Answer to Reset

Answer to Reset (ATR) ist die erste Information, die eine Chipkarte in der kontaktbehafteten Kommunikation an einen Chipkartenleser übermittelt, nachdem dieser einen Reset der Karte durchgeführt hat. Vereinfacht gesprochen handelt es sich beim ATR um eine Reihe von Parametern, mit denen die Chipkarte dem Chipkartenleser mitteilt, wie er mit ihr kommunizieren kann.

Inhalt

Der Inhalt des ATR wird in der Chipkartenspezifikationen ISO 7816-3 spezifiziert und ist von den Fähigkeiten der Chiphardware (UART) und der Protokollimplementierung des Chipkarten-Betriebssystems abhängig. Chipkartenhersteller haben so die Möglichkeit, mit Hilfe der Kommunikationsparameter im ATR das Kommunikationsverhalten der Chipkarte und des Terminals, insbesondere die Kommunikationsgeschwindigkeit zu beeinflussen und zu optimieren. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit einer Chipkarte hängt daher in hohem Maße von den Fähigkeiten des eingesetzten Chipkartenlesers ab.

Der ATR einer Chipkarte wird auch oftmals von Host-Software benutzt, um dessen Typ zu erkennen und damit die erforderliche Middleware für den Zugriff auf die Karte auszuwählen. In der Windows-Registry sind die ATRs von Karten zu finden, um damit auf den korrekten Cryptographic Service Provider (CSP) zu referenzieren. Bei Installation eines neuen CSP werden die ATRs der unterstützten Karten in die Registry eingetragen.

Cold und Warm Reset

Chipkarten können abhängig von der Art des Resets, den das Terminal verwendet, unterschiedliche ATRs ausgeben. Wenn die Karte durch Anlegen der Versorgungsspannung und Freigeben der Reset-Leitung startet, spricht man von einem Power-On-Reset oder auch Cold reset. Im Gegensatz dazu ist ein Warm reset oder Soft-Reset ein Signal auf der Reset-Leitung der Kontaktflächen der Chipkarte im laufenden Betrieb. Die Karte kann abhängig von der Art des Resets oder sogar abhängig von der Anzahl der Warm resets verschiedene ATRs zurückgeben.

Dieses Verhalten ermöglicht es, eine höhere Kompatibilität zwischen Chipkartenleser und Chipkarte zu erreichen. Wenn ein Chipkartenleser die Parameter des ATRs nach dem Power-On-Reset nicht unterstützt, kann er ein Signal auf der Reset-Leitung schicken und erhält je nach Kartenimplementierung einen geänderten ATR. Wenn der Leser die Parameter des geänderten ATRs unterstützt, kommt die Kommunikation zwischen Karte und Leser zustande. Führt der Chipkartenleser den Warm reset nicht aus oder unterstützt die Parametern der geänderten ATRs nicht, ist keine Kommunikation möglich, und der Kartenleser ist mit dieser Karte nicht einsetzbar.

Struktur

Der ATR ist eine Reihe von Bytes. Davon sind die ersten zwei Bytes, TS und T0, verpflichtend. Alle weiteren sind optional und werden durch Angaben in den vorhergehenden Bytes (T0 und TDx) angekündigt.

TST0TA1TB1TC1TD1TA2TB2TC2TD2TA3TB3TC3TD3TA4TB4TC4TD4Historical CharactersTCK

Folgende Datentypen kann man im ATR unterscheiden:

DatenelementBezeichnung (engl.)Bedeutung
TSThe Initial CharacterByte, mit dem die Kommunikation gestartet wird.
T0The Format CharacterDieses Byte gibt die Anzahl der Historical Characters und das Vorhandensein der Interface Characters TA1, TB1, TC1 und TD1 im ATR an.
TA1, TB1, TC1, TD1...The Interface CharactersDiese Bytes geben Kommunikationsparameter an. Die vier höchstwertigen Bits des Bytes TDx zeigen jeweils das Vorhandensein der Bytes TAx+1, TBx+1, TCx+1 und TDx+1 an.
T1, T2...The Historical CharactersDie Historical Characters sind eine Kette von maximal 15 Bytes, deren Inhalt nicht festgelegt ist.
TCKThe Check CharacterXOR-Prüfsumme über alle ATR Bytes, beginnend ab Byte T0 bis zum letzten Byte vor TCK.

Der Initial Character TS

Dieses Byte zeigt die sogenannte convention, d. h. die Konvention der Bit- und Byteübertragung an, die die Karte verwendet.

