„Steuerliche Identifikationsnummer“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt die bundeseinheitliche Steuer-Identifikationsnummer. Für weitere Personenkennziffern siehe [[Personenkennziffer]].''}}
{{Dieser Artikel|behandelt die deutsche Steueridentifikationsnummer. Für die europäische Steueridentifikationsnummer, die bei der Verrechnung grenzüberschreitender Wirtschaftsleistungen verwendet werden muss, siehe [[Umsatzsteuer-Identifikationsnummer]], für „''wirtschaftlich Tätige''“ wird eine [[Wirtschafts-Identifikationsnummer]] eingeführt.<br />Für weitere Personenkennziffern siehe [[Personenkennziffer]].}}


[[Datei:Bundeszentralamt für Steuern - Zuteilung Identifikationsnummer 2008.jpg|mini|Schreiben des Bundeszentralamtes für Steuern, in dem die persönliche Identifikationsnummer mitgeteilt wird]]
Die '''Steuer-Identifikationsnummer''' (auch ''TIN'' für ''Tax Identification Number'') ist eine bundeseinheitliche und dauerhafte [[Identifikationsnummer]] von in [[Deutschland]] gemeldeten [[Bürger]]n für [[Steuer|Steuerzwecke]].


Die '''steuerliche Identifikationsnummer'''<ref>Bezeichnung laut [https://www.gesetze-im-internet.de/stidv/index.html#BJNR272610006BJNE000100000 Verordnung]</ref> (IdNr. oder auch Steuer-IdNr.) ist eine bundeseinheitliche und dauerhafte elfstellige [[Identifikator|Identifikationsnummer]] von in [[Deutschland]] gemeldeten [[Bürger]]n für [[Steuer]]zwecke.
Auch in den anderen Ländern Europas wird die TIN eingeführt. Rechtsgrundlage hierzu ist die [[Zinsrichtlinie]], die in Deutschland mit der [[Zinsinformationsverordnung]] umgesetzt wurde.

Auch in den meisten anderen Ländern der Europäischen Union wurde eine Steuer-ID (englisch ''Tax Identification Number'', TIN) eingeführt.<ref>{{Internetquelle |hrsg=Europäische Kommission |titel=TIN – Steuer-Identifikationsnummer |url=https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/tax-cooperation-control/administrative-cooperation/tax-identification-numbers-tin_de |abruf=2021-02-09}}</ref> Rechtsgrundlage ist die [[Zinsrichtlinie]], die in Deutschland mit der [[Zinsinformationsverordnung]] umgesetzt wurde.

== Zielsetzung ==
Zur Gesetzesbegründung heißt es, dass die Finanzbehörden organisatorisch und technisch fähig sein müssen, die zulässigen Überprüfungen effizient vorzunehmen. Bisher sei eine Auswertung steuererheblicher Informationen in vielen Fällen unterblieben, weil die vorhandenen Informationen nicht zugeordnet werden konnten. Außerdem werden mit der Nummer – so die Gesetzesbegründung – ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens geleistet, Bürokratie abgebaut und die Transparenz des Besteuerungsverfahrens erhöht. Das Ziel der Maßnahme ist letztlich, dass alle Steuerpflichtigen bei der Durchsetzung der Steuergesetze tatsächlich gleich belastet werden.

Die Identifikationsnummer bringt für den Bürger Erleichterungen im [[Datenfernübertragung|elektronischen Datenübermittlungsverfahren]] und für die Finanzbehörden neue Kontrollmöglichkeiten. So müssen z.&nbsp;B. deutsche Anleger die Identifikationsnummer künftig bei ausländischen Kontenverbindungen nachreichen. Ferner gelangen die in der zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen gesammelten Informationen ebenfalls an die Finanzämter. Diese werden damit in die Lage versetzt, möglicherweise steuerpflichtige [[Rentner]] zur Abgabe einer [[Steuererklärung]] aufzufordern.


== Einführung ==
== Einführung ==
Die Identifikationsnummer wurde zum 1. Juli 2007 eingeführt. Zur Umsetzung übermittelte jedes [[Einwohnermeldeamt]] dem [[Bundeszentralamt für Steuern]] (BZSt) jeden zum Ablauf des 30. Juni 2007 im [[Melderegister]] geführten Bürger. Mit diesem Erstabzug wurde noch keine Identifikationsnummer vergeben, sondern nur ein vorläufiges Bearbeitungsmerkmal. Am 1. Oktober 2007 wurde mit dem Abgleich der Daten begonnen, es erfolgte eine Filterung mit dem Ziel, [[Dublette (Datenbank)|Dubletten]] zu ermitteln. Nach Rücksprache mit den Einwohnermeldeämtern wurden diese Dubletten dann entfernt. Dieses Verfahren dauerte deutlich länger als geplant. Bis Ende des Jahres 2008 wurde die IdNr den [[Steuerpflichtige]]n in einem Anschreiben des BZSt mitgeteilt. Die Steuerpflichtigen erhielten außerdem noch eine Übersicht ihrer gespeicherten Daten. Die Nummer ist bei Anträgen oder Erklärungen den Finanzbehörden gegenüber anzugeben.
Die neue Steuer-Identifikationsnummer wurde zum 1. Juli 2007 eingeführt und ist seit diesem Zeitpunkt bzw. für Neugeborene von der Geburt an lebenslang geltend. Sie ersetzt für [[Natürliche Person|natürliche Personen]] die bisherige [[Steuernummer]] und [[eTIN]] und besteht aus elf zufällig gebildeten Ziffern, die keinen Rückschluss auf Daten des Steuerpflichtigen zulassen, und einer zusätzlichen [[Prüfziffer]]. Zu jeder Identifikationsnummer werden folgende persönlichen Angaben gespeichert: Name(n), Anschrift(en), Geschlecht, Geburtstag und -ort sowie das zuständige Finanzamt. <ref>http://www.steuerliches-info-center.de/de/003_menu_links/001_CC/001_SteuerID/index.php Portalseite des Steuerlichen Info-Centers (SIC)</ref> Die gesetzliche Grundlage bildet §&nbsp;139b [[Abgabenordnung]].


Bei der Einführung kam es zu einigen Problemen. 2013 bestätigte die Bundesregierung, dass bis zum 1. Dezember 2013 in bis zu 164.000 Fällen versehentlich mehrere Identifikationsnummern an einen einzelnen Bürger vergeben worden sein könnten oder dieselbe Identifikationsnummer an mehrere Bürger zugleich.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/behoerden-panne-fiskus-verteilte-steuernummern-falsch-1.1886932 |titel=Steuernummer – Fiskus schafft Doppelgänger – Wirtschaft – Süddeutsche.de |abruf=2014-02-13}}</ref> Dieser Umstand barg die Gefahr einer fehlerhaften Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Lohnsteuerabzugsverfahren. Bei den betroffenen Steuerpflichtigen konnte dies zu nicht sachgerechten Mehr- oder nicht rechtskonformen Minderbelastungen führen. Um die Eindeutigkeit der Zuordnung zu gewährleisten, wurden Fälle einer Datenvermischung oder Mehrfacherfassung durch Stilllegung der überzähligen Steueridentifikationsnummern bereinigt.<ref> [https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/009/1800929.pdf ''Mehrfach vergebene Steuer-Identifikationsnummern.''] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucksache 18/929 vom 26. März 2014</ref>
Die tatsächliche Ausgabe erfolgt über die örtlichen Kommunalverwaltungen.


