„Australopithecus sediba“ – Versionsunterschied

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'''''Australopithecus sediba''''' ist eine [[Stammesgeschichte des Menschen|Vormenschen]]-Art der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Australopithecus]]'', die vor etwa 1,9 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen [[Südafrika]] lebte. Die [[Art (Biologie)|Art]] wurde 2010 von einer [[Paläontologie|Paläontologen]]-Gruppe um [[Lee Berger]] erstmals wissenschaftlich beschrieben.<ref>{{Literatur | Autor=Lee R. Berger u.&nbsp;a. | Titel=Australopithecus sediba: A New Species of Homo-Like Australopith from South Africa | Sammelwerk=Science | Band=328 | Nummer=5975 | Jahr=2010 | Seiten=195–204 |DOI=10.1126/science.1184944}}</ref> In der [[Erstbeschreibung]] heißt es, ''Australopithecus sediba'' stamme vermutlich von ''[[Australopithecus africanus]]'' ab und weise mehr gemeinsame Zahn- und Knochenmerkmale mit den frühesten Vertretern der Gattung ''[[Homo]]'' auf als jede andere bisher beschriebene ''Australopithecus''-Art. ''Australopithecus sediba'' könne daher als potentieller Vorfahre der frühen ''Homo''-Arten („potentially ancestral to ''Homo''“) interpretiert werden.
'''''Australopithecus sediba''''' ist eine [[Stammesgeschichte des Menschen|Vormenschen]]-Art der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Australopithecus]]'', die vor etwa 1,9 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen [[Südafrika]] lebte. Die [[Art (Biologie)|Art]] wurde 2010 von einer [[Paläontologie|Paläontologen]]-Gruppe um [[Lee Berger]] erstmals wissenschaftlich beschrieben.<ref>{{Literatur | Autor=Lee R. Berger u.a. | Titel=Australopithecus sediba. A New Species of Homo-Like Australopith from South Africa | Sammelwerk=Science | Ort= New York|Band=Jg. 328 | Nummer=5975 | Jahr=2010 | Seiten=195–204 |DOI=10.1126/science.1184944}} {{ISSN|0036-8075}}</ref> In der [[Erstbeschreibung]] heißt es, ''Australopithecus sediba'' stamme vermutlich von ''[[Australopithecus africanus]]'' ab und weise mehr gemeinsame Zahn- und Knochenmerkmale mit den frühesten Vertretern der Gattung ''[[Homo]]'' auf als jede andere bisher beschriebene ''Australopithecus''-Art. ''Australopithecus sediba'' könne daher als potentieller Vorfahre der frühen ''Homo''-Arten („potentially ancestral to ''Homo''“) interpretiert werden.


Der [[Epitheton#Biologie|zweite Namensbestandteil]] ''sediba'' bedeutet in der [[Bantusprache]] [[Süd-Sotho|Sesotho]] „Brunnen“ oder „Quelle“, im übertragenen Sinne auch „Ursprung“.<ref>Adolphe Mabille, Hermann Dieterlen: ''Sesuto-English Dictionary.'' 9. Auflage. Sesuto Book Depot, Morija 1985.</ref> Die genaue Position von ''Australopithecus sediba'' im [[Stammbaum]] der [[Hominini]] ist noch ungeklärt.<ref name="nature2010/100408">Michael Cherry: ''[http://www.nature.com/news/2010/100408/full/news.2010.171.html Claim over "human ancestor" sparks furore.]'' In: ''naturenews.'' 8. April 2010, {{DOI|10.1038/news.2010.171}}.</ref>
Der [[Epitheton#Biologie|zweite Namensbestandteil]] ''sediba'' bedeutet in der [[Bantusprache]] [[Süd-Sotho|Sesotho]] „Brunnen“ oder „Quelle“, im übertragenen Sinne auch „Ursprung“.<ref>Adolphe Mabille, Hermann Dieterlen: ''Sesuto-English Dictionary.'' 9. Auflage. Sesuto Book Depot, Morija 1985.</ref> Die genaue Position von ''Australopithecus sediba'' im [[Stammbaum]] der [[Hominini]] ist noch ungeklärt.<ref name="nature2010/100408">Michael Cherry: ''[http://www.nature.com/news/2010/100408/full/news.2010.171.html Claim over "human ancestor" sparks furore.]'' In: ''naturenews.'' 8. April 2010. {{DOI|10.1038/news.2010.171}}.</ref>


== Das Typusexemplar ==
== Das Typusexemplar ==
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Erhalten sind von MH1 unter anderem der [[Gesichtsschädel]] einschließlich zahlreicher, relativ kleiner Zähne des [[Oberkiefer]]s, Teile des ebenfalls bezahnten [[Unterkiefer]]s, ein [[Oberarmknochen]], ein [[Wadenbein]] sowie diverse Fragmente aus dem Bereich der [[Wirbelsäule]], der [[Rippe]]n und des [[Becken (Anatomie)|Beckens]]. Für das Innere des Schädels wurde ein Volumen von nur 420 Kubikzentimetern rekonstruiert.
Erhalten sind von MH1 unter anderem der [[Gesichtsschädel]] einschließlich zahlreicher, relativ kleiner Zähne des [[Oberkiefer]]s, Teile des ebenfalls bezahnten [[Unterkiefer]]s, ein [[Oberarmknochen]], ein [[Wadenbein]] sowie diverse Fragmente aus dem Bereich der [[Wirbelsäule]], der [[Rippe]]n und des [[Becken (Anatomie)|Beckens]]. Für das Innere des Schädels wurde ein Volumen von nur 420 Kubikzentimetern rekonstruiert.


