„Cyril William Sibley“ – Versionsunterschied

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Am 21. Februar 1945 starteten 349 viermotorige britische [[Bomber]] der Typen [[Handley Page Halifax|„Halifax“]] und [[Avro Lancaster|„Lancaster“]] von einem Luftwaffenstützpunkt in der Grafschaft [[Yorkshire]] an der [[England|englischen]] Nordostküste zu einem Großangriff auf die [[Rheinhessen|rheinhessische]] Stadt [[Worms]] am [[Oberrhein]]. Kurz vor dem Ziel wurde der Verband etwa um 20:30 Uhr von einem deutschen Nachtjagdgeschwader angegriffen. Dabei wurden 21 britische Maschinen abgeschossen, die anderen konnten ihre Bomben abwerfen.
Am 21. Februar 1945 starteten 349 viermotorige britische [[Bomber]] der Typen [[Handley Page Halifax|„Halifax“]] und [[Avro Lancaster|„Lancaster“]] von einem Luftwaffenstützpunkt in der Grafschaft [[Yorkshire]] an der [[England|englischen]] Nordostküste zu einem Großangriff auf die [[Rheinhessen|rheinhessische]] Stadt [[Worms]] am [[Oberrhein]]. Kurz vor dem Ziel wurde der Verband etwa um 20:30 Uhr von einem deutschen Nachtjagdgeschwader angegriffen. Dabei wurden 21 britische Maschinen abgeschossen, die anderen konnten ihre Bomben abwerfen.


Eine getroffene „Halifax“ mit der Nummer ''MZ&nbsp;351'', deren Besatzung aus sieben Männern bestand, kam südlich der rheinhessischen Bezirksgrenze in der [[Pfalz (Region)|Pfalz]] nieder. Bei dem Absturz auf der Gemarkung von Dirmstein – westlich der Wohnbebauung, [[Lage (Weinbau)|Weinlage]] ''Am Mandelpfad'' – starb der Pilot ''Alan Charles Widdowson''. Die sechs übrigen Besatzungsmitglieder konnten sich mit dem [[Fallschirm]] retten. Fünf von ihnen, die auf freiem Feld landeten, gerieten in Gefangenschaft und überlebten die letzten Kriegstage.<ref name="werner">Marie-Christine Werner: ''Der englische Flieger – Der Mord an Cyril William Sibley''</ref> Es waren Navigator ''Terry Dillon'', Funker ''Michael E.&nbsp;Jordan'', Bombenschütze ''Jack M.&nbsp;Scott'', ferner ''F.&nbsp;J.&nbsp;Fox'' und ''F.&nbsp;L.&nbsp;C. Mewis''<ref name="uk">[[Vereinigtes Königreich]]: ''Liste der Verluste im Zweiten Weltkrieg'', S.&nbsp;87, erhalten durch die Britische Botschaft in Deutschland, 20. Januar 2009 (s.&nbsp;[[Diskussion:Cyril William Sibley#Namen der Besatzungsmitglieder|Diskussion]])</ref>.
Eine getroffene „Halifax“ mit der Nummer ''MZ&nbsp;351'', deren Besatzung aus sieben Männern bestand, kam südlich der rheinhessischen Bezirksgrenze in der [[Pfalz (Region)|Pfalz]] nieder. Bei dem Absturz auf der Gemarkung von Dirmstein – westlich der Wohnbebauung, [[Lage (Weinbau)|Weinlage]] ''Am Mandelpfad'' – starb der Pilot ''Alan Charles Widdowson''. Die sechs übrigen Besatzungsmitglieder konnten sich mit dem [[Fallschirm]] retten. Fünf von ihnen, die auf freiem Feld landeten, gerieten in Gefangenschaft und überlebten die letzten Kriegstage.<ref name="werner">Marie-Christine Werner: ''Der englische Flieger – Der Mord an Cyril William Sibley''</ref> Es waren Navigator ''Terry Dillon'', Funker ''Michael E.&nbsp;Jordan'', Bombenschütze ''Jack M.&nbsp;Scott'', ferner ''F.&nbsp;J.&nbsp;Fox'' und ''F.&nbsp;L.&nbsp;C. Mewis''<ref name="uk-lost">[[Vereinigtes Königreich]]: ''Liste der Verluste im Zweiten Weltkrieg'', S.&nbsp;87, erhalten als PDF durch die Britische Botschaft in Deutschland, 20. Januar 2009 (s.&nbsp;[[Diskussion:Cyril William Sibley#Namen der Besatzungsmitglieder|Diskussion]])</ref>.