== Geltung, Ausgabe und Ermittlung ==
Zwecks Umsetzung übermittelte jedes [[Einwohnermeldeamt]] dem [[Bundeszentralamt für Steuern]] (BZSt) jeden zum Ablauf des 30. Juni 2007 im [[Melderegister]] geführten Bürger. Mit diesem Erstabzug wurde noch keine Identifikationsnummer vergeben, sondern nur ein vorläufiges Bearbeitungsmerkmal. Ab 1. Oktober 2007 wurde mit dem Abgleich der Daten begonnen, d.h. es erfolgte eine Filterung mit dem Ziel, [[Dublette|Dubletten]] zu ermitteln. Nach Rücksprache mit den Einwohnermeldeämtern wurden diese Dubletten dann entfernt. Dieses Verfahren dauerte deutlich länger als geplant. Im Zeitraum August bis Oktober 2008<ref>http://www.haufe.de/newsDetails?newsID=1217842537.19&chorid=00560203 Die Steuer-ID kommt zwischen August und Oktober 2008</ref> wurde die Steuer-ID den [[Steuerpflichtige|Steuerpflichtigen]] in einem [http://www.steuerliches-info-center.de/de/003_menu_links/001_CC/001_SteuerID/BIMS_Anschreiben_vorne.pdf Anschreiben des BZSt] mitgeteilt. Die Steuerpflichtigen erhielten außerdem noch eine Übersicht ihrer gespeicherten Daten. Die Nummer ist bei allen Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen den Finanzbehörden gegenüber zu verwenden.
Die Identifikationsnummer gilt lebenslang. Sie wird vom [[Bundeszentralamt für Steuern]] (BZSt) zugeteilt. Kinder erhalten sie kurz nach der Geburt und Einwanderer bei der ersten Anmeldung in Deutschland.<ref>{{Internetquelle |url=https://beta.bund.de/DE/Leistung/buergerInnen/arbeit-beruf/arbeitsplatzwechsel/99102044069000/Steueridentifikationsnummer_Zuteilung.html |titel=Steueridentifikationsnummer Zuteilung |abruf=2020-08-03 |zitat=Jedes neugeborene Kind sowie jede neue Bürgerin und jeder neue Bürger bekommt bei der ersten Anmeldung in Deutschland automatisch eine Steueridentifikationsnummer zugeteilt.}}</ref> Die [[Abgabenordnung]] bestimmt in {{§|139b|AO|juris}}, Absatz 1, Satz 2: „Jede Identifikationsnummer darf nur einmal vergeben werden.“ Dieses führt zu einer persönlichen Identifikation<ref name="bmf2008">{{Literatur |Titel=Einführung der Identifikationsnummer für Steuerpflichtige |Hrsg=Bundesministerium der Finanzen |Sammelwerk=Monatsberichte des BMF |Datum=2008-08 |Seiten=51–60}}</ref> (siehe auch Abschnitt [[#Verwendung als allgemeines Personenkennzeichen]]).


Sollte die Identifikationsnummer nicht mehr bekannt sein, kann sie über ein Web-Formular beim BZSt erfragt werden.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bzst.de/SiteGlobals/Kontaktformulare/DE/Steuerliche_IDNr/Mitteilung_IdNr/mitteilung_IdNr_node.html |titel=Steuerliche Identifikationsnummer verlegt, verloren oder vergessen? – Erneute Mitteilung der IdNr |hrsg=Bundeszentralamt für Steuern |abruf=2020-10-15}}</ref> Außerdem findet man sie auf dem Einkommensteuerbescheid und auf der Lohnsteuerbescheinigung.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bzst.de/DE/Privatpersonen/SteuerlicheIdentifikationsnummer/steuerlicheidentifikationsnummer_node.html |titel=BZSt - Steuerliche Identifikationsnummer |abruf=2019-08-18}}</ref> Ohne sich an eine Behörde wenden zu müssen, können auch zur Verwendung der Identifikationsnummer verpflichtete Institutionen konsultiert werden. So müssen seit 2018 Kreditinstitute die Kontodaten zusammen mit der steuerlichen Identifikationsnummer erfassen. Diese könnte beispielsweise im Rahmen von [[Electronic Banking|Onlinebanking]], zumeist in der Rubrik „Freistellungsauftrag“, eingesehen werden.
Wer wirtschaftlich tätig ist – also der [[Einzelunternehmen|Einzelunternehmer]], [[Freier Beruf|Freiberufler]], die [[Juristische Person|juristische Person]] und die [[Personengesellschaft|Personenvereinigung]] – bekommt zusätzlich eine [[Wirtschafts-Identifikationsnummer]]. Daneben existiert die [[Umsatzsteuer-Identifikationsnummer]], die [[Unternehmen]] zur Durchführung des [[Innergemeinschaftlicher Erwerb|innergemeinschaftlichen Erwerbs]] nutzen.<ref>[http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Steuern/Steueridentifikationsnummer/020.html BMF:Bundeseinheitliches Identifikationsmerkmal für Besteuerungsverfahren Steuer-ID]</ref>

Einen weiteren schnellen Weg gibt es auf den Elster-Seiten über die ELSTAM-Auskunft.


== Nutzung der Daten ==
== Nutzung der Daten ==
Beim <abbr>BZSt</abbr> werden die für die Identifikation eines Steuerpflichtigen erforderlichen Daten und die jeweils zuständige Finanzbehörde gespeichert. Die Daten, die das <abbr>Bundeszentralamt</abbr> zu einer natürlichen Person speichert, sind in § 139b <abbr>Abs.</abbr> 3 Abgabenordnung (<abbr>AO</abbr>) abschließend aufgeführt:<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bzst.de/DE/Privatpersonen/SteuerlicheIdentifikationsnummer/steuerlicheidentifikationsnummer_node.html#js-toc-entry6 |titel=BZSt - Steuerliche Identifikationsnummer |abruf=2022-05-28}}</ref>
Die Identifikationsnummer ändert sich weder bei einem Ortswechsel noch bei einem Wechsel des zuständigen [[Finanzamt]]es. Die Daten werden erst gelöscht, wenn sie von den Behörden nicht mehr benötigt werden, spätestens jedoch 20 Jahre nach dem Tod des Steuerpflichtigen.


# Steuerliche Identifikationsnummer
Außerdem ist gesetzlich festgelegt, inwieweit die Identifikationsnummer verwendet werden darf. So dürfen andere als die [[Finanzbehörde]]n die Identifikationsnummer nur zur Vornahme von Datenübermittlungen verwenden. Dies gilt z.&nbsp;B. für [[Arbeitgeber]] bezüglich der [[Lohnsteuer|Lohnsteuerdaten]] der Mitarbeiter und für [[Kreditinstitut]]e hinsichtlich der [[Zinsabschlagsteuer]].
# Familienname
# frühere Namen
# Vornamen
# Doktorgrad
# Tag und Ort der Geburt
# Geschlecht
# gegenwärtige oder letzte bekannte Anschrift
# zuständige Finanzbehörden
# Auskunftssperren nach dem Bundesmeldegesetz
# Sterbetag
# Tag des Ein- und Auszugs


Zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale für den Arbeitgeber speichert das <abbr>BZSt</abbr> gemäß § 39e <abbr>Abs.</abbr> 2 <abbr>EStG</abbr> weitere Meldedaten für jeden Steuerpflichtigen, hinzu. Dabei handelt es sich um Meldedaten zur Zugehörigkeit zu einer steuerberechtigten Religionsgemeinschaft, melderechtlichen Familienstand; bei verheirateten oder verpartnerten Steuerpflichtigen wird die <abbr>IdNr</abbr> des Ehegatten / Lebenspartners hinzugespeichert zu den <abbr>IdNrn</abbr> minderjähriger Kinder, soweit diese in derselben Gemeinde wie der Steuerpflichtige gemeldet sind.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bzst.de/DE/Privatpersonen/SteuerlicheIdentifikationsnummer/steuerlicheidentifikationsnummer_node.html#js-toc-entry6 |titel=BZSt - Steuerliche Identifikationsnummer |abruf=2022-05-28}}</ref>
Mit Einführung der Identifikationsnummer wird auch ein indirekter Abgleich der Melderegister durchgeführt (Ermittlung und Entfernung der Dubletten), d.h. zukünftig kann eine Person mit denselben Daten nur bei einer Meldebehörde mit Hauptwohnsitz gemeldet sein. Aus diesem Grund und grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedenken wird die Verfassungskonformität der Steuer-Identifikationsnummer derzeit kontrovers diskutiert.<ref>http://ig.cs.tu-berlin.de/oldstatic/w2003/ir1/uebref/BrandtEtAl-Gutachten-G1-022004.pdf Gutachten bezüglich verfassungsrechtlicher Bedenken</ref>


Die Identifikationsnummer ändert sich weder bei einem Ortswechsel noch bei einem Wechsel des zuständigen [[Finanzamt]]s. Die Daten werden erst gelöscht, wenn sie von den Behörden nicht mehr benötigt werden, spätestens jedoch 20&nbsp;Jahre nach dem Tod des Steuerpflichtigen.<ref>{{§|4|StIdV|juris}} Steueridentifikationsnummerverordnung (StIdV)</ref> Wenn IDs irrtümlich – zum Beispiel wegen zunächst nicht erkannter Mehrfacherfassung eines Steuerpflichten – vergeben werden und dies erkannt wird, werden sie stillgelegt.<ref>{{§|139b|AO|juris}} Abgabenordnung (AO)</ref>
Der Austausch der Daten zwischen den Einwohnermeldeämtern und dem Bundeszentralamt für Steuern erfolgt nach [[Online Services Computer Interface|OSCI-XMeld über OSCI-Transport]].


{{§|139b|ao_1977|juris}} Absatz 2 [[Abgabenordnung]] (AO) enthält ausdrückliche Beschränkungen für die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer:
== Zielsetzung ==
Mit der Steuer-Identifikationsnummer wird in der Bundesrepublik Deutschland erstmals jeder Bürger mit einem unveränderlichen Kennzeichen von einer staatlichen Stelle zentral erfasst, denn die bereits seit 1964 geltende [[Sozialversicherungsnummer|Versicherungsnummer]] wird nur an Personen vergeben, für die ein Versicherungskonto in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt wird.


* Die [[Finanzbehörde]]n dürfen die Identifikationsnummer nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet.
Zur Gesetzesbegründung heißt es, dass „die Finanzbehörden organisatorisch und technisch fähig sein müssen, die zulässigen Überprüfungen effizient vorzunehmen“. Bisher sei eine Auswertung steuererheblicher Informationen in vielen Fällen unterblieben, weil die vorhandenen Informationen nicht zugeordnet werden konnten. Außerdem werde mit der Nummer – so die Gesetzesbegründung – ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens geleistet, Bürokratie abgebaut und die Transparenz des Besteuerungsverfahrens erhöht. Das Ziel der Maßnahme ist letztlich, dass alle Steuerpflichtigen bei der Durchsetzung der Steuergesetze tatsächlich gleich belastet werden.
* Andere Stellen als die Finanzbehörden, gleich ob öffentlich oder nicht-öffentlich, dürfen die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Das gilt z.&nbsp;B. für [[Arbeitgeber]] bei den [[Lohnsteuer]]daten der Mitarbeiter und bei [[Kreditinstitut]]en für die [[Zinsabschlagsteuer]] oder bei bestimmten Übertragungen zwischen [[Wertpapierdepot]]s. Zudem dürfen diese Stellen ihre Dateien nur insoweit nach der Identifikationsnummer ordnen oder für den Zugriff erschließen, als dies für regelmäßige Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist.
* Für jede nach dem 1. Januar 2018 bestehende Kontoverbindung hat das Kreditinstitut die Identifikationsnummer des Kontoinhabers und jedes weiteren Verfügungsberechtigten zu erfassen ({{§|154|AO|buzer}} Abs.&nbsp;2a Nr.&nbsp;1 AO). Teilt der Kunde einer bestehenden Kontoverbindung die Nummer nicht mit, ist sie in einem maschinellen Verfahren beim [[Bundeszentralamt für Steuern]] zu erfragen ({{§|26|EGAO|buzer}} Abs.&nbsp;4 und 5 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung).


Ein Verstoß gegen die Beschränkungen für die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer stellte bis zur Aufhebung von {{§|383a|ao_1977|juris}} AO mit Wirkung zum 25. Mai 2018 eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden konnte. (Nicht erst seitdem) geht {{Art.|83|DSGVO|dejure}} [[Datenschutz-Grundverordnung]] (DSGVO) den Regelungen in der AO oder den Steuergesetzen vor, wenn eine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten, die unmittelbar nach {{Art.|83|DSGVO|dejure}} DSGVO mit einer Geldbuße geahndet werden kann, gleichzeitig auch eine Steuerordnungswidrigkeit darstellt (nur klarstellend {{§|384a|ao_1977|juris}} AO).
Die Identifikationsnummer bringt für den Bürger Erleichterungen im [[Datenfernübertragung|elektronischen Datenübermittlungsverfahren]] und für die Finanzbehörden neue Kontrollmöglichkeiten. So müssen z.&nbsp;B. deutsche Anleger die Identifikationsnummer künftig bei ausländischen Kontenverbindungen nachreichen. Ferner gelangen die in der zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen gesammelten Informationen ebenfalls an die Finanzämter. Diese werden damit in die Lage versetzt, möglicherweise steuerpflichtige [[Rentner]] ab 2005 zur Abgabe einer [[Steuererklärung]] aufzufordern.


Mit Einführung der Identifikationsnummer wurde auch ein indirekter Abgleich der Melderegister durchgeführt (Ermittlung und Entfernung der Dubletten), d.&nbsp;h. zukünftig kann eine Person mit denselben Daten nur bei einer Meldebehörde mit Hauptwohnsitz gemeldet sein.
== Vorläufer und europäische Entsprechungen ==


Der Austausch der Daten zwischen den Einwohnermeldeämtern und dem Bundeszentralamt für Steuern erfolgt nach [[Online Services Computer Interface|OSCI-XMeld über OSCI-Transport]].
Die am 1. Januar 1970 in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] eingeführte [[Personenkennzahl]] findet in der Steuer-Identifikationsnummer jetzt ihre Wiedergeburt. In Österreich, Schweden, Island<ref>{{internetquelle|url=http://www.thjodskra.is/en/id-numbers/|titel=Information des isländischen Einwohnermeldeamts über die Kennnummer (kennitala) (Engl.)|zugriff=10. Mai 2007}}</ref> und einigen anderen Staaten existieren Personenkennzahlen, durch die die eindeutige Identifizierung jeder Person und damit eine erhebliche Reduzierung des Verwaltungsaufwandes erreicht werden konnte.


