„Alessandro (Oper)“ – Versionsunterschied

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Version vom 9. Juni 2012, 13:55 Uhr

Werkdaten
Originaltitel:Alessandro
Form:Opera seria
Originalsprache:italienisch
Musik:Georg Friedrich Händel
Libretto:Paolo Antonio Rolli
Uraufführung:5. Mai 1726
Ort der Uraufführung:King's Theatre, Haymarket, London
Spieldauer:3 Stunden
Ort und Zeit der Handlung:Ossidraca in Sogdania, 327/326 v. Chr.
Personen

Alessandro (HWV 21) ist eine Oper (Dramma per musica) in drei Akten von Georg Friedrich Händel. Die Uraufführung des Stückes war das erste Londoner Aufeinandertreffen der beiden berühmtesten Sängerinnen der Zeit: Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni.

Entstehung

Im Herbst 1725 waren die Londoner Zeitungen voll von Klatsch über die bevorstehende Ankunft einer neuen italienischen Sopranistin. The Daily Journal meldete am 31. August:

”We hear that the Royal Academy [of] Musick, in the Hay Market, have contracted with famous Chauntess for 2500 l. who is coming over from Italy against the Winter.” („Wie zu hören ist, hat die Königliche Musikakademie am Haymarket einen Vertrag mit einer berühmten Dame für 2500 £ gemacht, welche im Winter von Italien kommen wird.“)[1]

Ein paar Tage später, am 4. September legte The London Journal nach:

”Signiora Faustina, a famous Italian Lady, is coming over this Winter to rival Signiora Cuzzoni.” („Signora Faustina, eine berühmte italiensche Dame, wird in diesem Winter kommen um Signora Cuzzoni Konkurrenz zu machen“.)[1]

Die Akademie hatte es in der Tat geschafft, die berühmteste Sopranistin Europas zu engagieren - die schöne Faustina Bordoni. Doch bald sollte sich herausstellen, dass die Akademiedirektoren damit zu weit gegangen waren. Natürlich konnte der Coup zunächst als Erfolg gelten, denn nun sangen die beiden berühmtesten Sopranistinnen der Welt gleichzeitig am Haymarket-Theatre; aus psychologischer und auch finanzieller Sicht sollte es aber in die Katastrophe führen.

Händel machte sich im Herbst 1725 sofort an die Arbeit, eine Oper, Alessandro, für die neue Konstellation an seinem Hause zu schreiben, mit zwei Primadonnen (Bordoni, Cuzzoni) und einem Primo uomo (Senesino). Doch die Diva ließ sich unverschämt viel Zeit und kam vorerst nicht: sei es, dass sie so lange um ihre Gage feilschte (sie erhielt letztendlich „nur“ 2000 £)[1] oder andere Gründe vorlagen. Händel jedenfalls musste sich etwas anderes überlegen und legte die Arbeit am Alessandro vorerst zur Seite, eröffnete die 7. Opernsaison der Royal Academy of Music zunächst mit einer Wiederaufnahme des Pasticcios L'Elpidia, overo Li rivali generosi (Musik größtenteils von Leonardo Vinci) und komponierte innerhalb von drei Wochen einen „Lückenbüßer“, die Oper Publio Cornelio Scipione. Etwa in der Zeit, als er diese im März 1726 herausbrachte, traf die Bordoni in London ein und Händel nahm sich wieder des Alessandro an. Seine Partitur zeigt eine sehr sorgfältige Ausarbeitung, vor allem im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der beiden weiblichen Hauptpartien Rossane und Lisaura. Beide erhielten die gleiche Anzahl von Arien, beide sangen ein Duett mit Senesino, in den sie beide verliebt waren, und, was am gewagtesten war, beide gemeinsam sangen das Duett Placa l'alma, wobei jeder Sängerin genau der gleiche Anteil zufiel.[2] Sowohl stimmlich wie im Temperament bildete Faustina einen Kontrast zur Cuzzoni. Der englische Musikhistoriker Charles Burney, der als junger Mann selbst als Geiger und Bratscher in Händels Orchester spielte, behauptete:

“In gewisser Weise erfand sie eine neue Form des Gesangs, indem sie Rouladen mit einer Präzision und Geschwindigkeit ausführte, welche jeden erstaunte, der sie hörte. Sie beherrschte die Kunst, den Ton, für die Ohren der Zuhörer, länger anzuhalten als jeder andere Sänger, indem sie unmerklich atmete.“[2]

Zu ihrem Schauspieltalent kam hinzu, dass sie intelligent, gutmütig, gutaussehend und noch dazu unverheiratet war (im Jahre 1730 ehelichte sie dann den Komponisten Johann Adolf Hasse).