  • Die direkte Konvention (Direct convention) überträgt ein Bit 1 mit einem hohen (high) Pegel und ein Bit 0 mit einem niedrigen (low) Pegel auf der I/O-Leitung. Die Bits des zu übertragenden Bytes werden, vom niedrigstwertigen Bit beginnend, aufsteigend übertragen. Der Initial Character für die direkte Konvention ist auf '3B' festgelegt.
  • Die indirekte Konvention (Inverse convention) arbeitet mit umgekehrten Pegel, d. h. ein Bit 1 wird mit niedrigem (low) Pegel und ein Bit 0 mit hohem (high) Pegel übertragen. Im Gegensatz zur direkten Konvention wird das Datenbyte vom höchstwertigen Bit absteigend übertragen. Für die Indirekte Konvention ist der Initial Character '3F'.

Die mit dem Initial Character angegebene Konvention gilt für die gesamte Kommunikation zwischen Chipkarte und Chipkartenleser. Der Initial Character ist für beide Konventionen so gewählt, dass die Pegel des Startbits und der ersten zwei übertragenen Bits des Initial Characters identisch sind. Damit kann der Chipkartenleser den korrekten Beginn des ATRs erkennen und anhand der Flanken des Startbits und des dritten übertragenen Datenbits die von der Karte gewählte Übertragungsgeschwindigkeit berechnen (Zeitabstand der Flanken / 3). Da die Übertragungsgeschwindigkeit für den ATR in der ISO 7816-3 festgelegt ist, verzichten viele Leser auf diese Berechnung.

Der Format Character T0

Der Format Character enthält zwei Informationen:

  1. Angabe über die folgenden Interface Characters TA1, TB1, TC1 und TD1 in den höherwertigen vier Bits.
  2. Anzahl der Historical Characters im ATR in den niederwertigen vier Bits. Die Anzahl liegt damit zwischen 0 und 15.
BitBedeutung
b8Zeigt die Übertragung des TD1-Bytes an (1 = TD1 vorhanden, 0 = TD1 nicht vorhanden)
b7Zeigt die Übertragung des TC1-Bytes an (1 = TC1 vorhanden, 0 = TC1 nicht vorhanden)
b6Zeigt die Übertragung des TB1-Bytes an (1 = TB1 vorhanden, 0 = TB1 nicht vorhanden)
b5Zeigt die Übertragung des TA1-Bytes an (1 = TA1 vorhanden, 0 = TA1 nicht vorhanden)
b4Anzahl der Historical Characters (0 bis 15)
b3
b2
b1

Die Interface Characters

Die Interface Character enthalten entweder

  • globale Parameter für alle Protokolle oder
  • protokollspezifische Parameter

Globaler Interface Character TA1

Im Interface Character TA1 werden der Teiler und der Übertragungsfaktor angegeben:

BitBedeutung
b8Teiler FI
b7
b6
b5
b4Übertragungsanpassungsfaktor DI
b3
b2
b1

Der Wert FI definiert einen Faktor (F) und zusätzlich die maximal zulässige Taktfrequenz (f max) der Chipkarte. Die nachfolgende Tabelle zeigt die möglichen Werte für FI:

FIWert Ff max [MHz]
0000372 (default)4
00013725
00105586
00117448
0100111612
0101148816
0110186020
0111reserviert für zukünftige Verwendung
1000reserviert für zukünftige Verwendung
10015125
10107687,5
1011102410
1100153615
1101204820
1110reserviert für zukünftige Verwendung
1111reserviert für zukünftige Verwendung

Für DI lautet die Codierung folgendermaßen:

DIWert D
0000reserviert für zukünftige Verwendung
00011 (default)
00102
00114
01008
010116
011032
011164
100012
100120
1010reserviert für zukünftige Verwendung
1011reserviert für zukünftige Verwendung
1100reserviert für zukünftige Verwendung
1101reserviert für zukünftige Verwendung
1110reserviert für zukünftige Verwendung
1111reserviert für zukünftige Verwendung

Mit dem Teiler F und dem Übertragungsanpassungsfaktor D kann die Zeitdauer eines Bits ETU (Elementary Time Unit) berechnet werden, wobei f die Frequenz des an die Chipkarte angelegten Taktes ist:

Globaler Interface Character TB1

Interface Character TB1 gibt den maximalen Stromverbrauch und die benötigte Spannung zum Programmieren des EEPROMs an, die vom Chipkartenleser über die Kontaktfläche Vpp zur Verfügung gestellt werden muss. Da moderne Chipkarten die Programmierspannung über eingebaute Ladungspumpen aus der normalen Stromversorgung erzeugen, wird das TB1 meist nicht mehr im ATR angegeben.