== Aufbau ==
Die [[Bundesrepublik Deutschland]] plante die Einführung eines ''Personenkennzeichens'' (''PKZ''); zum Beispiel war geplant, mit dem Bundesmeldegesetz ab 1973 eine einheitliche PKZ für jeden Deutschen sowie alle im Ausländerzentralregister erfassten Ausländer bzw. im Ausland lebenden [[wiedergutmachung]]sberechtigten Ausländer einzuführen, um Verwaltungsvorgänge zu rationalisieren.<ref>Vgl.
Die Identifikationsnummer besteht aus elf Ziffern. Diese dürfen nicht aus anderen Daten des Steuerpflichtigen gebildet werden,<ref>AO 1977 § 139a Identifikationsmerkmal</ref> sondern werden den Steuerpflichtigen zufällig zugewiesen.<ref name="bmf2008" /> In den ersten zehn Ziffern der Identifikationsnummer sind eine Ziffer genau zweifach und eine andere Ziffer gar nicht enthalten (ab 2016 ist auch eine dreifache vorkommende Ziffer möglich, entsprechend dann zwei Ziffern gar nicht; bei drei gleichen Ziffern dürfen nur zwei unmittelbar hintereinander stehen, nicht jedoch alle drei<ref>Bayerisches Landesamt für Steuern: [https://download.elster.de/download/schnittstellen/Pruefung_der_Steuer_und_Steueridentifikatsnummer.pdf Prüfung der Steuer- und Steueridentifikationsnummer]</ref>), die anderen acht (ab 2016: auch sieben) Ziffern jeweils genau einfach. Die erste Ziffer darf nicht die [[Null|0]] sein.<ref name="itz2016" />
{{Literatur | Autor=Steinmüller, Wilhelm | Titel= EDV und Recht : Einf. in d. Rechtsinformatik | Verlag=Schweitzer | Ort=Berlin | Jahr=1970 | Sammelwerk= Juristische Arbeitsblätter : JA-Sonderheft |Band=6 |Seiten=78}}</ref>


Bis 2015 betrug die Zahl zulässiger Steuer-IDs 146.966.400. Mit der Erweiterung im Jahr 2016 kamen 182.891.520 IDs mit dreifach vorkommenden Ziffern hinzu. Seitdem gibt es also insgesamt 329.857.920 gültige Steuer-IDs.<ref name="erzeugungIDNr">{{Internetquelle |titel=Erzeugung von Identifikationsnummern |abruf=2021-07-07 |kommentar=vorgelegt vom Bundeszentralamt für Steuern |url=https://fragdenstaat.de/anfrage/steueridentifikationsnummer-idnr-nach-139b-ao-informationen-zu-aufbau-und-zur-berechnung-gultiger-prufziffern-konzept/607002/anhang/erzeugung-von-identifikationsnummern-grundlegende-beschreibung-der-struktur-und-merkmale.pdf}}</ref>
Das Vorhaben wurde verworfen, da der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages 1976 feststellte, dass „die Entwicklung, Einführung und Verwendung von Nummerierungssystemen, die eine einheitliche Nummerierung der Bevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzes ermöglicht, unzulässig ist". Diese Feststellung stützte sich auf das Mikrozensusurteil des [[BVerfG]] von 1969, BverfGE 27,1 - [[Mikrozensus]]. 16. Juli 1969.


Die elfte Ziffer ist eine [[Prüfziffer]], die sich aus den ersten zehn Ziffern der Ziffernfolge berechnet und eine einfache und effiziente [[Fehlererkennung]] ermöglichen soll.<ref name="itz2016">{{Literatur |Titel=Steueridentifikationsnummer (IdNr) nach § 139b AO: Informationen zur Berechnung gültiger Prüfziffern |Hrsg=Informations Technik Zentrum Bund |Datum=2016-03-01 |Online=https://www.zfa.deutsche-rentenversicherung-bund.de/de/Inhalt/public/4_ID/47_Pruefziffernberechnung/001_Pruefziffernberechnung.pdf?__blob=publicationFile&v=2 |Format=PDF |KBytes=63}}</ref> Ihre Berechnungsvorschrift entspricht der des Prüfzeichensystems nach [[ISO/IEC 7064#Algorithmus für hybride Systeme |ISO/IEC 7064, MOD 11,10]]:<ref>Vergleiche [http://www1.osci.de/sixcms/media.php/13/Pr%FCfziffernberechnung.pdf ZIVIT (PDF; 20&nbsp;kB): ''Prüfziffernberechnung für die IdNr nach §&nbsp;139b AO''] und ''Verordnung über die Abgabe von Zusammenfassenden Meldungen auf maschinell verwertbaren Datenträgern (Datenträger-Verordnung über die Abgabe Zusammenfassender Meldungen – ZMDV) vom 13.05.1993.'' In: ''Bundesgesetzblatt.'' Jahrgang 1993, Teil I Nr. 24. Abschnitt: ''Anlage 3 (zu §9): Vollständigkeits- und Schlüssigkeitsregel für die deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.'' ([https://dejure.org/BGBl/1993/BGBl._I_S._726 Online])</ref>
== Aufbau der Zahl ==

In den ersten zehn Ziffern der Steuer-Identifikationsnummer ist eine Ziffer genau zweifach, alle anderen sind nur einfach enthalten. Die elfte Ziffer berechnet sich aus den ersten zehn Ziffern der Ziffernfolge wie folgt:
<source lang="pascal">
<syntaxhighlight lang="pascal">
Ziffernfolge : array[1..10] of 0..9;
Ziffernfolge : array[1..10] of 0..9;
Summe := 0; Produkt := 10;


Produkt := 10;
for Stelle := 1 to 10 do
for Stelle := 1 to 10 do
begin
begin
Summe := (Ziffernfolge[Stelle] + Produkt) mod 10;
Summe := (Ziffernfolge[Stelle] + Produkt) mod 10;
if Summe = 0
if Summe = 0 then Summe := 10;
then Summe := 10;
Produkt := (Summe * 2) mod 11;
end;
Produkt := (Summe * 2) mod 11
end;
Prüfziffer := 11 - Produkt;
Prüfziffer := 11 - Produkt;
if Prüfziffer = 10
if Prüfziffer = 10 then Prüfziffer := 0;
</syntaxhighlight>
then Prüfziffer := 0;
</source>
§&nbsp;139b der Abgabenordnung bestimmt: ''Jede Identifikationsnummer darf nur einmal vergeben werden.'' Eine Wiederverwendung gebrauchter Nummern ist nicht vorgesehen. Der Nummernvorrat ist jedoch durch die angegebene Konstruktionsvorschrift auf 163&nbsp;296&nbsp;000 mögliche Ziffernkombinationen beschränkt und wird, abhängig von Geburten- und Zuwanderungszahlen, voraussichtlich um das Jahr 2080 herum erschöpft sein.