Als [[Typus (Nomenklatur)|Paratypus]] wurde MH1 das Teilskelett MH2 eines erwachsenen Individuums zur Seite gestellt, das in weniger als 50 Zentimeter Entfernung von MH1 gefunden worden war. Das erste von MH2 entdeckte Fossil war ein [[Oberarmknochen]] (UW 88-57), den Lee Berger am 4. September 2008 entdeckte. MH2 konnte unter anderem ein einzelner Oberkieferzahn, Unterkiefer-Fragmente sowie ein weitgehend erhaltener rechter [[Arm]] einschließlich der fast vollständig erhaltenen Knochen aus dem Bereich der Schulter und der Finger zugeordnet werden. Die Armknochen von MH2 wurden in anatomisch korrekter Anordnung freigelegt, während die Knochen von MH1 über eine Fläche von rund zwei Quadratmetern verstreut lagen.<ref>Lee R. Berger u.&nbsp;a.: ''[http://www.sciencemag.org/cgi/data/328/5975/195/DC1/1 Supporting Online Material for Australopithecus sediba: A New Species of Homo-like Australopith from South Africa.]'' In: ''Science.'' 9. April 2010 (Text S1).</ref> Da auch das [[Schambein]] sowie weitere Fragmente des [[Becken (Anatomie)#Hüftbein (Os coxae)|Hüftbeins]] erhalten blieben, konnte MH2 als vermutlich weiblich identifiziert werden. Aus dem Vergleich der erhaltenen Arm- und Beinknochen, an denen die Muskelansätze noch gut zu erkennen sind, ergibt sich, dass die Arme – wie bei anderen ''Australopithecus''-Arten, nicht jedoch wie bei den ''Homo''-Arten – in Relation zu den Beinen „affenähnlich“<ref name="Transcript" /> lang waren. Das Körpergewicht zu Lebzeiten wird auf rund 30 Kilogramm geschätzt.<ref>Shirona Patel: ''[http://web.wits.ac.za/NewsRoom/NewsItems/HOMINID.htm Wits scientists reveal new species of hominid.]'' vom 8. April 2010 (Pressemitteilung der Witwatersrand-Universität mit Bezug auf Aussagen von Lee Berger).</ref>
Als [[Typus (Nomenklatur)|Paratypus]] wurde MH1 das Teilskelett MH2 eines erwachsenen Individuums zur Seite gestellt, das in weniger als 50 Zentimeter Entfernung von MH1 gefunden worden war. Das erste von MH2 entdeckte Fossil war ein [[Oberarmknochen]] (UW 88-57), den Lee Berger am 4. September 2008 entdeckte. MH2 konnte unter anderem ein einzelner Oberkieferzahn, Unterkiefer-Fragmente sowie ein weitgehend erhaltener rechter [[Arm]] einschließlich der fast vollständig erhaltenen Knochen aus dem Bereich der Schulter und der Finger zugeordnet werden. Die Armknochen von MH2 wurden in anatomisch korrekter Anordnung freigelegt, während die Knochen von MH1 über eine Fläche von rund zwei Quadratmetern verstreut lagen.<ref>Lee R. Berger u.a.: ''[http://www.sciencemag.org/cgi/data/328/5975/195/DC1/1 Supporting Online Material for Australopithecus sediba. A New Species of Homo-like Australopith from South Africa.]'' In: ''Science.'' New York 9. April 2010, S.1. {{ISSN|0036-8075}}</ref> Da auch das [[Schambein]] sowie weitere Fragmente des [[Becken (Anatomie)#Hüftbein (Os coxae)|Hüftbeins]] erhalten blieben, konnte MH2 als vermutlich weiblich identifiziert werden. Aus dem Vergleich der erhaltenen Arm- und Beinknochen, an denen die Muskelansätze noch gut zu erkennen sind, ergibt sich, dass die Arme – wie bei anderen ''Australopithecus''-Arten, nicht jedoch wie bei den ''Homo''-Arten – in Relation zu den Beinen „affenähnlich“<ref name="Transcript" /> lang waren. Das Körpergewicht zu Lebzeiten wird auf rund 30 Kilogramm geschätzt.<ref>Shirona Patel: ''[http://web.wits.ac.za/NewsRoom/NewsItems/HOMINID.htm Wits scientists reveal new species of hominid.]'' 8. April 2010 (Pressemitteilung der Witwatersrand-Universität mit Bezug auf Aussagen von Lee Berger).</ref>


Der Schädel von MH1 zeichnet sich der Erstbeschreibung zufolge durch ein Mosaik von teils [[Apomorphie|abgeleiteten Merkmalen]], teils [[Plesiomorphie|ursprünglichen Merkmalen]] aus, die ihn sowohl von den älteren [[Chronospezies]] ''[[Australopithecus anamensis]]'' und ''[[Australopithecus afarensis]]'' unterscheidbar machen als auch von späteren Arten der Gattung ''Homo''. Von ''[[Australopithecus garhi]]'' unterscheide sich ''Australopithecus sediba'' beispielsweise durch das Fehlen des [[Prognathismus]] (keine ausgeprägte [[Schnauze]], da kein markanter Vorstand des Oberkieferknochens), von den Arten der Gattung ''[[Paranthropus]]'' durch das Fehlen ihrer Merkmale für extrem kräftige Nacken- und Kaumuskeln. Am ehesten ähnele MH1 ''Australopithecus africanus'', der jedoch beispielsweise ein weit ausladenderes [[Jochbein]] und einen weniger ausgeprägten [[Kinn]]knochen besitze.
Der Schädel von MH1 zeichnet sich der Erstbeschreibung zufolge durch ein Mosaik von teils [[Apomorphie|abgeleiteten Merkmalen]], teils [[Plesiomorphie|ursprünglichen Merkmalen]] aus, die ihn sowohl von den älteren [[Chronospezies]] ''[[Australopithecus anamensis]]'' und ''[[Australopithecus afarensis]]'' unterscheidbar machen als auch von späteren Arten der Gattung ''Homo''. Von ''[[Australopithecus garhi]]'' unterscheide sich ''Australopithecus sediba'' beispielsweise durch das Fehlen des [[Prognathismus]] (keine ausgeprägte [[Schnauze]], da kein markanter Vorstand des Oberkieferknochens), von den Arten der Gattung ''[[Paranthropus]]'' durch das Fehlen ihrer Merkmale für extrem kräftige Nacken- und Kaumuskeln. Am ehesten ähnele MH1 ''Australopithecus africanus'', der jedoch beispielsweise ein weit ausladenderes [[Jochbein]] und einen weniger ausgeprägten [[Kinn]]knochen besitze.