=== Mord ===
=== Mord ===
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{{Zitat|''Zusammen mit meinem Freund Hans Landin war ich als Erster bei dem englischen Flugzeug, das etwas außerhalb von Dirmstein in der Weinlage Am Mandelpfad abgestürzt war. Wir fanden den toten Piloten, der neben dem Wrack auf dem Rücken lag und aus Mund, Nase und Ohren blutete. Sein Fallschirm hatte sich mit einem der Motoren verheddert. Nachdem wir alles inspiziert hatten, begaben wir uns in den Ort zum Gendarmerieposten, um das Auffinden der Leiche zu melden. Dort wurde gerade ein weiteres Mitglied der Flugzeugbesatzung vorgeführt. Wir hörten, dass beschlossen wurde, den Gefangenen in das eine Fußstunde entfernte Grünstadt zu bringen. Der Gefangene und seine drei Bewacher, die uns zu verscheuchen versuchten, machten sich auf den Weg durch die Bahnhof- und die Obersülzer Straße. Ich folgte mit anderen Jugendlichen in einiger Entfernung. Plötzlich wichen die drei Bewaffneten mit ihrem Gefangenen nach rechts von der Obersülzer Straße ab und verschwanden in Richtung Offstein hinter einem Betriebsgebäude der 1939 stillgelegten Lokalbahn, wo heute die Offsteiner Straße mündet. Nach wenigen Augenblicken hörten wir mehrere Schüsse...''<ref name="maurer">Arthur Maurer: ''[[Diskussion:Cyril William Sibley#Quelle: Bericht von Arthur Maurer|Schilderung des Vorfalls]]'' am 5. Mai 2006 während der Mitgliederversammlung des Kulturvereins St. Michael Dirmstein</ref>}}
{{Zitat|''Zusammen mit meinem Freund Hans Landin war ich als Erster bei dem englischen Flugzeug, das etwas außerhalb von Dirmstein in der Weinlage Am Mandelpfad abgestürzt war. Wir fanden den toten Piloten, der neben dem Wrack auf dem Rücken lag und aus Mund, Nase und Ohren blutete. Sein Fallschirm hatte sich mit einem der Motoren verheddert. Nachdem wir alles inspiziert hatten, begaben wir uns in den Ort zum Gendarmerieposten, um das Auffinden der Leiche zu melden. Dort wurde gerade ein weiteres Mitglied der Flugzeugbesatzung vorgeführt. Wir hörten, dass beschlossen wurde, den Gefangenen in das eine Fußstunde entfernte Grünstadt zu bringen. Der Gefangene und seine drei Bewacher, die uns zu verscheuchen versuchten, machten sich auf den Weg durch die Bahnhof- und die Obersülzer Straße. Ich folgte mit anderen Jugendlichen in einiger Entfernung. Plötzlich wichen die drei Bewaffneten mit ihrem Gefangenen nach rechts von der Obersülzer Straße ab und verschwanden in Richtung Offstein hinter einem Betriebsgebäude der 1939 stillgelegten Lokalbahn, wo heute die Offsteiner Straße mündet. Nach wenigen Augenblicken hörten wir mehrere Schüsse...''<ref name="maurer">Arthur Maurer: ''[[Diskussion:Cyril William Sibley#Quelle: Bericht von Arthur Maurer|Schilderung des Vorfalls]]'' am 5. Mai 2006 während der Mitgliederversammlung des Kulturvereins St. Michael Dirmstein</ref>}}


