„Kryoelektronenmikroskopie“ – Versionsunterschied

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Die '''Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM)''' ist eine Form der [[Transmissionselektronenmikroskop]]ie (TEM), bei welcher biologische Proben bei [[Kryotechnik|kryogenen]] Temperaturen (≲ −150 °C) untersucht werden.
Die '''Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM)''' ist eine Form der [[Transmissionselektronenmikroskop]]ie (TEM), bei welcher biologische Proben bei [[Kryotechnik|kryogenen]] Temperaturen (≲ −150 °C) untersucht werden.


== Prinzip ==
== rinzip ==
Bei der herkömmlichen Elektronenmikroskopie einer biologischen Probe bei Raumtemperatur muss vor der Untersuchung das Wasser aus der Probe entfernt werden. Dabei muss die Probe einen langwierigen und fehleranfälligen Prozess durchlaufen, bei welchem sie mit verschiedenen Probenvorbereitungen behandelt und das in ihr enthaltene Wasser sukzessive durch ein Kunststoff-[[Einbettmedium]] ersetzt wird. Im Rahmen dieser Behandlung können sich in der Probe [[Artefakt (Diagnostik)|Artefakte]] (Strukturveränderungen) durch die Behandlung bilden, welche letztendlich das Ergebnis verfälschen oder zu Fehlinterpretationen führen können.
Bei der herkömmlichen Elektronenmikroskopie einer biologischen Probe bei Raumtemperatur muss vor der Untersuchung das Wasser aus der Probe entfernt werden. Dabei muss die Probe einen langwierigen und fehleranfälligen Prozess durchlaufen, bei welchem sie mit verschiedenen Probenvorbereitungen behandelt und das in ihr enthaltene Wasser sukzessive durch ein Kunststoff-[[Einbettmedium]] ersetzt wird. Im Rahmen dieser Behandlung können sich in der Probe [[Artefakt (Diagnostik)|Artefakte]] (Strukturveränderungen) durch die Behandlung bilden, welche letztendlich das Ergebnis verfälschen oder zu Fehlinterpretationen führen können.



Version vom 15. Oktober 2017, 16:34 Uhr

Kryo-elektronenmikroskopische Aufnahme eines Chaperon-Proteins in amorphem Eis (50.000-fache Vergrößerung)
Kryo-EM-Darstellung der Virushülle eines Alphavirus (Durchmesser 68 nm)

Die Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) ist eine Form der Transmissionselektronenmikroskopie (TEM), bei welcher biologische Proben bei kryogenen Temperaturen (≲ −150 °C) untersucht werden.

rinzip

Bei der herkömmlichen Elektronenmikroskopie einer biologischen Probe bei Raumtemperatur muss vor der Untersuchung das Wasser aus der Probe entfernt werden. Dabei muss die Probe einen langwierigen und fehleranfälligen Prozess durchlaufen, bei welchem sie mit verschiedenen Probenvorbereitungen behandelt und das in ihr enthaltene Wasser sukzessive durch ein Kunststoff-Einbettmedium ersetzt wird. Im Rahmen dieser Behandlung können sich in der Probe Artefakte (Strukturveränderungen) durch die Behandlung bilden, welche letztendlich das Ergebnis verfälschen oder zu Fehlinterpretationen führen können.

Die Kryo-Elektronenmikroskopie ermöglicht eine Abbildung des untersuchten Objektes nahe am nativen Zustand. Daher können im Vergleich zur klassischen TEM keine Fixierungs- und Kontrastmittel verwendet werden.[1] Ohne die Kontrastmittel sind biologische Proben aufgrund der gleichmäßigen, niedrigen Elektronendichte für die verwendeten Strahlen fast transparent.[1] Aufgrund des hohen Anteils an Eis kann zudem nur eine kurz dosierte Strahlungsintensität (unter 1 bis 10 Elektronen pro Å2) verwendet werden.[1] Dadurch ist das Signal-Rausch-Verhältnis vergleichsweise gering.[1] Durch Berechnung der Strukturen aus vielen tausend Aufnahmen desselben Objekts aus unterschiedlichen Perspektiven kann ein 3D-Modell des Objekts erstellt werden (single particle method „Einzelpartikelmethode“).[1] Durch Mittelung mehrerer 3D-Modelle des gleichen Objekts können weitere Verbesserungen erzielt werden (subtomogram averaging „Untertomogrammmittelung“).[1] Die Auflösung der Kryo-Elektronenmikroskopie liegt zwischen der Transmissionselektronenmikroskopie und der Röntgen-Strukturanalyse.[1]

Das Kryo-Elektronenmikroskop

Ein Kryo-Elektronenmikroskop als solches existiert im Grunde nicht. Jedes Transmissionselektronenmikroskop ist mit einer Kühlfalle ausgestattet. Diese schützt die Probe während der Exposition gegenüber dem Kathodenstrahl vor Kontaminationen und sorgt für eine Verbesserung des Feinvakuums im Bereich der Probe. Die Kombination einer extrem leistungsfähigen Kühlfalle (im Besonderen sogenannte Kryoboxen) mit einem gekühlten Probenhalter, der einen wärmeleitfähig verbundenen Tank für flüssigen Stickstoff besitzt, erzeugt ein Kryo-Elektronenmikroskop. Durch die vermehrte Verwendung der Forschungsmethode seit ca. 2005 bauen die führenden Hersteller von Transmissionselektronenmikroskopen auch dedizierte Kryo-Elektronenmikroskope. Die Artefakte aus der Verwendung von Faseroptik und Szintillatoren können durch die Verwendung einer direkten CMOS-Aufnahme vermieden werden.[1] Der Kontrast der Aufnahme kann durch die Verwendung von Phasenplatten verstärkt werden.[1]

Methode

Das Enzym Alkoholoxidase aus P. pastoris per Kryo-EM[2]

Probenvorbereitung

In der Kryo-Elektronenmikroskopie wird die Probe ultraschnell schockgefroren bzw. präziser formuliert: vitrifiziert. Es können typischerweise Kühlraten von >10.000 K/s erreicht werden. Vorhandenes Wasser erstarrt zu amorphem Eis. Insbesondere werden Kryo-Elektronenmikroskope verwendet, um komplexe Proteinstrukturen zu analysieren. Dabei werden die Strukturen innerhalb von Sekundenbruchteilen durch tiefkalte Flüssigkeiten wie flüssigen Stickstoff oder flüssiges Helium auf Temperaturen unter −150 °C (123 K) gekühlt.

