„Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik“ – Versionsunterschied

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== Aufgaben ==
== Aufgaben ==
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Aufgabe des Parlaments ist in erster Linie die Kontrolle der Regierung und die Verabschiedung von Gesetzen. Die Abgeordneten besitzen selbst ein gesetzgeberisches Initiativrecht (kein ausschließliches). Gesetze werden zuerst vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Danach wird der Gesetzesentwurf dem [[Senat des Parlaments der Tschechischen Republik|Senat]] vorgelegt. Bezieht der Senat negativ Stellung, kann er vom Abgeordnetenhaus mit der absoluten Mehrheit aller Abgeordneten überstimmt werden. Nur in besonders wichtigen Situationen wird die Zustimmung beider Kammern benötigt. In diesen Bereich gehören insbesondere die Verabschiedung von Verfassungsgesetzen, des Wahlgesetzes, die Wahl des Präsidenten, Ausrufung des Kriegszustands oder die Entsendung von Truppen ins Ausland. Auch bei manchen internationalen Verträgen ist eine Zustimmung des Parlaments erforderlich. Des Weiteren verkündet das Parlament den Kriegszustand im Falle eines gegnerischen Angriffs oder wenn internationale militärische Bündnisverpflichtungen erfüllt werden müssen.
Aufgabe des Parlaments ist in erster Linie die Kontrolle der [[Regierung der Tschechischen Republik|Regierung]] und die Verabschiedung von Gesetzen. Die Abgeordneten besitzen selbst ein gesetzgeberisches Initiativrecht (kein ausschließliches). Gesetze werden zuerst vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Danach wird der Gesetzesentwurf dem [[Senat des Parlaments der Tschechischen Republik|Senat]] vorgelegt. Bezieht der Senat negativ Stellung, kann er vom Abgeordnetenhaus mit der absoluten Mehrheit aller Abgeordneten überstimmt werden. Nur in besonders wichtigen Situationen wird die Zustimmung beider Kammern benötigt. In diesen Bereich gehören insbesondere die Verabschiedung von Verfassungsgesetzen, des Wahlgesetzes, die Wahl des [[Präsident (Tschechien)|Präsidenten]], Ausrufung des Kriegszustands oder die Entsendung von Truppen ins Ausland. Auch bei manchen internationalen Verträgen ist eine Zustimmung des Parlaments erforderlich. Des Weiteren verkündet das Parlament den Kriegszustand im Falle eines gegnerischen Angriffs oder wenn internationale militärische Bündnisverpflichtungen erfüllt werden müssen.


Das Abgeordnetenhaus siedelt in drei Blöcken von Häusern und Palästen auf der [[Prager Kleinseite]]. Das Hauptgebäude, in dem die Sitzungen stattfinden, ist das
Das Abgeordnetenhaus siedelt in drei Blöcken von Häusern und Palästen auf der [[Prager Kleinseite]]. Das Hauptgebäude, in dem die Sitzungen stattfinden, ist das [[Palais Thun]], wo bereits der [[Böhmischer Landtag|Böhmische Landtag]] tagte.

[[Palais Thun]], wo bereits der [[Böhmischer Landtag|Böhmische Landtag]] tagte.
== Wahl ==
Das Abgeordnetenhaus wird in einem [[Verhältniswahl]]verfahren gewählt. Die [[Politische Partei|politischen Parteien]] stellen in den Wahlkreisen (die mit den Gebieten der [[Verwaltungsgliederung Tschechiens|14 Regionen]] übereinstimmen) Kandidatenlisten auf. Es gibt eine [[Sperrklausel]] von 5 %. Die Stimmen werden nach dem [[D’Hondt-Verfahren]] in Mandate umgerechnet. Der Wähler kann zwei Kandidaten eine Präferenzstimme erteilen. Das Mindestalter der Kandidaten ist 21 Jahre. Die [[Legislaturperiode]] beträgt 4 Jahre.