Wie nach Kriegsende bei den Ermittlungen der Alliierten festgestellt wurde, schoss Wolfert dem Gefangenen aus nächster Nähe in Kopf und Brust ''(nach anderen Quellen in Kopf und Bauch)'', Hartleb jagte dem am Boden Liegenden und vermutlich bereits Toten noch eine Pistolenkugel in den Kopf. Der Adjutant beteiligte sich nicht an dem [[Massaker]] und gab später zu seiner Entlastung an, wegen seiner Schwerhörigkeit von dem Mordplan nichts erfahren zu haben.<ref name="werner" />
Wie nach Kriegsende bei den Ermittlungen der Alliierten festgestellt wurde, schoss Wolfert dem Gefangenen aus nächster Nähe in Kopf und Brust ''(nach anderen Quellen in Kopf und Bauch)'', Hartleb jagte dem am Boden Liegenden und vermutlich bereits Toten noch eine Pistolenkugel in den Kopf. Der Adjutant beteiligte sich nicht an dem [[Massaker]].<ref name="werner" />


Der Erschossene wurde am Nachmittag des 22. Februar am Rande des Dirmsteiner Friedhofs in einem Massengrab verscharrt, das für die sechs toten Insassen eines zweiten bei Dirmstein abgestürzten Bombers und den Piloten des ersten ausgehoben worden war. Eine [[USA|amerikanische]] Untersuchungskommission stellte bei einer [[Exhumierung]] am 6.&nbsp;August 1945 fest, dass Sibleys Leiche ohne Sarg zuoberst ins Grab gelegt worden war, und protokollierte die noch sichtbaren Verletzungen. Im April 1948 erfolgte die Umbettung auf den englischen Soldatenfriedhof von [[Rheinberg]] am [[Niederrhein]]. Das Grab hat heute die Nummer 20.B.20<ref name="brit-botschaft-berlin">Auskunft der Botschaft des Vereinigten Königreiches, Berlin</ref>.
Der Erschossene wurde am Nachmittag des 22. Februar am Rande des Dirmsteiner Friedhofs in einem Massengrab verscharrt, das für die sechs toten Insassen eines zweiten bei Dirmstein abgestürzten Bombers und den Piloten des ersten ausgehoben worden war. Eine [[USA|amerikanische]] Untersuchungskommission stellte bei einer [[Exhumierung]] am 6.&nbsp;August 1945 fest, dass Sibleys Leiche ohne Sarg zuoberst ins Grab gelegt worden war, und protokollierte die noch sichtbaren Verletzungen. Im April 1948 erfolgte die Umbettung auf den englischen Soldatenfriedhof von [[Rheinberg]] am [[Niederrhein]]. Das Grab hat heute die Nummer 20.B.20<ref name="uk-grave">Vereinigtes Königreich: ''Commonwealth War Graves'', Datei-Suchergebnis (Screenshot), erhalten als PDF durch die Britische Botschaft in Deutschland, 20. Januar 2009</ref>.


=== Gerichtsverfahren und Hinrichtung ===
=== Gerichtsverfahren und Hinrichtung ===
Vom 13. bis 17. Mai 1946 standen die an Sibleys Tötung Beteiligten in [[Bad Lippspringe]] vor einem britischen [[Militärgericht]]. Wolfert verteidigte sich mit [[Befehlsnotstand]]; sein Vorgesetzter, der [[Struktur der NSDAP#Kreisleiter|NSDAP-Kreisleiter]] Merkle, habe schon früher die Anweisung erlassen, in seinem Zuständigkeitsbereich abgeschossene feindliche Flugzeugbesatzungen nicht zu Kriegsgefangenen zu machen. Hartleb bestritt die Existenz einer derartigen Anweisung, gab aber zu, in Wolferts Tötungsplan eingeweiht gewesen zu sein. Heinrich&nbsp;K. berief sich darauf, wegen seiner Schwerhörigkeit sei er völlig ahnungslos gewesen.<ref name="ziegler">Hannes Ziegler: ''Dirmstein im Nationalsozialismus Dirmstein im Zweiten Weltkrieg –'', S.&nbsp;206&nbsp;f.</ref>
Vom 13. bis 17. Mai 1946 standen die an Sibleys Tötung Beteiligten in [[Bad Lippspringe]] vor einem britischen [[Militärgericht]]. Wolfert verteidigte sich mit [[Befehlsnotstand]]; sein Vorgesetzter, der [[Struktur der NSDAP#Kreisleiter|NSDAP-Kreisleiter]] Merkle, habe schon früher die Anweisung erlassen, in seinem Zuständigkeitsbereich abgeschossene feindliche Flugzeugbesatzungen nicht zu Kriegsgefangenen zu machen. Hartleb bestritt die Existenz einer derartigen Anweisung, gab aber zu, in Wolferts Tötungsplan eingeweiht gewesen zu sein. Heinrich&nbsp;K. berief sich darauf, wegen seiner Schwerhörigkeit sei er völlig ahnungslos gewesen.<ref name="ziegler">Hannes Ziegler: ''Dirmstein im Nationalsozialismus, Kapitel „Dirmstein im Zweiten Weltkrieg“'', S.&nbsp;206&nbsp;f.</ref>