Erstes Unheil für das Opernunternehmen zog auf, als die Akademie am 18. März 1726 von den Mitgliedern erneut eine Notumlage in Höhe von 5 % erheben musste: die finanzielle Lage wurde immer prekärer und man setzte nun alle Hoffnungen auf das neue Sänger-Triumvirat.[2] Während die Vorstellungen des Scipione liefen, arbeitete Händel weiter an der Alessandro-Partitur und datierte das Autograph am Ende auf den 11. April 1726. Die erste Aufführung fand am 5. Mai im King's Theatre am Haymarket statt und das Stück wurde danach noch mindestens an zehn Abenden gegeben und war damit so erfolgreich, dass die übliche Zahl von zwei Vorstellungen pro Woche nicht ausreichte. Doch vielleicht war das Londoner Publikum von diesem ersten gemeinsamen Auftritt der beiden Sopranistinnen gewissermaßen enttäuscht: Was sie gesehen hatten, war kein Duell der beiden Diven, sondern ein höchst professioneller Auftritt der beiden Darstellerinnen, wobei jede mit ihrem eigenen Stil und ihren jeweiligen stimmlichen Vorzügen brilliert hatte. Trotz der in der Presse herbeigeredeten vermeintlichen Spannungen zwischen beiden, hatten sie gemeinsam wieder mit großem Erfolg auf der Bühne gestanden, ohne ein Zeichen von Rivalität, wie schon früher in den Jahren 1718/19 in Venedig. Es bleibt im Dunkeln, welchen Anteil die Leitung der Akademie an der aufkeimenden Rivalität hatte, oder ob sie zumindest das „Rauschen im Blätterwald“ wohlwollend zur Kenntnis nahm, denn schließlich förderte dieses nicht unerheblich den Kartenverkauf. Jedenfalls gibt es keine Belege für einen Ausgangspunkt, wo die beiden Frauen sich feindlich gesinnt gegenüberstanden.[3] Die Oper wäre noch länger gelaufen, hätte Senesino, der sich vermutlich vernachlässigt fühlte, sich nicht vor der letzten Vorstellung für „gesundheitlich indisponiert“ erklärt. Um sich auszukurieren kehrte er nach Italien zurück. In der Zwischenzeit wuchs die Feindschaft der beiden Primadonnen.[2]