Die mit nur 420 Kubikzentimetern sehr geringe Gehirngröße (schon ''[[Homo rudolfensis]]'' werden ungefähr 750 Kubikzentimeter zugeschrieben<ref> Gary Sawyer, Viktor Deak: ''Der lange Weg zum Menschen. Lebensbilder aus 7 Millionen Jahren Evolution.'' Spektrum, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-1915-6, S.&nbsp;79.</ref>) und die auf nur knapp 1,30 Meter geschätzte Körpergröße von MH1 und MH2 werden in der Erstbeschreibung als dafür Gründe angegeben, die Fossilien als weitere Art der Gattung ''Australopithecus'' einzuordnen und nicht als weitere Art der Gattung ''Homo''. Gleichwohl teile ''Australopithecus sediba'' mit den frühen ''Homo''-Arten diverse [[Anatomie|anatomische]] Merkmale, vor allem im Bereich des Beckens und der [[Hüftgelenk]]e, die auf eine Steigerung der Effizienz des [[Bipedie|zweibeinigen Laufens]] im Vergleich zu Vorläuferarten schließen lassen. Außerdem rangiere die Größe der [[Prämolar]]en und der [[Molar (Zahn)|Molaren]] am untersten Ende der von ''Australopithecus africanus'' bekannten Funde, sie gleiche vielmehr derjenigen von ''[[Homo habilis]]'', ''Homo rudolfensis'' und ''[[Homo erectus]]''. Der Bau der Füße sei hingegen weniger ''Homo''-ähnlich.
Die mit nur 420 Kubikzentimetern sehr geringe Gehirngröße (schon ''[[Homo rudolfensis]]'' werden ungefähr 750 Kubikzentimeter zugeschrieben<ref> Gary Sawyer, Viktor Deak: ''Der lange Weg zum Menschen. Lebensbilder aus 7 Millionen Jahren Evolution.'' Spektrum, Heidelberg 2008, S.79. ISBN 3-8274-1915-8</ref>) und die auf nur knapp 1,30 Meter geschätzte Körpergröße von MH1 und MH2 werden in der Erstbeschreibung als dafür Gründe angegeben, die Fossilien als weitere Art der Gattung ''Australopithecus'' einzuordnen und nicht als weitere Art der Gattung ''Homo''. Gleichwohl teile ''Australopithecus sediba'' mit den frühen ''Homo''-Arten diverse [[Anatomie|anatomische]] Merkmale, vor allem im Bereich des Beckens und der [[Hüftgelenk]]e, die auf eine Steigerung der Effizienz des [[Bipedie|zweibeinigen Laufens]] im Vergleich zu Vorläuferarten schließen lassen. Außerdem rangiere die Größe der [[Prämolar]]en und der [[Molar (Zahn)|Molaren]] am untersten Ende der von ''Australopithecus africanus'' bekannten Funde, sie gleiche vielmehr derjenigen von ''[[Homo habilis]]'', ''Homo rudolfensis'' und ''[[Homo erectus]]''. Der Bau der Füße sei hingegen weniger ''Homo''-ähnlich.


== Datierung und Habitat ==
== Datierung und Habitat ==
Mit Hilfe der [[Uran-Blei-Datierung]] konnte für eine unter den Skeletten liegende Bodenschicht ein Alter von 2,026 ± 0,021 Millionen Jahre bestimmt werden; für die darüber liegende, Fossilien bergende Schicht ergab sich anhand [[Magnetostratigraphie|magnetostratigraphischer]] Analysen ein Alter von 1,95 bis 1,78 Millionen Jahre.<ref>Paul H. G. M. Dirks u.&nbsp;a.: ''Geological Setting and Age of Australopithecus sediba from Southern Africa.'' In: ''Science.'' 328, Nr.&nbsp;5975, 2010, {{DOI|10.1126/science.1184950}}, S.&nbsp;205–208.</ref> In der Erstbeschreibung wurde angemerkt, dass bisher keine Aussage darüber möglich ist, seit wann und wie lange die Art existierte.
Mit Hilfe der [[Uran-Blei-Datierung]] konnte für eine unter den Skeletten liegende Bodenschicht ein Alter von 2,026 ± 0,021 Millionen Jahre bestimmt werden; für die darüber liegende, Fossilien bergende Schicht ergab sich anhand [[Magnetostratigraphie|magnetostratigraphischer]] Analysen ein Alter von 1,95 bis 1,78 Millionen Jahre.<ref>Paul H. G. M. Dirks u.a.: ''Geological Setting and Age of Australopithecus sediba from Southern Africa.'' In: ''Science.'' Jg. 328, Nr.&nbsp;5975, 2010, S.205-208. {{DOI|10.1126/science.1184950}} {{ISSN|0036-8075}}</ref> In der Erstbeschreibung wurde angemerkt, dass bisher keine Aussage darüber möglich ist, seit wann und wie lange die Art existierte.


Beide Skelette wurden kurz nach ihrem Tod gemeinsam unter Schutt begraben und so vor der Zerstörung durch große Aasfresser bewahrt; allerdings ergab eine Untersuchung mit Hilfe der [[Synchrotron-Mikrotomographie]] an der [[ESRF|European Synchrotron Radiation Facility]], dass im Inneren des Schädels fossilisierte Insekteneier nachweisbar sind.<ref>Montserrat Capellas: ''[http://www.eurekalert.org/pub_releases/2010-04/esrf-fso040810.php First studies of fossil of new human ancestor take place at the European Synchrotron.]'' In: ''EurekAlert.'' 12. April 2010. Hier wird berichtet: „''the preliminary visualisation of the complete skull already available shows intriguing details. Among them are the fossilised insect eggs whose larvae could have fed on the flesh of the hominid after death.''“</ref>
Beide Skelette wurden kurz nach ihrem Tod gemeinsam unter Schutt begraben und so vor der Zerstörung durch große Aasfresser bewahrt; allerdings ergab eine Untersuchung mit Hilfe der [[Synchrotron-Mikrotomographie]] an der [[ESRF|European Synchrotron Radiation Facility]], dass im Inneren des Schädels fossilisierte Insekteneier nachweisbar sind.<ref>„''the preliminary visualisation of the complete skull already available shows intriguing details. Among them are the fossilised insect eggs whose larvae could have fed on the flesh of the hominid after death.'' “Montserrat Capellas: ''[http://www.eurekalert.org/pub_releases/2010-04/esrf-fso040810.php First studies of fossil of new human ancestor take place at the European Synchrotron.]'' In: ''EurekAlert.'' 12. April 2010.</ref>