Das Urteil für Wolfert und Hartleb lautete auf [[Mord|„Mord“]], als Strafe wurde [[Erhängen|„Tod durch Erhängen“]] ausgesprochen; die Entscheidung wurde am 22.&nbsp;Juli durch das ''Oberste Armeegericht'' in [[London]] bestätigt<ref name="ziegler" />. Am 11.&nbsp;Oktober 1946 wurden die beiden Mörder in [[Hameln]] hingerichtet und anschließend dort anonym bestattet<ref name="krone">Peter Krone: ''Historische Dokumentation „Hingerichtetengräber“ auf dem Friedhof Wehl in Hameln''. Hameln 1987, S. 69</ref>. Heinrich&nbsp;K. wurde in erster Instanz zu zehn Jahren Haft verurteilt, im Berufungsverfahren jedoch freigesprochen. Er war bereits im September 1946 aus der Haft entlassen worden<ref name="ziegler" />.
Das Urteil für Wolfert und Hartleb lautete auf [[Mord|„Mord“]], als Strafe wurde [[Erhängen|„Tod durch Erhängen“]] ausgesprochen; die Entscheidung wurde am 22.&nbsp;Juli durch das ''Oberste Armeegericht'' in [[London]] bestätigt<ref name="ziegler" />. Am 11.&nbsp;Oktober 1946 wurden die beiden Mörder in [[Hameln]] hingerichtet und anschließend dort anonym bestattet<ref name="krone">Peter Krone: ''Historische Dokumentation „Hingerichtetengräber“ auf dem Friedhof Wehl in Hameln''. Hameln 1987, S. 69</ref>. Heinrich&nbsp;K. wurde in erster Instanz zu zehn Jahren Haft verurteilt, im Berufungsverfahren jedoch freigesprochen. Er war bereits im September 1946 aus der Haft entlassen worden<ref name="ziegler" />.

Version vom 21. Januar 2009, 13:00 Uhr

Sergeant Cyril William Sibley (* 10. Oktober 1923 in Großbritannien; † 21. Februar 1945 in Dirmstein) war ein Angehöriger der Royal Air Force. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges überlebte er als Besatzungsmitglied den Abschuss seines Flugzeuges über der nördlichen Vorderpfalz (im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz), wurde jedoch anschließend von einem Funktionär der NSDAP ermordet.

Der Fall Sibley

Abschuss

Am 21. Februar 1945 starteten 349 viermotorige britische Bomber der Typen „Halifax“ und „Lancaster“ von einem Luftwaffenstützpunkt in der Grafschaft Yorkshire an der englischen Nordostküste zu einem Großangriff auf die rheinhessische Stadt Worms am Oberrhein. Kurz vor dem Ziel wurde der Verband etwa um 20:30 Uhr von einem deutschen Nachtjagdgeschwader angegriffen. Dabei wurden 21 britische Maschinen abgeschossen, die anderen konnten ihre Bomben abwerfen.

