Willy Brandt

Vorderseite 2 DM-Münze: Willy Brandt

Willy Brandt (* 18. Dezember 1913 in Lübeck; † 8. Oktober 1992 in Unkel am Rhein; geboren als Herbert Ernst Karl Frahm) war einer der bedeutendsten sozialdemokratischen Politiker und von 1969 bis 1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Für seine neue Ostpolitik, die auf Entspannung mit osteuropäischen Staaten ausgerichtet war, erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis.

Jugend und Krieg

Brandt trat 1929 der Sozialistischen Jugend und ein Jahr später der SPD bei. Wieder ein Jahr später 1931 ging er aber in die SAP, eine linkssozialistische Splittergruppe.

1932 machte er sein Abitur in Lübeck und floh 1933 über Dänemark nach Norwegen vor den Nationalsozialisten, die gerade die Macht ergriffen hatten. Er änderte auch seinen Namen in Willy Brandt. Getarnt als Student namens Gunnar Gaasland kehrte er für den Zeitraum zwischen September und Dezember 1936 wieder nach Deutschland zurück.

Als Kriegsberichterstatter war er 1936 im spanischen Bürgerkrieg tätig.

1938 erfolgte die Ausbürgerung durch die nationalsozialistische Regierung, weshalb er sich um die norwegische Staatsbürgerschaft bemühte. Während der deutschen Besetzung Norwegens geriet er 1940 vorübergehend in deutsche Gefangenschaft. Da er aber bei seiner Ergreifung eine norwegische Uniform trug und auch nicht enttarnt wurde, konnte er nach seiner baldigen Freilassung nach Schweden fliehen. Im August 1940 wurde ihm die norwegische Staatsbürgerschaft von der Botschaft in Stockholm zugesprochen. Er blieb in Stockholm bis zum Ende des Krieges.

Er kehrte 1945 als Korrespondent für skandinavische Zeitungen nach Deutschland zurück und wurde 1948 wieder deutscher Staatsbürger.

Politische Karriere

Seine politische Karriere begann 1949 als Berliner Abgeordneter für die SPD im 1. Deutschen Bundestag. 1950 wurde er auch Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. 1957 wurde er Regierender Bürgermeister von Berlin, ein Amt, das er bis 1966 innehatte. Als solcher war er vom 1.11.1957 bis zum 31.10.1958 Bundesratspräsident.

Von 1958 bis 1963 war Landesvorsitzender des SPD Berlins. 1964 übernahm er den Bundesvorsitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, den er bis 1987 innehatte.

In der Großen Koalition von 1966 zwischen CDU/CSU und SPD wurde er Außenminister.

Bundeskanzler

Nach der Bundestagswahl 1969 wählte der Bundestag Brandt zum vierten Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Willy Brandt hatte eine Koalition mit der FDP gewagt, obwohl die sozialliberale Koalition nur eine Mehrheit von sechs Stimmen hatte. Stellvertreter und Außenminister wurde Walter Scheel von der FDP.

Der Kniefall von Warschau (1970) am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1944 leitete symbolisch die Entspannungspolitik ein, die in den so genannten Ostverträgen mit Polen und der Sowjetunion mündete. Hinzu kamen später der Grundlagenvertrag mit der DDR und ein Abkommen mit der Tschechoslowakei. Dafür erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis.

Mit dieser so genannten 'Neuen' Ostpolitik, die Willy Brandt gegen den Widerstand der Mehrheit der CDU/CSU-Opposition durchsetzte, bemühte er sich um eine "Entspannung in Europa". Manche sehen darin eine Wegbereitung für den Zusammenbruch der kommunistischen Regierungen in Osteuropa und die Wiedervereinigung Deutschlands.

Gleichzeitig ging es ihm um innenpolitische Reformen in Sozial-, Bildungs- und Rechtspolitik. Auch aufgrund der Ölkrise von 1973 sind die finanziell problematischen dieser Reformen nicht oder nur teilweise realisiert worden.