Libretto

Das Libretto stammt von Paolo Antonio Rolli und ist eine Bearbeitung von Ortensio Mauros La superbia d'Alessandro („Der hochmütige Alexander“), das dieser 1690 für den Hannoveraner Hof schrieb und welches von Agostino Steffani vertont wurde. Von den beiden Librettisten, die während Händels Zeit an der Akademie für diese arbeiteten, war Nicola Francesco Haym eigentlich der bei weitem fähigere, aber er war zu der Zeit nicht verfügbar. So fiel die Arbeit an Rolli. Wie dieser in einem seiner Epigramme zynisch bemerkt, betrachtete er diese Aufträge jedoch als billige Lohnschreiberei, und er versäumte eigentlich auch nie, seinen Text gehörig zu verhunzen. Im Falle des Alessandro ist die Vorlage Mauros gut, in seinen Umrissen ähnlich wie in Händels Oper, aber viel klarer in der Darstellung der Beweggründe. Alessandro ist ebenso eitel, empfindlich und ohne Mitgefühl, doch ist seine Handlungsweise zumindest konsequent. Das Motiv für Alessandros Annäherung an Lisaura ist rein politischer Natur, braucht er doch die Freundschaft der Scyther. Bei Mauro ist es Clito, nicht Cleone, der Rossane gleichfalls liebt; und nicht Clito, sondern Leonato wird zu Boden geschlagen, als er sich weigert, Alessandro als einen Gott anzuerkennen. Cleone ist ein sizilianischer Günstling Alessandros, der die makedonischen Feldherren bekämpft; indem er dessen Eitelkeit huldigt und sich bei ihm einschmeichelt. Der Anführer der Verschwörer ist Ermelao, einer von Alessandros Leibwächtern. Als er so taktlos ist, den schlechtgelaunten Alessandro um die schönste Sklavin von Ossidraca zu bitten, bekommt er die Peitsche zu spüren. Ermelao schart Clito und andere, die sich von Alessandros anmaßendem Gehabe abgestoßen fühlen, um sich, und sie bereiten einen Anschlag auf ihn vor: auf ein verabredetes Zeichen hin wollen die Männer ein im Krieg beschädigtes Treppenhaus über dem Kopf des Tyrannen zusammenbrechen lassen. Als Alessandro mit seinem Speer gegen Clito, der ihn nicht als Jupiters Sohn anerkennt, ausholt, gibt er ohne es zu wissen das Zeichen - entkommt aber dem über ihm zusammenstürzenden Gebäude. Sein Hochmut veranlasst Leonato, sich den Verschwörern anzuschließen. Im 3. Akt stellt Tassile, indem er vorgibt, ihre Partei zu ergreifen, den Verschwörern eine Falle. Seine Männer locken sie auf eine Brücke, zerstören diese, und alle, bis auf Leonato, der gegen seinen Willen von Tassile herausgezogen wird, ertrinken im Ganges. Als Rolli diese Vorlage für Händel umschrieb, verfolgte er drei Ziele: er wollte die Anzahl der Personen um eine auf die Händel zur Verfügung stehenden Sänger reduzieren und die Partien der beiden Prinzessinnen erweitern, indem er die übrigen - von Mauro meisterhaft gestalteten - Rollen verkürzte. Fast jede Änderung, die er vornahm, verschlechterte das Libretto. Anstatt Cleone, den er auf ein Nichts reduzierte, ganz auszulassen, verzichtete er auf Ermelao, den Kopf der Verschwörer, und ließ auf diese Weise einen wichtigen Teil der Geschichte unverständlich erscheinen, z. B. stürzt in der entscheidenden Szene plötzlich ein Baldachin herunter per cospiratione - das erste Mal, dass wir von einem Komplott hören -, und Alessandro zieht daraus blitzartig den Schluss, Clito sei für alles verantwortlich. Die sich erst im 3. Akt entwickelnde Revolte wird von Alessandro mit einem Wort erstickt. Rolli gelang es nicht, die rigorose Kürzung der Nebenfiguren durch eine geschickte Rollengestaltung der beiden Prinzessinnen aufzufangen. Er ließ sie aufs Geratewohl auf- und abtreten, in der Regel ohne auch nur den Versuch einer dramaturgischen Begründung. Die beiden eindrucksvollsten Szenen der Oper übernahm Rolli fast unverändert von Mauro: Alessandros tollkühner Überfall auf Ossidraca und seine Rettung durch die Makedonier und die Gartenszene, in der Alessandro nacheinander beiden Prinzessinnen Anträge macht, die ihm jede ironisch mit den Worten beantwortet, die er zuvor an die andere richtete. Im Übrigen hat Rolli —abgesehen von einigen Zeilen in Rezitativen - nur drei Arientexte sowie den Chor, in dem Alessandro sein eigenes Lob verkündet, von Mauro übernommen. Mit der Einfügung der beiden Duette von Alessandro mit jeweils einer Prinzessin zu Beginn des Finales gelang Rolli der einzig gute Griff. Das Lob dafür gebührt jedoch Händel, denn Rolli schrieb die Texte eigentlich als Rezitativ.

Besetzung der Uraufführung

Die Oper war ein großer Erfolg und wurde von Händel in der folgenden Spielzeit am 26. Dezember 1727 für eine Folge unbekannter Anzahl wiederaufgenommen und noch einmal für sechs Vorstellungen in der sogenannten „zweiten Opernakademie“ ab 25. November 1732. Bereits im November 1726 gelangte die Oper zweimal unter dem Titel Der hochmüthige Alexander an der Hamburger Oper am Gänsemarkt zur Aufführung. Die Arien wurden hier wie üblich auf Italienisch und die Rezitative auf Deutsch gesungen. Offenbar verwendete Christoph Gottlieb Wend beim Einrichten der Partitur die Rezitative aus Steffanis 1690er Hannoveraner Oper, die G. Fiedler 1695 ins Deutsche übertragen hatte. Er fügte Ballette und eine Arie aus Scipione ein, strich jedoch drei Arien aus der Alessandro-Partitur, vielleicht, weil sie ihm nicht zu Steffanis Rezitativen zu passen schienen. Die musikalische Leitung dieser Aufführungen hatte Georg Philipp Telemann. Unter der Leitung von Carl Heinrich Graun wurde diese Fassung am 17. August 1728 auch in Braunschweig aufgeführt. Auch in London wurde das Werk, diesmal unter dem Titel Rossane, noch zweimal inszeniert: ab 15. November 1743 gab es bis 1744 sechzehn Aufführungen und ab 24. Februar 1747 zwölf Vorstellungen bis 1748. Händel hatte sich zu der Zeit schon aus dem Opernbetrieb zurückgezogen und war nicht mehr persönlich beteiligt, wahrscheinlich aber damit einverstanden, dass man seine Aufführungspartitur benutzte. Giovanni Battista Lampugnani, richtete die Partitur ein und fügte dabei Arien aus anderen Händelopern, sowie eine Version von Return, o God of Host's aus Samson hinzu.

