„Geschlechtergerechte Sprache“ – Versionsunterschied

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== Gesetzeslage ==
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Für den Sprachgebrauch im öffentlichen Dienst und für Schüler ist die Verwendung geschlechtsneutraler Formen in einigen Bundesländern vorgeschrieben (in Berlin seit 1991<ref name="LADG">Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) Berlin, 31. Dezember 1990, ersetzt durch den Landesgleichstellungsgesetz (LGG) in der Fassung vom 6. September 2002 (GVBl. S. 280), zuletzt geändert durch Achtes Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes vom 19. Juni 2006 (GVBl. S. 575)</ref>). Auf Grund von EU-Recht müssen alle Inserenten bei Stellenanzeigen „geschlechtsneutral“ formulieren; dabei wird in Langfassungen von Splittingformen zumeist die weibliche Form zuerst angegeben. Neben Personalpronomen und Personenbezeichnungen werden auch die deklinierten Adjektive und Artikel gelegentlich doppelgeschlechtlich angeführt.
Für den Sprachgebrauch im öffentlichen Dienst und für Schüler und Schülerinnen ist die Verwendung geschlechtsneutraler Formen in einigen Bundesländern vorgeschrieben (in Berlin seit 1991<ref name="LADG">Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) Berlin, 31. Dezember 1990, ersetzt durch den Landesgleichstellungsgesetz (LGG) in der Fassung vom 6. September 2002 (GVBl. S. 280), zuletzt geändert durch Achtes Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes vom 19. Juni 2006 (GVBl. S. 575)</ref>). Auf Grund von EU-Recht müssen alle Inserenten und Inserentinnen bei Stellenanzeigen „geschlechtsneutral“ formulieren; dabei wird in Langfassungen von Splittingformen zumeist die weibliche Form zuerst angegeben. Neben Personalpronomen und Personenbezeichnungen werden auch die deklinierten Adjektive und Artikel gelegentlich doppelgeschlechtlich angeführt.


=== EU ===
=== EU ===

Version vom 30. Dezember 2013, 18:49 Uhr

Unter dem Begriff geschlechtergerechte Sprache werden Vorschläge und Empfehlungen für den Sprachgebrauch (Parole) zusammengefasst, die entweder auf bestimmte Möglichkeiten des Sprachsystems (Langue) verzichten, weil diese mindestens ein natürliches Geschlecht (Sexus) oder soziales Geschlecht (Gender) diskriminieren, oder Änderungen an Grammatik und Lexikon aus denselben Gründen vorsehen.

Eine Spezialform ist die geschlechtsneutrale Sprache, in der es mindestens ein Genus (oder ggf. Lexem) gibt. Durch die Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen (Studierende, wissenschaftlich Tätige) treten die handelnden Personen in den Hintergrund.[1] Diese ist zwar allgemein für Personen anwendbar, erlaubt aber keinen Rückschluss auf Sexus oder Gender (Neutralisierung statt Sichtbarmachung). Dies ist bspw. in der englischen Sprache für Substantive weitgehend gegeben, nicht jedoch für Personal- und Possessivpronomen der dritten Person Singular (he, him, his / she, her, hers). Spezielle grammatische Geschlechter oder morphematische Movierungen für die biologischen Geschlechter sind dabei allerdings nicht ausgeschlossen, sofern sie stets gleichwertig auf Basis einer gemeinsamen neutralen Grundform möglich sind, bspw. das hypothetische Tripel (das Kind), *(die Kindin), *(der Kinder).

Gelegentlich werden zur Vermeidung des mehrdeutigen Geschlechtsbegriffes auch die Termini sexusgerechte Sprache, gendergerechte Sprache, sexusneutrale Sprache, geschlechterfaire Sprache und genderneutrale Sprache verwendet.