Das Prüfziffersystem nach MOD 11,10 erkennt, laut ISO 7064, alle einfachen Substitutionsfehler und alle Fehler durch zirkuläres Verschieben. Die Substitution zweier Zeichen wird in 80,0 % aller Fälle erkannt, das Vertauschen zweier benachbarter Zeichen in 97,8 %, das zweier Zeichen, die durch ein Zeichen getrennt sind, in 90,7 % der Fälle. Alle sonstigen Fehler werden zu 90,0 % erkannt.<ref>{{Literatur |Titel=Information technology – Security techniques – Check character systems |Hrsg=International Organization for Standardization |Nummer=ISO/IEC 7064:2003(E) |Datum=2003-02-15}}</ref>
== Kritik ==
Für die Einführung der Steuer-Identifikationsnummer wurde im Oktober 2007 der [[Bundesministerium der Finanzen|Bundesfinanzminister]] [[Peer Steinbrück]] mit dem Negativpreis ''[[Big Brother Awards|Big Brother Award]]'' in der Kategorie „Politik“ ausgezeichnet. Weiterhin wird die Verfassungskonformität der Steuer-Identifikationsnummer von einigen Kritikern bestritten (vgl. [http://ig.cs.tu-berlin.de/oldstatic/w2003/ir1/uebref/BrandtEtAl-Gutachten-G1-022004.pdf Gutachten bezüglich verfassungsrechtlicher Probleme]). Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, [[Peter Schaar]], befürchtet, die Steuer-Identifikationsnummer könne, wie der italienische ''[http://it.wikipedia.org/wiki/Codice_fiscale Codice Fiscale]'', ein weit über Steuerbelange hinausgehendes "allgemeines [[Personenkennzeichen]]" werden.<ref>Vgl.
{{Literatur | Autor=Schaar, Peter | Titel= Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die [[Überwachungsgesellschaft]] | Verlag=C.Bertelsmann | Ort=München | Jahr=2007 | Seiten=172}}</ref>


== Verwendung als allgemeines Personenkennzeichen ==
== Klagen und Widerspruch ==
Auch die [[Humanistische Union]] sieht in der bundeseinheitlichen Steuer-Identifikationsnummer eine nicht verfassungskonforme Personenkennziffer und hat am 20. August 2008 beim FG Köln Klage erhoben. Mindestens drei weitere Klagen sind bisher öffentlich bekannt geworden.


=== Vorläufer ===
Für einen Widerspruch gegen die Zuteilung und Benutzung der Steuer-Identifikationsnummer stellt die Humanistische Union auf Ihrer Webseite einen [http://www.humanistische-union.de/fileadmin/hu_upload/doku/2008/BeschwerdebriefBZSt.pdf Musterbrief] zur Verfügung. Derzeit ist ein solcher Widerruf rechtlich unwirksam. Sollte jedoch die Humanistische Union mit Ihrer Musterklage (Az. 2 K 2822/08 FG Köln) Erfolg haben, kann ein rechtzeitig eingelegter Widerspruch von Vorteil sein.
In der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] wurde am 1. Januar 1970 eine [[Personenkennzahl]] eingeführt. In Österreich, Schweden, Island,<ref>{{Internetquelle |url=http://www.skra.is/english/population-register/id-numbers/ |titel=Information des isländischen Einwohnermeldeamts über die Kennnummer (kennitala) (Engl.) |abruf=2014-08-21 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160927114049/http://www.skra.is/english/population-register/id-numbers |archiv-datum=2016-09-27 |offline=ja |archiv-bot=2023-01-15 12:31:59 InternetArchiveBot }}</ref> Polen und einigen anderen Staaten existieren Personenkennzahlen, durch die die eindeutige Identifizierung jeder Person und damit eine erhebliche Reduzierung des Verwaltungsaufwandes erreicht werden konnte.


Die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] plante die Einführung eines ''Personenkennzeichens'' (''PKZ''). So war zum Beispiel geplant, mit dem Bundesmeldegesetz ab 1973 eine einheitliche PKZ für jeden Deutschen sowie alle im Ausländerzentralregister erfassten Ausländer bzw. im Ausland lebenden [[wiedergutmachung]]sberechtigten Ausländer einzuführen, um Verwaltungsvorgänge zu rationalisieren.<ref>Vgl. {{Literatur |Autor=Steinmüller, Wilhelm |Titel=EDV und Recht : Einf. in d. Rechtsinformatik |Sammelwerk=Juristische Arbeitsblätter : JA-Sonderheft |Band=6 |Verlag=Schweitzer |Ort=Berlin |Datum=1970 |Seiten=78}}</ref><ref>{{Literatur |Titel=Entwurf eines Gesetzes über das Meldewesen (Bundesmeldegesetz — BMG) |TitelErg=Gesetzentwurf der Bundesregierung |Datum=1973-10-04 |Kommentar=siehe Dritter Abschnitt „Personenkennzeichen“}} {{BT-Drs|7|1059}}</ref>
== Quellenangaben ==

<references />
Zuvor bestand bereits eine bundeseinheitliche [[Versicherungsnummer]] nach dem [[Sozialgesetzbuch (Deutschland)|Sozialgesetzbuch]]. Ebenso gab es eine [[Personenkennziffer (Bundeswehr)|Personenkennziffer]] aus dem [[Wehrpass]] nach gleicher Systematik. Diese Nummern wurden aus Gründen der Rechtssystematik und wegen fehlender gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht gezogen. Technische Gründe lagen nicht vor.

Das Vorhaben eines Personenkennzeichens wurde verworfen, da der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages 1976 feststellte, dass {{"|die Entwicklung, Einführung und Verwendung von Numerierungssystemen, die eine einheitliche Numerierung der Bevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzes ermöglicht, wegen fehlender gesetzlicher Grundlage unzulässig ist.}} <!-- Bei Zitaten bitte die ursprüngliche Rechtschreibung beibehalten! -->. Diese Feststellung stützte sich auf das Mikrozensusurteil des [[Bundesverfassungsgericht|BVerfG]] von 1969, {{BVerfGE|27|1}} – [[Mikrozensus]].

=== Befürchtungen anlässlich der Einführung ===
Der damalige [[Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit|Bundesbeauftragte für den Datenschutz]], [[Peter Schaar]], befürchtete, die Identifikationsnummer könne, wie der italienische Codice Fiscale, ein weit über die Steuerbelange hinausgehendes [[Personenkennzeichen|allgemeines Personenkennzeichen]] werden.<ref>Vgl. {{Literatur |Autor=Schaar, Peter |Titel=Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft |Verlag=C.Bertelsmann |Ort=München |Datum=2007 |Seiten=172}}</ref>

Für die Einführung der Identifikationsnummer wurde im Oktober 2007 der damalige [[Bundesministerium der Finanzen|Bundesfinanzminister]] [[Peer Steinbrück]] mit dem Negativpreis ''[[Big Brother Awards|Big Brother Award]]'' in der Kategorie Politik ausgezeichnet. Weiterhin wird die Verfassungskonformität der Identifikationsnummer von einigen Kritikern bestritten, darunter die [[Humanistische Union]], die am 20. August 2008 beim FG Köln Klage erhob. Mindestens drei weitere Klagen sind bisher öffentlich bekannt geworden. Die Klagen (Az. 2 K 2822/08 FG Köln u.&nbsp;a.) wurden jedoch trotz verfassungsrechtlicher Bedenken des Gerichts an der IdNr zunächst abgewiesen, weil das Finanzgericht eindeutig von einer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein muss, um eine Klage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.<ref>[https://www.wochenblatt.de/nachrichten/traunstein/regionales/Steueridentifikationsnummer-verfassungswidrig-;art39,15564 Urteil zu Steuer-ID], wochenblatt.de</ref>

