistischen Widerstandskampf der KPD 1933 bis 1945, ausgew., eingel. u. bearb. von Margot Pikarski, Berlin: Dietz 1989
  • Klaus Kinner: Rechtsextremismus und Antifaschismus. Dietz-Verlag, Berlin 2000, ISBN 3320020153

Quellen

  1. Antonia Grunenberg: Antifaschismus, ein deutscher Mythos, Rowohlt, Berlin 1993, Seitenangabe fehlt
  2. Manfred Funke: Der missbrauchte Antifaschismus (Hrsg.: Konrad Adenauer Stiftung, Berlin 2002, ISBN 3-451-28017-5, auch hier fehlt die Seitenangabe