Die letzten Parlamentswahlen fanden am [[Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2017|20. und 21. Oktober 2017]] statt.


== Zusammensetzung ==
== Zusammensetzung ==
=== Aktuell ===
Das aus 200 Mandatsträgern bestehende Abgeordnetenhaus setzt sich aktuell wie folgt zusammen:
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| [[TOP 09]]<br />''Tradition, Verantwortung, Wohlstand''
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| [[Starostové a nezávislí]] (STAN)<br />''Bürgermeister und Unabhängige''
| [[Česká pirátská strana]] (Piráti)<br />''Piratenpartei''
| [[Piratenpartei]]
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| [[Petr Gazdík]]
| [[Ivan Bartoš]]
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=== Geschichte ===
[[Datei:Thunovský palác, Sněmovní 01.JPG|mini|Das [[Palais Thun]]]]
[[Datei:Thunovský palác, Sněmovní 01.JPG|mini|[[Palais Thun]], Sitz des Abgeordnetenhauses]]
[[Datei:Zasedací sál Poslanecké sněmovny.jpg|mini|Sitzungssaal]]
In Tschechien hat sich ein [[Mehrparteiensystem]] etabliert. Bis 2010 hatten die liberal-konservative [[Občanská demokratická strana]] (ODS) und die sozialdemokratische [[Česká strana sociálně demokratická]] (ČSSD) eine dominante Stellung. Eine Besonderheit des tschechischen Parteienspektrums ist im Vergleich mit anderen ostmitteleuropäischen Staaten die Existenz einer starken [[Kommunistische Partei|kommunistischen Partei]], der [[Komunistická strana Čech a Moravy|KSČM]]. Anders als in anderen ehemaligen [[Satellitenstaat]]en der [[Sowjetunion]] wurde diese nicht zu einer [[Sozialdemokratie|sozialdemokratischen Partei]] transformiert oder durch eine solche ersetzt, sondern besteht neben der [[Česká strana sociálně demokratická|Tschechischen Sozialdemokratischen Partei]] als parlamentarisch repräsentierte Partei weiter. Grund sind die „Säuberungen“ nach dem [[Prager Frühling]], durch welche progressive und reformorientierte Kräfte aus der [[Komunistická strana Československa|Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei]] entfernt wurden. Da die KSČM als koalitionsunfähig gilt, gleichzeitig aber beständig zwischen 22 und 41 Sitze im Abgeordnetenhaus innehatte, führte dies zu einer gespaltenen Opposition von Kommunisten und Sozialdemokraten, die nicht in der Lage war, eine klare Alternative zum konservativ-liberalen Lager zu bilden. Diese Situation führte auch zu beständigen Flügelkämpfen innerhalb der ČSSD und zu einem teils aggressiven Politikstil dieser Partei.<ref>Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 61.</ref> Verschärft wird diese Situation durch die häufig sehr knappen Mehrheitsverhältnisse zwischen dem linken und dem rechten Parteienspektrum, was einer der Gründe für die häufige Instabilität der tschechischen Regierungen ist. Eine Folge dieser Situation war der sogenannte [[Oppositionsvertrag]] zwischen ODS und ČSSD von 1998 bis 2002. Eine weitere seit beginn etablierte Partei ist die christlich-demokratische Volkspartei [[Křesťanská a demokratická unie – Československá strana lidová|KDU-ČSL]], die jedoch mittlerweile den Status einer Kleinpartei hat.
In Tschechien hat sich ein [[Mehrparteiensystem]] etabliert. Bis 2010 hatten die liberal-konservative [[Občanská demokratická strana]] (ODS) und die sozialdemokratische [[Česká strana sociálně demokratická]] (ČSSD) eine dominante Stellung. Eine Besonderheit des tschechischen Parteienspektrums ist im Vergleich mit anderen ostmitteleuropäischen Staaten die Existenz einer starken [[Kommunistische Partei|kommunistischen Partei]], der [[Komunistická strana Čech a Moravy|KSČM]]. Anders als in anderen ehemaligen [[Satellitenstaat]]en der [[Sowjetunion]] wurde diese nicht zu einer [[Sozialdemokratie|sozialdemokratischen Partei]] transformiert oder durch eine solche ersetzt, sondern besteht neben der [[Česká strana sociálně demokratická|Tschechischen Sozialdemokratischen Partei]] als parlamentarisch repräsentierte Partei weiter. Grund sind die „Säuberungen“ nach dem [[Prager Frühling]], durch welche progressive und reformorientierte Kräfte aus der [[Komunistická strana Československa|Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei]] entfernt wurden. Da die KSČM als koalitionsunfähig gilt, gleichzeitig aber beständig zwischen 22 und 41 Sitze im Abgeordnetenhaus innehatte, führte dies zu einer gespaltenen Opposition von Kommunisten und Sozialdemokraten, die nicht in der Lage war, eine klare Alternative zum konservativ-liberalen Lager zu bilden. Diese Situation führte auch zu beständigen Flügelkämpfen innerhalb der ČSSD und zu einem teils aggressiven Politikstil dieser Partei.<ref>Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 61.</ref> Verschärft wird diese Situation durch die häufig sehr knappen Mehrheitsverhältnisse zwischen dem linken und dem rechten Parteienspektrum, was einer der Gründe für die häufige Instabilität der tschechischen Regierungen ist. Eine Folge dieser Situation war der sogenannte [[Oppositionsvertrag]] zwischen ODS und ČSSD von 1998 bis 2002. Eine weitere seit Beginn etablierte Partei ist die christlich-demokratische Volkspartei [[Křesťanská a demokratická unie – Československá strana lidová|KDU-ČSL]], die jedoch mittlerweile den Status einer Kleinpartei hat.