Eine getroffene „Halifax“ mit der Nummer MZ 351, deren Besatzung aus sieben Männern bestand, kam südlich der rheinhessischen Bezirksgrenze in der Pfalz nieder. Bei dem Absturz auf der Gemarkung von Dirmstein – westlich der Wohnbebauung, Weinlage Am Mandelpfad – starb der Pilot Alan Charles Widdowson. Die sechs übrigen Besatzungsmitglieder konnten sich mit dem Fallschirm retten. Fünf von ihnen, die auf freiem Feld landeten, gerieten in Gefangenschaft und überlebten die letzten Kriegstage.[1] Es waren Navigator Terry Dillon, Funker Michael E. Jordan, Bombenschütze Jack M. Scott, ferner F. J. Fox und F. L. C. Mewis[2].

Mord

Der sechste Überlebende, der 21-jährige Heckschütze Sibley (Dienstnummer 1898606), ging im Dirmsteiner Wohngebiet nieder, wo er sich mit seinem Fallschirm in einer Baumkrone im Garten von Maria Gassner verfing. Nachdem diese Sibleys verletzte Hand versorgt hatte, erschien wenig später der Ortsgruppenleiter Adolf Wolfert, den ein Angehöriger des Volkssturms begleitete, der Bataillonskommandant Georg Hartleb (* 12. Mai 1893 in Dirmstein; † (hingerichtet) 11. Oktober 1946 in Hameln). Unter Drohungen und mit Waffengewalt wurde Sibley aus dem Hause Gassner geholt und zum örtlichen Gendarmerieposten gebracht. Dort stieß noch ein weiterer Volkssturmmann, der Adjutant Heinrich K., zu der Gruppe.[1]

Ein Zeitzeuge, der damals 15-jährige Arthur Maurer, als Heimatforscher 1996 Initiator und seit 2004 Ehrenvorsitzender des Kulturvereins St. Michael Dirmstein, schilderte 2006 den Vorfall so:

Zusammen mit meinem Freund Hans Landin war ich als Erster bei dem englischen Flugzeug, das etwas außerhalb von Dirmstein in der Weinlage Am Mandelpfad abgestürzt war. Wir fanden den toten Piloten, der neben dem Wrack auf dem Rücken lag und aus Mund, Nase und Ohren blutete. Sein Fallschirm hatte sich mit einem der Motoren verheddert. Nachdem wir alles inspiziert hatten, begaben wir uns in den Ort zum Gendarmerieposten, um das Auffinden der Leiche zu melden. Dort wurde gerade ein weiteres Mitglied der Flugzeugbesatzung vorgeführt. Wir hörten, dass beschlossen wurde, den Gefangenen in das eine Fußstunde entfernte Grünstadt zu bringen. Der Gefangene und seine drei Bewacher, die uns zu verscheuchen versuchten, machten sich auf den Weg durch die Bahnhof- und die Obersülzer Straße. Ich folgte mit anderen Jugendlichen in einiger Entfernung. Plötzlich wichen die drei Bewaffneten mit ihrem Gefangenen nach rechts von der Obersülzer Straße ab und verschwanden in Richtung Offstein hinter einem Betriebsgebäude der 1939 stillgelegten Lokalbahn, wo heute die Offsteiner Straße mündet. Nach wenigen Augenblicken hörten wir mehrere Schüsse...[3]

Wie nach Kriegsende bei den Ermittlungen der Alliierten festgestellt wurde, schoss Wolfert dem Gefangenen aus nächster Nähe in Kopf und Brust (nach anderen Quellen in Kopf und Bauch), Hartleb jagte dem am Boden Liegenden und vermutlich bereits Toten noch eine Pistolenkugel in den Kopf. Der Adjutant beteiligte sich nicht an dem Massaker.[1]

Der Erschossene wurde am Nachmittag des 22. Februar am Rande des Dirmsteiner Friedhofs in einem Massengrab verscharrt, das für die sechs toten Insassen eines zweiten bei Dirmstein abgestürzten Bombers und den Piloten des ersten ausgehoben worden war. Eine amerikanische Untersuchungskommission stellte bei einer Exhumierung am 6. August 1945 fest, dass Sibleys Leiche ohne Sarg zuoberst ins Grab gelegt worden war, und protokollierte die noch sichtbaren Verletzungen. Im April 1948 erfolgte die Umbettung auf den englischen Soldatenfriedhof von Rheinberg am Niederrhein. Das Grab hat heute die Nummer 20.B.20[4].

