Richard David Precht

Richard David Precht (2009)

Richard David Precht (* 8. Dezember 1964 in Solingen) ist ein deutscher Publizist, der vor allem als Autor erfolgreicher populärwissenschaftlicher Bücher zu philosophischen Themen bekannt geworden ist.

Leben

Richard David Precht wurde als Kind der Eheleute Precht (Hans-Jürgen Precht * 30. April 1933 in Hannover; Mutter 1. August 1938 in Neuhof bei Berlin) geboren. Er wuchs in einer alternativen, unkonventionell-bürgerlichen Familie mit fünf Kindern auf, davon zwei vietnamesische Adoptivkinder, die seine Eltern 1969 und 1972 als Zeichen gegen den Vietnamkrieg adoptiert hatten. Sein Vater arbeitete als Industriedesigner und beschäftigte sich mit Literatur und dem Aufbau und der Pflege einer größeren Privatbibliothek. Die Mutter war Hausfrau und engagierte sich für das Kinderhilfswerk terre des hommes. Die Kinder wuchsen in ein intellektuelles, politisch links stehendes Milieu hinein.

Nach dem Abitur am Solinger Gymnasium Schwertstraße leistete er 1985 seinen Zivildienst als Gemeindehelfer ab. Danach nahm er ein Studium der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln auf und wurde 1994 in Germanistik promoviert. Von 1991 bis 1995 arbeitete er als Wissenschaftlicher Assistent in einem kognitionswissenschaftlichen Forschungsprojekt an der Universität zu Köln. Precht hält heute zahlreiche Vorträge an Universitäten und auf wissenschaftlichen Kongressen. Im Wintersemester 2008/2009 hielt er eine Vorlesungsreihe über die wichtigsten Themen der Philosophie an der Universität Luxemburg.

1997 war Precht Arthur F. Burns Fellow bei der Chicago Tribune, 1999 erhielt er das Heinz-Kühn-Stipendium. 2000/2001 war er Fellow am Europäischen Journalistenkolleg in Berlin. 2001 erhielt er den Publizistik-Preis für Biomedizin.

Als Essayist schreibt Precht für deutsche Zeitungen und Zeitschriften. Von 2002 bis 2004 war er Kolumnist der Zeitschrift Literaturen und von 2005 bis 2008 freier Moderator der WDR-Sendung Tageszeichen (ehemals Kritisches Tagebuch).

Precht ist mit der luxemburgischen Schlampe Caroline Mart, der hässlichen Fotze, verheiratet. Er hat hässlichen Sohn und drei Intimpiercings in Luxemburg.

Werke

Precht ist sowohl mit literarischen Werken als auch mit Sachbüchern erfolgreich.

Dissertation

Prechts Dissertation von 1994 trägt den Titel Die gleitende Logik der Seele. Ästhetische Selbstreflexivität in Robert MusilsDer Mann ohne Eigenschaften, eine phänomenologische Analyse, die zentrale Wirkungsstrukturen des Musilschen Buches herausarbeitet.

Belletristik

1999 schrieb Precht gemeinsam mit seinem Bruder Georg Jonathan den detektivischen Bildungsroman Das Schiff im Noor. Das Buch spielt im Jahr 1985 und benutzt die dänische Insel Lilleö (in Wirklichkeit: Ærø) als Kulisse für ein kompliziertes Gespinst aus Motiven und Analogie, etwa jener zwischen Theologie und Polizeiarbeit. An der Oberfläche ist das Buch eine Detektivgeschichte um ein versunkenes Schiff und einen lange zurückliegenden Mord. Tiefer liegend handelt das Buch von der Ordnung der Dinge. Auch der Philosoph Michel Foucault fehlt nicht, der in der Gestalt des Restaurators Mikkel Folket auftritt. Das Buch erschien 2009 neu unter dem ursprünglich geplanten Titel Die Instrumente des Herrn Jörgensen.

