Benutzer:King/BaustelleDurchfall

Als Durchfall (medizinisch Diarrhö oder Diarrhoe von altgriechisch διάρροια diárrhoia „Durchfall“ aus διά- diá- „durch-“ und ῥέω rhéo „ich fließe“) wird die zu häufige Abgabe von zu flüssigem Stuhl bezeichnet. Durchfall kann ein Symptom vieler Erkrankungen (z. B. Infektionen, Nahrungsmittelvergiftungen, Tumoren) sein. Weltweit erkranken pro Jahr schätzungsweise rund 4 Milliarden Menschen an Durchfall, 7,5 Millionen Menschen (vor allem Kinder) sterben an den Folgen.[1]

Die normale Frequenz (drei mal am Tag bis drei mal die Woche) und Konsistenz (kaum geformt bis hart) des Stuhlgangs unterscheiden sich zwischen verschiedenen Menschen.[1] Auch die subjektive Einschätzung, was „normaler“ Stuhlgang sei, unterscheidet sich stark.[1] Als medizinische Definition von Durchfall bei Erwachsenen gilt ein Stuhlgewicht von über 200-250g pro Tag, bei zu häufiger Frequenz und zu hohem Wasseranteil.[2]

Ein akuter Durchfall verläuft meist leicht und heilt ohne weitere Maßnahmen (z.B. Medikamente) ab. Schwerer und länger andauernder Durchfall dagegen, kann aufgrund des Wasser- / Elektrolytverlusts gefährlich sein und einer (medikamentöse) Therapie bedürfen.

Von der Diarrhö abzugrenzen ist die Pseudodiarrhö, z. B. im Rahmen eines Reizdarmsyndroms. Dabei sind zwar Stuhlfrequenz und Wassergehalt gesteigert, das Stuhlgewicht aber nicht krankhaft erhöht ist. Ebenfalls kein Durchfall im eigentlichen Sinne ist die paradoxe Diarrhö mit eher vermindertem Stuhlgewicht, die Symptom eines Darmkrebs sein kann.[3]

Einteilung des Durchfalls

Einteilung nach der Dauer

Nach der Dauer des Durchfalls kann - etwas unscharf - eine akute von einer chronischen Diarrhö unterschieden werden. Die akute Diarrhö dauert bis maximal zwei bis drei Wochen[1] und hat meist infektiöse oder toxische Ursachen. Länger andauernde Durchfälle werden als chronische Diarrhöen bezeichnet, für die viele Ursachen wie Nahrungsmittelintoleranzen, chronische Darmerkrankungen oder Tumoren in Frage kommen.

Einteilung nach der Krankheitsentstehung

Durchfall kann weiter nach dem Pathomechanismus, also danach, wie die Krankheit entsteht, unterschieden werden. Die Krankheiten und Mechanismen werden im Detail unter „Ursachen“ erklärt.

Formen der Diarrhö nach Krankheitsentstehung[3][4]
Diarrhö-Form Pathomechanismus Mögliche Ursachen (Beispiele)
Osmotische Diarrhö Nicht aufgenommene Nahrungsbestandteile, Medikamente oder andere Stoffe ziehen Wasser osmotisch in das Darmlumen Laktoseintoleranz, Zöliakie, Sprue, Einnahme von Laxantien, übermäßiger Sorbitol-Konsum
Sekretorische Diarrhö Die Darmschleimhaut sezerniert aktiv Wasser oder Elektrolyte, denen Wasser folgt Nahrungsmittelvergiftungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Einnahme von Laxantien
Exsudative Diarrhö Durch Entzündungen der Darmschleimhaut werden dem Stuhl Schleim und Blut beigemengt Invasive Bakterien, Parasiten, Kolonkarzinom, hronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Hypermotile Diarrhö Durch eine Steigerung der Darmbewegungen und dadurch eine kürzere Verweildauer des Stuhls im Darm, kann nicht genug Flüssigkeit aufgenommen werden. Hyperthyreose, Reizdarmsyndrom, diabetische Polyneuropathie
Steatorrhoe (Fettstuhl) Es sind nicht genug Gallensäuren im Darm, um alle aufgenommenen Fette zu spalten Exokrine Pankreasinsuffizienz, Gallenblasenentfernung

Ursachen

Diarrhö-Formen lassen sich auch sinnvoll nach der Ursache einteilen. Infektionen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten führen meist zu akuter Diarrhö, während chronische Darmerkrankungen und Karzinome Beispiele für die Ursachen einer chronischen Diarrhö sind.