Die Begriffe wurden insbesondere durch die Feministische Linguistik popularisiert und mit entsprechenden Vorschlägen untermauert. Die einflussreichsten Vertreterinnen im deutschen Sprachraum sind seit den 1970er Jahren Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz. Der fortwährend natürlich stattfindende Sprachwandel des Deutschen wurde bewusst und durch die breite öffentliche Diskussion erfolgreich in Richtung einer geschlechtergerechteren Sprache gelenkt, auch wenn viele Punkte der durchaus heterogenen feministischen Sprachkritik weiterbestehen.

Generische Genera

Am deutschen Sprachsystem wurde schon in frühen Werken insbesondere, aber nicht ausschließlich, das sogenannte generische Maskulinum kritisiert, d.h. Substantive mit maskulinem Genus (der), die im Singular zur Bezeichnung eines Mannes oder einer Person unbekannten Geschlechts und mitunter einer Frau, im Plural zur Bezeichnung geschlechtlich beliebig zusammengesetzter, vor allem aber gemischter und rein männlicher Gruppen dienen sollen, wobei eine durch Movierung markierte, d.h. mittels des Morphems {-in(nen)} abgeleitete Form existiert, die im explizit nur eine Frau bzw. eine Gruppe von Frauen denotiert.

Es gibt in der deutschen Sprache zwar auch Wörter im generischen Femininum (Waise, Geisel, Führungskraft, Range; Garde; Burschenschaft, Mannschaft) und generischen Neutrum (bspw. die meisten Diminutiva), aber das generische Maskulinum überwiegt in Anzahl und Frequenz stark. Diese Asymmetrie soll eine geschlechtergerechte Sprache vermeiden oder abschaffen.

Eine sprachliche Gleichstellung der Geschlechter kann entweder durch Sichtbarmachung oder durch Neutralisierung erreicht werden. Bei der Sichtbarmachung oder „Splitting“-Methode werden stets männliche und weibliche Personenbezeichnung zusammen und ggf. in wechselnder Reihenfolge verwendet. Dies ist vor allem bei getrennten Lexemen („Sehr geehrte Damen und Herren!“) die bevorzugte Methode. Die in manchen Sprachen bereits natürlich vorhandene Neutralisierung wird durch die Wahl oder Schaffung von Wörtern erreicht, die nicht mit der Bezeichnung für ein Geschlecht identisch und insofern neutral im engeren Sinne des Wortes sind. Hier werden also beide Geschlechter unsichtbar gemacht.

In der Pionierzeit der feministischen Linguistik wurde noch nicht der empirisch überprüfbaren Frage nachgegangen, ob Frauen sich durch das generische Maskulinum wirklich nicht „mitgemeint“ fühlen, sondern dies wurde als Grundannahme postuliert. In psycho- und soziolinguistischen Experimenten wurde später mehrfach nachgewiesen, dass Leser und Hörer weitgehend unabhängig vom eigenen Geschlecht bei einem maskulinen Wortstimulus (bspw. „ein Arzt“) prototypisch an einen Mann und nicht an einen geschlechtsunbestimmten Menschen denken, allerdings tritt der Effekt auch, wenngleich weniger stark, bei einem neutralen (bspw. „ein Kind“) oder fast neutralen Stimulus (bspw. „ein Mensch“ oder „eine Person“) auf. Dies spricht dafür, dass der kritisierte Sexismus im Sprachgebrauch nicht oder zumindest nicht hauptsächlich im Sprachsystem begründet ist, sondern in der Erfahrung und Annahme der gesellschaftlichen Realität liegt, d.h. es ist eher ein soziologisches als ein linguistisches Phänomen. Bei der expliziten Beidnennung (bspw. „ein Arzt oder eine Ärztin“) sowie bei getrennten Lexemen („ein Mann oder eine Frau“) verschwindet der Bias, allerdings gilt dies nicht oder nur eingeschränkt für Kurzformen aller Art (bspw. „Mediziner oder -in“, „Mediziner/in“, „Mediziner/-in“, „MedizinerIn“, „Mediziner(in)“, „Mediziner_in“, „Mediziner (m/w)“), allerdings können insbesondere das geschriebene Binnen-I und die ausgesprochene Verkürzung sogar zu einem weiblichen Bias führen.[2]

