Ewer

Kartoffelewer in Hamburg, 1887
Petrine

Ein Ewer ist ein kleinerer, aus Friesland stammender Segelschiffstyp mit Plattboden und einem oder zwei Masten, ursprünglich ohne Kiel. Einmastige Ewer werden als Pfahl- oder Giekewer bezeichnet, zweimastige heißen Besanewer.

Bei zweimastigen Ewern ist der achtern stehende Besanmast deutlich kürzer als der vor ihm stehende Großmast. Er ist also ein Anderthalbmaster. Ewer sind gaffelgetakelt. Vor dem Großmast fahren die Ewer üblicherweise Klüver und Fock. Typisches Merkmal sind das flache Unterwasserschiff und häufig Seitenschwerter, mit denen bei Am-Wind- und Halbwindkurs die Abdrift verringert wird. Die Ewer im norddeutschen Raum sind im Schnitt 16 Meter lang und vier Meter breit.

Geschichte, Verbreitung und Verwendung

Ein Schiffstyp mit der Bezeichnung Ewer ist seit dem Mittelalter bekannt; eine erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem flämischen Sprachraum aus dem Jahre 1252 und bezeichnet den eenvare.[1] Im Wörterbuch der deutschen Sprache wird vermutet, dass niederländisch envarer = ‚Einfahrer‘ bedeuten könnte, was auf eine ursprüngliche Ein-Mann-Besatzung hindeuten würde.[1] Aus Jörgen Brackers Sicht wären die Ewer für einen Einhandsegler zu groß. Er vermutet eine Herkunft von var(e) = Last oder Fuhre, damit wäre ein Ewer ein Boot, das die Last einer vierspännigen Fuhre transportieren könne, in der Regel das Gewicht bzw. die Masse von 12 großen gefüllten Tonnen.[1]

Nachbau eines Ilmenau-Ewers im Lüneburger Hafen

Bereits im 14. Jahrhundert, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, wurde mit Ewern über die Ilmenau Salz von Lüneburg nach Lübeck und Hamburg transportiert. Im 16. und 17. Jahrhundert waren mehr als 50 dieser Schiffe auf dem Fluss unterwegs. Sie hatten eine Länge von 15 bis 20 Meter und konnten bis zu 20 Tonnen laden.[2] Ab etwa 1800 fanden sie vor allem im Gebiet der Unterelbe und Unterweser sowie auch in den Niederlanden und Dänemark Verbreitung. Mit über 2000 gebauten Booten waren sie im 19. Jahrhundert der am häufigsten eingesetzte Schiffstyp in Deutschland. Die meisten Ewer hatten eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren, nur ein Viertel der Ewer konnte bis zu 50 Jahre genutzt werden.[3] Sie wurden besonders als Frachtschiffe in der Küsten- und Flussschifffahrt genutzt, teilweise auch als Fischereifahrzeuge.

Für den Niederelbraum lässt sich die Entwicklung nachvollziehen, dass bis 1800 vor allem halbgedeckte, einmastige Boote mit Rahsegel und hochgezogenem Vordersteven Verwendung fanden.[4] Dieser Ewertyp wurden dann bis 1840 ungebräuchlich. Um diesen Ewertyp von den von dem folgenden Typ abzugrenzen, wurden sie nachträglich als Pfahlewer bezeichnet.[5]

Für die Ewer wurden teilweise regionale Bezeichnungen verwendet, dabei beschreibt der niederdeutsche Begriff Dreuchewer den Trockenewer, also einen Ewer ohne Bünn, der außer dem Ewer der Fischerei alle Ewertypen umfasst:

  • Fischerewer (1740 gab es in Blankenese 60 Fischewer, 1787 waren es 140.)
  • Bugsierewer
  • Fährewer
  • Kartoffelewer

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden Ewer häufig zusätzlich mit Motoren ausgerüstet. Später wurde auf die Takelage ganz verzichtet und die Ewer wurden nur noch mit eigenem Motor oder als Schleppverband gefahren.

Erhaltene Exemplare

NameBaujahrTypHeimathafenBemerkung
Windsbraut1911AlstermaßewerStade
hoch und trocken
Windsbraut trockengefallen im nordfriesischen Watt 2017
Anna - Lisa1906AlstermaßewerWischhafen
Teilansicht des Traditionsseglers Anna Lisa
Petrine1909FrachtschiffHiddensee
Petrine 2011
Amazone1909FrachtschiffMuseumshafen Oevelgönne
Amazone
Johanna1903FrachtschiffHamburg
Johanna
Catarina1889FischereischiffHamburg
Catarina
Annemarie1914FrachtschiffHooge
Moewe1907FrachtschiffMuseumshafen Oevelgönne
Moewe
Elfriede 1904FrachtschiffMuseumshafen Oevelgönne
Elfriede
Hermann 1905FrachtschiffDeutsches Hafenmuseum
Hermann
Luise 1906FrachtschiffGöhren (Rügen)
Luise
Alfred1913FrachtschiffGreifswald
Alfred
Friedrich1910FrachtschiffLeer
Friedrich am Museumshafen in Leer
Jonas von Friedrichstadt1911
Jonas von Friedrichstadt im Hafen von Pellworm
Maria1881FischewerMünchen
Maria im Deutschen Museum
Maria af von Hoff1981 (Nachbau)FischewerKappeln
Maria af von Hoff im Kieler Hafen
Frieda1909GiekewerStade
Giekewer Frieda in Glückstadt
Margareta1897GiekewerBuxtehude
Giekewer Margareta
Willi1926GiekewerStade
Ewer Willi in Stade
Ewer Willi im Alten Hafen Stade
Ronja1997Pfahlewer ReplikHusum
Ronja im nordfriesischen Wattenmeer
Pfahlewer Ronja im nordfriesischen Wattenmeer
Melpomene1895Lägerdorfer FrachtewerStöckte
Melpomene
Frachtewer Melpomene
Catharina1895Lägerdorfer FrachtewerKrautsand
Catharina auf Krautsand
Ewer Catarina im eingedeichten Hafen von Krautsand (Unterelbe)

Siehe auch

  • Milch-Ewer: kleine Ewer, mit denen Milchprodukte in die Städte Hamburg und Altona transportiert wurden
  • Ewerführer: Schiffsführer im Hamburger Hafen
Commons: Ewer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Jörgen Bracker: Bemerkungen zur Konstruktion und Ausstattung der Hamburger Staatsewer, Schniggen und Huckboote im Lichte der Hamburger Kämmereirechnungen. In: Bewahren und Berichten : Festschrift für Hans-Dieter Loose zum 60. Geburtstag. Zeitschrift des Verein für Hamburgische Geschichte Band 83.1, 1997. S. 167 ff
  2. Salzmuseum Lüneburg: Ilmenau-Ewer
  3. Hans Szymanski: Die Ever der Niederelbe (1932). Europäischer Hochschulverlag, Bremen 2011, ISBN 978-3-86741-726-6, S. 41.
  4. Wilfried Botha: Baupläne eines Blankeneser Pfahlewers. In: Jahrbuch des Altonaer Museums. Band 1878 / 1979, 1980 (deutsche-digitale-bibliothek.de).
  5. Alter Pfahlewer von Finkenwerder. In: Führer durch die Abteilung für Seefischerei. Jahrgang 1903 der Mitteilungen des Altonaer Museums, Nr. 2,3,4, S. 7 ff. (deutsche-digitale-bibliothek.de).