Alessandro wurde zu Händels Lebzeiten mehr als fünfzigmal aufgeführt, öfter als etliche seiner anerkannten Meisterwerke, ist aber seitdem nur selten zu Gehör gebracht worden. Die erste moderne Bühnenaufführung gab es am 28. März 1959 in der Dresdner Staatsoper in einer deutschen Textfassung von Jürgen Beythien und Eberhard Sprink unter Leitung von Rudolf Neuhaus. Die erste Darbietung des Stückes in historischer Aufführungspraxis war eine konzertante Aufführung am 5. Februar 1984 in der Alten Oper in Frankfurt/Main mit La Petite Bande unter Leitung von Sigiswald Kuijken.

Handlung

Historischer und literarischer Hintergrund

Alexander der Große und Roxane Pietro Antonio Rotari, 1756. Eremitage, Sankt Petersburg

Der Indienfeldzug Alexanders des Großen ist in drei zeitnah an der Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert entstandenen Schriften beschrieben worden: im 4. Buch der Anabasis[1][2] des Lucius Flavius Arrianus, in Quintus Curtius Rufus‘ achtem Buch der Historiae Alexandri Magni[3][4] und in Plutarchs Bíoi parálleloi (Parallele Lebensbeschreibungen)[5]. Letztere war die bekannteste dieser Quellen, allerdings hat Ortensio Mauro gerade für die Wahl des Schauplatzes („Oppidum sudracarum“, Ossidraca, ein heute nicht mehr lokalisierbarer Ort im heutigen Punjab) auch auf Curtius zurückgegriffen. Auf Plutarch allerdings geht die Geschichte vom Konflikt zwischen Alexander und Kleitos zurück, einem treuen Offizier von Alexanders Vater Philipp II. von Makedonien, den Alexander im Streit tötete. Roxane, eine Prinzessin aus Mittelasien, war Alexanders erste Gemahlin und die Mutter seines nachgeborenen Sohns und Erben Alexander IV. Aigos.

Erster Akt

Bei der Belagerung Ossidracas springt Alessandro mit dem Schlachtruf, er sei der Sohn des Zeus und deshalb unbesiegbar, von der Stadtmauer in die Stadt, um die Feinde Mann für Mann zu besiegen. Clito lässt die Mauer einreißen, um seinem Herrscher zur Hilfe zu eilen, und ermahnt ihn, nicht allzu selbstgewiss zu sein und auch an seine Verantwortung für das Heer zu denken.

Im Feldlager beobachten Rossane und Lisaura, jede aus ihrem Zelt tretend, angstvoll das Geschehen an der Stadtmauer und belauern sich gegenseitig voll Eifersucht, denn beide haben es auf Alessandro abgesehen. Als Tassile mit der Siegesmeldung kommt, freuen sich beide über Alessandros Erfolg und Leonatos Hilfe, bekräftigen aber auch ihre Eifersucht. Tassile seinerseits leidet; er liebt Lisaura und kann Alessandro, obwohl dieser sein Nebenbuhler ist, nicht hassen, denn er verdankt ihm seinen Thron.

In der von Alessandro geschlagenen Bresche feiern die Makedonier ihren Sieg. Rossane und Lisaura kommen, um zu gratulieren. Alessandro umarmt Rossane und weckt damit nicht nur Lisauras Zorn, sondern auch Cleones Schmerz, denn dieser ist in Rossane verliebt. Als Cleone ihn fragt, ob er nicht auch Lisaura begrüßen wolle, wendet sich Alessandro auch dieser zu - sehr zu Rossanes und zu Tassiles Missvergnügen. Rossane verlässt den Ort, Alessandro, von Tassile darauf aufmerksam gemacht, eilt ihr hinterher. Doch als Tassile sich nun Lisaura widmen will, wehrt diese sich gegen seine Avancen und gibt sich lieber ihrem Schmerz über Alessandros Zurückweisung hin.