Kritiker werfen dem Feminismus vor, dass dort nicht sauber zwischen Zeichen (Wörtern) und Bezeichnetem (Männern und Frauen) sowie zwischen dem Genus von Wörtern und dem Sexus von Menschen unterschieden wird. In der Sprachwissenschaft ist umstritten, in welchem Zusammenhang Genus und Sexus stehen. Es zeigt sich bei bestimmten Begriffen ein eher lockerer oder kein Zusammenhang („der Löffel“, „die Gabel“, „das Messer“), bei anderen (z. B. Verwandtschafts- und Personenbezeichnungen) ist er sehr eng („der Vater“, „die Tante“).[3]

Sichtbarmachung

Bei der ausdrücklichen Ergänzung männlicher durch weibliche Formen werden Frauen „sichtbar gemacht“.

  • Doppelform: Lehrerinnen und Lehrer, Lehrer oder Lehrerin
  • Schrägstrich: Lehrer/-innen, Lehrer/-in
  • Klammer: Lehrer(innen), Lehrer(in)
  • Binnen-I: LehrerInnen, LehrerIn
  • Gender Gap: Lehrer_innen
  • Gender-Sternchen: Lehrer*innen
  • Lexemunterscheidung: Huren und Stricher, Hure oder Stricher
  • partielle Lexemunterscheidung: Kauffrauen und Kaufmänner, Kauffrau oder Kaufmann
  • Attribut: weibliche und männliche Lehrlinge, weiblicher oder männlicher Lehrling
  • symbolisches Attribut: Manager (m/w)
  • Hyperkorrektur: Gast/Gästin
  • Hyperparallelisierung: frau, jedefrau neben oder statt man, jedermann
  • Hyperneutralisierung: mensch anstatt man
  • morphematische Reaktivierung: Magistra neben Magister
  • Binnenmajuskel: eineR für eine oder einer
  • Akronyme: SuS für Schüler und Schülerinnen

Da durch den konsequenten Ersatz des generischen Maskulinums durch die Beidnennung die Lesbarkeit von Texten abnehmen kann, wird häufig stattdessen sprachliche Kreativität mit geschickteren Formulierungen empfohlen. Es gibt Handreichungen, die viele akzeptablere Beispiele für geschlechtsneutrale Formulierungen beinhalten, wie z. B. eine Broschüre[4] vom Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie des Landes Schleswig-Holstein.

Neutralisierung

Bei der Neutralisierung wird jeder Hinweis auf das Geschlecht entfernt. Geschlechtsneutrale Ersatzwörter können auf verschiedene Arten gebildet werden.

  • Partizip: Lehrende, Studierende
  • Abstraktion: Lehrkörper oder Lehrkraft, Kaufleute
  • Synonym: Kollegium
  • Akronyme: SuS für Schüler und Schülerinnen
  • Abkürzung: Studi für Student oder Studentin

Kritik

Kritiker der Verwendung von Partizipien wenden ein, dass das in der deutschen Form substantivierte Partizip (Studierende) eine Tätigkeitsform bezeichne, während das schon im Lateinischen substantivierte Partizip (studens ist das Partizip zu studere) einen Status bezeichne. Nicht alle, die als Studenten gälten, beschäftigten sich (ständig) mit ihrem Studium, und nicht alle, die sich gerade Studien widmeten, seien Studenten oder Studentinnen.

Binnenmajuskeln gelten in den Orthographien, die die lateinische Schrift verwenden, weiterhin als so stark markiert und so ungewöhnlich, dass sie als orthographisch falsch bezeichnet werden können. Dies gilt auch und insbesondere für das der l-Minuskel gleichende Binnen-I, trotzdem wird es von einigen Befürwortern dieser Schreibweise weiterhin bevorzugt verwendet.