In einem anderen, parallelen Verfahren hat der [[Bundesfinanzhof]] entschieden, dass die Zuteilung der Identifikationsnummer und die dazu erfolgte Datenspeicherung insbesondere mit dem [[Informationelle Selbstbestimmung|Recht auf informationelle Selbstbestimmung]] vereinbar ist.<ref>[http://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/druckvorschau.py?Gericht=bfh&Art=en&nr=25290 BFH, Urteil vom 18. Januar 2012 Az. II R 49/10]</ref> Das Bundesministerium der Finanzen wies die Einsprüche am 22. Juli 2013 in Hinblick auf dieses BFH-Urteil in einer [[Allgemeinverfügung]] zurück.<ref>[https://www.bzst.de/SharedDocs/Downloads/DE/20130722_Allgemeinverfuegung_BMF.pdf?__blob=publicationFile&v=2 ''Allgemeinverfügung des Bundesministeriums der Finanzen zur Zurückweisung der wegen der Zuteilung der steuerlichen Identifikationsnummer (§&nbsp;139b AO) erhobenen Einsprüche vom 22. Juli 2013.''] Abgerufen am 15. Oktober 2020.</ref>

=== Registermodernisierungsgesetz ===
Laut [[Konjunkturpaket]] vom Juni 2020 sollte noch im Sommer ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, „der in einem ersten Schritt den Bereich der Register mit Relevanz für die Umsetzung des [[Onlinezugangsgesetz|Online-Zugangs-Gesetz]]es [sic] mit der Steuer-ID als verwaltungsübergreifender ID-Nummer erschließt.“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Konjunkturpaket/2020-06-03-eckpunktepapier.pdf |titel=Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken – Ergebnis Koalitionsausschuss 3. Juni 2020 |datum=2020-06-03 |seiten=10, Nr. 40 |abruf=2020-01-06}}</ref> „Im Falle eines gesetzlich geregelten Datenaustausches von Daten einer bestimmten Person zwischen zwei Behörden soll zukünftig die steuerliche Identifikationsnummer genutzt werden.[…] Dabei soll der Datenaustausch nicht direkt zwischen zwei Behörden, sondern als zusätzliche Sicherung immer über eine dritte Stelle erfolgen. Derzeit wird geprüft, wie diese Festlegung umgesetzt werden kann. […] Die in den dezentralen Registern gespeicherten Informationen werden gerade nicht an einer zentralen Stelle zusammengeführt, vielmehr bleibt die dezentrale Registerführung erhalten.“<ref>{{Literatur |Titel=Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Canan Bayram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wahrung des Datenschutzes bei der Registermodernisierung |Hrsg=Deutscher Bundestag |Nummer=Drucksache 19/19784 |Datum=2020-06-22 |Online=[https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/202/1920288.pdf Online] |Format=PDF |KBytes=230}}</ref>

Im Herbst 2020 legte die Bundesregierung dann den Gesetzesentwurf für das ''Registermodernisierungsgesetz'' (RegMoG) vor. Es handelt sich dabei um ein [[Artikelgesetz]], dessen erster Artikel die Einführung eines ''Identifikationsnummerngesetzes'' (IDNrG) umfasst. Im Kern sieht das Gesetz vor, die Steuer-ID zu einer lebenslang gültigen und behördenübergreifend verwendbaren Personenkennziffer („einheitliche Bürgernummer“) auszuweiten. Zu den Registern, in denen die Verwendung der ID vorgesehen werden soll, zählen verschiedene Melderegister, Datenbestände gesetzlicher Versicherungen, Verkehrsregister, Lehrlings- und Handwerkerrollen, Datenbestände zu (ehemaligen) Studierenden und Berufsausbildungsverhältnissen, Waffenregister, Gewerbeverzeichnisse, Verzeichnisse der Empfänger von staatlichen Leistungen (z.&nbsp;B. Wohn- oder Elterngeld) und einige mehr.<ref name="regmodg2020">{{Literatur |Titel=Entwurf eines Gesetzes zur Einführung und Verwendung einer Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG) |Hrsg=Bundesregierung |Nummer=Drucksache 19/ 24226 |Datum=2020-11-11 |Online=[https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/242/1924226.pdf Online] |Format=PDF |KBytes=2400 |Kommentar=Fassung vom 11.11.2020}}</ref>

Der [[Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages|Wissenschaftliche Dienst des Bundestags]] formulierte in einem Gutachten erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorhabens.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.tagesschau.de/inland/buergernummer-gutachten-101.html |titel=Bundestagsgutachten: Eine Bürgernummer und ihre Schwächen |datum=2020-09-20 |abruf=2020-09-21}}</ref> Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder sah die Verwendung der Steueridentifikationsnummer als einheitliche, registerübergreifende Personenkennziffer, wie sie im Registermodernisierungsgesetz geplant ist, als verfassungswidrig an.<ref>{{Literatur |Titel=Registermodernisierung verfassungskonform umsetzen! |TitelErg=Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Lände |Datum=2020-08-26 |Online=[https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Entschliessungssammlung/DSBundLaender/DSK-Entschlie%C3%9Fung-Registermodernisierung-2020.html Online]}}</ref> Auch der [[Deutscher Anwaltverein |Deutsche Anwaltverein]] bezeichnete die Pläne als verfassungswidrig und lehnte sie ab.<ref>{{Internetquelle |url=https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/dav-lehnt-einfuehrung-eines-allgemeinen-personenkennzeichens-ab |titel=DAV: Steuer-ID soll nicht zu Personen-Identifikationsnummer werden |werk=beck-aktuell |datum=2020-11-05 |abruf=2020-12-29}}</ref> Die [[Gesellschaft für Informatik]] wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Verwendung der Steuer-Identifikationsnummer für die Registermodernisierung weder technisch notwendig sei noch dem Stand der Technik entspreche, und schlug vor, ein Identifikationsmanagement-System einzuführen, das aus ihrer Sicht verfassungsgemäß sei.<ref>{{Internetquelle |url=https://gi.de/fileadmin/GI/Allgemein/PDF/2020-09-04_GI-Stellungnahme_zum_Registermodernisierungsgesetz.pdf |titel=Stellungnahme des Fachbereichs Informatik in Recht und Öffentlicher Verwaltung und des Präsidiums-Arbeitskreises Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Identifikationsnummer in die öffentliche Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG) des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) |abruf=2020-12-29}}</ref>

Die [[Rechtsinformatik]]er [[Christoph Sorge]] und Maximilian Leicht machten darauf aufmerksam, dass die Steuer-ID zahlreichen Dritten bekannt sei, darunter Arbeitgebern, Banken und Krankenversicherungen sowie Unternehmen, die im [[Datenverarbeitung im Auftrag |Auftrag dieser Dritten Daten verarbeiten]], und daher besonders anfällig für Missbrauch sei, zum Beispiel [[Identitätsdiebstahl]] oder die illegitime Verknüpfung von Datenbeständen. Sie wiesen auf Sicherheitsvorfälle hin, in denen Unbefugte unter anderem auf Steueridentifikationsnummern zugriffen.<ref>{{Internetquelle |autor=Olivia von Westernhagen |url=https://www.heise.de/news/Scalable-Capital-Robo-Advisor-meldet-unbefugten-Zugriff-auf-Kundendaten-4932863.html |titel=Scalable Capital: Robo-Advisor meldet unbefugten Zugriff auf Kundendaten |werk=heise online – News |datum=2020-10-20 |abruf=2020-12-29}}</ref> Lösungen in Österreich oder die [[Personalausweis (Deutschland)#eID-Funktion |eID]] des deutschen Personalausweises zeigten, dass anstelle einer einheitlichen zentralen ID auch abgeleitete bereichsspezifische Kennzeichen verwendet werden könnten, die das erhebliche Missbrauchspotential verringern würden.<ref>{{Literatur |Autor=Christoph Sorge, Maximilian Leicht |Titel=Registermodernisierungsgesetz – eine datenschutzgerechte Lösung? |Sammelwerk=Zeitschrift für Rechtspolitik |Nummer=8 |Datum=2020-11-20}}</ref>