Rossane hat sich in ein Zimmer zurückgezogen, wo Alessandro sie findet und sie seiner Liebe versichert. Sie aber nährt weiter ihre Zweifel. Konspirativ treffen sich Clito, Cleone und Leonato. Clito kann nicht verstehen, wie Cleone es erträgt, Alessandro zum Rivalen um Rossanes Gunst zu haben. Dieser aber glaubt sich mit dem gottähnlichen Alessandro nicht messen zu können. Clito und Leonato wollen von derartiger Speichelleckerei nichts wissen.

Im Tempel der Gottheit Zeus Ammon, der mit den Statuen des Zeus, des Herkules und Alessandros geschmückt ist, huldigen Cleone und Tassile dem Göttersohn Alessandro. Clito dagegen beugt sein Haupt nur vor Zeus; es müsse Alessandro genügen, König zu sein. Wütend zwingt Alessandro den alten Fürsten, vor ihm auf den Boden zu sinken, was dieser mit einer Drohung quittiert. Rossanes und Lisauras Versuche, Alessandro zu besänftigen, haben wenig Erfolg. Dennoch gesteht Alessandro seinem Heer eine Ruhepause zu, bevor er zu neuen Ruhmestaten aufbrechen will.[4]

Zweiter Akt

Im Schatten des Gartens sehnt sich Rossane nach Alessandro und schläft ein. Alessandro naht und betrachtet sie verzückt, wird dabei seinerseits von Lisaura beobachtet, die ihre Eifersucht kaum beherrschen kann. Als Alessandro sie entdeckt, macht er ihr ein wenig den Hof. Rossane erwacht, bemerkt Alessandros Treulosigkeit, stellt sich schlafend und muss mit anhören, wie Alessandro mit Lisaura schäkert. Diese aber neckt ihn, indem sie jene Worte wiederholt, die er kurz zuvor an Rossane gerichtet hatte. Nun „erwacht“ Rossane und wiederholt ihrerseits die Worte, die Alessandro an Lisaura gerichtet hatte. Verstimmt bleibt Alessandro zurück - dem Herrn der Welt sollten auch die Damen mehr Respekt entgegenbringen. Tassile legt Lisaura sein Herz zu Füßen. Sie würde ihn gern lieben, doch ihr Herz gehört Alessandro.

In einem Zimmer beschließt Rossane, den untreuen Alessandro zu verlassen, und bittet ihn um ihre Freiheit. Ungern lässt er sie gehen, sie aber bedeutet ihm, dass der Vogel, der dem goldenen Käfig entronnen ist, freiwillig zu seinem Herrn zurückkehren wird. Kaum ist sie gegangen, kommt Lisaura, die nun ihre Chance gekommen sieht: doch er weist sie mit dem Hinweis zurück, er werde bald wieder in die Schlacht ziehen.

Im Thronsaal verteilt Alessandro die eroberten Gebiete unter seinen Getreuen und fordert Clito erneut auf, ihm als dem Sohn des Zeus zu huldigen. Dieser aber weist das Ansinnen wiederum zurück und beschuldigt Alessandro, die Keuschheit seiner Mutter in Zweifel zu ziehen, wenn er sich selbst als Göttersohn und nicht als Sohn seines Vaters Philipp betrachte. Wütend stürzt sich Alessandro mit einem Speer auf Clito, und als Tassile die beiden trennt, bringen Verschwörer den Baldachin über dem Thron zum Einsturz. Seine Rettung erklärt Alessandro damit, dass sein Vater Zeus ihn beschützt habe; er befiehlt Tassile, seine Truppen einsatzbereit zu machen, und Cleone, den unbotmäßigen Clito ins Gefängnis zu werfen. Clito aber will lieber gleich durch die Hand desjenigen sterben, dem er zweimal das Leben gerettet hat. Als alle fort sind, eilt Rossane erschrocken herbei; Alessandro erkennt, dass sie ihn liebt und ist glücklich. Da kommt Leonato mit der Nachricht, das besiegte Volk habe sich wieder erhoben. Alessandro eilt freudig in den Krieg, weiß er doch nun, dass Rossane auf ihn warten wird.[4]

Dritter Akt

In einem Turm wird Clito von Cleone und seinen Soldaten bewacht, als Leonato mit Bewaffneten erscheint, Clito befreit und Cleone an seiner statt im Turm einsperrt. Erst als seine Soldaten zurückkehren, wird er befreit.