Kritiker einer Strategie der systematischen Vermeidung des generischen Maskulinums führen oft an, dass die Ersatzformulierungen schwer (vor)lesbar und schwer verständlich seien, und behaupten, dass durch maskuline Personenbezeichnungen Frauen zumindest synchron immer „mitgemeint“ seien. Befürworter des generischen Maskulinums argumentieren zudem, meistens sei die Geschlechtszugehörigkeit von Akteuren nicht wichtig. Genau das wird von Feministen bezweifelt, die entsprechende ausdrückliche Informationen in Aussagen vermissen.

Auch wird behauptet, dass der generische Gebrauch maskuliner Personenbezeichnungen zum Repertoire aller Deutschsprechenden und -schreibenden gehöre und Verständnisprobleme erst dadurch entstünden, dass der Anteil spezifischer Maskulina an maskulinen Personenbezeichnungen ständig zunehme, wofür aber die Sprachreformer verantwortlich seien. Diese führten also erst den Zustand herbei, dass generische Maskulina nicht mehr verstanden würden. Gegen dieses Argument sei einzuwenden, dass das Verständnis des generischen Maskulinums ein hohes Abstraktionsvermögen voraussetze (weil Genus und Sexus nicht deckungsgleich sind), das aber bei Kindern vor der Einschulung und wenig gebildeten Menschen (noch) nicht vorhanden sei. Selbst im Englischen, wo es nur bei Pronomina ein generisches Maskulinum gibt, dächten viele bei Wörtern wie the doctor vor allem an Männer („male bias“).

Die Frauenbewegung, so Kritiker der „geschlechtergerechten Sprache“ weiter, „vergewaltige“ die Sprache, indem sie ihr „unnatürliche“ Formen aufzwinge. Auch einige Feministinnen lehnen inzwischen Formen wie das Binnen-I und „Schrägstrichorgien“ ab, allerdings ist in vielen Sprachen eine Tendenz zur „Semantisierung von Personenbezeichnungen“ festzustellen, d.h. das Genus eines Wortes wird dem Sexus der bezeichneten Person angepasst.

Gegen das Argument, dass man bei Personenbezeichnung nicht automatisch die Merkmale „weiß oder schwarz“, „alt oder jung“ bzw. „behindert oder nicht behindert“ kommuniziere und das folglich auch nicht beim Merkmal „weiblich oder männlich“ tun müsse, wird vorgebracht, dass das Geschlecht in der Form des Genus ein Sprachen wie dem Deutschen immanentes Merkmal sei. Die Benutzung von Artikeln wie „der“, „die“ oder „das“ sei ebenso wenig vermeidbar wie die Gleichsetzung von Genus und Sexus durch viele Rezipienten. Diese Form der Diskriminierung durch Sprache gebe es bei anderen Formen der Diskriminierung nicht.

Die „geschlechtergerechte Sprache“ hat sich in vielen Bereichen der öffentlichen Schriftsprache weitgehend durchgesetzt. Aber selbst dort, wo Gleichstellungsbeauftragte über die „richtige Sprache“ wachen, wird das generische Maskulinum noch relativ oft benutzt. In der Alltagssprache wird es zunehmend als lästig empfunden, die „gekünstelte“ Doppelnennung (vor allem in den Formen, bei denen Zusätze den Informationsgehalt des Gemeinten nicht erhöhen) zu gebrauchen. Ein Kompromiss scheint sich dergestalt abzuzeichnen, dass Formulierungen wie „eine Lehrkraft“ allseits akzeptiert werden.

Durch die Doppelnennungen und die Binnen-I entstehen Sprachungetüme. Kritiker werfen ein, dass eine wirklich geschlechtergerechte Sprache nur möglich sei, wenn in der Sprache alle maskulinen und femininen Formen durch ein Neutrum ersetzt werden, z.B. „das Vater“, „das Mutter“, „das Kind“, „dus Väter“, „dus Mütter“, „dus Kinder“.