Am 18. September 2020 gab es einen (weiteren) ''Big Brother Award'' in der neu geschaffenen Kategorie ''Geschichtsvergessenheit'' für die [[Innenministerkonferenz]], die dieses Vorhaben vorangetrieben und im Juni 2020 die Verwendung der Steuer-ID zu diesem Zweck befürwortet hatte.<ref>{{Literatur |Titel=Abschlussbericht zur Sondierung eines registerübergreifenden Identitätsmanagements mit Einbezug der Erfahrungen mit der Steuer-Identifikationsnummer für die Innenministerkonferenz 17. - 19. Juni 2020 |Hrsg=BMI - Referat V II 2 |Datum=2020-03-10 |Online=https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2020-06-17_19/anlage-zu-top-39.pdf?__blob=publicationFile&v=3 |Format=PDF |KBytes=3900}}</ref><ref name="bba20">{{Internetquelle |autor=padeluun |url=https://bigbrotherawards.de/2020/geschichtsvergessenheit-innenministerkonferenz-bundesrepublik-deutschland |titel=Den BigBrotherAward 2020 in der Kategorie „Geschichtsvergessenheit“, erhält die Innenministerkonferenz der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch ihren Vorsitzenden Georg Maier, Innenminister von Thüringen, für die Absicht, auf der Basis der Steuer-Identifikationsnummer eine lebenslange Personenkennziffer einzuführen. |werk=bigbrotherawards.de |datum=2020-09-18 |abruf=2020-09-21}}</ref><ref name="heise">{{Internetquelle |autor=Detlef Borchers |url=https://www.heise.de/news/Preis-fuer-Datenkraken-20-Jahre-Big-Brother-Award-die-Jubilaeumsedition-4905386.html?seite=all |titel=Preis für Datenkraken: 20 Jahre Big Brother Awards – die Jubiläumsedition |werk=Heise Online |datum=2020-09-18 |abruf=2020-09-21}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Jana Ballweber |url=https://netzpolitik.org/2020/big-brother-award-2020-die-geschichtsvergessenheit-der-innenministerinnen/#vorschaltbanner |titel=Big Brother Award 2020: Die Geschichtsvergessenheit der Innenminister:innen |werk=Netzpolitik.org |datum=2020-09-18 |abruf=2020-09-21}}</ref> Bei der Einführung der Steuer-ID war versichert worden, dass diese nie zu einer Personenkennziffer ausgeweitet werden würde.<ref name="bba20" />

Am 28. Januar 2021 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung angenommen.<ref>https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw04-de-registermodernisierung-818730</ref><ref>{{Internetquelle | autor=Friedhelm Greis | url=https://www.golem.de/news/personenkennziffer-bundestag-beschliesst-einheitliche-buergernummer-2101-153765.html | titel=Personenkennziffer: Bundestag beschließt einheitliche Bürgernummer | werk=[[golem.de]] | datum=2021-01-29 |abruf=2024-02-03}}</ref> Am 5. März 2021 hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt.<ref>https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2021/0101-0200/121-21(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1</ref>

== Weitere Identifikationsnummern im Steuerwesen ==
Infolge der verschiedentlichen Einreden von Beauftragten, Interessenten und Klägern ist seit dem [[Volkszählungsurteil]] des BVerfG von 1983 kein Rückschluss von der Steueridentnummer auf die Person zulässig und daher unmöglich. Eine integrierte informationstechnische Verarbeitung der Steuerfälle und des Schriftverkehrs mit den Finanzämtern ist daher ebenfalls nicht möglich. Es erhält jeder Steuerpflichtige weiterhin (2016) Steuerbescheide etwa für Grundsteuer oder Umsatzsteuer mit verschiedenen [[Steuernummer]]n für jeden Steuerfall ohne Verweis auf seine Steueridentnummer.

Für verschiedene Steuerarten gibt es jeweils weitere Steuernummern in der Struktur der bisherigen Steuernummer ohne Prüfziffer und in verschiedener Länge. Dabei wird die Bundesfinanzamt-Nummer (BUFA Nummer) je nach Bundesland verkürzt verwendet.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bzst.de/DE/Service/Behoerdenwegweiser/Finanzamtsuche/finanzamtsuche_node.html |titel=Finanzamtsuche und GemFa XML-Export Datei |werk=bzst.de |hrsg=BZSt-Portal |abruf=2020-03-17}}</ref> Die verwendete Finanzamts-Nummer muss beispielsweise bei der Umsatzsteuer nicht mit der des ausstellenden Finanzamts übereinstimmen.

Als weitere Zahl soll die [[Wirtschafts-Identifikationsnummer]] für Selbstständige, [[juristische Person]]en und [[Personenvereinigung]]en eingeführt werden (siehe {{§|139c|ao|juris}}&nbsp;[[Abgabenordnung|AO]]).

Daneben existiert bereits seit 1993 (Einführung des [[Europäischer Binnenmarkt|Europäischen Binnenmarktes]]) die [[Umsatzsteuer-Identifikationsnummer]], die [[Unternehmen]] zur (umsatzsteuerfreien) Teilnahme am [[Handel|Waren- und Dienstleistungsverkehr]] im [[Gebiet der Europäischen Union]] benötigen. Diese wird im Inland nicht benötigt, formal reicht die Angabe der Umsatzsteuernummer aus.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Steueridentifikationsnummer}}
* [http://bundesrecht.juris.de/ao_1977/__139b.html Gesetzestext bei juris.de]
* [https://www.bzst.de/DE/Privatpersonen/SteuerlicheIdentifikationsnummer/steuerlicheidentifikationsnummer_node.html ''Die steuerliche Identifikationsnummer.''] Mit Möglichkeit zur Auskunft über die eigene Steuer-ID. Bundeszentralamt für Steuern
* [http://www.Identifikationsmerkmal.de Informationen zum bundeseinheitlichen Identifikationsmerkmal für Besteuerungsverfahren vom Steuerlichen Info-Center (Bundeszentralamt für Steuern)]
* [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/computer/622277/ Manuskript zu Interview mit Peter Welchering zu Datenbank für das Leben der Anderen, DLF 5. Mai 2007]
* [http://www.bundesrat.de/cln_050/SharedDocs/Drucksachen/2006/0701-800/705-06,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/705-06.pdf Verordnung der Bundesregierung vom 13.10.2006]
* [https://www.humanistische-union.de/themen/datenschutz/steuer_id/ Informationen zur Steueridentifikationsnummer] inklusive Möglichkeiten, sich zu wehren, auf den Seiten der [[Humanistische Union|Humanistischen Union]],
* [https://www.datenschutzzentrum.de/presse/20070629-steuer-id.htm Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz über die Steuer-ID]
* [https://bigbrotherawards.de/2007/politik-peer-steinbrueck Laudatio zur Verleihung des ''Big Brother Award'' 2007]
* [http://www.main-rheiner.de/region/objekt.php3?artikel_id=2785244 Artikel Wiesbadener Tagblatt vom 13.04.2007]
* [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/computer/622277/ Manuskript zu Interview mit Peter Welchering zu Datenbank für das Leben der Anderen, DLF 05.05.2007]
* [http://www.humanistische-union.de/themen/datenschutz/steuer_id/ Informationen zur Steueridentifikationsnummer] inklusive Möglichkeiten, sich zu wehren, auf den Seiten der [[Humanistische Union|Humanistischen Union]],
* [http://www.bigbrotherawards.de/2007/.pol/ Laudatio zur Verleihung des ''Big Brother Award'' 2007]
* [http://dip.bundestag.de/btd/15/019/1501945.pdf Bericht des Finanzausschusses vom 06.11.2003]


== Einzelnachweise ==
{{Rechtshinweis}}
<references />


{{Rechtshinweis}}
[[Kategorie:Steuerrecht]]
[[Kategorie:Identifikationstechnik]]


[[Kategorie:Steuerverfahrensrecht (Deutschland)]]
[[nl:Sofinummer]]
[[Kategorie:Personenkennzeichen]]
[[sv:Personnummer]]

Aktuelle Version vom 7. Februar 2024, 21:35 Uhr

Schreiben des Bundeszentralamtes für Steuern, in dem die persönliche Identifikationsnummer mitgeteilt wird

Die steuerliche Identifikationsnummer[1] (IdNr. oder auch Steuer-IdNr.) ist eine bundeseinheitliche und dauerhafte elfstellige Identifikationsnummer von in Deutschland gemeldeten Bürgern für Steuerzwecke.