[[Begleitfund]]e von ''[[Dinofelis]]'' und ''[[Megantereon]]'' sowie von fossilen Vorläuferarten der [[Schabrackenhyäne]]n und der [[Afrikanischer Wildhund|Afrikanischen Wildhunde]], der [[Pferde]], der [[Echte Schweine|Schweine]], der [[Klippspringer]] und der [[Echte Hasen|Hasen]] wurden – neben den [[Stratigraphie|stratigraphischen]] Befunden – als Beleg dafür interpretiert, dass alle Tiere zu Lebzeiten in ein Höhlensystem stürzten, das oberseits Öffnungen hatte. Nach ihrem Tod seien ihre [[Kadaver]] vermutlich von eindringenden Wassermassen an eine tiefer gelegene Stelle gespült und dort unter angespültem und herabfallendem Gestein verschüttet worden.<ref>[http://web.wits.ac.za/WITS_CMS_Web/CMSPages/Generic%20Template.aspx?NRMODE=Published&NRNODEGUID={466BA0A6-B01A-4F76-AA62-181BDD00A935} About the Discovery] auf wits.ac.za, 13. April 2010. Hintergrundinformationen zum Fund des ''Institute for Human Evolution'' der Witwatersrand-Universität. Dort heißt es unter anderem: „''The skeletons are found among the articulated skeletons of sabre-toothed cats, antelopes, mice and rabbits. They are preserved in a hard, concrete like substance known as calcified clastic sediments that formed at the bottom of what appears to be a shallow underground lake or pool that was possibly as much as 30 to 50 meters underground at the time.''“</ref> Später sei das Höhlensystem wieder mit Gestein aufgefüllt und erst im frühen 20. Jahrhundert durch Steinbrucharbeiter wieder teilweise freigelegt worden.
[[Begleitfund]]e von ''[[Dinofelis]]'' und ''[[Megantereon]]'' sowie von fossilen Vorläuferarten der [[Schabrackenhyäne]]n und der [[Afrikanischer Wildhund|Afrikanischen Wildhunde]], der [[Pferde]], der [[Echte Schweine|Schweine]], der [[Klippspringer]] und der [[Echte Hasen|Hasen]] wurden – neben den [[Stratigraphie|stratigraphischen]] Befunden – als Beleg dafür interpretiert, dass alle Tiere zu Lebzeiten in ein Höhlensystem stürzten, das oberseits Öffnungen hatte. Nach ihrem Tod seien ihre [[Kadaver]] vermutlich von eindringenden Wassermassen an eine tiefer gelegene Stelle gespült und dort unter angespültem und herabfallendem Gestein verschüttet worden.<ref>„''The skeletons are found among the articulated skeletons of sabre-toothed cats, antelopes, mice and rabbits. They are preserved in a hard, concrete like substance known as calcified clastic sediments that formed at the bottom of what appears to be a shallow underground lake or pool that was possibly as much as 30 to 50 meters underground at the time.''“ [http://web.wits.ac.za/WITS_CMS_Web/CMSPages/Generic%20Template.aspx?NRMODE=Published&NRNODEGUID={466BA0A6-B01A-4F76-AA62-181BDD00A935} About the Discovery].] In: ''wits.ac.za.'' 13. April 2010. (Hintergrundinformationen zum Fund des ''Institute for Human Evolution'' der Witwatersrand-Universität.)</ref> Später sei das Höhlensystem wieder mit Gestein aufgefüllt und erst im frühen 20. Jahrhundert durch Steinbrucharbeiter wieder teilweise freigelegt worden.


Die Analyse des Habitats von ''Australopithecus sediba'' wurde bisher noch nicht publiziert; in einem Interview verwies Lee Berger jedoch auf die zahlreich gefundenen Pflanzenfresser-Fossilien und erwähnte, dass der Fundort vor 1,9 Millionen Jahren bewaldet gewesen sei.<ref name="Transcript"> [http://www.sciencemag.org/cgi/data/328/5975/252-b/DC1/1 Science Magazine Podcast Transcript] auf sciencemag.org 9. April 2010 (Transkript eines Interviews mit Lee Berger für einen ''Science''-Podcast (englisch, PDF).</ref>
Die Analyse des Habitats von ''Australopithecus sediba'' wurde bisher noch nicht publiziert; in einem Interview verwies Lee Berger jedoch auf die zahlreich gefundenen Pflanzenfresser-Fossilien und erwähnte, dass der Fundort vor 1,9 Millionen Jahren bewaldet gewesen sei.<ref name="Transcript"> [http://www.sciencemag.org/cgi/data/328/5975/252-b/DC1/1 Science Magazine Podcast Transcript], In: ''sciencemag.org.'' 9. April 2010. - Transkript eines Interviews mit Lee Berger für einen ''Science''-Podcast (englisch, PDF).</ref>


In der Malapa-Höhle wurden neben den beiden Fossilien MH1 und MH2 noch zwei weitere Skelette von ''Australopithecus sediba'' entdeckt: ein Kind und ein erwachsenes Individuum, deren wissenschaftliche Beschreibung noch aussteht.
In der Malapa-Höhle wurden neben den beiden Fossilien MH1 und MH2 noch zwei weitere Skelette von ''Australopithecus sediba'' entdeckt: ein Kind und ein erwachsenes Individuum, deren wissenschaftliche Beschreibung noch aussteht.


== Bedeutung der Funde ==
== Bedeutung der Funde ==
Die Fossilien stammen aus einer Epoche, aus der bisher besonders wenige Hominini-Fossilien bekannt sind: weniger als aus der Epoche von ''Australopithecus afarensis'' (vor 4,0 bis 2,9 Millionen Jahren) und weniger als aus der Zeit vor rund 1,5 Millionen Jahren und danach. Auf ein Alter von 1,9 Millionen Jahre werden zudem auch die ältesten Funde von ''[[Homo erectus]]'' datiert, dessen Anatomie „schon in vielen Einzelheiten weitgehend mit der des modernen Menschen überein[stimmt].“<ref>[[Friedemann Schrenk]]: ''Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens.'' Beck, München 1997, ISBN 3-406-44259-5, S.&nbsp;93.</ref> Die ''Australopithecus-''Funde aus der Malapa-Höhle füllen somit eine Fossilienlücke genau in jener Zeit, in der mit ''Homo erectus'' der unmittelbare Vorfahre des ''Homo sapiens'' erstmals in Erscheinung tritt. Lee Berger bezeichnete seinen Fund daher als „den [[Stein von Rosette|Rosettastein]], der den Zugang zum Verständnis der Gattung ''Homo'' aufschließt.“<ref name="Transcript" />
Die Fossilien stammen aus einer Epoche, aus der bisher besonders wenige Hominini-Fossilien bekannt sind: weniger als aus der Epoche von ''Australopithecus afarensis'' (vor 4,0 bis 2,9 Millionen Jahren) und weniger als aus der Zeit vor rund 1,5 Millionen Jahren und danach. Auf ein Alter von 1,9 Millionen Jahre werden zudem auch die ältesten Funde von ''[[Homo erectus]]'' datiert, dessen Anatomie „schon in vielen Einzelheiten weitgehend mit der des modernen Menschen überein[stimmt].“<ref>[[Friedemann Schrenk]]: ''Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens.'' Beck, München 1997, S.93. ISBN 3-406-44259-5</ref> Die ''Australopithecus-''Funde aus der Malapa-Höhle füllen somit eine Fossilienlücke genau in jener Zeit, in der mit ''Homo erectus'' der unmittelbare Vorfahre des ''Homo sapiens'' erstmals in Erscheinung tritt. Lee Berger bezeichnete seinen Fund daher als „den [[Stein von Rosette|Rosettastein]], der den Zugang zum Verständnis der Gattung ''Homo'' aufschließt.“<ref name="Transcript" />