Konkrete Diskussionen und populärer Metadiskurs

2005 versuchte die österreichische Bundesministerin Maria Rauch-Kallat die von Paula von Preradovic gedichtete österreichische Bundeshymne zu ändern: statt „Heimat bist du großer Söhne“ und „Vaterland“ solle „Heimat großer Töchter, Söhne“ und „Heimatland“ kommen. Jedoch lehnen nach einer Umfrage 70 Prozent der Bevölkerung die Änderungen ab[5]. Mit dem gleichen Ansinnen war bereits 1994 Madeleine Petrovic gescheitert, die kurz danach die größte Wahlniederlage für die Grünen erfuhr. Im November 2011 schließlich wurde die Änderung der Österreichischen Bundeshymne doch noch vom Parlament beschlossen.

Diverse Komiker wie z. B. Giro de Luca trieben mit Doppelformen wie „alle und allinnen“ ihre Späße. Eine derartige Szene gibt es bereits im Film Das Leben des Brian, in dem die „Volksfront von Judäa“ über ihre Angelegenheiten diskutierte und über permanente geschlechtliche Doppelbezeichnungen gestolpert ist, sodass niemand mehr verstand, was eigentlich ausgedrückt werden solle.

Weitere Merkmale

Als sexistisch wird in den „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“ nicht nur die Verwendung des generischen Maskulinums bewertet. Merkmal des sexistischen Sprachgebrauchs ist demnach auch die Erstnennung des Mannes in Paarbezeichnungen wie „Adam und Eva“, „Romeo und Julia“ oder „Herr und Frau Meier“, aber auch in Beidnennungen wie „Lehrer oder Lehrerin“ oder „Ärzte und Ärztinnen“. Lediglich in der direkten Anrede „Meine Damen und Herren!“ ist die umgekehrte Reihenfolge bisher geläufig. Zu einer geschlechtergerechten Sprache gehört entsprechend, dass die Reihenfolge ungefähr gleich verteilt abwechselnd verwendet wird. Unterordnungen der Frau als Anhängsel eines Mannes, z. B. „Herr Meier und Gattin“, „Familie Hans Meier“, „Ehepaar Hans Meier“, „10 Manager, darunter 2 Frauen“, sind ganz zu vermeiden.

Eine weitere Forderung betrifft das respektvolle Sprechen über Frauen, insbesondere die Vermeidung abwertender Begriffe (Pejorative). Zwar gibt es auch für Männer Bezeichnungen mit negativer Konnotation, aber eine These der Feministischen Linguistik ist, dass diese in Anzahl und Verwendung viel geringer sind. Außerdem betrifft die Pejoration sowie die Euphemismus-Tretmühle eher gesellschaftlich schwache Gruppen und damit zumindest in der Vergangenheit eher weibliche als männliche Bezeichnungen.

Ein Resultat daraus sind einige sprachliche Asymmetrien, die in einer geschlechtergerechten Sprache beseitigt werden sollten. So wurde im Deutschen bis in die jüngere Vergangenheit zwischen Frau und Fräulein differenziert, während es etwas Ähnliches für Mann oder Herr nicht gibt. Neben dieser Nichtexistenz eines männlichen Äquivalents, das auch Jungfrau betrifft, verhalten sich auch die paarigen Lexeme asymmetrisch:

Mann – Frau
Gegen diese Grundopposition spricht für sich allein genommen nichts, lediglich in Kombination mit den folgenden Begriffspaaren kann sie problematisch sein.
Mann – Männin
Wie die meisten Maskulina ist auch Mann prinzipiell durch das Affix {-in} zu einer weiblichen Bezeichnung movierbar. Dies geschieht vor allem für Komposita wie Hauptmann – Hauptmännin, wo andere Varianten wie Hauptfrau semantisch bereits abweichend besetzt sind. Dies stärkt die prototypische Assoziation von Mann mit Mensch, zumal die Wörter etymologisch eng verwandt sind, und erklärt, warum es kein weibliches Pendant zu Mannschaft gibt.
Mann – Weib bzw. männlich – weiblich
Obwohl das Substantiv Weib im zeitgenössischen Sprachgebrauch nur noch pejorativ verwendet werden kann, fehlt diese Konnotation beim abgeleiteten Adjektiv, das statt *fraulich oder *fräulich verwendet wird.
Herr – Dame
Dieses Begriffspaar dient der höflichen oder der unterordnenden Bezeichnung, insbesondere in der unpersönlichen Anrede. Es könnte zwar aus gesellschaftskritischer Sicht bemängelt werden, da es hierarchische soziale Rollen abbildet (vgl. Genosse, Bürger), aber für sich genommen wäre es aus feministischer Sicht unproblematisch, da sich beide Lexeme vom Grundpaar Mann – Frau unterscheiden.
Herr – Herrin
Auch dieses Maskulinum kann, anders als etwa die Verwandtschaftsbezeichnungen Bruder, Vater, Onkel, moviert werden und ist dann ausschließlich für hierarchische Beziehungen geeignet.
Herr – Frau
In der persönlichen Anrede, ggf. ergänzt um den (Nach-)Namen, wird eine Mischung aus den bisher genannten Paaren verwendet. Dies wird teilweise als problematisch angesehen, weil (nur) Herr eine sozialhierarchische Komponente besitzt.
herrlich – dämlich
Obwohl diese Wörter aus semantischer Sicht kein Begriffspaar bilden und dämlich etymologisch auch nur bedingt mit Dame verwandt ist, wird mitunter für eine geschlechtergerechte Sprache empfohlen, auf Wörter zu verzichten, die den Bezug auf ein Geschlecht andeuten, vor allem wenn sie so deutlich positiv oder negativ konnotiert sind wie in diesem Fall. In einigen radikalfeministischen Texten werden sogar Wörter wie manchmal, hervorragend oder herzlich vermieden.
man – Ø
Das unbestimmte Pronomen man ist zwar etymologisch enger mit Mensch als mit Mann verwandt, aber da es genauso ausgesprochen wird, steht es ebenfalls in der Kritik und zum Teil werden parallel gebildete (*frau, *fra) oder umgeformte (*mensch, *men) Neologismen verwendet.

Zur geschlechtergerechten Sprache gehört ferner der Komplex der wertschätzenden Kommunikation in gemischtgeschlechtlichen Paaren und Gruppen.

Das deutsche System der Possessiv- und Personalpronomen kennt die Geschlechtsunterscheidung nur in der dritten Person Singular, während andere Sprachen auch im Plural (bspw. Französisch) oder in der ersten oder zweiten Person unterscheiden, manche aber auch gar nicht.[6] Es gab verschiedene Vorschläge für neu einzuführende Pronomen, für die generelle Verwendung der neutralen Pronomen (es) oder für die Verwendung des geschlechtslosen Plurals (sie) auch für den Singular (bspw. englische „singular they“). Allerdings entsprechen im Deutschen einige Formen des Neutrum-Pronomens dem Maskulinum (bspw. sein) und der Plural der dritten Person gleicht dem femininen Singular (sie, ihr). In der Praxis sind jedoch Beidnennung, Umformulierungen sowie die generische Verwendung des Maskulinums üblich. Ähnliches gilt für Relativpronomen und Attribute, die die Flexionsform des Substantivs, auf das sie sich beziehen, übernehmen, zumal sich die Endungen ähneln:

Geschlechtsspezifische Flexionsformen im Deutschen
Geschlecht Personalpronomen: 3. Singular bestimmter Artikel Nominativ Singular Relativpronomen Adjektive Nominativ Singular unbestimmter Artikel
männlich, Maskulinum er der dieser normaler einer, ein
weiblich, Femininum sie die diese normale eine
sächlich, Neutrum es das dieses, dies normales eines, eins, ein

Gesetzeslage

Für den Sprachgebrauch im öffentlichen Dienst und für Schüler und Schülerinnen ist die Verwendung geschlechtsneutraler Formen in einigen Bundesländern vorgeschrieben (in Berlin seit 1991[7]). Auf Grund von EU-Recht müssen alle Inserenten und Inserentinnen bei Stellenanzeigen „geschlechtsneutral“ formulieren; dabei wird in Langfassungen von Splittingformen zumeist die weibliche Form zuerst angegeben. Neben Personalpronomen und Personenbezeichnungen werden auch die deklinierten Adjektive und Artikel gelegentlich doppelgeschlechtlich angeführt.

