Täufer

Täufer ist die Bezeichnung einer vielschichtigen christlichen reformatorischen Bewegung des 16. Jahrhunderts, die in der Schweiz, Tirol, Süddeutschland und in Ostfriesland ihre geografischen Ausgangspunkte hatte, sich aber schnell über ganz Zentraleuropa ausbreitete.

Wahlspruch des Täufermärtyrers Balthasar Hubmaier

In den Augen der Täufer und ihrer Nachfolger gilt lediglich die Glaubenstaufe Mündiger aufgrund ihres persönlichen Glaubensbekenntnisses; die Taufe unmündiger Kinder gilt als unbiblisch und deshalb als ungültig. Da manche andere Christen es als Wiedertaufe ansehen, wenn ein Mensch, der die Säuglingstaufe empfangen hat, auf sein Begehren hin als Gläubiger bzw. Mündiger getauft wird, werden die Täufer von ihnen manchmal als "Wiedertäufer" ("Anabaptisten") bezeichnet. Von täuferischen Kirchen und Christen wird diese Fremdbezeichnung als unzutreffend abgelehnt.

Die Täuferbewegung der Reformationszeit ist eine der Wurzeln der heutigen Hutterer, Mennoniten und der Amischen sowie in gewissem Sinne auch der Baptisten.

Begrifflichkeit

Die Täufer wurden seit der Reformationszeit von ihren Gegnern polemisch "Wiedertäufer" genannt. Ihre Selbstbezeichnung lautete "Brüder in Christo" u.ä. Seit Anfang des 20. Jhdts., im Zuge des Aufkommens der Täuferforschung, ist man im deutschsprachigen Bereich zu der Bezeichnung "Täufer" übergegangen. Dieses zeigt sich u.a. darin, dass die einschlägige Quelleneditionsreihe "Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer" schon nach wenigen Bänden in "Quellen zur Geschichte der Täufer" umbenannt wurde.

Entstehung

Faksimile der von Manz verfassten Schutzschrift (1524/25) an den Rat der Stadt Zürich

Die Bewegung der Täufer hat ihren Ursprung wohl in Zürich und zwar als Abspaltung der von Zwingli dort eingeleiteten und durchgeführten Reformation. Im Zuge der 2. Zürcher Disputation im Herbst 1523 hatte der Rat der Stadt im Einvernehmen mit Zwingli beschlossen, den reformatorischen Maßnahmen erst ausführliche evangelische Predigten vorangehen zu lassen, um die Bevölkerung angemessen auf die bevorstehenden Wandlungen vorzubereiten. Einer Gruppe um Felix Manz und Konrad Grebel war dieser Reformationsprozess nicht durchgreifend genug. Sie bildeten schrittweise eine Gemeinschaft, die sich als "Gemeinde der Glaubenden" verstand.

Erst im Jahr 1524 rückte die Taufe während des Taufstreits in den Mittelpunkt der Diskussion. Die Gruppe weigerte sich, ihre Kinder taufen zu lassen. Der Rat erließ einen Taufbefehl, dem sich der größte Teil der Gruppe 1525 widersetzte.

Gründung der ersten Täufergemeinde

Der 21. Januar 1525 gilt als eigentliches Gründungsdatum der Täuferbewegung. Am Abend dieses Tages versammelte sich der Grebelsche Kreis im Haus der Mutter von Felix Manz. Nach einer längeren Gesprächs- und Gebetszeit gründete sich die erste Täufergemeinde. In der Ältesten Chronik der hutterischen Brüder ist ein Bericht über den Verlauf dieser Zusammenkunft erhalten. Die Chronik berichtet, dass "die Angst begann und auf sie kam" und "dass ihre Herzen bedrängt wurden". Nach einem Gebet trat der ehemalige römisch-katholische Priester Jörg Blaurock aus dem Schweizer Kanton Graubünden vor Konrad Grebel und bat diesen, ihn zu taufen. Grebel kam dieser Bitte sofort nach. Danach taufte Blaurock auf deren Bitten hin auch die anderen des Kreises – unter ihnen auch Felix Manz.

Weitere Entwicklungen

Ausgelöst durch die Verfolgungen und die Vertreibung aus Zürich und durch ein starkes missionarisches Sendungsbewusstsein breiteten die Täufer sich schnell in das Alpengebiet (Konrad Grebel, Jakob Hutter), nach Nordwestdeutschland (Melchior Hofmann, Täuferreich von Münster), in die heutigen Niederlande und nach Mähren (Balthasar Hubmaier) aus. Schon bald wurde Ihnen der Vorwurf gemacht, die Obrigkeit zu Missachten und Aufruhr anzustiften. In der Folge wurden sie überall verfolgt. Auch in den protestantischen Territorien Südwestdeutschlands, so zum Beispiel in Württemberg und den angrenzenden Herrschaften, ließen sich Erwachsene taufen. Dort verzichtete die Obrigkeit auf allzu grausame Sanktionen. Die Täufer wurden in den meisten evangelischen Territorien geduldet, solange sie nicht öffentlich in Erscheinung traten. Bestand in den Augen der Obrigkeit Gefahr, dass sie die öffentliche Ordnung bedrohten, wurden sie in der Regel inhaftiert bzw. des Landes verwiesen. 1538 wurden in den Verliesen der Burg Falkenstein (im Weinviertel/Österreich) kurzfristig zahlreiche, aus Mähren vertriebene Täufer inhaftiert. Die Frauen und Kinder wurden bald wieder freigelassen, während die Männer nach Triest gebracht wurden, wo sie auf die habsburgischen Galeeren kamen.