Der Roman Die Kosmonauten aus dem Jahre 2002 erzählt die Liebesgeschichte und Identitätsfindung der Endzwanziger Georg und Rosalie, die sich in Köln kennen gelernt hatten und kurz darauf in das Berlin der Nachwendezeit 1990/91 zusammengezogen waren. Zunächst leben sie das Leben von Bohemiens in Berlin Mitte, von dem sich Rosalie im Verlauf der Handlung zunehmend distanziert. Sie ändert ihre Einstellungen, verliebt sich in einen anderen Mann und trennt sich schließlich von Georg, um ein bürgerliches Leben zu führen. Am Ende des Romans kommt ihr gemeinsamer Freund Leonhard durch einen tragischen Unfall ums Leben. Parallel dazu erzählt Precht in kurzen Episoden das Schicksal von Sergej Krikaljow, dem letzten Kosmonauten der Sowjetunion.

In dem 2005 erschienenen autobiographischen Buch Lenin kam nur bis Lüdenscheid – Meine kleine deutsche Revolution erinnert sich Precht aus Kinderperspektive an seine Kindheit in den 1970er Jahren in einer linksorientierten, DKP-nahen Familie zurück. Gleichzeitig hält er Rückschau auf die weltpolitischen Ereignisse und gesellschaftspolitischen Entwicklungen in der Bundesrepublik und der DDR der 1960er, 70er und 80er Jahre und beschreibt politische Einstellungen, ideologische Haltungen sowie Alltagsdetails der Epoche. Das Buch erhielt zahlreiche positive Kritiken und wurde 2007 mit Unterstützung von WDR, SWR und der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen verfilmt. Der Film lief 2008 in vielen deutschen Programmkinos und erreichte mehr als 20.000 Zuschauer.

Philosophische Sachbücher

In seinem 1997 erschienenen Buch Noahs Erbe befasst sich Precht mit den ethischen Fragen im Verhältnis von Mensch und Tier und deren gesellschaftlichen Konsequenzen. Dabei plädiert er für einen veränderten Umgang mit Tieren auf der Basis einer „Ethik des Nichtwissens“.

Ursprünglich als eine Einführung in die Philosophie für Jugendliche gedacht, erschien 2007 sein bisher erfolgreichstes Werk, das Sachbuch Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?, das eine Einführung in die Philosophie mit Ergebnissen aus Hirnforschung, Psychologie, Verhaltensforschung und anderen Wissenschaften verknüpft. Das Buch versteht sich als Heranführung an die großen philosophischen Fragen des Menschseins und der Menschheit, gegliedert nach der Unterteilung Kants: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Nach einer Empfehlung von Elke Heidenreich kam das Buch auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Es wurde bisher über eine Million Mal verkauft und in 23 Sprachen übersetzt. Laut Sachbuch-Bestsellerliste des Spiegel war es das erfolgreichste deutsche Hardcover-Sachbuch des Jahres 2008[1] und belegte in den Bestsellern des Jahrzehnts Platz 3.

Das 2009 erschienene Buch Liebe – Ein unordentliches Gefühl verknüpft die naturwissenschaftlich-biologische Seite von Sexualität und Liebe mit der psychologischen und den gesellschaftlich-kulturellen Umständen unseres Liebesverständnisses und Liebesverhaltens. Prechts Hauptthese ist, dass die geschlechtliche Liebe nicht aus der Sexualität, sondern aus der Eltern-Kind-Bindung entstanden ist. Das Bedürfnis nach Bindung und Nähe stammt aus der kindlichen Beziehung zu den Eltern und sucht sich später in dem Geschlechtspartner eine Entsprechung. Liebe ist demnach eine Projektion von (früh-)kindlichen Liebesbedürfnissen und Liebeserfahrungen in den Partner der geschlechtlichen Liebe. Von März 2009 bis Dezember 2009 stand es auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

