Johann-Albrecht-Stil

Der Johann-Albrecht-Stil ist eine nach Herzog Johann Albrecht I. benannte mecklenburgische Sonderform der Renaissance-Architektur, die im Zuge des Historismus im 19. Jahrhundert (wieder-)entdeckt bzw. als neue Tradition weiterentwickelt wurde und als regionaler Neorenaissance-Baustil eine Blüte erlebte.

Geschichte

Fürstenhof (Wismar), Hofansicht. Im Bereich der linken Fensterachse wurde die ursprüngliche Farbfassung rekonstruiert.

Im Zuge der Neubesinnung auf „vaterländische Altertümer“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschrieb Georg Christian Friedrich Lisch die Regierungszeit von Johann Albrecht I. als Blütezeit der mecklenburgischen Geschichte.[1] Johann Albrecht regierte im Landesteil Mecklenburg-Güstrow von 1547 bis 1556 und im Landesteil Mecklenburg-Schwerin von 1556 bis 1576; 1549 setzte er auf dem Landtag die Reformation für den Gesamtstaat Mecklenburg durch. Als Prototypen des von ihm gepflegten Baustils gelten der Fürstenhof in Wismar,[2] Schloss Gadebusch und die Renaissance-Teile des Schweriner Schlosses.[3] Charakteristika des Stils, der sich an Palazzi in Italien orientierte, waren Rundbogenfenster und halbrunde Giebelabschlüsse, kräftige Portale und die reiche Verwendung von Terrakotten als Fensterrahmen, Friese und Medaillons. Die Terrakotten stammten meist aus der Werkstatt von Statius von Düren.

Wie bereits der Renaissance-Stil im 16. Jahrhundert, so stellte auch die Aufnahme des Johann-Albrecht-Stils im 19. Jahrhundert zunächst einen fürstlichen Baustil dar.[4] Nach dem Um- und Neubau des Schweriner Schlosses, bei dem die Terrakotten restauriert und ergänzt wurden und die Obotritentreppe neu in diesem Neorenaissance-Stil gebaut wurde, entstanden in Mecklenburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine ganze Reihe von staatlichen und privaten Bauten im Johann-Albrecht-Stil mit aufwändigen Terrakotta-Verkleidungen. Die sogenannten Bürgerbauten wurden vorwiegend, zum Teil noch heute erhalten, in den Hansestädten errichtet;[5] ihre Häufung in Schwerin ist wohl der Großherzoglichen Kunstziegelei zuzuschreiben, die 1845 unter Leitung von Georg Adolph Demmler vor dem Wismartor beim Kläterberg am südlichen Westufer des Schweriner Ziegelinnensees für die Herstellung neuer Terrakotten am Schweriner Schloss gegründet wurde.

Inzwischen ist erwiesen, dass die Terrakotten des 16. Jahrhunderts ursprünglich farbig gefasst waren, was im 19. Jahrhundert nicht bekannt war. Die Terrakotten an Bauten des 19. Jahrhunderts waren und sind durchweg naturfarben und blieben ein prägendes Stilmerkmal des Johann-Albrecht-Stils, obwohl der Kontrast von roten Terrakotten zu hellem Putz oder gelbem Backstein unhistorisch ist.[6]