Datenanalyse

Über eine im Gerät verbaute Verstelleinrichtung wird das Präparat aus verschiedenen Winkeln analysiert.

Datenverarbeitung

Aus den erhaltenen Daten kann mit einer Routine eine 3-D-Struktur generiert werden. Die Routine wurde durch Joachim Frank maßgeblich mitentwickelt. Die Auflösung kryo-elektronenmikroskopisch ermittelter 3-D-Strukturen erreicht derzeit 0,2 Nanometer[3] und besser.

Varianten

Verschiedene Techniken und Varianten zur Kryo-Elektronenmikroskopie wurden entwickelt, z. B. Elektronenkristallographie,[4] Einzelpartikelanalyse,[5] Kryoelektronentomographie,[6] MicroED[7] und zeitaufgelöste Kryo-EM.[8][9][10]

Geschichte

Die Kryo-Elektronenmikroskopie wurde von dem Schweizer Chemiker Jacques Dubochet am European Molecular Biology Laboratory entwickelt und von Joachim Frank und Richard Henderson weiterentwickelt. 2017 wurden alle drei für ihre Arbeit mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.[11]

Einen Vergleich unterschiedlicher elektronenmikroskopischer Arbeitstechniken mit der Kryo-Elektronenmikroskopie zeigt eine Arbeit zur Charakterisierung des Mycobacterium smegmatis.[12]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Maria Mulisch: Romeis - Mikroskopische Technik. Springer-Verlag, 2015, ISBN 978-3-642-55190-1, S. 169.
  2. J. Vonck, D. N. Parcej, D. J. Mills: Structure of Alcohol Oxidase from Pichia pastoris by Cryo-Electron Microscopy. In: PloS one. Band 11, Nummer 7, 2016, S. e0159476, doi:10.1371/journal.pone.0159476, PMID 27458710, PMC 4961394 (freier Volltext).
  3. Resolution advances in cryo-EM enable application to drug discovery. In: Curr Opin Struct Biol. Band 41, Dec 2016, S. 194-202. doi: 10.1016/j.sbi.2016.07.009.
  4. Xiaodong Zou: Electron Crystallography. OUP Oxford, 2011, ISBN 978-0-199-58020-0. S. 4.
  5. Grant J. Jensen: Cryo-EM Part B: 3-D Reconstruction. In: Methods in Enzymology. Band 482, Academic Press, 2010, ISBN 978-0-123-84992-2. S. 211.
  6. Joachim Frank: Electron Tomography. Springer Science & Business Media, 2008, ISBN 978-0-387-69008-7, S. 50
  7. R. A. Crowther: The Resolution Revolution: Recent Advances In cryoEM. In: Methods in Enzymology, Band 579, Academic Press, 2016, ISBN 978-0-128-05435-2, S. 369.
  8. Ziao Fu, Sandip Kaledhonkar, Anneli Borg, Ming Sun, Bo Chen, Robert A. Grassucci, Måns Ehrenberg, Joachim Frank: Key Intermediates in Ribosome Recycling Visualized by Time-Resolved Cryoelectron Microscopy. In: Structure. 24. Jahrgang, Nr. 12, 2016, S. 2092–2101, doi:10.1016/j.str.2016.09.014, PMID 27818103, PMC 5143168 (freier Volltext).
  9. Xiangsong Feng, Ziao Fu, Sandip Kaledhonkar, Yuan Jia, Binita Shah, Amy Jin, Zheng Liu, Ming Sun, Bo Chen, Robert A. Grassucci, Yukun Ren, Hongyuan Jiang, Joachim Frank, Qiao Lin: A Fast and Effective Microfluidic Spraying-Plunging Method for High-Resolution Single-Particle Cryo-EM. In: Structure. 25. Jahrgang, Nr. 4, 2017, S. 663–670.e3, doi:10.1016/j.str.2017.02.005, PMID 28286002, PMC 5382802 (freier Volltext).
  10. Bo Chen, Sandip Kaledhonkar, Ming Sun, Bingxin Shen, Zonghuan Lu, David Barnard, Toh-Ming Lu, Ruben L. Gonzalez, Joachim Frank: Structural Dynamics of Ribosome Subunit Association Studied by Mixing-Spraying Time-Resolved Cryogenic Electron Microscopy. In: Structure. 23. Jahrgang, Nr. 6, 2015, S. 1097–105, doi:10.1016/j.str.2015.04.007, PMID 26004440, PMC 4456197 (freier Volltext).
  11. Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 2017 an Jacques Dubochet, Joachim Frank, Richard Henderson (englisch)
  12. C. K. Bleck, A. Merz, M. G. Gutierrez, P. Walther, J. Dubochet, B. Zuber, G. Griffiths: Comparison of different methods for thin section EM analysis of Mycobacterium smegmatis. In: J Microsc. Band 237, Nr. 1, Januar 2010, S. 23–38, PMID 20055916