Jüdische österreichische Hochschüler:innen

Jüdische österreichische Hochschüler:innen (JöH) ist die Vertretung aller jüdischen Studierenden in Österreich mit Sitz in Wien. Die Organisation ist der Mittelpunkt des jüdischen Studierendenlebens in Österreich, unterstützt jüdische Studierende aktiv auf allen Universitäten in Österreich und ist Ansprechpartner bei Problemen an Hochschulen. Sie ist zudem politisch engagiert und organisiert etwa ein monatliches Shabbat-Essen, Veranstaltungen zu den Feiertagen sowie internationale Reisen. Unter den politischen Aktivitäten finden sich Podiumsdiskussionen, Demonstrationen, politische Versammlungen, Seminare und Workshops.[1]

Geschichte

Die JöH versteht sich als „Wegweiser in der akademischen Welt“ für in- und ausländische Studenten, die am „jüdischen Geschehen“ Interesse haben. Bis zum Jahr 2004 wurde die Vereinigung unter der Bezeichnung Vereinigung Jüdischer Hochschüler in Österreich (VJHÖ) geführt. Unter diesem Namen wurde sie auch am 20. März 1947 gegründet. Ein wesentlicher Schwerpunkt der JöH ist das Jüdische Leben in Wien. Der Verein ist Mitglied des Europäischen Verbands jüdischer Studenten (EUJS) und des weltweiten Verbands jüdischer Studenten (WUJS).[2]

Die JöH nimmt regelmäßig an Gedenkveranstaltungen in Bezug auf die Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus teil.[3] Die Organisation setzt auch immer wieder Zeichen zur historischen Aufarbeitung der Vergangenheit ein, etwa bei Wiens Straßennamen.[4] Darüber hinaus treten die JöH immer wieder gegen aktuelle Diskriminierungen, Hass, Hetze oder Verharmlosungen der Shoah auf. Im Mai 2021 traten die JöH gegen eine antisemitische Demonstration der BDS-Bewegung, der Antiimperialistischen Koordination (AIK) und dem Verein Dar-al-Janub auf, wo judenfeindliche Sprüche skandiert wurden.[5] 2022 wurde unter anderem eine Sachverhaltsdarstellung gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl nach einer umstrittenen Rede bei einer Demonstration gegen Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie eingebracht.[6]

Seit den Hamas-Gräueln und dem folgenden Krieg in Gaza stieg der Antisemitismus auch an europäischen Universitäten stark an, was auch in Österreich zu beobachten war. Trotz wiederholter Bitten der JöH und der Europäischen Union jüdischer Studierender verweigerte die Central European University (CEU) mit Rektorin Shalini Randeria monatelang einen Gesprächstermin mit der gewählten Vertretung jüdischer Studierender. Gleichzeitig fanden an der CEU Veranstaltungen von Akteuren der antisemitischen Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions statt, welche von den „National and Islamic Forces in Palestine“ geleitet wird, zu denen Hamas und der Islamische Dschihad in Palästina zählen. Sämtliche österreichische Institutionen stufen die Bewegung als antisemitisch ein. Auf einer von der CEU-Studierendenvertretung finanzierten Feier riefen Studierende “Zionists get the f*** out” und stellten einen jüdischen Studierenden mit Davidstern-Kette bloß. Jüdische CEU-Studierende reichten hinsichtlich der zahlreichen antisemitischen Vorfälle einen Beschwerdebrief beim Disziplinarkomitee der Universität ein, das für Antidiskriminierung zuständig ist.[7] Im Dezember 2023 deckte die JöH einen Vorfall auf der Universität für Angewandte Kunst in Wien auf, wo eine Rednerin dazu aufforderte, das Massaker der Hamas auf Israel vom 7. Oktober nicht mehr zu erwähnen. Mehrere Stimmen skandieren, die filmende Person solle die Kundgebung sofort verlassen. Dann kam es zu einer Diskussion und mutmaßlich kurzen Handgreiflichkeiten – bis das Video endet.[8][9]