Zusammenfassung

Man kann das Täufertum als "linken Flügel der Reformation" (nach Heinold Fast) verstehen. Anhänger der "großen" Reformatoren waren enttäuscht, dass die "Gemeinde des Neuen Testaments" durch die Reformation nicht wieder hergestellt und an der "Ehe von Thron und Altar", also der engen (politischen) Verbindung zwischen Kirche und Staat, festgehalten wurde.

Einen ausführlichen Überblick über die Geschichte des Täufertums bietet die Zeittafel zur Geschichte der Täufer

Verschiedene Täufergruppen

"Ausbund" – Gesangbuch der Schweizer Täufer (16. Jahrhundert)

Eine Sonderrolle innerhalb der Täuferbewegung spielten die Münsterschen Wiedertäufer (siehe dort). Ansonsten unterscheidet man in der Täuferforschung folgende Täufergruppen:

Schweizer Brüder

Die Schweizer Brüder leiteten sich in direkter Linie von der ersten Zürcher Täufergemeinde her, breiteten sich in der Schweiz, am Oberrhein, im Kraichgau sowie in der Kurpfalz aus und vertraten besonders den Gedanken der "Absonderung von der Welt".

Süddeutsche Täufer

Die Süddeutschen Täufer bildeten in Schwaben, Bayern, Franken und Österreich ihre Gemeinden und waren eine außerordentlich missionarische Täufergruppe. Ihre Theologie war stark endzeitlich geprägt.

Hutterische Brüder

Die Hutterer lebten zunächst in Tirol und Mähren, durchzogen jedoch – bedingt durch Vertreibung und Verfolgung – halb Osteuropa. Urchristliche Gütergemeinschaft, strikte "Absonderung von der Welt", absolute Gewaltlosigkeit und eine enge Ethik kennzeichnen ihre Lehre und ihre Glaubenspraxis. Einer ihrer großen Lehrer im 16. Jahrhundert war Peter Rideman.

Mennoniten

Die Verbreitungsgebiete der Mennoniten waren zunächst die Niederlande, Ostfriesland und der Niederrhein; später gelangten sie nach Westpreußen und Russland. Man kann sie als "stille" und pazifistische Vertreter des Täufertums bezeichnen. Die Verweigerung des Kriegsdienstes und der Eidesleistung waren entscheidende Punkte ihres Programms. Damit distanzierten sie sich ausdrücklich von den münsterschen Täufern und knüpften an die Tradition der gewaltfreien Täufer (der sogenannten "Stäbler") an.

Schleitheimer Artikel – Grundsatzerklärung der verschiedenen Täufergruppen

Titelseite der Schleitheimer Artikel

Bekannt wurden die nach einer Täufersynode in Schleitheim von Michael Sattler verfassten "Schleitheimer Artikel" (Schleitheim, Kanton SchaffhausenSchweiz) von 1527, in denen die Lehre der Täufer programmatisch zusammengefasst wurde. Wichtigste Punkte in diesen Artikeln waren:

  • Ablehnung der Kindertaufe,
  • Ablehnung des Eides und der darausfolgenden sozialen Abhängigkeiten wie Kriegsdienst und Leibeigenschaft,
  • Aufruf zu einem Leben in Abgeschiedenheit von der "Welt",
  • Bildung einer Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen (in Ablehnung der Kirche als Staatsmacht).

Eine weitere Zusammenkunft der verschiedenen Täufergruppen fand außerdem im August desselben Jahres in Augsburg statt. Siehe dazu: Augsburger Märtyrersynode.

Verfolgungen der Täufer

Der Zweite Reichstag zu Speyer 1529 war zwar einerseits ein Meilenstein auf dem Weg zu neuzeitlicher Gewissensfreiheit. Die 19 evangelischen Reichsstände konnten ihre religiöse Gewissensfreiheit politisch durchsetzen. Auf der anderen Seite aber wurde ein Mandat verabschiedet, das die Todesstrafe gegen die Täufer reichsrechtlich verfügte. Während die Reformation einen starken Rückhalt bei den deutschen Fürsten verfügte, wurden die Täufer von keinem der Reichsstände vertreten. Das so genannte Wiedertäufermandat von Speyer schuf die gesetzliche Grundlage für eine großangelegte Verfolgung der täuferischen Bewegung; es hatte folgenden Inhalt:

  1. Wer wiedergetauft oder sich der Wiedertaufe unterzogen hat, ob Mann oder Frau, ist mit dem Tode zu bestrafen, ohne dass vorher noch ein geistliches Inquisitionsgericht tätig zu werden braucht.
  2. Wer sein Bekenntnis zu den Wiedertäufern widerruft und bereit ist, für seinen Irrtum zu sühnen, soll begnadigt werden. Er darf jedoch nicht Gelegenheit erhalten, sich durch Anweisung in ein anderes Territorium einer ständigen Aufsicht zu entziehen und eventuell rückfällig zu werden. Die Hartnäckigkeit auf täuferischen Lehre zu beharren, soll mit dem Tode bestraft werden.
  3. Wer die Wiedertäufer anführt oder ihre Anweisungen vorantreibt, soll "keines wegs" also auch bei Widerruf nicht, begnadigt werden.
  4. Wer nach einem ersten Widerruf rückfällig geworden ist und abermals widerruft, soll nicht mehr begnadigt werden. Ihn trifft die volle Strafe.
  5. Wer die Taufe für seine neugeborenen Kinder verweigert, fällt ebenfalls unter die Strafe, die auf die Wiedertaufe steht.
  6. Wer von den Täufern in ein anderes Territorium entwichen ist, soll dort verfolgt und der Bestrafung zugeführt werden.
  7. Wer von den Amtspersonen nicht bereit ist, nach diesen Anordnungen streng zu verfahren, muss mit kaiserlicher Ungnade und schwerer Strafe rechnen.

Zusammenfassung: Glaubensüberzeugungen/Charakteristika

  • Misstrauen gegenüber Staat und Staatskirchentum
  • Starker Bezug auf die Sittlichkeitsgebote der Bergpredigt
  • Friedensliebe / Erdulden von Unrecht und Gewalt wie beispielsweise bei Amischen. Das Täufertum in Münster repräsentierte dagegen eine radikal-fundamentalistische Minderheit mit militanter Gewalt.
  • Glaube an prophetische Erleuchtungen ("inneres Licht"), daraus gewonnene Erfahrungen wurden hier und dort über die Aussagen der Bibel gestellt (vgl. Spiritualismus (theologisch)).
  • Gläubigentaufe / Ungültigkeit der Kindertaufe
  • Heiligung

Bedeutende Gestalten des Täufertums

Literatur

Studien

  • Myron S. Augsburger. Ich werde dich wiedersehen. Inmitten von stürmischen Zeiten riskiert Felix Manz sein Leben für eine freie Kirche, Seewis, CH, 2003. ISBN 3-909131-09-3
  • Claus-Peter Clasen: Die Wiedertäufer im Herzogtum Württemberg und in benachbarten Herrschaften, Stuttgart, 1965
  • Richard van Dülmen (Hrsg.): Das Täuferreich zu Münster 1534-1535 (Dokumente), München 1974, ISBN 3-423-04150-1
  • Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation = Klassiker des Protestantismus, Bd. 4, Bremen, 1962
  • Samuel Henri Geiser: Die Taufgesinnten Gemeinden, 1971
  • Hans-Jürgen Goertz: Die Täufer. Geschichte und Deutung, München, 1988, 2. Aufl.
  • Hans-Jürgen Goertz: Konrad Grebel. Ein Radikaler in der Zürcher Reformation. Eine biographische Skizze, Zürich, 2004
  • Bruce Gordon: The Swiss Reformation, Manchester/New York, 2002, Kapitel 6: The Radical Challenge, Seite 191-227
  • Peter Hoover: Feuertaufe für die Freiheit. Das radikale Leben der Täufer. Eine Provokation. Berlin, 2006. ISBN 3-935992-23-8
  • Phillip L. Kilbride, Plural Marriage for our Times. A reinvented Option?, Bergin & Garvey, London 1994, ISBN 0-89789-315-8. Kilbride schildert auf Seite 63-66 die Episode der Polygamie bei den Wiedertäufern in Münster im Jahr 1543.
  • Barbara Kink: Die Täufer im Landgericht Landsberg 1527/28, St. Ottilien 1997, ISBN 3-88096-887-X
  • Ekkehard Krajewski, Leben und Sterben des Zürcher Täuferführers Felix Mantz, Kassel, 1962
  • Franklin H. Littell: Das Selbstverständnis der Täufer, 1966
  • Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.):Radikale Reformatoren. 21 biographische Skizzen von Thomas Müntzer bis Paracelsus, München, 1978
  • Werner O. Packull: Die Hutterer in Tirol. Frühes Täufertum in der Schweiz, Tirol und Mähren – Aus dem Englischen übersetzt von Astrid von Schlachta, Innsbruck, 2000

Belletristik

  • Katharina Zimmermann: Die Furgge, Eine Geschichte aus dem Emmental, basierend auf historischen Ereignissen während der Täuferverfolgung von 1690 bis 1717, Zytglogge Verlag 2001, ISBN 3-7296-0321-3 [1]
  • Luther Blissett (Autor), Ulrich Hartmann (Autor): Q Piper; Auflage: 3., Aufl. (November 2003), Ein historischer Roman über die Reformation und die Wiedertäuferbewegung in Deutschland im 16. Jhd.

Film

Siehe auch