Holocaust (Begriff)

Der Begriff „Holocaust“ wird heute fast ausschließlich auf die systematische, industrielle Ermordung der europäischen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus bezogen, was der Artikel Holocaust zum Thema hat. Im Zeitlauf der Geschichte wurde der Begriff jedoch auf unterschiedliche Weise verwendet.

Herkunft

Das Wort Holocaust leitet sich vom griechischen holókauston her und bedeutet vollständiges Brandopfer. Erstmals Erwähnung in diesem Sinn fand es bei dem griechischen Historiker Xenophon. Der Begriff taucht auch in der Septuaginta, der griechischen Bibelübersetzung, auf:

„Gott sprach zu Abraham: 'Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und bringe ihn dort als Brandopfer [holókauston] dar auf einem Berge, den ich dir sagen werde.'“ (Genesis 22, 2)

In der lateinischen Bibelübersetzung - der Vulgata - entstand daraus der Begriff holocaustum. Anders als im deutschen Sprachraum, wo Martin Luther die entsprechenden Bibelstellen mit Brandopfer übersetzte, hielt der Begriff im angelsächsischen Bereich als holocaust Einzug in die Sprache. Er wurde dort in größerem Umfang auch literarisch verwendet.

Verwendung des Begriffs

Im Folgenden werden die Begriffe in chronologischer Reihenfolge ihrer Verwendung aufgeführt.

Genozid an den Armenier

Hauptartikel: Völkermord an den Armeniern

Nicht-Armenier, die bereits am Ende des 19. Jahrhunderts über Massaker an den Armeniern entsetzt waren, verwandten dafür zum ersten Mal den Begriff Holocaust. Die Armenier haben dafür die Bezeichnug 'Aghet'. Meist spricht man heute vom Völkermord (Genozid) an den Armeniern und unterlässt es aus mehrfacher Hinsicht in diesem Fall von einem Holocaust zu sprechen, da es zu einer Relativierung dieses Begriffes führt, denn sowohl der Aspekt des industrialisierten Mordens als auch der Aspekt des Verbrennens der Leichen, welches dem Begriff Holocaust immanent ist, fehlt hier.

„Hunger-Holocaust“

„Hunger-Holocaust“ ist ein anderer Begriff für die heute unter dem Namen Holodomor bekannte Hungersnot zu Beginn der 1930er Jahre in der Ukrainischen SSR. Er wird in der wissenschaftlichen Debatte um die Gründe der Hungersnot heute nicht mehr verwendet.

Genozid an den Juden

Hauptartikel: Holocaust

Im Zusammenhang mit der planmäßigen Vernichtung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland tauchte der Begriff Holocaust erstmals im Dezember 1942 auf, als die britische Tageszeitung News Chronicle mit dem Schlagwort die Einschätzung verband, dass die Vernichtung der Juden durch Hitler geplant sei („the Jewish peoples are to be exterminated“). Von diesem Zeitpunkt an wurde der Begriff im politischen Diskurs auch in diesem Sinn verwendet. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges setzte sich das Wort in der angelsächsischen Geschichtswissenschaft allmählich als Bezeichnung für den Genozid an den Juden durch. Aber erst als der Autor Frederick Forsyths es 1972 in seinem Roman Die Akte Odessa dafür verwendete, wurde es einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

In der Bundesrepublik Deutschland kam der Begriff erst ab 1979 allmählich in Gebrauch, nachdem die ARD die US-amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ ausgestrahlt hatte. Zwar gab es auch im Deutschen schon vorher das Fremdwort Holokaust. Dieses wurde jedoch kaum gebraucht und in wichtigen Wörterbüchern auch nicht verzeichnet. Bis dahin waren die relativ unspezifischen Begriffe „Judenverfolgung“ und „Judenvernichtung“ üblich, welche sich jedoch nur schwach vom allgemeinen Begriff der Judenfeindlichkeit abhoben. Erst ab den 1980er Jahren wurde die angelsächsische Variante des Wortes in den deutschen Nachschlagewerken aufgeführt. Eine von den nationalsozialistischen Völkermorden losgelöste Verwendung des Begriffs ist im Deutschen semantisch (sprachlich) und ethisch umstritten, da es augenscheinlich - wenn nicht gar auf eine Relativierung der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschiene - zumeist auf billigste Effekthascherei hinausläuft.

