Massaker von Deir Yasin

Kartenausschnitt von Deir Yasin

Deir Yasin (auch Deir Jassin, arab. دير ياسين Dair Yāsīn bzw. im palästinensischen Dialekt Dēr Yāsīn) ist ein arabisches Dorf, heute Teil des im Nordwesten Jerusalems gelegenen Giw'at Scha'ul, in dem am 9. April 1948 ein Massaker stattfand. Die zionistischen militärischen Untergrundorganisationen Irgun Tzwai Le’umi (IZL) und Lechi (LHI) töteten 100-110 Menschen, darunter Frauen und Kinder.

1948 sprachen verschiedene Quellen von bis zu 254 Opfern. Heute wird angenommen, dass in der Berichterstattung diese Zahlen in die Höhe getrieben wurden, da dies im Interesse aller Parteien lag. Die Hagana hatte ein Interesse, die Untergrundorganisationen IZL und LHI zu diskreditieren. Sowohl Briten als auch Arabern kam es gelegen, die Juden in ein schlechtes Licht zu rücken. IZL und LHI nutzten die Opferzahlen, um Angst und Schrecken unter den Arabern zu verbreiten und um sie aus dem Land zu vertreiben.

Die Gewalttat löste Panik unter der arabischen Bevölkerung aus. Infolge dieses Massakers und aus weiteren Gründen waren bis zum eigentlichen Beginn des Palästinakrieg am 14. Mai 1948 - also binnen 35 Tagen - bereits zwischen 250.000 und 300.000 arabische Palästinenser geflohen oder wurden vertrieben. Die Schockwirkung des Massakers war auch deswegen groß, weil Deir Yasin als ein „kooperatives” Dorf galt, das versucht hatte, sich mit der wachsenden jüdischen Präsenz in Palästina zu arrangieren. Dass ausgerechnet hier eine solche Bluttat verübt wurde, hat der Radikalisierung unter der arabisch-palästinensischen Bevölkerung Vorschub geleistet. Inwiefern diese Reaktion wiederum von den Verantwortlichen des Massakers vorhergesehen und womöglich bewusst angestrebt wurde, ist unter Historikern umstritten.

Kommandiert wurde die Tat vom späteren israelischen Premierminister und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin. Begin verteidigte auch später noch das Massaker: „Das Massaker von Deir Jassin hatte nicht nur seine Berechtigung – ohne den ,Sieg‘ von Deir Jassin hätte es auch niemals einen Staat Israel gegeben.“[1] Deir Yasin war eines der wenigen Ereignisse der vorisraelischen Geschichte, über die mit einem negativen Ton zu schreiben opportun war. Die Tat wurde später in der innenpolitischen Debatte gegen Begins Partei Cherut und Likud verwendet. Der Anteil der Hagana blieb unklar.

Vier Tage später, am 13. April 1948, erfolgte ein Angriff arabischer Freischärler am Skopus-Berg auf einen Sanitätskonvoi, bei dem 76, nach anderen Quellen 77 Menschen starben, die meisten davon Ärzte und Krankenschwestern. Dieser Anschlag wird als Vergeltungsmaßnahme mit Deir Yasin in Verbindung gebracht.

Literatur

  • Chomsky, Noam: Offene Wunde Nahost. Israel, die Palästinenser und die US-Politik, aktualisierte Auflage, Hamburg 2003.
  • Gelvin, James L.: The Israel-Palestine Conflict. One Hundred Years of War, New York 2005.
  • Marvin E. Gettleman / Stuart Schaar (Hrsg.): The Middle East and Islamic World Reader. S. 155, 2003, ISBN 0-802-13936-1
  • Ted Gottfried: The Israelies And Palestinians. S. 28-29, 2000, ISBN 0-761-31859-3
  • GEO-Epoche Nr. 20 Die Geschichte des Judentums, Gruner + Jahr, 2005, ISBN 3-570-19598-8, S. 153
  • Pappe, Ilan: A History of Modern Palestine. One Land, Two Peoples, 2. Auflage, Cambridge 2007.

Fußnoten

  1. Markus A. Weingardt: Deutsche Israel- und Nahostpolitik. Campus Verlag 2002, ISBN 359337109X, S. 33.