Im Unterschied zu Lee Berger und den anderen Autoren der Erstbeschreibung, die beide Fossilien als mögliche [[Mosaikform|Übergangsform]] zwischen ''Australopithecus'' und ''Homo'' interpretieren, sind andere [[Paläoanthropologie|Paläoanthropologen]] zurückhaltender. Sie weisen, wie beispielsweise [[Tim White]] und [[Ronald J. Clarke|Ron Clarke]], darauf hin, dass es sich um einen späten, südafrikanischen Seitenast der [[Australopithecina|Australopithecinen]] handeln könne, der neben bereits existierenden Vertretern der Gattung ''Homo'' gelebt habe, hieß es in einem Begleitartikel zur Erstbeschreibung.<ref> Michael Balter: ''Candidate Human Ancestor From South Africa Sparks Praise and Debate.'' In: ''Science.'' 328, Nr.&nbsp;5975, 2010, {{DOI|10.1126/science.328.5975.154}}, S.&nbsp;154–155.</ref> Hintergrund dieser vorsichtigeren Interpretation ist, dass das bisher älteste der Gattung ''Homo'' zugeordnete Fossil, der von [[Friedemann Schrenk]] entdeckte Unterkiefer eines ''[[Homo rudolfensis]]'' (Inventarnummer UR 501) auf ein Alter von 2,5 Millionen Jahre datiert wurde und somit deutlich älter ist als die Funde von ''Australopithecus sediba''. Zudem hätten die neuen Funde nur relativ wenige Merkmale mit ''Homo'' gemein, so dass diese Kritiker – wie zuvor – ''[[Australopithecus afarensis]]'' den Status einer Vorläuferart der Gattung ''Homo'' zuschreiben. In der Fachzeitschrift [[Nature]] wurde kritisiert, dass die Autoren der Erstbeschreibung versäumt hätten, die Variationsbreite von ''Australopithecus africanus'' auszuloten, bevor sie die Funde einer eigenen Art zuordneten.<ref name="nature2010/100408" /> Kritisiert wurde zugleich, dass die Beschreibung der Art im Wesentlichen anhand eines jugendlichen Skeletts erfolgte, ohne dass man bisher sicher Daten vorweisen könne, wie gering oder wie erheblich sich Jugendliche von Erwachsenen unterschieden haben.
Im Unterschied zu Lee Berger und den anderen Autoren der Erstbeschreibung, die beide Fossilien als mögliche [[Mosaikform|Übergangsform]] zwischen ''Australopithecus'' und ''Homo'' interpretieren, sind andere [[Paläoanthropologie|Paläoanthropologen]] zurückhaltender. Sie weisen, wie beispielsweise [[Tim White]] und [[Ronald J. Clarke|Ron Clarke]], darauf hin, dass es sich um einen späten, südafrikanischen Seitenast der [[Australopithecina|Australopithecinen]] handeln könne, der neben bereits existierenden Vertretern der Gattung ''Homo'' gelebt habe, hieß es in einem Begleitartikel zur Erstbeschreibung.<ref> Michael Balter: ''Candidate Human Ancestor From South Africa Sparks Praise and Debate.'' In: ''Science.'' Jg. 328, Nr.&nbsp;5975, New York 2010, S.&nbsp;154–155. {{DOI|10.1126/science.328.5975.154}} {{ISSN|0036-8075}}</ref> Hintergrund dieser vorsichtigeren Interpretation ist, dass das bisher älteste der Gattung ''Homo'' zugeordnete Fossil, der von [[Friedemann Schrenk]] entdeckte Unterkiefer eines ''[[Homo rudolfensis]]'' (Inventarnummer UR 501) auf ein Alter von 2,5 Millionen Jahre datiert wurde und somit deutlich älter ist als die Funde von ''Australopithecus sediba''. Zudem hätten die neuen Funde nur relativ wenige Merkmale mit ''Homo'' gemein, so dass diese Kritiker – wie zuvor – ''[[Australopithecus afarensis]]'' den Status einer Vorläuferart der Gattung ''Homo'' zuschreiben. In der Fachzeitschrift [[Nature]] wurde kritisiert, dass die Autoren der Erstbeschreibung versäumt hätten, die Variationsbreite von ''Australopithecus africanus'' auszuloten, bevor sie die Funde einer eigenen Art zuordneten.<ref name="nature2010/100408" /> Kritisiert wurde zugleich, dass die Beschreibung der Art im Wesentlichen anhand eines jugendlichen Skeletts erfolgte, ohne dass man bisher sicher Daten vorweisen könne, wie gering oder wie erheblich sich Jugendliche von Erwachsenen unterschieden haben.


Einer der Co-Autoren der Erstbeschreibung, Peter Schmid vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich, räumte sogar ein, dass die Unterarmknochen „affenähnlich lang“ und die Fingerknochen „robust, gebogen“ seien sowie „starke Ansatzstellen für die Sehnen der Beugemuskeln“ aufweisen, „was auf kräftige Kletterhände deutet“, also auf eine noch stark baumbewohnende (arboreale) Lebensweise.<ref>Beat Müller: ''[http://idw-online.de/pages/de/news362923 Forscher der Universität Zürich entdecken neue Hominidenart.]'' In: ''Informationsdienst Wissenschaft.'' 8. April 2010 (Pressemitteilung der Universität Zürich).</ref> Ähnlich äußerte sich Lee Berger in einem Interview: „''It’s got long arms though, long ape-like arms, primitive wrists, and short but powerful and curved fingers.''“<ref name="Transcript" />
Einer der Co-Autoren der Erstbeschreibung, Peter Schmid vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich, räumte sogar ein, dass die Unterarmknochen „affenähnlich lang“ und die Fingerknochen „robust, gebogen“ seien sowie „starke Ansatzstellen für die Sehnen der Beugemuskeln“ aufweisen, „was auf kräftige Kletterhände deutet“, also auf eine noch stark baumbewohnende (arboreale) Lebensweise.<ref>Beat Müller: ''[http://idw-online.de/pages/de/news362923 Forscher der Universität Zürich entdecken neue Hominidenart.]'' In: ''Informationsdienst Wissenschaft.'' 8. April 2010 (Pressemitteilung der Universität Zürich).</ref> Ähnlich äußerte sich Lee Berger in einem Interview: „''It’s got long arms though, long ape-like arms, primitive wrists, and short but powerful and curved fingers.''“<ref name="Transcript" />