Bei den [[Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2010|Abgeordnetenhauswahlen 2010]] konnte die [[Konservatismus|konservative]] Neugründung [[TOP 09]] auf Anhieb über 16 Prozent erreichen, verlor aber bei den folgenden Wahlen an Stärke. Mit den [[Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2013|Wahlen 2013]] begann der Aufstieg der Protestpartei [[ANO 2011|ANO]], außerdem zog die rechtspopulistische Partei [[Úsvit – Národní koalice|Úsvit]] ein. 2017 gewann ANO mit großem Abstand die Wahlen. Die [[Česká pirátská strana|Piraten]], die Bürgermeisterpartei [[Starostové a nezávislí|STAN]] und die Úsvit-Abspaltung [[Svoboda a přímá demokracie|SPD]] zogen erstmals in die Abgeordnetenkammer ein. Das Ergebnis ist ein auf neuen Parlamentsparteien zersplittertes politisches Spektrum, das neben der dominanten ANO acht Parteien zwischen 12 und 5 Prozent umfasst.
Bei den [[Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2010|Abgeordnetenhauswahlen 2010]] konnte die [[Konservatismus|konservative]] Neugründung [[TOP 09]] auf Anhieb über 16 Prozent erreichen, verlor aber bei den folgenden Wahlen an Stärke. Mit den [[Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2013|Wahlen 2013]] begann der Aufstieg der Protestpartei [[ANO 2011|ANO]], außerdem zog die rechtspopulistische Partei [[Úsvit – Národní koalice|Úsvit]] ein. 2017 gewann ANO mit großem Abstand die Wahlen. Die [[Česká pirátská strana|Piraten]], die Bürgermeisterpartei [[Starostové a nezávislí|STAN]] und die Úsvit-Abspaltung [[Svoboda a přímá demokracie|SPD]] zogen erstmals in die Abgeordnetenkammer ein. Das Ergebnis warein auf neun Parlamentsparteien zersplittertes politisches Spektrum, das neben der dominanten ANO acht Parteien zwischen 12 und 5 Prozent umfasste. Bei den [[Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2021|Wahlen 2021]] schafften sowohl ČSSD, als auch KSČM erstmals in der Geschichte der beiden Parteien den Einzug ins Abgeordnetenhaus nicht.