Neben diesem Begriff wird, vor allem in Israel, der säkulare hebräische Begriff „Shoa“ (השואה) verwendet, der soviel bedeutet wie großes Unheil oder Katastrophe. Dieser fand dort sogar Eingang in die Unabhängigkeitserklärung von 1948. Außerhalb Israels bürgerte sich der Ausdruck Shoa aufgrund des gleichnamigen, neunstündigen Dokumentarfilms von Claude Lanzmann von 1985 ein, der als „narrative Chronik des Holocaust“ bezeichnet wird.

Doch gibt es auch Stimmen, die beide Begriffe als unpassend werten, da „Holocaust“ einen religiösen Ursprungssinn hat und „Shoa“ der hebräischen Sprache entstammt, zu der viele der ermordeten Juden Europas keinen Bezug hatten. Deshalb wird vielfach vom Mord an den europäischen Juden gesprochen.

Brand- und Atombomben im Zweiten Weltkrieg

Im angelsächsischen Sprachraum wurde der Begriff Holocaust, der dort seit dem 16. Jahrhundert existiert, lange Zeit nicht ausschließlich für den Mord an den europäischen Juden verwendet, sondern auch als Bezeichnung für Grossbrände und Massenmorde. So fand er durch amerikanische Offiziere in Japan Anwendung auf die Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, aber auch auf die Folgen durch gewöhnliche Brandbomben, zum Beispiel auf Tokio. Obwohl es durch die amerikanische Militärzensur verboten war, den Begriff in diesem Sinn zu verwenden, wurde er vereinzelt noch bis in die 1960er Jahre entsprechend benutzt, so beispielsweise noch im Jahr 1965 durch den ehemaligen US-amerikanischen Brigadegeneral Powers in seiner Autobiografie.

Atomarer Holocaust

Hauptartikel: Nuklearer Holocaust

Der Ausdruck atomarer oder nuklearer Holocaust oder auch nuklearer Holocaust war in den 1980er Jahren ein politisches Schlagwort der Friedensbewegung. Er bezeichnete die völlige oder zumindest weitestgehende Vernichtung menschlichen Lebens auf der Erde durch einen mit Atomwaffen geführten Krieg. Heute taucht der Begriff nur noch vereinzelt auf. Eine Relativierung des Mordes an den Juden war und ist durch die Verwendung des Begriffs nicht beabsichtigt.

„Roter Holocaust“

Hauptartikel: Roter Holocaust

Ende der 1990er-Jahre wurde der umstrittene Begriff Roter Holocaust in der kritischen Diskussion um das 1998 auf deutsch erschienene Buch Schwarzbuch des Kommunismus in die politisch-historische Debatte eingeführt. Kern der Problematik ist der Vergleich von Verbrechen kommunistischer Regierungen mit den Verbrechen der Nationalsozialisten, bei dem die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage gestellt werden könnte. Diese Debatte kann als Fortsetzung des in Deutschland sogenannten Historikerstreits aus den 1980er Jahren gesehen werden.