Noch einmal ringen Rossane und Lisaura im Garten um die Vorherrschaft über Alessandros Herz. Und noch einmal bietet Lisaura gleich darauf Alessandro ihre Liebe an, doch diesmal weist er sie zurück und legt ihr Tassile, der sie liebe, ans Herz. Auch bei ihm verwendet er sich für Lisaura. Da eilt Rossane herbei und berichtet, dass die Verschwörer, von Clito und Leonato angeführt, die Makedonier in Aufruhr versetzt haben. Tassile eilt fort, Alessandro seine Truppen zu Hilfe zu schicken, und Rossane und Alessandro verabschieden sich voneinander, als wäre es das letzte Mal.

Clito und Leonato wollen den Tyrannen Alessandro stürzen, bleiben aber, als dieser das Wort an sie richtet, wie angewurzelt stehen und legen die Waffen nieder. Tassile meldet, dass der Aufstand der Oxydraker zerschlagen sei. Clito fleht Alessandro um Gnade an, die dieser gewährt.

Im Tempel des Zeus beten Rossane und Lisaura um das Ende des Bürgerkrieges. Tassile huldigt Alessandro als Friedensstifter, und dieser bietet Lisaura seine Freundschaft und Rossane seine Liebe an.[4]

Musik

Alessandro zeichnet sich in besonderer Weise durch die meisterhaft gestalteten Vokalpartien der drei Hauptrollen aus. Diesmal scheinen Händel die Sänger mehr am Herzen zu liegen als die Charaktere oder der dramatische Konflikt, der - abgesehen von der ersten Hälfte des 2. Aktes - auch weniger spannend als bei anderen seiner Opern verläuft. Händel schrieb für Senesino acht Arien, für Faustina und die Cuzzoni je sieben; dazu kamen für jede Prinzessin noch zwei Duette. Fünf Arien und ein kurzes Arioso blieben für die übrigen vier Darsteller. Diese Verteilung bringt das musikalische und dramatische Gleichgewicht der Oper bedrohlich ins Wanken. Die meisten dieser Arien sind eindrucksvolle Bravourstücke, in denen sich Sänger und Unisono-Violinen an Virtuosität zu übertreffen suchen. Höchst ungewöhnlich für Händel ist, dass bis auf einige langsame Ariosi jeweils zu Beginn der letzten beiden Akte und bis auf die später eingefügte Arie L'armi implora, die gesamte Oper nur eine einzige Arie enthält, die langsamer als Andante ist: Lisauras Che tirannia d'Amor (Nr. 24) ist allerdings auch meisterhaft gelungen und übertrifft die meisten der Händelschen Siciliani in der Zartheit ihrer Harmonie und rhythmisch-musikalischen Struktur. Zwei anspruchsvolle Primadonnen mit Rollen gleicher Länge, gleicher Qualität und gleichen Schwierigkeitsgrades zu versorgen, setzte Händel unter einen gewissen Druck; offensichtlich widmete er sich dieser Aufgabe mit ganz besonderer Hingabe. Was die Cuzzoni konnte, wusste er genau. Zwei Stellen zeigen, wie er auch Faustinas Fähigkeiten erfasste: Ihre Stimme war berühmt für ihr gewaltiges A. Händel schrieb für sie zwei Arien und ein Duett mit der Tonika A und ein weiteres mit der Dominante A. Wie er wusste, hatte Faustina in Venedig Opern von Leonardo Vinci und Giuseppe Maria Orlandini gesungen. (Im Jahr zuvor hatte er für sein Pasticcio L‘Elpidia viele Arien von dort übernommen und die Cuzzoni fünf von Faustinas damaligen Arien singen lassen - ein Risiko, das er später vielleicht nicht eingegangen wäre!) Brilla nell'alma (Nr. 34a) ist eine der frühesten Arien, wo er völlig souverän im neuen italienischen Stil komponierte, der mit seinen Trommelbässen, akkordischer Begleitung und fehlendem Kontrapunkt in besonderem Maße von Vinci repräsentiert wurde. Händel ließ die beiden Prinzessinnen bei ihrem ersten Auftritt ebenso wie bei zwei weiteren Gelegenheiten während der Schlussszene in der bislang ungewohnten Form eines Duett-Rezitativs mit Orchester singen. Er schrieb dazu Rossanes Stimme im Notensystem über die Stimme von Lisaura, obgleich ihre Tessitur in der Regel einen Ton tiefer liegt. Hatte eine Prinzessin gerade eine brillante Arie gesungen, so kam kurz darauf die andere zum Zuge. Faustina hatte ihre besondere Stärke in den Accompagnato-Rezitativen; Vilipese bellezze (Nr. 10) und Solitudini amate (Nr. 20) gehören zu den Höhepunkten der Oper. Obwohl nur eine der Prinzessinnen Alessandro heiraten konnte, musste jede am Schluss mit ihm noch ein Duett singen. Hier gelang es Händel in einem grandiosen Kraftakt, die beiden Duette, ein Trio mit Alessandro und den Schlusschor in einem einzigen Finale zusammenzufassen, indem er ihre Themen miteinander verknüpfte und sie in einer immer größer werdenden Instrumentalbesetzung variierte: Unisono-Violinen in Lisauras Duett, verschiedene Terzenkombinationen für Blockflöten und Violinen bei Rossane, Oboen und Violinen beim Trio und den vollen Orchesterklang mit Hörnern und Trompeten im Schlusschor.[5]