== Wahl ==
Das Abgeordnetenhaus wird in einem [[Verhältniswahl]]verfahren gewählt. Die [[Politische Partei|politischen Parteien]] stellen in den Wahlkreisen (die mit den Gebieten der [[Verwaltungsgliederung Tschechiens|14 Regionen]] übereinstimmen) Kandidatenlisten auf. Es gibt eine [[Sperrklausel]] von 5 %. Die Stimmen werden nach dem [[D’Hondt-Verfahren]] in Mandate umgerechnet. Der Wähler kann zwei Kandidaten eine Präferenzstimme erteilen. Das Mindestalter der Kandidaten ist 21 Jahre. Die [[Legislaturperiode]] beträgt 4 Jahre.

Die letzten Parlamentswahlen fanden am [[Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2017|20. und 21. Oktober 2017]] statt.


{{Sitzverteilung
{{Sitzverteilung
| Überschrift = Sitzverteilung nach der Wahl 2013
| Überschrift = Sitzverteilung nach der vorletzten Wahl 2017
| Beschriftung = Sitze
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| Land = CZ
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| float = right
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|KSČM|ČSSD|Pirati|ANO|KDU-ČSL|STAN|TOP 09|ODS|SPD|
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| TOP 09 = 26
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}}


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|+ Wahlergebnisse der Wahlen ins Abgeordnetenhaus
|+ Wahlergebnisse der Wahlen ins Abgeordnetenhaus seit 1996
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== Vorsitzende des Abgeordnetenhauses ==
== Vorsitzende des Abgeordnetenhauses ==
[[Datei:Markéta Pekarová Adamová 2018.jpg|mini|hochkant=0.6|Markéta Pekarová Adamová (2018)]]
* [[Milan Uhde]] (ODS) 30. Juni 1992 – 27. Juni 1996
* [[Milan Uhde]] (ODS) 30. Juni 1992 – 27. Juni 1996
* [[Miloš Zeman]] (ČSSD) 27. Juni 1996 – 17. Juli 1998
* [[Miloš Zeman]] (ČSSD) 27. Juni 1996 – 17. Juli 1998
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* [[Miroslava Němcová]] (ODS) 24. April 2010 – 28. August 2013
* [[Miroslava Němcová]] (ODS) 24. April 2010 – 28. August 2013
* [[Jan Hamáček]] (ČSSD) 27. November 2013 – 22. November 2017
* [[Jan Hamáček]] (ČSSD) 27. November 2013 – 22. November 2017
* [[Radek Vondráček]] (ANO) seit 22. November 2017
* [[Radek Vondráček]] (ANO) 22. November 2017 – 10. November 2021
* [[Markéta Pekarová Adamová]] seit 10. November 2021
** Vizevorsitzende derzeit: [[Jan Hamáček]] (ČSSD), [[Vojtěch Filip]] (KSČM), [[Tomio Okamura]] (SPD), [[Vojtěch Pikal]] (Piráti), [[Petr Fiala]] (ODS)


== Literatur ==
== Literatur ==
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== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Senat des Parlaments der Tschechischen Republik]] (Oberhaus des Parlaments)
* [[Senat des Parlaments der Tschechischen Republik]] (Oberhaus des Parlaments)
* [[Regierung der Tschechischen Republik]]
* [[Politisches System Tschechiens]]
* [[Politisches System Tschechiens]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Poslanecká sněmovna Parlamentu ČR|Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik}}
{{Commonscat|Czech legislative elections|Abgeordnetenhauswahlen in Tschechien}}
* [http://www.psp.cz/ Abgeordnetenhaus] (tschechisch/englisch)
* [http://www.psp.cz/ Abgeordnetenhaus] (tschechisch/englisch)
* [http://www.volby.cz/ Wahlergebnisse – Tschechisches statistisches Amt] (tschechisch/englisch)
* [http://www.volby.cz/ Wahlergebnisse – Tschechisches statistisches Amt] (tschechisch/englisch)
{{Commonscat|Poslanecká sněmovna Parlamentu ČR}}
{{Commonscat|Czech legislative election (2010)|Parlamentswahlen in der Tschechischen Republik 2010}}
{{Wikinews|Parlamentswahlen in Tschechien enden überraschend}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 17. November 2021, 19:52 Uhr