[[Donald Johanson]], einer der führenden Paläoanthropologen und Entdecker von „[[Lucy]]“, sieht dagegen in ersten Stellungnahmen Ähnlichkeiten mit dem 1986 gefundenen [[OH 62]] (''[[Olduvai]] Hominid'')<ref>Donald C. Johanson u.&nbsp;a.: ''New partial skeleton of Homo habilis from Olduvai gorge, Tanzania.'' In: ''Nature.'' 327, Nr.&nbsp;6119, 1987, {{DOI|10.1038/327205a0;}}, S.&nbsp;205–209</ref> und damit die naheliegende Klassifizierung der Neufunde innerhalb der Gattung ''Homo''.<ref>Alan Boyle: ''[http://cosmiclog.msnbc.msn.com/archive/2010/04/08/2260581.aspx Fossils Shake Up Our Family Tree''] In: ''Cosmic Log, msnbc.com.''</ref><ref>Kate Wong: ''[http://www.scientificamerican.com/blog/post.cfm?id=more-on-australopithecus-sediba-the-2010-04-09 Discoverer of "Lucy" raises questions about Australopithecus sediba, the new human species from South Africa.]'' Auf Scientificamerican.com</ref>
[[Donald Johanson]], einer der führenden Paläoanthropologen und Entdecker von „[[Lucy]]“, sieht dagegen in ersten Stellungnahmen Ähnlichkeiten mit dem 1986 gefundenen [[OH 62]] (''[[Olduvai]] Hominid'')<ref>Donald C. Johanson u.a.: ''New partial skeleton of Homo habilis from Olduvai gorge, Tanzania.'' In: ''Nature.'' 327, Nr.&nbsp;6119, London 1987, S.&nbsp;205–209. {{DOI|10.1038/327205a0;}} {{ISSN|0028-0836}}</ref> und damit die naheliegende Klassifizierung der Neufunde innerhalb der Gattung ''Homo''.<ref>Alan Boyle: ''[http://cosmiclog.msnbc.msn.com/archive/2010/04/08/2260581.aspx Fossils Shake Up Our Family Tree''] In: ''Cosmic Log, msnbc.com.''</ref><ref>Kate Wong: ''[http://www.scientificamerican.com/blog/post.cfm?id=more-on-australopithecus-sediba-the-2010-04-09 Discoverer of "Lucy" raises questions about Australopithecus sediba, the new human species from South Africa.]'' In: ''Scientificamerican.com.''</ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://species.wikimedia.org/wiki/Australopithecus_sediba '''Wikispecies: Australopithecus sediba''']
* [http://species.wikimedia.org/wiki/Australopithecus_sediba '''Wikispecies: Australopithecus sediba''']
* Michael Cherry: ''[http://www.nature.com/news/2010/100408/full/news.2010.171.html Claim over "human ancestor" sparks furore.]'' In: ''naturenews.'' 8. April 2010 (englisch, mit Abbildungen beider Skelette)
* Michael Cherry: ''[http://www.nature.com/news/2010/100408/full/news.2010.171.html Claim over "human ancestor" sparks furore.]'' In: ''naturenews.'' 8. April 2010 (englisch, mit Abbildungen beider Skelette)
* ''[http://www.sciencemag.org/extra/sediba/ Special Feature: Australopithecus sediba.]'' Auf Sciencemag.org, 9. April 2010 (englisch, Linkliste mit Verweisen u.&nbsp;a. auf die digitale Rekonstruktion eines Schädels)
* ''[http://www.sciencemag.org/extra/sediba/ Special Feature: Australopithecus sediba.]'' In: ''Sciencemag.org.'' 9. April 2010 (englisch, Linkliste mit Verweisen u.&nbsp;a. auf die digitale Rekonstruktion eines Schädels)
* Kai Kupferschmidt: ''[http://www.tagesspiegel.de/ecce-homo/1785366.html Ecce Homo? In Südafrika haben Forscher einen neuen Urmenschen entdeckt. Er könnte der Vorfahre der Gattung Homo sein.]'' Auf Tagesspiegel.de, 8. April 2010
* Kai Kupferschmidt: ''[http://www.tagesspiegel.de/ecce-homo/1785366.html Ecce Homo? In Südafrika haben Forscher einen neuen Urmenschen entdeckt. Er könnte der Vorfahre der Gattung Homo sein.]'' In: ''Tagesspiegel.de.'' 8. April 2010.
* Günter Paul: ''[http://www.faz.net/s/Rub7F4BEE0E0C39429A8565089709B70C44/Doc~EA5F0CF59E80C4B968BB3FE613DA7B5A3~ATpl~Ecommon~Scontent.html Der verschollen geglaubte Uronkel.]'' Auf faz.net, 9. April 2010
* Günter Paul: ''[http://www.faz.net/s/Rub7F4BEE0E0C39429A8565089709B70C44/Doc~EA5F0CF59E80C4B968BB3FE613DA7B5A3~ATpl~Ecommon~Scontent.html Der verschollen geglaubte Uronkel.]'' In: ''faz.net.'' 9. April 2010.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 22. April 2010, 16:34 Uhr

Australopithecus sediba

Schädel von Australopithecus sediba MH1

Zeitliches Auftreten
Pleistozän (Gelasium)
um 1,9 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Altweltaffen (Catarrhini)
Menschenartige (Hominoidea)
Menschenaffen (Hominidae)
Hominini
Australopithecus
Australopithecus sediba
Wissenschaftlicher Name
Australopithecus sediba
Berger et al., 2010

Australopithecus sediba ist eine Vormenschen-Art der Gattung Australopithecus, die vor etwa 1,9 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Südafrika lebte. Die Art wurde 2010 von einer Paläontologen-Gruppe um Lee Berger erstmals wissenschaftlich beschrieben.[1] In der Erstbeschreibung heißt es, Australopithecus sediba stamme vermutlich von Australopithecus africanus ab und weise mehr gemeinsame Zahn- und Knochenmerkmale mit den frühesten Vertretern der Gattung Homo auf als jede andere bisher beschriebene Australopithecus-Art. Australopithecus sediba könne daher als potentieller Vorfahre der frühen Homo-Arten („potentially ancestral to Homo“) interpretiert werden.

Der zweite Namensbestandteil sediba bedeutet in der Bantusprache Sesotho „Brunnen“ oder „Quelle“, im übertragenen Sinne auch „Ursprung“.[2] Die genaue Position von Australopithecus sediba im Stammbaum der Hominini ist noch ungeklärt.[3]

Das Typusexemplar

Typusexemplar von Australopithecus sediba ist das teilweise erhaltene Skelett Malapa Hominin 1 (MH1). Entdeckt wurde es in der Malapa-Höhle. Sie liegt 40 Kilometer westlich von Johannesburg und 15 km nordnordöstlich der bekannten Fossilienfundstätten von Sterkfontein, Swartkrans und Kromdraai. Auch die Malapa-Höhle befindet sich im Gebiet des UNESCO-Welterbes Cradle of Humankind. Entdecker des ersten Fossils von Australopithecus sediba – des rechten Schlüsselbeins, Archivnummer UW88[4] – war am 15. August 2008 Matthew Berger, der neunjährige Sohn von Lee Berger.

MH1 stammt von einem jugendlichen – vermutlich männlichen[5] – Individuum, dessen bleibende große Backenzähne schon durchgebrochen waren und in Okklusion standen. Aus Vergleichen mit heute lebenden Menschenaffen und Menschen wurde gefolgert, dass MH1 bereits rund 95 Prozent des Schädelvolumens eines Erwachsenen aufwies. Verglichen mit heute lebenden Kindern spräche dies für ein Alter von 12 bis 13 Jahren; allerdings vollzog sich die Entwicklung der Australopithecinen rascher, das Kind starb also in einem jüngeren Lebensalter. Sein Entwicklungsstand ist am ehesten vergleichbar mit den Fossilien OH7, dem Holotypus von Homo habilis, und KNM-WT 15000, bekannt als Turkana Boy.