Babycaust

Babycaust ist ein von Klaus Günter Annen geprägtes Wortspiel im Bezug auf die Abtreibung, welches er auf einem Flugblatt vor einer Abtreibungspraxis verbreitete und darüber hinaus Abtreibung als neuen Holocaust bezeichnete, nicht zuletzt angesichts der Wehrlosigkeit der Opfer und der praktizierten Verbrennung der "Überreste". In dem daraus entstandendem Rechtsstreit wurde der Begriff Babycaust und neuer Holocaust als Bezeichnung für Abtreibung vom BGH und OLG in Karlsruhe als legitime Meinungsäußerung gewertet. Dazu heißt es im Urteil des OLG Karlsruhe: Nach diesen höchstrichterlichen Rechtsgrundsätzen stellen die Bezeichnungen der in Deutschland vorgenommenen Abtreibungen als "Mord an unseren Kindern" und als "neuer Holocaust" zwar drastische und überzeichnende Formulierungen dar, die aber auch in ihrem konkreten Bezug zur Person und zur ärztlichen Tätigkeit des Klägers noch vom Grundrecht der Meinungsfreiheit getragen werden. [...] Der interessierte durchschnittliche Leser des Flugblattes erkennt in diesen Bemerkungen den Protest eines entschiedenen Abtreibungsgegners, der mit plakativen und drastischen Formulierungen provozieren und Aufmerksamkeit erregen will. Es geht dem Beklagten um die Vermittlung der Meinung, die auf Grund der gegenwärtigen Gesetzeslage herrschende Abtreibungspraxis in Deutschland stelle eine verwerfliche Massentötung (werdenden) menschlichen Lebens dar. Eine Gleichsetzung mit dem Holocaust in seinem geschichtlichen Sinne ist dem Kontext des Flugblattes nicht zu entnehmen. Das folgt schon daraus, dass der Beklagte auf der Rückseite des Flugblattes seinen Standpunkt näher begründet und argumentativ unterlegt. Und im BGH, Urteil vom 30. 5. 2000 - VI ZR 276/ 99: Eine Meinungsäußerung im Rahmen eines Beitrags zur politischen Willensbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden, fundamentalen Frage, bei der es um den Schutz des Lebensrechts Ungeborener geht, muß nach Art. 5 Abs. 1 GG in einer freiheitlichen Demokratie grundsätzlich selbst dann toleriert werden, wenn die geäußerte Meinung extrem erscheint (hier: "Babycaust").

„Bomben-Holocaust“

Der Begriff „Bomben-Holocaust“ wurde in Deutschland erstmals im Januar 2005 verwandt. Der NPD-Landtagsabgeordnete Holger Apfel und ein weiteres Parteimitglied verwendeten ihn für die Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945 bzw. für die deutschen Opfer des Luftkrieges im 2. Weltkrieg im Allgemeinen. Der Rahmen ihrer Reden war eine von ihrer NPD beantragte Aktuelle Stunde zum 60. Jahrestag des Luftangriffs auf Dresden im Sächsischen Landtag, in dem die NPD seit 2004 mit 9,2 % der Wählerstimmen vertreten ist.

Diese gezielte Provokation steht im Kontext einer bundesweiten Mobilisierung von Anhängern der rechtsextremen Szene zum „Gedenkmarsch“ in Dresden am 13. Februar 2005, der von der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen ausgerichtet wird. Dies sorgte im In- und Ausland für erheblichen Unmut und Aufsehen in den Medien. Da die Relativierung und Rechtfertigung der Verbrechen des Naziregimes als Volksverhetzung gilt und nach § 130 StGB strafbar ist, wurde wegen des Verdachts darauf ein Strafverfahren eingeleitet.

Die zuständige Staatsanwaltschaft sah wegen der Indemnität der Abgeordneten jedoch keine rechtliche Handhabe und stellte das Verfahren ein. Bundespräsident Horst Köhler plädierte nach einem Israelbesuch jedoch für die energische politische und notfalls rechtliche Bekämpfung der NPD. Im Bundestag wird nun über eine verschärfte Einschränkung des Versammlungsrechts und eine Wiederaufnahme des 2004 vorläufig gescheiterten Verbotsverfahrens gegen diese als rechtsextrem eingestufte Partei nachgedacht.

Siehe auch: Holocaustleugnung

Holocaust-Vergleich von PETA

Im März 2004 wollte die Tierschutzorganisation People for the Ethical Treatment of Animals auf die Missstände bei der Massentierhaltung aufmerksam machen und verwendete dafür den Slogan Holocaust auf ihrem Teller. Dafür erntete die Organisation vor allem Empörung und auch Kritik von anderen Tierschützern. Der Zentralrat der Juden in Deutschland verurteilte die Kampagne aufs Schärfste. Auch das Amtsgericht Stuttgart verurteilte die Organisation aufgrund dieser Aktion wegen Volksverhetzung: „Was Sie hier gemacht haben, hat nicht nur den guten Geschmack, sondern auch die Grenze des Strafrechts überschritten.“, so der Amtsrichter. PETA hat Berufung gegen das Urteil angekündigt.