Infektionen

Der häufigste Auslöser einer Diarrhö sind Bakterien und Viren, die zu einer Gastroenteritis führen. Der weltweit bedeutendste Erreger ist der Erreger der Cholara, vibrio cholerae, an der weltweit rund sechs Millionen Menschen erkranken und über 100.000 sterben.[5] In Deutschland ist die Cholera allerdings extrem selten, hier werden Infektionen häufig verursacht durch Norovirus und Rotavirus oder Salmonellen. Oft werden auch Durchfälle durch verdorbene Lebensmittel verursacht: Auslöser sind hier von Bakterien produzierte Toxine (siehe unten: „Lebensmittelvergiftung“).

Es besteht in Deutschland eine Meldepflicht für viele Durchfallerreger. Bei 30-50%[5] aller Reisenden in (sub)tropische Länder kommt es zur Ausbildung einer Reisediarrhö von unterschiedlicher Schwere. Die wichtigste Schutzmaßnahme vor allen Formen infektiöser Diarrhö ist die persönliche Hygiene und der Konsum von nicht belastetem Wasser und Lebensmitteln.

Bei Durchfallerkrankungen die von Bakterien ausgelöst werden, unterscheidet man drei Mechanismen:

  • Erreger des Penetrationstyps sind Salmonellen und Yersinien. Diese werden von der Darmschleimhaut aufgenommen und in das daruntergelegene Bindegewebe geschleust, wo sie eine Entzündungsreaktion verursachen. Wie genau dies zu Diarrhö führt ist noch nicht geklärt.[6]

Sehr häufig werden Durchfälle auch von Viren verursacht. Die Hauptvertreter dieser Viren sind Rotavirus und Norovirus.

Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Eine „Lebensmittelvergiftung“ führt zum Durchfall, weil sich in dem verdorbenen Lebensmittel Bakterien vermehren und dabei Giftstoffe, so genannte Enterotoxine, bilden konnten. Vertreter dieser Bakterien sind Staphylococcus aureus, Clostridium perfringens und Bacillus cereus. Die Vermehrung der Bakterien wird begünstigt durch ungenügende Hygiene bei der Zubereitung und zu warme Lagerung. Eigentlicher Auslöser des Durchfalls sind also nicht die Bakterien selbst, sondern die Aufnahme der schon gebildeten Enterotoxine. Da die Enterotoxine beispielsweise von Staphylococcus aureus sehr stabil gegenüber Hitze sind, schützt auch das Kochen bereits verdorbener Speisen nicht.

Eine häufige Erkrankung ist auch die Laktoseintoleranz. In Deutschland sind ca. 15% der Bevölkerung betroffen, in asiatischen Volksgruppen über 95%.[7] Je nach Schwere der Intoleranz kommt es zu Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen. Normalerweise wird im Darm Milchzucker (Laktose) durch das Enzym Laktase zu den Einfachzuckern Glucose und Galactose gespalten. Bei Laktoseintoleranz fehlt dieses Enzym ganz oder teilweise, sodass Laktose im Dickdarm von Bakterien gespalten wird. Dabei entstehen die Gase Kohlendioxid und Wasserstoff und kurzkettige Fettsäuren die osmotisch aktiv sind, also Wasser anziehen, und so Durchfall auslösen.

