Westallgäuerisch

Westallgäuerisch

Gesprochen in

Bayerisches Westallgäu, Oberstaufen & angrenzenden Orten
Sprecherca. 35.000
Linguistische
Klassifikation

Westallgäuerisch ist ein im Westallgäu gesprochener niederalemannischer Dialekt, der eng mit den anderen allgäuerischen Regionaldialekten sowie dem vorarlbergischen Bregenzerwälder Dialekt verwandt ist. Die grenzüberschreitende Verwandtschaft zum Wälderischen kommt unter anderem daher, weil große Teile des Westallgäus bis zum Reichsdeputationshauptschluss 1803 ein Teil Vorderösterreichs waren.

Typische Merkmale

Charakteristische Merkmale des Westallgäuerischen sind z. B.:

Die alten alemannischen Monophthonge [û], [î], [iu] werden vorne im Mundraum gebildet:

  • Haus → Hüüs
  • brauchen → brüüche

. Dem mhd. Laut [ei] entsprechen die Diphthonge [oi] und [ui]

  • breit → broit
  • eins → uis (uins)

Für ahd. [iu] steht [ia]:

  • fliegen → fliage (fast „fliege“)

Aus den Wörtern stehen, gehen, lassen, haben (< mhd. [stân], [gân], [lân], [hân]) wird:

  • stehen → schdtång
  • gehen → gång
  • lassen → lång
  • haben → hång

Substantive enden volltonig auf [-ar] (von ahd. [ari]):

  • Maler → Måålar
  • Schreiner → Schriinar

Weibliche Substantive enden volltonig auf [-a]:

  • Tanne: ui Dtanne → zwoi Dtanna
  • Kiste: ui Kischte → drei Kischta

Fortsetzung der alten ahd. Langvokale [ê] und [ô]:

  • er fragt: ar frååget
  • sie folgt: sie folget

Verkleinerungsform [-le] (unabhängig von der Menge):

  • Bächlein: Bächle
  • Nägelchen: Näägele
  • Häuschen: Hiisle

Unterscheidende Ortsangaben:

  • herinnen – drinnen: hinna – dinna
  • heraußen – draußen: husa – dusa
  • herüben – drüben: heanat – deanat
  • herunten – drunten: hunda – dunda
  • herein – hinein: iijar – iije

Es wird bei Zahlwörtern unterschieden, ob sie bei einem männlichen, weiblichen oder sächlichen Hauptwort stehen:

  • der Stuhl: uin Schtuel → zwää/zwii Schtiel → drei Schtiel
  • die Katze: ui Katz → zwoo Katze → drei Katze
  • das Haus: ui Hüüs → zwoi Hiiser → drie Hiiser

Aussprache:

  • das [r] wird im Westallgäuerischen gerollt (Zungen-r)
  • das [st] und [sp] wird zu [scht] und [schp]
  • das [t] wird weich ausgesprochen: etwa [dt]

Legende:

  • [e] = Murmellaut, Schwa (in IPA ə)
  • [a] = Murmellaut
  • [å] = Dumpfer Laut zwischen [a] und [o]. (Hört sich an wie „å du tust mir aber leid“)

Kleine Unterschiede

Innerhalb des Westallgäus gibt es jedoch auch kleine Unterschiede. So wird im Süden und Osten beispielsweise aus „Kranz“ und „Salz“:

  • Kranz → Krånz
  • Salz → Sålz

Oder aus dem Wort „Dunst“:

  • Dunst → Duscht

Typisch westallgäuerische Ausdrücke

DeutschWestallgäuerisch
SchnullerBapf
BubenBuebe
MontagMähdag
DienstagZiischdag
MittwochMigde
DonnerstagDunschtag
FreitagFriddag
SamstagSamschdag
SonntagSonndag / Sunndag
drobendooba
keiner / keinkuina / kuin
hast duhoschd
hattehon / ho / hond (plural)
könntest Du/kannst DuKinsch Du/kaasch Du
nichtit / itta
gar nichtgar it
herüben, hierhernad
drübendernad
GülleLache
güllenbschite
zu nichts nütze, zu nichts gutpfidzenix oder Des kasch huitze
fürchterlich, schlimm, sehrfierchtig
ja (zustimmend)gell
schonschoh
istisch
fastschiir
geselliges ZusammenseinHoschdtuube
GüllegrubeLacheloo
TeufelGitzgäbeler
gähnenguine
graupeln / fein hagelnkitzebolle
Gurgeln in nassen Schuhensoozge
werfen/fallenkeije
HandschuhHänsche
HausschuhBåådsche
hinunterrollendtroole
Holzsplitter in der HautSchpiiße
KartoffelGrumbbre / Bodabira
KaterBååle
liegenflacke
MädchenSchpudtl oder Feel
nichtsnierts
niesenpflidzge
kletternhärze
entgleitenauspfitzen
raufenhååre
Probleme / geht nicht gleichas Hurred
schneefreiååbr
spuckenschpuize
SteinSchdui
Strauch / GebüschBosche
weinenbriagge oder blähre
DeutschWestallgäuerisch
ZaunHaag
Zaun reparierennoche haage
Zwischenmahlzeit am VormittagVeaschbe (von lat.: Vesper)
ToiletteLoibele
Depp / BlödmannHiersel
Ach herrjeahne pfjötteslöle
fast nichtschier it
können / würdenkaasch
habehob
KnochenBui
SpeisekammerSpeis
Verschlossene WundeRufe
Hintern / PoFieddle
KopfGrind
BeinHaxe
BauchRanzee
MundSchnotter / Mull
männliches GliedZipfel
weibliche BrustDuda / Gwoi
SchluckaufHäscher
entgleitetuspfitzt
nach reden / unzufrieden seinnoche mule
sauer sein / Stimmungmassig
weinerlich / trotzgrenne
weinenplärre
nach denkennoche sinne
denkensinne
Heu machenhaibe
Heu aus zweiter / dritter SchnittOohmad
Heu aus nasser / feuchter WieseStreibe
Feld trockenlegendolee
glatthäll
AutoKarre
Kante am Hang / BergSchnalle
Wiese für KüheFeerwoid
WieseWoid
KalbKeble
KuhKuhe
Jungrind / unter 2 JahrSchumpe
HeulagerHeischtock
Heulager obenBoo / Schinde
StierMolle
frisches Grass schneidengrasse
Grass verteilengreisele
Grass vereinen / Würste auf den Feldschoche / loreie / Mada
Grass einzeln aufhängenhuize
vergiss es / Schwachsinndes kaasch huize
ZaunHaag
Zaun reparierennoche haage
SchlafzimmerGaade
WohnzimmerSchtubbe
lachenkittre

Beispielsätze

WestallgäuerischStandarddeutsch
Lueg dr amål d’ Schpudtla aa!Sieh dir einmal die Mädchen an!
Gang i de Keer und hol an Krette Bodebira uffer,
abr lueg, dass d’ it abekeijeschd!
Gehe in den Keller und hole einen Korb Kartoffeln herauf,
aber pass auf, dass du nicht hinunterfällst!
Des Feel håt ou allad ebbas z’m due.Dieses Mädchen hat auch immer etwas zu tun.
Geaschtig isch no Wintr gsi, heit isch scho Frieling. oder

Gischt isch no Wintr gsi, hitt isch scho Frialing.

Gestern war noch Winter, heute ist schon Frühling.
Schputl förbs gadå, nimm dr Flick und wirf’s Gmiedr d Förkå abå.Mädchen mach das Wohnzimmer sauber, nimm die Schürze und wirf den Kehricht in den Abfluss.

Westallgäuerisch heute

Das Westallgäuerische wird immer mehr durch das Standarddeutsche bzw. durch die relativ weit verbreiteten Dialekte Schwäbisch und Bairisch zurückgedrängt. So nahm beispielsweise nicht nur der westallgäuerische Wortschatz in den letzten hundert Jahren stark ab; auch die typischen Merkmale des Westallgäuerischen verlieren sich immer mehr. So enden Hauptwörter wie „Eeschdtriichar“ nur noch selten auf [-ar] und sind bei der heutigen Jugend meist nur noch durch ein süddeutsches [sch] (also „Öschterreicher“) von den entsprechenden hochdeutschen Wörtern (hier „Österreicher“) zu unterscheiden.

Literatur