Gerichtsverfahren und Hinrichtung

Vom 13. bis 17. Mai 1946 standen die an Sibleys Tötung Beteiligten in Bad Lippspringe vor einem britischen Militärgericht. Wolfert verteidigte sich mit Befehlsnotstand; sein Vorgesetzter, der NSDAP-Kreisleiter Merkle, habe schon früher die Anweisung erlassen, in seinem Zuständigkeitsbereich abgeschossene feindliche Flugzeugbesatzungen nicht zu Kriegsgefangenen zu machen. Hartleb bestritt die Existenz einer derartigen Anweisung, gab aber zu, in Wolferts Tötungsplan eingeweiht gewesen zu sein. Heinrich K. berief sich darauf, wegen seiner Schwerhörigkeit sei er völlig ahnungslos gewesen.[5]

Das Urteil für Wolfert und Hartleb lautete auf „Mord“, als Strafe wurde „Tod durch Erhängen“ ausgesprochen; die Entscheidung wurde am 22. Juli durch das Oberste Armeegericht in London bestätigt[5]. Am 11. Oktober 1946 wurden die beiden Mörder in Hameln hingerichtet und anschließend dort anonym bestattet[6]. Heinrich K. wurde in erster Instanz zu zehn Jahren Haft verurteilt, im Berufungsverfahren jedoch freigesprochen. Er war bereits im September 1946 aus der Haft entlassen worden[5].

Aufarbeitung

1985 und 2008 fand die Bluttat ihre literarische Aufarbeitung durch den Dirmsteiner Dichter Walter Landin. Über eine Rundfunksendung von 2001 gibt es ein Typoskript. In der 2005 erschienenen Chronik des Dorfes wurden die Namen der Täter nur mit Initialen wiedergegeben.

Literatur

  • Walter Landin: Wenn erst Gras wächst. Erzählungen, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau 1985
  • Marie-Christine Werner: Der englische Flieger – Der Mord an Cyril William Sibley. Sendung des Südwestrundfunks in Mainz am 10. Februar 2001, 21 bis 22 Uhr, Typoskript, 47 Seiten
  • Ludwig Faust: Als die Vernichtungsmaschinerie lief. Bad Dürkheim und die Vorderpfalz im Luftkrieg 1939–1945. Bad Dürkheim 2005, S. 77 f., S. 126 f.
  • Hannes Ziegler: Dirmstein im Nationalsozialismus. In: Michael Martin (Hrsg.): Dirmstein – Adel, Bauern und Bürger, Chronik der Gemeinde Dirmstein, S. 197 ff. Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Neustadt an der Weinstraße 2005, ISBN 3-9808304-6-2
  • Walter Landin: Anton Kocher und der englische Flieger. In: Mörderische Pfalz. Verlag Wellhöfer, Mannheim 2008

Einzelnachweise

  1. a b c Marie-Christine Werner: Der englische Flieger – Der Mord an Cyril William Sibley
  2. Vereinigtes Königreich: Liste der Verluste im Zweiten Weltkrieg, S. 87, erhalten als PDF durch die Britische Botschaft in Deutschland, 20. Januar 2009 (s. Diskussion)
  3. Arthur Maurer: Schilderung des Vorfalls am 5. Mai 2006 während der Mitgliederversammlung des Kulturvereins St. Michael Dirmstein
  4. Vereinigtes Königreich: Commonwealth War Graves, Datei-Suchergebnis (Screenshot), erhalten als PDF durch die Britische Botschaft in Deutschland, 20. Januar 2009
  5. a b c Hannes Ziegler: Dirmstein im Nationalsozialismus, Kapitel „Dirmstein im Zweiten Weltkrieg“, S. 206 f.
  6. Peter Krone: Historische Dokumentation „Hingerichtetengräber“ auf dem Friedhof Wehl in Hameln. Hameln 1987, S. 69