Poslanecká sněmovna
Abgeordnetenhaus
Logo
Basisdaten
Sitz: Palais Thun,
Prag
Legislaturperiode: 4 Jahre
Abgeordnete: 200
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 8./9. Oktober 2021
Vorsitz: Markéta Pekarová Adamová (TOP 09)
Sitzverteilung
       


Sitzverteilung: Regierung (72)
  • ANO 72
  • Opposition (128)
  • ODS 34
  • STAN 33
  • KDU-ČSL 23
  • SPD 20
  • TOP 09 14
  • Piráti 4
  • Website
    www.psp.cz
    Sitzungsgebäude
    Sitzungsgebäude

    Das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik (tschechisch Poslanecká sněmovna Parlamentu České republiky, abgekürzt PS PČR) ist das Unterhaus des tschechischen Parlaments.

    Genese

    Das Abgeordnetenhaus wurde zum 1. Januar 1993 mit der Verfassung aus dem Jahre 1992 als untere Kammer des Parlaments mit 200 Abgeordneten geschaffen. Es entstand durch Umbenennung aus dem Tschechischen Nationalrat und steht in der Tradition des Abgeordnetenhauses der Tschechoslowakei bis 1939.

    Bis 1996 war das Abgeordnetenhaus de facto ein Einkammernparlament, da die Einrichtung des von der Verfassung vorgesehenen Senates erst vom Abgeordnetenhaus vollzogen werden musste. Debatten über die Sinnhaftigkeit sowie die Tatsache, dass das Abgeordnetenhaus bis zur Einrichtung des Senates unauflösbar war, verzögerten dies, so dass erst 1996 die ersten Wahlen zum Senat stattfanden.[1]

    Insbesondere in außenpolitischen Fragen spielt das Abgeordnetenhaus in den ersten Jahren nur eine geringe Rolle, da es durch die Aufwertung vom Regional- zum Nationalparlament nicht mit entsprechenden Fachleuten besetzt war. Die mit der verkürzten Wahlperiode und der Teilung des Staates verbundene Unsicherheit sowie mangelnde Ausstattung schwächten die Arbeit der Parlamentarier zusätzlich.[2]

    Aufgaben

    Sitzungssaal

    Aufgabe des Parlaments ist in erster Linie die Kontrolle der Regierung und die Verabschiedung von Gesetzen. Die Abgeordneten besitzen selbst ein gesetzgeberisches Initiativrecht (kein ausschließliches). Gesetze werden zuerst vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Danach wird der Gesetzesentwurf dem Senat vorgelegt. Bezieht der Senat negativ Stellung, kann er vom Abgeordnetenhaus mit der absoluten Mehrheit aller Abgeordneten überstimmt werden. Nur in besonders wichtigen Situationen wird die Zustimmung beider Kammern benötigt. In diesen Bereich gehören insbesondere die Verabschiedung von Verfassungsgesetzen, des Wahlgesetzes, die Wahl des Präsidenten, Ausrufung des Kriegszustands oder die Entsendung von Truppen ins Ausland. Auch bei manchen internationalen Verträgen ist eine Zustimmung des Parlaments erforderlich. Des Weiteren verkündet das Parlament den Kriegszustand im Falle eines gegnerischen Angriffs oder wenn internationale militärische Bündnisverpflichtungen erfüllt werden müssen.