Eine andere Form der Nahrungsmittelunverträglichkeit sind Allergien, z.B. gegen Erdbeeren, Milch, Nüsse, Eiweiß oder Fisch.[4]

Medikamente

Die Einnahme von Antibiotika kann zu Durchfall führen, da sie nicht nur auf bakterielle Krankheitserreger wirken, sondern auch die Bakterien der physiologischen Darmflora schädigen. Das Spektrum des Antibiotika-Assoziierten Durchfalls reicht von nur wenig aufgeweichtem Stuhl bis hin zur Clostridium difficile-assoziierten Diarrhö mit der ernsten Komplikation einer Pseudomembranösen Colitis.

Natürlich kann der Gebrauch und Missbrauch von abführenden Medikamenten, den so genannten Laxantien, ebenfalls zu Durchfall führen. Insbesondere der Laxantienmissbrauch mit dem Ziel der Gewichtsreduktion führt zu Elektrolytverlusten, die ihrerseits zu Verstopfung oder im Extremfall zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen führen können.

Diarrhö ist auch eine mögliche Nebenwirkung einiger weiterer Medikamente, zum Beispiel Krebsmedikamente (Zytostatika) und Eisenpräparaten, oder Nahrungsergänzungsmitteln wie zum Beispiel Vitamin C (Ascorbinsäure). Auch der übermäßige Konsum des Zuckeraustauschstoffs Sorbitol (z.B. in Kaugummis) wirkt abführend.

Malassimilationssyndrome

Die „schlechte Verwertung“ von Nährstoffen wird als „Malassimilation“ bezeichnet. Es wird weiter unterschieden zwischen Krankheiten, bei denen die Nahrung nicht richtig „zerlegt“ wird (Maldigestion) und Krankheiten, bei denen die Aufnahme der aufgespaltenen Nahrungsbestandteile gestört ist (Malabsorption).

Zu einer Maldigestion führen die operative Entfernung des Magens (Gastrektomie), eine unzulänglich arbeitende Bauchspeicheldrüse (Exokrine Pankreasinsuffizienz), der Verlust von Gallensäuren oder der Verschluss der Gallenwege. Alle diese Erkrankungen haben gemein, dass die zur Aufspaltung der zugeführten Nahrung notwendigen Verdauungsenzyme nicht im Darm ankommen oder erst gar nicht, bzw. nicht in ausreichender Menge, produziert werden.

Bei einer Malabsorption werden die Nährstoffe von der Darmschleimhaut nicht aufgenommen. Dies ist zum Beispiel bei der Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), Morbus Whipple, Amyloidose oder nach Entfernung des Dünndarms der Fall.


Weitere Ursachen


Diagnostik

Zur ärztlichen Basisdiagnostik bei Durchfallerkrankungen gehört eine Anamnese, bei der insbesondere Häufigkeit des Stuhlgangs, Stuhlbeschaffenheit und Schmerzen abgefragt werden sollten. Auslandsaufenthalte und Medikamenteneinnahmen sollten ebenfalls eruiert werden. Bei der grundlegenden körperlichen Untersuchung wird der Bauch abgetastet (Palpation) und abgehört (Auskultation), bei dieser Gelegenheit sollte auch auf Zeichen einer Austrocknung (Exsikkose) geachtet werden.[4] Zusätzlich kann es nötig sein, den Stuhl in Augenschein zu nehmen (Stuhlvisite), sowie eine digital-rektale Untersuchung durchzuführen.[3]

Der Versuch, eventuell vorhandene Krankheitserreger nachzuweisen ist in vielen Fällen - insbesondere unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten gesehen - nicht nötig.[6] Wegweisend kann die Mikroskopie des Stuhls auf weiße Blutkörperchen (Leukozyten) sein, die z. B. bei schwerem/längerem Krankheitsbild oder blutigem Durchfall veranlasst werden sollte. Ein Nachweis von Leukozyten spricht z. B. für Noro- und Rotaviren oder Protozoen als Erreger, können keine Leukozyten nachgewiesen werden, kann das für Salmonellen, Shigellen oder andere Bakterien sprechen.[3]

Weitere Untersuchungsmöglichkeiten sind beispielsweise:

Therapie

Zunächst sollte - wie bei jeder Erkrankung - die Ursache des Durchfalls behoben bzw. bekämpft werden (kausale Therapie). Ist eine Klärung der Ursache nicht möglich oder nicht sinnvoll, können die Symptome bekämpft werden. So stehen mit Loperamid (Handelsname z. B. Imodium®) oder Tinctura Opii Medikamente zur Verfügung, welche die Darmbewegungen (Darmmotilität) hemmen. Diese Medikamente können dem Patienten Linderung verschaffen, sollten aber mit Bedacht angewendet werden: Eventuell vorhandene Krankheitserreger oder Giftstoffe (Toxine) bleiben aufgrund der gehemmten Darmmotilität länger im Körper.