Die folgende Tabelle zeigt die Codierung des TB1:

BitBedeutung
b8Immer 0
b7Maximal benötigter Strom II
b6
b5Benötigte Programmierspannung PI1
b4
b3
b2
b1

Folgende Werte sind für PI1 definiert:

PI1Bedeutung
0Die Kontaktfläche Vpp ist nicht an den Chip angeschlossen. Es wird keine Programmierspannung benötigt.
1 bis 4reserviert für zukünftige Verwendung
5 bis 25Programmierspannung in Volt (5 Volt ist Standard)
26 bis 31reserviert für zukünftige Verwendung

Der maximal benötigte Strom ergibt sich aus II mittels folgender Tabelle:

IIbenötigter Strom in mA
0025 mA
0150 mA (default)
10reserviert für zukünftige Verwendung
11reserviert für zukünftige Verwendung

Globaler Interface Character TC1

Dieser Parameter gibt die „zusätzliche Schutzzeit“ (extra guardtime) als ganzzahligen Wert N an. Dieser Werte definiert die Anzahl der ETUs zwischen den Flanken zweier aufeinanderfolgender Byteübertragungen mit folgender Formel:

Einzige Ausnahme ist der Wert 255, der die minimale Schutzzeit angibt, das ist

  • 12 ETU für das Übertragungsprotokoll T=0 und
  • 11 ETU für das Übertragungsprotokoll T=1.

Interface Character TDx

TD1, TD2, TD3 und TD4 enthalten jeweils zwei Informationen:

  1. Angabe über die folgenden Interface Characters TAx+1, TBx+1, TCx+1 und TDx+1 in einem Bit-Feld im höherwertigen Nibble (d. h. in den höheren vier Bits).
  2. Das von der Chipkarte verwendete Übertragungsprotokoll.

Die genaue Struktur wird in der folgenden Tabelle dargestellt:

BitBedeutung
b8Zeigt die Übertragung des TDx+1-Bytes an (1 = TDx+1 vorhanden, 0 = TDx+1 nicht vorhanden)
b7Zeigt die Übertragung des TCx+1-Bytes an (1 = TCx+1 vorhanden, 0 = TCx+1 nicht vorhanden)
b6Zeigt die Übertragung des TBx+1-Bytes an (1 = TBx+1 vorhanden, 0 = TBx+1 nicht vorhanden)
b5Zeigt die Übertragung des TAx+1-Bytes an (1 = TAx+1 vorhanden, 0 = TAx+1 nicht vorhanden)
b4Protokolltyp T
b3
b2
b1

Für den Protokolltyp sind folgende Werte spezifiziert:

Protokoll TBedeutung
T=0Byteorientiertes, asynchrones Halb-duplex-Übertragungsprotokoll, definiert in der Norm ISO 7816-3 Kapitel 8
T=1Blockorientiertes, asynchrones Halb-duplex-Übertragungsprotokoll, definiert in der Norm ISO 7816-3 Kapitel 9
T=2 und T=3Reserviert für zukünftige Voll-duplex-Übertragungsprotokolle
T=4Reserviert für ein erweitertes asynchrones Halb-duplex-Übertragungsprotokoll
T=5 bis T=13Reserviert für zukünftige Verwendung
T=14Reserviert für nationale Übertragungsprotokolle. In Deutschland benutzt für ein blockorientiertes, asynchrones Halb-duplex-Übertragungsprotokoll.
T=15Globale Schnittstellen Parameter ohne Bezug auf ein spezielles Übertragungsprotokoll

Globaler Interface Character TB2

Interface Character TB2 enthält den 8-Bit-Wert PI2. Er kann als Alternative zu PI1 im Interface Character TB1 verwendet werden, um die Programmierspannung sehr genau anzugeben. PI2 gibt den Wert der benötigten Programmierspannung in Zehnteln Volt an.

Da moderne Chipkarten die Programmierspannung über eingebaute Ladungspumpen aus der normalen Stromversorgung erzeugen, wird das TB1 meist nicht mehr im ATR angegeben.

Protokollspezifischer Interface Character TC2

TC2 ist ein Datenelement für das Protokoll T=0 und gibt die sogenannte work waiting time an. Dieser Wert gibt die maximale Zeit zwischen der Startflanke eines jeden von der Karte gesendeten Bytes und der Startflanke des jeweils zuvor gesendeten Bytes an. Der Default-Wert der work waiting time ist 10.

Die Historical Characters

Der Inhalt der Historical Characters ist in ISO 7816-4 festgelegt und in Compressed TLV (Tag 4Xh und Länge 0–15 in einem Byte, dahinter der Wert) kodiert. Sie werden für verschiedene Informationen verwendet, zum Beispiel die Version des Betriebssystems sowie die Fähigkeiten der Karte.

Oft ist statt Compressed-TLV-kodierten Datenobjekten auch eine (nicht ISO 7816-4-konforme), reine ASCII-Zeichenkette zu finden.

Der Check Character TCK

Der Check Character ist eine XOR-Prüfsumme von Byte T0 bis zum Byte vor dem Check Character. Zusätzlich zu den Prüfungen des Übertragungsprotokolls kann damit die Korrektheit des ATR geprüft werden.

Der Check Character darf nicht mit dem ATR gesendet werden, wenn im ATR nur das Protokoll T=0 unterstützt wird. Wenn das Protokoll T=1 verwendet wird, muss der Check Character mit dem ATR übertragen werden.

Siehe auch