Theaterwagen

Theaterwagen waren spezielle Einsatzwagen der Straßenbahn, die bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinein spätabends vor oder in der Nähe eines Theaterhauses auf das Ende der Abendvorstellung warteten. Sie brachten die Besucher gegen Mitternacht, und damit kurz vor oder teilweise auch schon nach regulärem Betriebsschluss, auf wichtigen Relationen direkt nach Hause. Damit halfen die Theaterwagen eine Überfüllung der letzten regulären Kurswagen zu vermeiden beziehungsweise boten den Besuchern eine Möglichkeit überhaupt noch nach Hause zu kommen. Mit der Zunahme der Massenmotorisierung in der Nachkriegszeit wurden sie schließlich entbehrlich, insbesondere die meist relativ gutsituierten Theatergänger konnten sich schon vergleichsweise früh ein eigenes Kraftfahrzeug leisten. Damit sind die Theaterwagen ein früher Vorläufer heutiger Nachtverkehre.

Weil sich das Ende eines Bühnenwerks oft nicht genau terminieren lässt, stand den Theaterwagen meist ein sogenanntes Theatergleis zur Verfügung. Hierbei handelte es sich um ein Abstellgleis, teilweise als Stumpfgleis beziehungsweise kurze Stichstrecke ausgeführt, damit die wartenden Sonderwagen den regulären Linienverkehr nicht behinderten. Theaterwagen existierten beispielsweise in:

Baden-Baden140 Meter lange Stichstrecke vom Leopoldsplatz zum Kurgarten, das Gleis führte durch die untere Sophienstraße und endete vor der Fieserbrücke über die Oos. Nach Schluss der Vorstellungen im Kleinen Theater und dem Bühnensaal im Kurhaus standen dort fünf Triebwagen mit Fahrtzielen Weststadt, Bahnhof, Lichtental, Tiergarten und Friedrichshöhe abfahrbereit.[1]
Bremen[2]für die Gäste des Theaters am Goetheplatz
Brünn[3]als Abstellgleis für die Theaterzüge wurde der planmäßig nicht bediente Gleisbogen von der Krapfen- und Pilgramgasse benutzt
Bremerhaven[4]
Danzig[5]Theaterwagen ab dem Kohlenmarkt, für die Gäste des gleichnamigen Theaters am Kohlenmarkt
Darmstadt[6]Theatergleis auf dem heutigen Karolinenplatz zur Bedienung des ehemaligen Hof- und Landestheaters dort, heute Haus der Geschichte
Freiburg im Breisgau[7]drittes Gleis in der Bertoldstraße vor dem Stadttheater, Einsatz von Solo-Triebwagen ohne Beiwagen, im Einsatz bis 1959, unter anderem in die Wiehre, nach Zähringen und nach Günterstal
Graz[8]im Einsatz bis 1961, Verwendung des Beiwagens Nummer 60B, dieser wurde abends auf dem Stumpfgleis in der Girardigasse abgestellt und nach Ende der Aufführung im Opernhaus von einer Garnitur der Ringlinie 2 mitgenommen
Luzern[9]Bis in die 1950er Jahre Theaterfahrten auf einem Gleis, welches bis 1927 für reguläre Fahrten der Linie 2 genutzt wurde
Mainz[10]drittes Gleis auf dem Gutenbergplatz vor dem Staatstheater Mainz, im Einsatz bis Oktober 1963, in der Regel je ein Wagen nach Gonsenheim und nach Bretzenheim
München[11]
Nürnberg[12]
Osnabrück[13]Theatergleis vor dem Theater Osnabrück
Ulm[14]
Wien[15]bei der Volksoper, je ein Theatergleis in der Fuchsthalergasse und in der Lustkandlgasse
Wiesbaden[16]
Worms[17]
Zürich[18]schon 1907 Abstellgleis vor der Tonhalle von wo aus nach einer Vorstellung Theaterwagen in alle Hauptrichtungen abfuhren, ab 1908 zusätzliches Abstellgleis beim Opernhaus

Darüber hinaus sollte auch die 1913 geplante aber kriegsbedingt nicht mehr realisierte Straßenbahn in Göttingen am Deutschen Theater ein eigenes Aufstellgleis für Theaterwagen bekommen.[19]

Eisenbahn

Auch auf vielen Eisenbahnstrecken verkehrte früher in den späten Abendstunden als letzter Zug des Tages ein spezieller Theaterzug für auswärtige Theatergäste. Meist hatte dieser einen vergleichsweise großen zeitlichen Abstand zum vorletzten Zug. Noch heute werden Spätverbindungen mitunter als Theaterzug bezeichnet.[20][21]

Einzelnachweise

  1. Bitte einsteigen: 100 Jahre Verkehrsbetriebe Baden-Baden 1910–2010, Festschrift der Stadtwerke Baden-Baden, Seite 29
  2. Bremer Straßenbahnen 1892–1992, 100 Jahre elektrischer Linienbetrieb
  3. Die Brünner elektrischen Straßenbahnen von 1900–1918 auf www.znaim.eu
  4. Streckennetze der Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG bzw. der Straßenbahn in Bremerhaven (Memento vom 25. September 2015 im Internet Archive) (PDF-Datei)
  5. Führer durch die Freistadt Danzig, Danzig, 1920
  6. Die Straßenbahn in Darmstadt auf www.walter-kuhl.de
  7. Wiehre-Journal Nummer 19, November/Dezember 2009
  8. www.public-transport.at
  9. Ein Tram in der Pfistergasse! auf www.kleinstadt-luzern.ch
  10. www.strassenbahnfreunde-mainz.de
  11. Magnetische Störungen durch die elektrische Strassenbahn im physikalischen Institute der technischen Hochschule München. In: Polytechnisches Journal. 315, 1900, S. 656–660.
  12. Manfred Vasold : Im Arbeiterwagen zum Dienst, Nürnberger Zeitung vom 10. Januar 2011
  13. Joachim Dierks: Mit dem Abriss ignorierte die Stadt einen Gerichtsbeschluss, Osnabrücker Zeitung vom 26. März 2014
  14. Verzeichnis des Stadtarchivs Ulm, Seite 293 (PDF-Datei)
  15. Die Straßenbahnlinie 8 in Wien auf www.tramway.at
  16. Die Residenzstadt als Straßenbahnunternehmer (Memento vom 18. Februar 2011 im Internet Archive) (von www.eswe-verkehr.de)
  17. Nacht- und Theaterwagen der Straßenbahn, Stadtarchiv Worms, 005 / 07505 in der Deutschen Digitalen Bibliothek
  18. Linienplan von 1907 auf den Seiten des Tram-Museums Zürich (Memento vom 1. September 2011 im Internet Archive)
  19. Göttinger Verkehrsgeschichte auf www.omnibusfreunde-goe.de (PDF-Datei)
  20. Fahrplan des TheaterZugs der Süd-Thüringen-Bahn
  21. Ex-BOB-Chef Seeger kann sich Rückkehr vorstellen, Artikel auf Merkur.de