Eine sinnvolle Basistherapie ist in vielen Fällen der Verzicht auf Nahrung (Nahrungskarenz), die physiologische Darmflora kann außerdem mit Präparaten die E. Coli oder Hefen enthalten unterstützt werden.

Eine Therapie mit Antibiotika (z. B. mit Ciprofloxacin) ist meist nur bei Abwehrschwäche (z. B. AIDS, fortgeschrittenes Alter) oder besonders schwerem Verlauf sinnvoll.[6] Keinesfalls angewendet werden dürfen Antibiotika bei durch EHEC (enterohämorrhagischer E. Coli) verursachtem Durchfall, da sie in diesem Fall zu einem lebensgefährlichen Nierenversagen führen können. Gut untersucht ist die Gabe von Antibiotika bei der Reisediarrhö. Eine vorbeugende (prophylaktische) Gabe von Antibiotika sollte auf keinen Fall erfolgen, vor allem weil sie die Entstehung von resistenten Erregern fördert.[5] Bei vorliegender Reisediarrhö kann die Dauer des Durchfalls mit der Einnahme von Antibiotika in einigen Fällen verkürzt werden.

Die wichtigste Maßnahme - vor allem bei länger andauerndem Durchfall - ist der Ersatz des verloren gegangenen Wassers und der Elektrolyte. Dies kann - je nach schwere - oral oder parenteral (mittels eines venösen Zugangs erfolgen. Dazu stehen fertige Medikamente (Elektrolytmischungen) zur Verfügung, es kann aber auch auf eine selbst hergestellte „Re-Hydratationslösung“ zurückgegriffen werden. Dies ist insbesondere in Entwicklungsländern relevant, da dort Durchfallerkrankungen wie Cholera oft vorkommen, entsprechende Medikamente aber nicht zur Verfügung stehen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt folgende Mischung in einem Liter Trinkwasser[6]:

Neben dem Ausgleich der Elektrolyten wird durch den zugesetzten Zucker die Aufnahme des Wassers erleichtert, da Natrium zusammen mit Glucose aufgenommen wird, und dem Natrium dann passiv Wasser nachfolgt. Die WHO-Empfehlung erinnert an das Hausmittel „Cola und Salzstangen“, das tatsächlich das erklärte Prinzip sinnvoll abbildet.[6] „Cola und Salzstangen“ sollten aber um Bananen ergänzt werden, da diese gute Lieferanten des ebenfalls wichtigen Kaliums sind.[6]

Einzelnachweise

  1. a b c d Herbert Renz-Polster, Steffen Krautzig: Basislehrbuch Innere Medizin. 4. Auflage. Elsevier,Urban&FischerVerlag, München 2008, ISBN 978-3-437-41053-6, S. 592 ff.
  2. Wolfgang Piper: Innere Medizin. 1. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-33725-6, S. 391.
  3. a b c d Hanns-Wolf Baenkler et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. 1. Auflage. Thieme, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-13-141671-1, S. 255 ff.
  4. a b c Keikawus Arastéh et al.: Duale Reihe Innere Medizin. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-13-118162-6, S. 457 ff.
  5. a b c Gerd Herold: Herold Innere Medizin 2010. 1. Auflage. 2010, S. 819 ff.
  6. a b c d e f Hahn, Kaufmann, Schulz, Suerbaum: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 6. Auflage. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-46359-7, S. 828 ff.
  7. a b Gerd Herold: Herold Innere Medizin 2010. 1. Auflage. 2010, S. 457 ff.