Erhalten sind von MH1 unter anderem der Gesichtsschädel einschließlich zahlreicher, relativ kleiner Zähne des Oberkiefers, Teile des ebenfalls bezahnten Unterkiefers, ein Oberarmknochen, ein Wadenbein sowie diverse Fragmente aus dem Bereich der Wirbelsäule, der Rippen und des Beckens. Für das Innere des Schädels wurde ein Volumen von nur 420 Kubikzentimetern rekonstruiert.

Als Paratypus wurde MH1 das Teilskelett MH2 eines erwachsenen Individuums zur Seite gestellt, das in weniger als 50 Zentimeter Entfernung von MH1 gefunden worden war. Das erste von MH2 entdeckte Fossil war ein Oberarmknochen (UW 88-57), den Lee Berger am 4. September 2008 entdeckte. MH2 konnte unter anderem ein einzelner Oberkieferzahn, Unterkiefer-Fragmente sowie ein weitgehend erhaltener rechter Arm einschließlich der fast vollständig erhaltenen Knochen aus dem Bereich der Schulter und der Finger zugeordnet werden. Die Armknochen von MH2 wurden in anatomisch korrekter Anordnung freigelegt, während die Knochen von MH1 über eine Fläche von rund zwei Quadratmetern verstreut lagen.[6] Da auch das Schambein sowie weitere Fragmente des Hüftbeins erhalten blieben, konnte MH2 als vermutlich weiblich identifiziert werden. Aus dem Vergleich der erhaltenen Arm- und Beinknochen, an denen die Muskelansätze noch gut zu erkennen sind, ergibt sich, dass die Arme – wie bei anderen Australopithecus-Arten, nicht jedoch wie bei den Homo-Arten – in Relation zu den Beinen „affenähnlich“[7] lang waren. Das Körpergewicht zu Lebzeiten wird auf rund 30 Kilogramm geschätzt.[8]

Der Schädel von MH1 zeichnet sich der Erstbeschreibung zufolge durch ein Mosaik von teils abgeleiteten Merkmalen, teils ursprünglichen Merkmalen aus, die ihn sowohl von den älteren Chronospezies Australopithecus anamensis und Australopithecus afarensis unterscheidbar machen als auch von späteren Arten der Gattung Homo. Von Australopithecus garhi unterscheide sich Australopithecus sediba beispielsweise durch das Fehlen des Prognathismus (keine ausgeprägte Schnauze, da kein markanter Vorstand des Oberkieferknochens), von den Arten der Gattung Paranthropus durch das Fehlen ihrer Merkmale für extrem kräftige Nacken- und Kaumuskeln. Am ehesten ähnele MH1 Australopithecus africanus, der jedoch beispielsweise ein weit ausladenderes Jochbein und einen weniger ausgeprägten Kinnknochen besitze.

Die mit nur 420 Kubikzentimetern sehr geringe Gehirngröße (schon Homo rudolfensis werden ungefähr 750 Kubikzentimeter zugeschrieben[9]) und die auf nur knapp 1,30 Meter geschätzte Körpergröße von MH1 und MH2 werden in der Erstbeschreibung als dafür Gründe angegeben, die Fossilien als weitere Art der Gattung Australopithecus einzuordnen und nicht als weitere Art der Gattung Homo. Gleichwohl teile Australopithecus sediba mit den frühen Homo-Arten diverse anatomische Merkmale, vor allem im Bereich des Beckens und der Hüftgelenke, die auf eine Steigerung der Effizienz des zweibeinigen Laufens im Vergleich zu Vorläuferarten schließen lassen. Außerdem rangiere die Größe der Prämolaren und der Molaren am untersten Ende der von Australopithecus africanus bekannten Funde, sie gleiche vielmehr derjenigen von Homo habilis, Homo rudolfensis und Homo erectus. Der Bau der Füße sei hingegen weniger Homo-ähnlich.

Datierung und Habitat

Mit Hilfe der Uran-Blei-Datierung konnte für eine unter den Skeletten liegende Bodenschicht ein Alter von 2,026 ± 0,021 Millionen Jahre bestimmt werden; für die darüber liegende, Fossilien bergende Schicht ergab sich anhand magnetostratigraphischer Analysen ein Alter von 1,95 bis 1,78 Millionen Jahre.[10] In der Erstbeschreibung wurde angemerkt, dass bisher keine Aussage darüber möglich ist, seit wann und wie lange die Art existierte.

Beide Skelette wurden kurz nach ihrem Tod gemeinsam unter Schutt begraben und so vor der Zerstörung durch große Aasfresser bewahrt; allerdings ergab eine Untersuchung mit Hilfe der Synchrotron-Mikrotomographie an der European Synchrotron Radiation Facility, dass im Inneren des Schädels fossilisierte Insekteneier nachweisbar sind.[11]

Begleitfunde von Dinofelis und Megantereon sowie von fossilen Vorläuferarten der Schabrackenhyänen und der Afrikanischen Wildhunde, der Pferde, der Schweine, der Klippspringer und der Hasen wurden – neben den stratigraphischen Befunden – als Beleg dafür interpretiert, dass alle Tiere zu Lebzeiten in ein Höhlensystem stürzten, das oberseits Öffnungen hatte. Nach ihrem Tod seien ihre Kadaver vermutlich von eindringenden Wassermassen an eine tiefer gelegene Stelle gespült und dort unter angespültem und herabfallendem Gestein verschüttet worden.[12] Später sei das Höhlensystem wieder mit Gestein aufgefüllt und erst im frühen 20. Jahrhundert durch Steinbrucharbeiter wieder teilweise freigelegt worden.

Die Analyse des Habitats von Australopithecus sediba wurde bisher noch nicht publiziert; in einem Interview verwies Lee Berger jedoch auf die zahlreich gefundenen Pflanzenfresser-Fossilien und erwähnte, dass der Fundort vor 1,9 Millionen Jahren bewaldet gewesen sei.[7]

In der Malapa-Höhle wurden neben den beiden Fossilien MH1 und MH2 noch zwei weitere Skelette von Australopithecus sediba entdeckt: ein Kind und ein erwachsenes Individuum, deren wissenschaftliche Beschreibung noch aussteht.

