Reichshauptstadt

Reichshauptstadt bezeichnet das politische Zentrum eines Staates, der sich als Reich sieht. Vorwiegend verwendet wurde die Bezeichnung Reichshauptstadt für die Städte Wien und Berlin. Für London oder Madrid – beides ehemals Hauptstädte von (Welt-)Reichen (Britisches Weltreich bzw. Spanisches Kolonialreich) – war der Titel nie, für St. Petersburg (Russisches Reich) kaum gebräuchlich.

Rom

Rom wurde als größte Stadt der alten Welt Reichshauptstadt des alten Römischen Reichs. Nachdem man Karthago, die führende Seemacht, besiegt hatte, wuchs Rom stark an und erreichte in der Zeit des Kaisers Augustus die Millionenmarke. Während der ausgehenden Zeit der Republik festigte sich die Stärke Roms als die uneingeschränkte Schaltzentrale des Mittelmeerraumes. Besonders in der Zeit der Pax Augusta hatte Rom eine glanzvolle Zeit. In dieser Zeit entstand auch der Titel „Urbs urbium orbis terrarum“, was auf Deutsch etwa „Stadt aller Städte der Erde“ heißt. Unter den Kaisern wurde die Stadt weiter ausgebaut und erreichte während der Regentschaft Kaiser Vespasians die 2-Millionen-Grenze.

Später knüpften die Päpste an diese alte Tradition an und Rom wurde von der römischen Reichshauptstadt zur Zentralstadt des Kirchenstaates und der katholischen Kirche.

Konstantinopel

Neben Rom erbaute sich Kaiser Konstantin der Große eine eigene Reichshauptstadt, Konstantinopel. Es erreichte nicht ganz die Höhe der Macht Roms, jedoch diente es dem Oströmischen Reich als Hauptstadt. In Konstantinopel befand sich ab dem 3. Jahrhundert die ganze römische Administration. Wichtige ökonomische Geschäfte liefen in der Stadt am Bosporus ab. Besondere Größe erhielt Konstantinopel während der Zeit der Völkerwanderung, als viele weströmische Beamte Schutz in der Stadt suchten. 1453 eroberte Sultan Mehmet II. die alte oströmische Hauptstadt. Unter dem Namen Istanbul wurde die Stadt nun führende Stadt des neu gegründeten Osmanischen Reiches.

Wien

Wien wurde als Residenz der habsburgischen Kaiser faktisch zu einer der Hauptstädte des Heiligen Römischen Reiches. Das Alte Reich besaß keine Hauptstadt im heutigen Sinn. Die Stadt Wien war Residenz des Kaisers, Sitz des Reichshofrates – einem der höchsten Gerichte im Alten Reich – und Hauptstadt der Habsburgermonarchie (die nie vollständig zum Alten Reich gehörte), Regensburg Sitz des Reichstags, Wetzlar Sitz des Reichskammergerichts, Frankfurt am Main Wahl- und Krönungsort. Für Kaiser Joseph II. war 1782 Rom die „eigentliche Hauptstadt und wirkliche Mitte des Reiches“.[1]

Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 erlosch der Titel für Wien allerdings nicht. Es blieb bis 1918 Reichshaupt- und Residenzstadt zunächst des 1804 gegründeten Kaisertums Österreich beziehungsweise des Kaisers von Österreich und nach dem Ausgleich (1867) der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Budapest hingegen wurde nach dem Ausgleich zur Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Ungarn.

Berlin

Berlin erhielt die Funktion einer Reichshauptstadt mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871. In der Zeit der Weimarer Republik (1919–1933) wurde die Stadt in den preußischen Gesetzen als Hauptstadt bezeichnet;[2] als amtlicher Titel wurde der Begriff „Reichshauptstadt“ erst in der Zeit des Nationalsozialismus (bis 1945)[3] durch Gesetz vom 1. Dezember 1936[4] eingeführt.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Reichshauptstadt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Fußnoten

  1. Vgl. Hagen Schulze: Staat und Nation in der europäischen Geschichte, München 1994.
  2. Gesetz über die vorläufige Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts für die Hauptstadt Berlin vom 30. März 1931
  3. Gesetzesübersicht (Memento vom 13. August 2017 im Internet Archive)
  4. Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt Berlin vom 1. Dezember 1936