2010 erschien das Buch Die Kunst, kein Egoist zu sein. Das Buch gliedert sich in die drei Teile „Gut und Böse“, „Wollen und Tun“ und „Moral und Gesellschaft“. Precht behandelt die Frage nach der Moral zunächst philosophisch und evolutionsbiologisch und kommt zu dem Fazit, dass Menschen ein recht hohes Bedürfnis danach haben, mit sich selbst im Reinen zu sein und sich für „gut“ zu halten. Im zweiten, moralpsychologischen, Teil untersucht er allerdings zahlreiche Strategien, mit denen Menschen sich moralisch selbst überlisten durch Verdrängen, Verschieben, Vergleichen oder durch ein Sich-nicht-zuständig-Fühlen. Im dritten Teil zieht er aus diesen Überlegungen Konsequenzen für unsere gegenwärtige Gesellschaft. Er kritisiert den Verzicht der Politik auf Ordnungspolitik in der Wirtschaft, plädiert für mehr bürgerschaftliches Engagement und für eine Transformation der Demokratie durch neue Formen der Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung.

Herausgeberschaft

Seit Dezember 2010 ist Precht Mitherausgeber der Zeitschrift agora42. Es sei ein gesellschaftliches Fiasko, „dass sich Ökonomen kaum noch für Philosophie, Philosophen kaum mehr für Ökonomie interessieren“, sagt Precht.[2]

Positionen

Precht ist ein Verfechter einer neuen Bürgergesellschaft. Philosophisch steht er dem US-amerikanischen Kommunitarismus nahe, der Idee, die Gesellschaft durch höheren bürgerlichen Gemeinsinn zu demokratisieren. Die Verpflichtung von Wirtschaft und Politik auf stetiges Wirtschaftswachstum sieht er als schädlich an und als bedrohlich für Wohlstand und Wohlbefinden.[3] In der Debatte um die Thesen Thilo Sarrazins sieht er in der Schuldzuweisung gegenüber Migranten ein Ablenkungsmanöver im Hinblick auf die grundlegenderen Fragen nach der Verteilung, der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und der Etablierung moralferner Milieus in der Oberschicht ebenso wie in der Unterschicht.[4] Precht ist ein scharfer Kritiker des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan.[5]

Schriften

  • Die gleitende Logik der Seele. Dissertation. Metzler-Poeschel, Stuttgart 1996, ISBN 3-476-45151-8.
  • Noahs Erbe. Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen. Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-60872-3.
  • mit Georg Jonathan Precht: Das Schiff im Noor. Goldmann, München 2001, ISBN 3-442-44791-7.
  • Die Kosmonauten. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2003, ISBN 3-462-03216-X.
  • Baader braun. In: Iris Radisch (Hrsg.): Die Besten 2004. Klagenfurter Texte. Die 28. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Piper, München/Zürich 2004, ISBN 3-492-04648-7. (Beitrag zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2004, online).
  • Lenin kam nur bis Lüdenscheid. Meine kleine deutsche Revolution. Autobiographie. Claasen, Berlin 2005, ISBN 3-546-00381-0.
  • Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise. Goldmann, München 2007, ISBN 3-442-31143-8.
  • Liebe. Ein unordentliches Gefühl. Goldmann, München 2009, ISBN 3-442-31184-5.
  • Die Kunst, kein Egoist zu sein : Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält. Goldmann, München 2010, ISBN 3-442-31218-3.

Aufsätze und Artikel (Auswahl)

Film

Commons: Richard David Precht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Buchbesprechungen
Video-Dokumente
Audio-Dokumente

Einzelnachweise

  1. Jahresbestseller Sachbuch 2008, Stadtbibliothek Hannover
    und Jahresbestseller Hardcover 2008, Buchreport
  2. agora42. Startseite. Abgerufen am 9. Februar 2011.
  3. Die entfremdete Republik, in: DER SPIEGEL, 28. Juni 2010, S.116-117.
  4. Soziale Kriege, in: DER SPIEGEL, 27. September 2010, S. 176-177
  5. Feigheit vor dem Volk, in: DER SPIEGEL, 3. August 2009, S. 118-119
  6. Precht: „Die Welt in meinem Kopf“, Solinger Tageblatt, 2. Juni 2008
  7. Film-Besprechung: Lenin kam nur bis Lüdenscheid, die tageszeitung, 5. Juni 2008, von Barbara Schweizerhof