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Willy Brandt und Richard Nixon

Im Jahre 1972 waren soviele Abgeordnete der SPD und der FDP zur Union gegangen, dass ihr Fraktionsvorsitzender, Rainer Barzel, glaubte eine knappe absolute Mehrheit zu haben. Seine Wahl zum Bundeskanzler scheiterte jedoch um zwei Stimmen. Später wurde bekannt, dass die DDR mindestens einen Abgeordneten der CDU gekauft hatte. Da allerdings auch die SPD/FDP-Koalition in weiteren Abstimmungen im Bundestag keine Mehrheit hatte, entschloss man sich zur Auflösung des Bundestages. Bei den Neuwahlen im November 1972 legten die Regierungsparteien deutlich zu, und Brandt wurde im Amt bestätigt.

Am 6. Mai 1974 trat Brandt aufgrund der Spionage-Affäre um seinen Mitarbeiter Günter Guillaume als Bundeskanzler zurück. Eventuell hätte Brandt die Affäre aussitzen können, er schien allerdings bereits seit 1973 keine rechte Regierungsfreude zu haben (Kommentar von Herbert Wehner: Der Bundeskanzler bade gerne lau) und war sich vielleicht auch der Unterstützung seiner Parteifreunde nicht sicher.

Der Nachfolger Brandts als Bundeskanzler wurde Helmut Schmidt, Brandt selbst blieb Vorsitzender der SPD.

Nach dem Rücktritt

1976 wurde Brandt Präsident der Sozialistischen Internationale (bis 1992), 1979 Mitglied des Europäischen Parlaments (bis 1982). 1987 trat er vom Parteivorsitz der SPD zurück, nachdem er eine Kandidatin im Parteiapparat nicht durchsetzen konnte. Seitdem war er Ehrenvorsitzender der SPD und bis 1990 Abgeordneter im Bundestag. Willy Brandt starb 1992 am 8. Oktober in Unkel. Er ist außerdem Ehrenbürger der Stadt Lübeck.

Literatur

  • Willy Brandt: Mein Weg nach Berlin, Kindler Verlag, 1960
  • Willy Brandt: Friedenspolitik in Europa, S. Fischer Verlag, 1968
  • Willy Brandt: Begegnungen und Einsichten 1960-1975, Hoffmann und Campe, 1976
  • Willy Brandt: Erinnerungen, Propyläen Verlag, 1989
  • Rut Brandt: Freundesland - Erinnerungen, Hoffmann und Campe, 1992
  • Willy Brandt, Bilder aus dem Leben eines Europäers, Fotos von Jupp Darchinger, Essay und Texte von Margarita Mathiopoulos, Droemer Knaur, 1993
  • Peter Merseburger: Willy Brandt, 1913-1992. Visionär und Realist, DVA 2002
  • Gregor Schöllgen: Willy Brandt. Die Biographie, Propyläen Verlag, 2001

Siehe auch: Liste der deutschen Bundesregierungen


Regierender Bürgermeister von Berlin:
Ernst Reuter | Walther Schreiber | Otto Suhr | Willy Brandt | Heinrich Albertz | Klaus Schütz | Dietrich Stobbe | Hans-Jochen Vogel | Richard von Weizsäcker | Eberhard Diepgen | Walter Momper | Klaus Wowereit


Bundesvorsitzender der SPD:
Kurt Schumacher | Erich Ollenhauer | Willy Brandt | Hans-Jochen Vogel | Björn Engholm | Johannes Rau | Rudolf Scharping | Oskar Lafontaine | Gerhard Schröder | Franz Müntefering


Außenminister der Bundesrepublik Deutschland:
Konrad Adenauer | Heinrich von Brentano | Gerhard Schröder (CDU) | Willy Brandt | Walter Scheel | Hans-Dietrich Genscher | Helmut Schmidt | Hans-Dietrich Genscher | Klaus Kinkel | Joschka Fischer


Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland:
Franz Blücher | Ludwig Erhard | Erich Mende | Hans-Christoph Seebohm | Willy Brandt | Walter Scheel | Hans-Dietrich Genscher | Egon Franke | Hans-Dietrich Genscher | Jürgen Möllemann | Klaus Kinkel | Joschka Fischer


Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland:
Konrad Adenauer | Ludwig Erhard | Kurt Georg Kiesinger | Willy Brandt | Helmut Schmidt | Helmut Kohl | Gerhard Schröder