Im Ganzen gesehen sind die großen Arien in Alessandro eindrucksvoll, aber interessanter sind die Accompagnati und die Ariosi. In ihnen entfaltet sich Händels gestalterische Experimentierfreude und erweiterte in großartiger Weise den Rahmen der Opera seria. Die erste Szene verbindet beide Typen des Rezitativs und zwei thematisch mit ihnen verwandte Sinfonien, deren zweite eine Erweiterung der ersten darstellt. In der letzten Szene des 1. Aktes werden zwei Sinfonien ähnlich kunstvoll verknüpft. Es folgt ein Duett beider Prinzessinnen, das nicht in der Da-capo-Form geschrieben ist. Händel ließ sie in der Folgezeit nie wieder ein Duett miteinander singen, weder in eigenen noch in von ihm bearbeiteten Opern. Es war wohl nicht ratsam, zwei solche Tigerinnen in einen Käfig zu sperren![5]

Das Beste an Einfallsreichtum und kreativer Gestaltung gelang Händel immer beim Vertonen von Garten- und Schlafszenen, wie wir sie aus Agrippina, Publio Cornelio Scipione, Tolomeo, Serse und anderen Opern kennen. Der 2. Akt von Alessandro beginnt mit einer der schönsten solcher Szenen. Eine klangprächtige zehnstimmige Introduktion für zwei Blockflöten, zwei Oboen, Fagotte, drei Violinen, Viola und Bass leitet zu einem Accompagnato-Rezitativ mit einem thematisch verwandten, ruhevollen Arioso über; danach schläft Rossane auf der Dominante ein und lässt die Streicher die Musik mit sanften Klängen auf die Tonika zurückführen. Die folgende komische Szene ist ein Meisterwerk geballter Ironie und gipfelt in der schönsten Arie der Oper Vano amore (Nr. 21), einem ungeheuer ergreifenden Stück mit unterschiedlicher Instrumentalbegleitung: im Andante hören wir das Staccato der tiefen Violinen und Bratschen; im folgenden B-Teil, dem Presto, wechseln Takt, Tempo und Tonart; es beginnt ganz überraschend in c-Moll, wo wir nach g-Moll eigentlich B erwartet hätten. Indem die erste Da-capo-Arie des Aktes ihren Platz hinter einer sinfonischen Einleitung, einem Accompagnato-Rezitativ und nicht weniger als fünf Ariosi (die Wiederholungen eingeschlossen) bekam, verdoppelt sich ihre eindrucksvolle Wirkung. Gleich darauf erfolgt wiederum ein dramatischer Tonartwechsel von g-Moll nach a-Moll in einem kunstvollen kleinen viertaktigen Arioso der Lisaura (Tiranna passion, Nr. 22), das unerwartet auf einer gebrochenen Rezitativ-Kadenz endet und damit eine ganz neuartige Miniaturform des Da-capo entstehen lässt.[5]