Bauten

BauwerkOrtBaujahrArchitekt, BaumeisterKoordinatenBild
Teile des Schweriner Schlosses, u. a. Neues Langes Haus, Bischofshaus, ObotritentreppeSchwerin1857Hermann Willebrand53° 37′ 27″ N, 11° 25′ 8″ O
Hauptgebäude der Universität RostockRostock1866–1870Hermann Willebrand54° 5′ 17″ N, 12° 8′ 0″ O
Gymnasium Fridericianum August-Bebel-Str. 11Schwerin1868–1870Hermann Willebrand53° 37′ 57,5″ N, 11° 24′ 52,4″ O
Wohnhaus August-Bebel-Straße 7Schwerin187053° 37′ 55″ N, 11° 24′ 52″ O
Fürstenhof WismarWismarrestauriert 1877–1878Carl Luckow53° 53′ 27″ N, 11° 27′ 41″ O
Doppelwohnhaus Platz der Jugend 5/7, ehem. StrempelplatzSchwerin1880–1882Bauherr Rentier Radloff53° 37′ 16,2″ N, 11° 24′ 30,1″ O
Schloss BasedowBasedow1891–1895Albrecht Haupt53° 41′ 52″ N, 12° 40′ 56″ O
Verwaltungsgebäude der Kuetemeyer-Schencke-Steineckeschen Stiftung (ab 1942 Standesamt), August-Bebel-Straße 29Schwerin1893–1894Gustav Hamann, Hofmaurermeister Ludwig Clewe53° 38′ 7″ N, 11° 24′ 52″ O
Wohnhaus Knaudtstr. 26Schwerin1895–1896Bauherr Otto Schnell, Hofmaurermeister Ludwig Clewe53° 38′ 13″ N, 11° 25′ 11″ O
Wohnhaus Bäckerstraße 22Schwerin1896Bauherrengesellschaft Brüder Reinhold, Hofmaurermeister Ludwig Clewe53° 37′ 53″ N, 11° 24′ 7″ O
Artillerie-Offiziers-Kasino, Johannes-Stelling-Straße 19Schwerin1898–1900Oscar Wutsdorff53° 37′ 2″ N, 11° 24′ 47″ O
Neue Artilleriekaserne, heute u. a. Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern, Johannes-Stelling-Straße 29Schwerin1897–1899Oscar Wutsdorff53° 36′ 58″ N, 11° 24′ 54″ O
Schloss WiligradWiligrad1896–1898Albrecht Haupt53° 44′ 21″ N, 11° 26′ 6″ O
Wohnhaus von Gustav Hamann, Mozartstraße 14Schwerin1902Gustav Hamann, Hofmaurermeister Ludwig Clewe53° 37′ 54″ N, 11° 24′ 8″ O
Schloss Gadebusch, RestaurierungGadebusch1903–1904Gustav Hamann53° 42′ 2″ N, 11° 7′ 9″ O
Wohn- und Geschäftshaus, Lange Straße 46Hagenowvor 190053° 26′ 6″ N, 11° 11′ 16″ O
Repräsentatives Wohnhaus der ehemaligen Mühlenbesitzer gegenüber der Mühle (heute Kulturmühle Parchim), Fischerdamm 7Parchimum 1900

Literatur

  • Friedrich Sarre: Der Fürstenhof zu Wismar und die norddeutsche Terrakotta-Architektur im Zeitalter der Renaissance. Berlin 1890.
  • Matthias Schubert: Herzog Johann Albrecht I. und sein Fürstenhof zu Wismar. In: Wismarer Beiträge, Heft 5, 1988 S. 37–45.
  • Maren Ulbrich: Das Schloß Wiligrad und Mecklenburger Terrakottaarchitektur des 19. Jahrhunderts. Dipl. Arbeit, Greifswald 1992.
  • Der Johann-Albrecht-Stil: Terrakotta-Architektur der Renaissance und des Historismus; Publikation zur Ausstellung in der Hofdornitz im Schloß zu Schwerin, 7. Juni bis 24. September 1995. Schwerin 1995.
  • Gerhard Steiniger: Carl Albrecht Haupt – Ein Niedersachse und der Johann-Albrecht-Stil. In: Baumeister in Mecklenburg aus acht Jahrhunderten. Schwerin 1998, ISBN 3-928820-88-5, S. 189–193.
  • Mecklenburgische Jahrbücher MJB (1840) Band 5.
  • Matthias Zahn: Baugeschichtliche Untersuchungen am Fürstenhof in Wismar. In: Wismarer Beiträge Heft 15, 2003 S. 77–85.
  • Ralf Weingart: Der Umbau von Schloss Schwerin und die „Erfindung“ des Johann-Albrecht-Stils. In: Erste Schweriner Welterbetagung, 22.–23. Oktober 2015, Tagungsband. Schwerin 2016, S. 67–100.

Einzelnachweise

  1. Johann Albrecht und sein Stil – Terrakottaarchitektur des 19. Jahrhunderts in Schwerin
  2. Horst Ende: Fürstenhof Wismar. In: Der Johann-Albrecht-Stil. 1995, S. 39–47.
  3. Friedrich Lisch: Geschichte der fürstlichen Residenz-Schlösser zu Wismar, Schwein und Gadebusch. In: MJB, 1840, Band 5, S. 31–36.
  4. Thomas Brockow: Rezeption der Terrakotten-Architektur im 19. Jahrhundert. In: Der Johann-Albrecht-Stil. 1995, S. 154.
  5. Elke Onnen: Der Johann-Albrecht-Stil an den Landschlössern und Bürgerbauten des 16. Jahrhunderts. In: Der Johann-Albrecht-Stil. 1995, S. 85.
  6. Thomas Brockow: Das Forschungsprojekt „Erhaltung historischer Terrakotten“. In: Johann-Albrecht-Stil. 1995, S. 159–165.