Bedeutung der Funde

Die Fossilien stammen aus einer Epoche, aus der bisher besonders wenige Hominini-Fossilien bekannt sind: weniger als aus der Epoche von Australopithecus afarensis (vor 4,0 bis 2,9 Millionen Jahren) und weniger als aus der Zeit vor rund 1,5 Millionen Jahren und danach. Auf ein Alter von 1,9 Millionen Jahre werden zudem auch die ältesten Funde von Homo erectus datiert, dessen Anatomie „schon in vielen Einzelheiten weitgehend mit der des modernen Menschen überein[stimmt].“[13] Die Australopithecus-Funde aus der Malapa-Höhle füllen somit eine Fossilienlücke genau in jener Zeit, in der mit Homo erectus der unmittelbare Vorfahre des Homo sapiens erstmals in Erscheinung tritt. Lee Berger bezeichnete seinen Fund daher als „den Rosettastein, der den Zugang zum Verständnis der Gattung Homo aufschließt.“[7]

Im Unterschied zu Lee Berger und den anderen Autoren der Erstbeschreibung, die beide Fossilien als mögliche Übergangsform zwischen Australopithecus und Homo interpretieren, sind andere Paläoanthropologen zurückhaltender. Sie weisen, wie beispielsweise Tim White und Ron Clarke, darauf hin, dass es sich um einen späten, südafrikanischen Seitenast der Australopithecinen handeln könne, der neben bereits existierenden Vertretern der Gattung Homo gelebt habe, hieß es in einem Begleitartikel zur Erstbeschreibung.[14] Hintergrund dieser vorsichtigeren Interpretation ist, dass das bisher älteste der Gattung Homo zugeordnete Fossil, der von Friedemann Schrenk entdeckte Unterkiefer eines Homo rudolfensis (Inventarnummer UR 501) auf ein Alter von 2,5 Millionen Jahre datiert wurde und somit deutlich älter ist als die Funde von Australopithecus sediba. Zudem hätten die neuen Funde nur relativ wenige Merkmale mit Homo gemein, so dass diese Kritiker – wie zuvor – Australopithecus afarensis den Status einer Vorläuferart der Gattung Homo zuschreiben. In der Fachzeitschrift Nature wurde kritisiert, dass die Autoren der Erstbeschreibung versäumt hätten, die Variationsbreite von Australopithecus africanus auszuloten, bevor sie die Funde einer eigenen Art zuordneten.[3] Kritisiert wurde zugleich, dass die Beschreibung der Art im Wesentlichen anhand eines jugendlichen Skeletts erfolgte, ohne dass man bisher sicher Daten vorweisen könne, wie gering oder wie erheblich sich Jugendliche von Erwachsenen unterschieden haben.

Einer der Co-Autoren der Erstbeschreibung, Peter Schmid vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich, räumte sogar ein, dass die Unterarmknochen „affenähnlich lang“ und die Fingerknochen „robust, gebogen“ seien sowie „starke Ansatzstellen für die Sehnen der Beugemuskeln“ aufweisen, „was auf kräftige Kletterhände deutet“, also auf eine noch stark baumbewohnende (arboreale) Lebensweise.[15] Ähnlich äußerte sich Lee Berger in einem Interview: „It’s got long arms though, long ape-like arms, primitive wrists, and short but powerful and curved fingers.[7]

Donald Johanson, einer der führenden Paläoanthropologen und Entdecker von „Lucy“, sieht dagegen in ersten Stellungnahmen Ähnlichkeiten mit dem 1986 gefundenen OH 62 (Olduvai Hominid)[16] und damit die naheliegende Klassifizierung der Neufunde innerhalb der Gattung Homo.[17][18]

Einzelnachweise

  1. Lee R. Berger u.a.: Australopithecus sediba. A New Species of Homo-Like Australopith from South Africa. In: Science. Jg. 328, Nr. 5975. New York 2010, S. 195–204, doi:10.1126/science.1184944. ISSN 0036-8075
  2. Adolphe Mabille, Hermann Dieterlen: Sesuto-English Dictionary. 9. Auflage. Sesuto Book Depot, Morija 1985.
  3. a b Michael Cherry: Claim over "human ancestor" sparks furore. In: naturenews. 8. April 2010. doi:10.1038/news.2010.171.
  4. Alle Funde aus der Malapa-Höhle werden entsprechend dem Regelwerk der Witwatersrand-Universität (UW) unter der Archivnummer UW88 registriert.
  5. Shirona Patel: New hominid species discovered and described in South Africa. In: EurekAlert. 8. April 2010 (Pressemitteilung der Witwatersrand-Universität).
  6. Lee R. Berger u.a.: Supporting Online Material for Australopithecus sediba. A New Species of Homo-like Australopith from South Africa. In: Science. New York 9. April 2010, S.1. ISSN 0036-8075
  7. a b c d Science Magazine Podcast Transcript, In: sciencemag.org. 9. April 2010. - Transkript eines Interviews mit Lee Berger für einen Science-Podcast (englisch, PDF).
  8. Shirona Patel: Wits scientists reveal new species of hominid. 8. April 2010 (Pressemitteilung der Witwatersrand-Universität mit Bezug auf Aussagen von Lee Berger).
  9. Gary Sawyer, Viktor Deak: Der lange Weg zum Menschen. Lebensbilder aus 7 Millionen Jahren Evolution. Spektrum, Heidelberg 2008, S.79. ISBN 3-8274-1915-8
  10. Paul H. G. M. Dirks u.a.: Geological Setting and Age of Australopithecus sediba from Southern Africa. In: Science. Jg. 328, Nr. 5975, 2010, S.205-208. doi:10.1126/science.1184950 ISSN 0036-8075
  11. the preliminary visualisation of the complete skull already available shows intriguing details. Among them are the fossilised insect eggs whose larvae could have fed on the flesh of the hominid after death. “Montserrat Capellas: First studies of fossil of new human ancestor take place at the European Synchrotron. In: EurekAlert. 12. April 2010.
  12. The skeletons are found among the articulated skeletons of sabre-toothed cats, antelopes, mice and rabbits. They are preserved in a hard, concrete like substance known as calcified clastic sediments that formed at the bottom of what appears to be a shallow underground lake or pool that was possibly as much as 30 to 50 meters underground at the time.About the Discovery.] In: wits.ac.za. 13. April 2010. (Hintergrundinformationen zum Fund des Institute for Human Evolution der Witwatersrand-Universität.)
  13. Friedemann Schrenk: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens. Beck, München 1997, S.93. ISBN 3-406-44259-5
  14. Michael Balter: Candidate Human Ancestor From South Africa Sparks Praise and Debate. In: Science. Jg. 328, Nr. 5975, New York 2010, S. 154–155. doi:10.1126/science.328.5975.154 ISSN 0036-8075
  15. Beat Müller: Forscher der Universität Zürich entdecken neue Hominidenart. In: Informationsdienst Wissenschaft. 8. April 2010 (Pressemitteilung der Universität Zürich).
  16. Donald C. Johanson u.a.: New partial skeleton of Homo habilis from Olduvai gorge, Tanzania. In: Nature. 327, Nr. 6119, London 1987, S. 205–209. ISSN 0028-0836
  17. Alan Boyle: Fossils Shake Up Our Family Tree In: Cosmic Log, msnbc.com.
  18. Kate Wong: Discoverer of "Lucy" raises questions about Australopithecus sediba, the new human species from South Africa. In: Scientificamerican.com.