Es gibt eine ganze Reihe solcher feinsinnigen Details. In der 5. Szene des 2. Aktes entschließt sich Alessandro, beide Damen zu verlassen, da sie ihn lächerlich gemacht haben. Als Lisaura ihn auf einem Halbschluss in A-Dur zurückzulocken versucht, ruft Alessandro „No!" auf einem F, wodurch die Arie in die Tonart F-Dur gerückt wird. (Dieses „No!" ist eine Händelsche Zutat und im Libretto nicht vorhanden.) Das Ritornell in Rossanes Arie Tempesta e calma (Nr. 37) beginnt gleichsam in der Mitte des Satzes, und erst nach etlichen Takten erkennt unser Ohr die Tonika. In Che tirannia d'Amor endet das Ritornell in einer Kadenz auf der Dominante, und der Einsatz der Stimme auf der Tonika kommt sehr überraschend. Händels Opern stecken voll derart geglückter Einfälle.[5]

Bei der Wiederaufnahme im Jahre 1727 wurden die fünf Hauptrollen von der Besetzung der Uraufführung gesungen. Die Partien des Leonato und des Cleone wurden gestrichen. 1732 (von der ursprünglichen Besetzung war nur Senesino übrig geblieben) sangen Anna Maria Strada del Pó die Rossane, Celeste Gismondi die Lisaura, die auf Hosenrollen spezialisierte Altistin Francesca Bertolli den Tassile und Antonio Montagnana den Clito. Für die Bertolli wurde Tassiles Part, zu der nun auch die Arie Si dolce lusingar (Nr. 34b) gehörte, ebenso höher transponiert wie für die Strada zumindest eine von Faustinas Arien. Wie es zu jener Zeit durchaus üblich war, kürzte Händel drastisch die Rezitative und verteilte die wenigen aus Leonatos und Cleones Rollen verbliebenen Stücke auf die anderen Darsteller.[5]

Erfolg & Kritik

Romain Rolland:

”…Man hat Händel die Begabung fürs Komische abgesprochen; das heißt ihn schlecht kennen. Er war voller Humor und hat das in seinen Werken oft genug ausgedrückt. In Almira, seiner ersten Oper, ist die Rolle des Tabarco im komischen Stil von Keiser und Telemann gehalten … Der Polyphem in Acis und Galatea ist eine wundervoll abgerundete Figur von wilder Lustigkeit. Von der Agrippina an aber holt sich Händel die feine Ironie in Italien. Der leichte Stil von Vinci und Pergolesi… mit den kleinen kurzen Bewegungen und den gehackten Rhythmen erscheint bei ihm seit dem Teseo (1712), und später weisen Radamisto, Rodelinda, Alessandro, Tolomeo, Partenope, Orlando und Atalanta zahlreiche Beispiele dafür auf. Die Szene zwischen Alexander und der eingeschlafenen oder sich eingeschlafen stellenden Roxane ist eine kleine Szene, die der musikalischen Komödie zugehört…“[6]

Diskografie

La Petite Bande; Dir. Sigiswald Kuijken (172 min)
  • Studios classique 100 303 (1989): Anita Terzian (Alessandro), Lola Watson (Rossane), Phoebe Atkinson (Lisaura), Perry Price (Tassile), Norman Anderson (Clito), Betty Jean Rieders (Cleone), Thomas Poole (Leonato)
Sinfonia Varsovia; Dir. Mieczyslaw Nowakoski (213 min)

Literatur

Quellen

Wikisource: Άρριανός – Quellen und Volltexte
  • Anabasis (Auswahl) in der englischen Übersetzung von E. J Chinnock (1893) bzw. E. Iliff Robson (1933)
  • Anabasis in französischer Übersetzung, teilweise mit griechischem Originaltext
Wikisource: Quintus Curtius Rufus – Quellen und Volltexte (Latein)

Einzelnachweise

  1. a b c Baselt, Bernd, Händel-Handbuch: Band 4, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1985, S. 135, ISBN 978-3761807170
  2. a b c d Hogwood, Christopher: Georg Friedrich Händel. Eine Biographie., aus dem Englischen von Bettina Obrecht, Insel Verlag, Frankfurt a. M. u. Leipzig 2000, S. 152ff., ISBN 978-3-458-34355-4
  3. handelhouse.org
  4. a b c Leopold, Silke: Händel. Die Opern. Bärenreiter 2009, S. 214ff., ISBN 978-3-7618-1991-3
  5. a b c d e Dean, Winton: Haendel. Alessandro, aus dem Englischen von Ingeborg Neumann, Booklet DHM GD 77110, Freiburg 1985, S. 13-18
  6. Rolland, Romain: Händel, Rütten & Loening, 1954, S. 152f.