EU

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlbhG) folgt einer EU-Richtlinie und schreibt die Berufsbezeichnungen in Stelleninseraten „geschlechtsneutral“ vor. Vor allem bei englischen Bezeichnungen wie „Controller“ wird „Controller (m/w)“ verwendet, auch wenn bei hinreichender Eindeutschung die movierte Form „Controllerin“ möglich wäre.

AGG

Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz versucht auf einer viel breiteren Basis als nur der Sprache Diskriminierung zu begegnen.

Andere Sprachen

In der französischen Sprache bestehen für einige Berufsbezeichnungen geschlechtsneutrale Substantive, sogenannte épicènes, etwa l´architecte (der Architekt / die Architektin) le/la pianiste (der Pianist / die Pianistin), le/la sécretaire (der Sekretär / die Sekretärin) usw.[8] Als neue geschlechtsneutrale Bezeichnungen (nouveaux épicènes) kommen Bezeichnungen wie le/la juge (der Richter/ die Richterin) und le/la ministre (der Minister/ die Ministerin) hinzu: so löste etwa in der französischen Politik gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Anrede Madame la Ministre die zuvor verwendete Anrede Madame le Ministre weitgehend ab.

In Schweden wird die Einführung eines geschlechtsneutralen Pronomens hen („er/sie“) diskutiert.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Luise F. Pusch (Hrsg.): Feminismus: Inspektion der Herrenkultur. Ein Handbuch. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1983, ISBN 3-518-11192-2.
  • Luise F. Pusch: Das Deutsche als Männersprache. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1984, ISBN 3-518-11217-1.
  • Dagmar Stahlberg, Sabine Sczesny: Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. In: Psychologische Rundschau. Band 52, Nr. 3, S. 131–140 (PDF).
  • Elmar Schafroth: Berufsbezeichnungen in Frankreich. Sprachpolitische Maßnahmen und sprachliche Wirklichkeit. In: Lebende Sprachen. Nr. 2, 1993 (PDF [abgerufen am 30. Mai 2010]).
  • Senta Trömel-Plötz: Vatersprache, Mutterland. Beobachtungen zu Sprache und Politik. Frauenoffensive, München 1992, ISBN 3-88104-211-3.

Einzelnachweise

  1. Empfehlungen der Gleichstellungsbeauftragten der Universität zu Köln (PDF; 1,1 MB)
  2. Stahlberg/Sczesny u. a.
  3. Lisa Irmen: Diskriminierung und Sprache. 22. Mai 2003 (PDF – Vortrag an der Universität Bern).
  4. Friederike Braun: Mehr Frauen in die Sprache. Hrsg.: Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie des Landes Schleswig-Holstein. Dezember 2000, ISSN 0935-4646 (PDF).
  5. Bericht über OGM-Umfrage: Große Mehrheit will die „Töchter“ nicht in der Hymne
  6. The World Atlas of Language Structures, chapter 31: Sex-based and Non-sex-based Gender Systems
  7. Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) Berlin, 31. Dezember 1990, ersetzt durch den Landesgleichstellungsgesetz (LGG) in der Fassung vom 6. September 2002 (GVBl. S. 280), zuletzt geändert durch Achtes Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes vom 19. Juni 2006 (GVBl. S. 575)
  8. Schafrith2010
  9. Swedish School’s Big Lesson Begins With Dropping Personal Pronouns New York Times, 13. November 2012