Aktivismus jüdischer Studierender

Hinter dem Aktivismus jüdischer Studierender in der Hochschülerschaft steckt der Wunsch, Antisemitismus etwas entgegenzusetzen und das Gedenken an die Schoah zu schützen. Die jungen Jüdinnen und Juden üben auch immer wieder Kritik an der Verharmlosung des Holocaust auf Corona-Demonstrationen, wo in der Vergangenheit etwa Davidsterne mit dem Schriftzug „ungeimpft“ und Schilder mit dem Spruch „Impfen macht frei“ zu sehen waren. Die Folgen der Schoah, in der sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet wurden, spüren die nachfolgenden Generationen noch heute. Von einem belastenden Trauma, das von Generation zu Generation weitergegeben wird, so Sashi Turkof von der JöH 2022 gegenüber dem ORF. Jüdischer Aktivismus bedeute auch, sich dafür zu entscheiden, „etwas mit diesem Trauma zu machen“ und gegen „immer noch bestehende Ressentiments und Vorurteile zu kämpfen“ – eine Aufgabe, die auch von Generation zu Generation weitergegeben wird.[10]

Reaktionen nach Hamas-Terror

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 kam es auch in Wien zu Ausschreitungen und Protesten mit antisemitischen Parolen. JÖH veröffentlichte Bilder von antijüdischen Beschmierungen auf dem Campus der Universität Wien auf den Social-Media-Kanal X, vormals Twitter. Am 27. Oktober wurde am Wiener Judenplatz von den JöH im Rahmen der Initiative „Bring Them Home Now“ ein leerer Schabbat-Tisch mit 229 Bildern aufgestellt, um auf die 229 von der Hamas in den Gazastreifen entführten israelischen Geiseln aufmerksam zu machen.[11] Am 2. November sprach der Präsident der JöH, Alon Ishay, bei einem Lichtermeer gegen Antisemitismus am Heldenplatz vor über 20.000 Menschen von „pogromartigen Zuständen“ nach dem Hamas-Terror, wo er sich auf Vorkommnisse an mehreren Orten der Welt bezog.[12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. joeh.at: About – Österreichische jüdische HochschülerInnenschaft. Abgerufen am 16. November 2023.
  2. Olja Alvir, Toumaj Khakpour: Gleich und Gleich gesellt sich gern. 3. September 2012, abgerufen am 16. November 2023.
  3. Colette M. Schmidt: Befreiungsfeier in Mauthausen im Zeichen der Zivilcourage. 7. Mai 2023, abgerufen am 16. November 2023.
  4. ots.at: Erinnern heißt verändern: Jüdische Aktivist:innen überkleben Nazi-Straßenschilder. 9. November 2021, abgerufen am 20. November 2023.
  5. ots.at: Gegen Antisemitismus und Gewalt! 13. Mai 2021, abgerufen am 20. November 2023.
  6. ots.at: Jüdische Hochschüler:innen bringen Sachverhaltsdarstellung mit Forderung zur Strafanzeige gegen FPÖ-Kickl wegen Wiederbetätigung ein. 3. Januar 2022, abgerufen am 20. November 2023.
  7. ots.at: Außer Kontrolle: Antisemitismus an der Central European University. 5. Dezember 2023, abgerufen am 8. Januar 2024.
  8. derstandard.at: Free-Palestine-Kundgebung an der Angewandten sorgt für Aufregung. 15. Dezember 2023, abgerufen am 8. Januar 2024.
  9. Lina Paulitsch: Kunststudis und die Intifada. 15. Dezember 2023, abgerufen am 8. Januar 2024.
  10. Reaktion ORF.at/Agenturen: Das vererbte Trauma der Schoah. 29. Januar 2023, abgerufen am 21. November 2023.
  11. Redaktion Regionalmedien Wien: Wien: Leerer Schabbat-Tisch am Judenplatz für israelische Geiselnn. 27. Oktober 2023, abgerufen am 16. November 2023.
  12. Reaktion ORF.at/Agenturen: Lichtermeer am Heldenplatz gegen Antisemitismus. 3. November 2023, abgerufen am 21. November 2023.