    Das Abgeordnetenhaus siedelt in drei Blöcken von Häusern und Palästen auf der Prager Kleinseite. Das Hauptgebäude, in dem die Sitzungen stattfinden, ist das Palais Thun, wo bereits der Böhmische Landtag tagte.

    Wahl

    Das Abgeordnetenhaus wird in einem Verhältniswahlverfahren gewählt. Die politischen Parteien stellen in den Wahlkreisen (die mit den Gebieten der 14 Regionen übereinstimmen) Kandidatenlisten auf. Es gibt eine Sperrklausel von 5 %. Die Stimmen werden nach dem D’Hondt-Verfahren in Mandate umgerechnet. Der Wähler kann zwei Kandidaten eine Präferenzstimme erteilen. Das Mindestalter der Kandidaten ist 21 Jahre. Die Legislaturperiode beträgt 4 Jahre.

    Die letzten Parlamentswahlen fanden am 20. und 21. Oktober 2017 statt.

    Zusammensetzung

    Aktuell

    Das aus 200 Mandatsträgern bestehende Abgeordnetenhaus setzt sich aktuell wie folgt zusammen:

    Logo Partei Ausrichtung Vorsitzender Sitze
      ANO 2011 (ANO)
    Aktion unzufriedener Bürger
    populistisch Andrej Babiš 72
      Občanská demokratická strana (ODS)
    Demokratische Bürgerpartei
    liberalkonservativ Petr Fiala 34
      Starostové a nezávislí (STAN)
    Bürgermeister und Unabhängige
    liberalkonservativ Vít Rakušan 33
      Křesťanská a demokratická unie – Československá strana lidová (KDU-ČSL)
    Christliche und Demokratische Union – Tschechoslowakische Volkspartei
    christdemokratisch Marian Jurečka 23
      Svoboda a přímá demokracie – Tomio Okamura (SPD)
    Freiheit und direkte Demokratie
    rechtspopulistisch / rechtsextrem Tomio Okamura 20
      TOP 09
    Tradition, Verantwortung, Wohlstand
    liberalkonservativ Markéta Pekarová Adamová 14
      Česká pirátská strana (Piráti)
    Piratenpartei
    Piratenpartei Ivan Bartoš 4
    Gesamt 200

    Geschichte

    Palais Thun, Sitz des Abgeordnetenhauses

    In Tschechien hat sich ein Mehrparteiensystem etabliert. Bis 2010 hatten die liberal-konservative Občanská demokratická strana (ODS) und die sozialdemokratische Česká strana sociálně demokratická (ČSSD) eine dominante Stellung. Eine Besonderheit des tschechischen Parteienspektrums ist im Vergleich mit anderen ostmitteleuropäischen Staaten die Existenz einer starken kommunistischen Partei, der KSČM. Anders als in anderen ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion wurde diese nicht zu einer sozialdemokratischen Partei transformiert oder durch eine solche ersetzt, sondern besteht neben der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei als parlamentarisch repräsentierte Partei weiter. Grund sind die „Säuberungen“ nach dem Prager Frühling, durch welche progressive und reformorientierte Kräfte aus der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei entfernt wurden. Da die KSČM als koalitionsunfähig gilt, gleichzeitig aber beständig zwischen 22 und 41 Sitze im Abgeordnetenhaus innehatte, führte dies zu einer gespaltenen Opposition von Kommunisten und Sozialdemokraten, die nicht in der Lage war, eine klare Alternative zum konservativ-liberalen Lager zu bilden. Diese Situation führte auch zu beständigen Flügelkämpfen innerhalb der ČSSD und zu einem teils aggressiven Politikstil dieser Partei.[3] Verschärft wird diese Situation durch die häufig sehr knappen Mehrheitsverhältnisse zwischen dem linken und dem rechten Parteienspektrum, was einer der Gründe für die häufige Instabilität der tschechischen Regierungen ist. Eine Folge dieser Situation war der sogenannte Oppositionsvertrag zwischen ODS und ČSSD von 1998 bis 2002. Eine weitere seit Beginn etablierte Partei ist die christlich-demokratische Volkspartei KDU-ČSL, die jedoch mittlerweile den Status einer Kleinpartei hat.

    Bei den Abgeordnetenhauswahlen 2010 konnte die konservative Neugründung TOP 09 auf Anhieb über 16 Prozent erreichen, verlor aber bei den folgenden Wahlen an Stärke. Mit den Wahlen 2013 begann der Aufstieg der Protestpartei ANO, außerdem zog die rechtspopulistische Partei Úsvit ein. 2017 gewann ANO mit großem Abstand die Wahlen. Die Piraten, die Bürgermeisterpartei STAN und die Úsvit-Abspaltung SPD zogen erstmals in die Abgeordnetenkammer ein. Das Ergebnis warein auf neun Parlamentsparteien zersplittertes politisches Spektrum, das neben der dominanten ANO acht Parteien zwischen 12 und 5 Prozent umfasste. Bei den Wahlen 2021 schafften sowohl ČSSD, als auch KSČM erstmals in der Geschichte der beiden Parteien den Einzug ins Abgeordnetenhaus nicht.

    Sitzverteilung nach der vorletzten Wahl 2017
             
    Insgesamt 200 Sitze
    Wahlergebnisse der Wahlen ins Abgeordnetenhaus seit 1996
    Name 31. Mai/1. Juni 1996 19./20. Juni 1998 14./15. Juni 2002 2./3. Juni 2006 28./29. Mai 2010 25./26. Oktober 2013 20./21. Oktober 2017
    ČSSD 26,44 % 32,31 % 30,20 % 32,32 % 22,09 % 20,45 % 7,27 %
    ODS 29,62 % 27,74 % 24,47 % 35,38 % 20,22 % 7,72 % 11,32 %
    TOP 09 - - - - 16,71 % 11,99 %1) 5,31 %
    KSČM 10,33 % 11,03 % 18,51 % 12,81 % 11,27 % 14,91 % 7,76 %
    Věci veřejné - - - - 10,88 % - -
    KDU-ČSL 8,08 % 9,00 % 14,27 %2) 7,22 % 4,88 % 6,78 % 5,80 %
    SZ - 1,12 % 2,36 % 6,29 % 2,44 % 3,19 % 1,46 %
    ANO 2011 - - - - - 18,65 % 29,64 %
    Úsvit - - - - - 6,88 % -
    SPD - - - - - - 10,64 %
    STAN - - - - - -1) 5,18 %
    Piraten - - - - 0,80 % 2,66 % 10,79 %
    Sonstige 25,53 % 18,80 % 10,19 % 5,98 % 11,20 % 6,64 % 4,83 %
    Wahlbeteiligung 76,41 % 74,03 % 58,00 % 64,47 % 62,55 % 59,48 % 60,84 %
    1) TOP 09 trat zur Parlamentswahl 2013 in einer Koalition mit der STAN an.
    2) Die KDU-ČSL trat zur Parlamentswahl 2002 in einer Koalition mit der US-DEU an.

    Vorsitzende des Abgeordnetenhauses

    Markéta Pekarová Adamová (2018)

    Literatur

    • Petr Kolář, Petr Valenta: Das Parlament der Tschechischen Republik – das Abgeordnetenhaus. Prag : Für die Kanzlei des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik herausgegeben von Ivan Král 2009. ISBN 978-80-87324-02-8.

    Siehe auch

    Commons: Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Commons: Abgeordnetenhauswahlen in Tschechien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    1. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 51.
    2. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 51–52.
    3. Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 61.
    4. Nachrichten – 22-04-2010 18:05 – Radio Prag. Radio.cz, 22. April 2010, archiviert vom Original am 1. Juli 2010; abgerufen am 18. August 2010.