Auch in den meisten anderen Ländern der Europäischen Union wurde eine Steuer-ID (englisch Tax Identification Number, TIN) eingeführt.[2] Rechtsgrundlage ist die Zinsrichtlinie, die in Deutschland mit der Zinsinformationsverordnung umgesetzt wurde.

Zielsetzung

Zur Gesetzesbegründung heißt es, dass die Finanzbehörden organisatorisch und technisch fähig sein müssen, die zulässigen Überprüfungen effizient vorzunehmen. Bisher sei eine Auswertung steuererheblicher Informationen in vielen Fällen unterblieben, weil die vorhandenen Informationen nicht zugeordnet werden konnten. Außerdem werden mit der Nummer – so die Gesetzesbegründung – ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens geleistet, Bürokratie abgebaut und die Transparenz des Besteuerungsverfahrens erhöht. Das Ziel der Maßnahme ist letztlich, dass alle Steuerpflichtigen bei der Durchsetzung der Steuergesetze tatsächlich gleich belastet werden.

Die Identifikationsnummer bringt für den Bürger Erleichterungen im elektronischen Datenübermittlungsverfahren und für die Finanzbehörden neue Kontrollmöglichkeiten. So müssen z. B. deutsche Anleger die Identifikationsnummer künftig bei ausländischen Kontenverbindungen nachreichen. Ferner gelangen die in der zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen gesammelten Informationen ebenfalls an die Finanzämter. Diese werden damit in die Lage versetzt, möglicherweise steuerpflichtige Rentner zur Abgabe einer Steuererklärung aufzufordern.

Einführung

Die Identifikationsnummer wurde zum 1. Juli 2007 eingeführt. Zur Umsetzung übermittelte jedes Einwohnermeldeamt dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) jeden zum Ablauf des 30. Juni 2007 im Melderegister geführten Bürger. Mit diesem Erstabzug wurde noch keine Identifikationsnummer vergeben, sondern nur ein vorläufiges Bearbeitungsmerkmal. Am 1. Oktober 2007 wurde mit dem Abgleich der Daten begonnen, es erfolgte eine Filterung mit dem Ziel, Dubletten zu ermitteln. Nach Rücksprache mit den Einwohnermeldeämtern wurden diese Dubletten dann entfernt. Dieses Verfahren dauerte deutlich länger als geplant. Bis Ende des Jahres 2008 wurde die IdNr den Steuerpflichtigen in einem Anschreiben des BZSt mitgeteilt. Die Steuerpflichtigen erhielten außerdem noch eine Übersicht ihrer gespeicherten Daten. Die Nummer ist bei Anträgen oder Erklärungen den Finanzbehörden gegenüber anzugeben.

Bei der Einführung kam es zu einigen Problemen. 2013 bestätigte die Bundesregierung, dass bis zum 1. Dezember 2013 in bis zu 164.000 Fällen versehentlich mehrere Identifikationsnummern an einen einzelnen Bürger vergeben worden sein könnten oder dieselbe Identifikationsnummer an mehrere Bürger zugleich.[3] Dieser Umstand barg die Gefahr einer fehlerhaften Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Lohnsteuerabzugsverfahren. Bei den betroffenen Steuerpflichtigen konnte dies zu nicht sachgerechten Mehr- oder nicht rechtskonformen Minderbelastungen führen. Um die Eindeutigkeit der Zuordnung zu gewährleisten, wurden Fälle einer Datenvermischung oder Mehrfacherfassung durch Stilllegung der überzähligen Steueridentifikationsnummern bereinigt.[4]

Geltung, Ausgabe und Ermittlung

Die Identifikationsnummer gilt lebenslang. Sie wird vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zugeteilt. Kinder erhalten sie kurz nach der Geburt und Einwanderer bei der ersten Anmeldung in Deutschland.[5] Die Abgabenordnung bestimmt in § 139b, Absatz 1, Satz 2: „Jede Identifikationsnummer darf nur einmal vergeben werden.“ Dieses führt zu einer persönlichen Identifikation[6] (siehe auch Abschnitt #Verwendung als allgemeines Personenkennzeichen).

Sollte die Identifikationsnummer nicht mehr bekannt sein, kann sie über ein Web-Formular beim BZSt erfragt werden.[7] Außerdem findet man sie auf dem Einkommensteuerbescheid und auf der Lohnsteuerbescheinigung.[8] Ohne sich an eine Behörde wenden zu müssen, können auch zur Verwendung der Identifikationsnummer verpflichtete Institutionen konsultiert werden. So müssen seit 2018 Kreditinstitute die Kontodaten zusammen mit der steuerlichen Identifikationsnummer erfassen. Diese könnte beispielsweise im Rahmen von Onlinebanking, zumeist in der Rubrik „Freistellungsauftrag“, eingesehen werden.

Einen weiteren schnellen Weg gibt es auf den Elster-Seiten über die ELSTAM-Auskunft.

Nutzung der Daten

Beim BZSt werden die für die Identifikation eines Steuerpflichtigen erforderlichen Daten und die jeweils zuständige Finanzbehörde gespeichert. Die Daten, die das Bundeszentralamt zu einer natürlichen Person speichert, sind in § 139b Abs. 3 Abgabenordnung (AO) abschließend aufgeführt:[9]

  1. Steuerliche Identifikationsnummer
  2. Familienname
  3. frühere Namen
  4. Vornamen
  5. Doktorgrad
  6. Tag und Ort der Geburt
  7. Geschlecht
  8. gegenwärtige oder letzte bekannte Anschrift
  9. zuständige Finanzbehörden
  10. Auskunftssperren nach dem Bundesmeldegesetz
  11. Sterbetag
  12. Tag des Ein- und Auszugs

Zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale für den Arbeitgeber speichert das BZSt gemäß § 39e Abs. 2 EStG weitere Meldedaten für jeden Steuerpflichtigen, hinzu. Dabei handelt es sich um Meldedaten zur Zugehörigkeit zu einer steuerberechtigten Religionsgemeinschaft, melderechtlichen Familienstand; bei verheirateten oder verpartnerten Steuerpflichtigen wird die IdNr des Ehegatten / Lebenspartners hinzugespeichert zu den IdNrn minderjähriger Kinder, soweit diese in derselben Gemeinde wie der Steuerpflichtige gemeldet sind.[10]

Die Identifikationsnummer ändert sich weder bei einem Ortswechsel noch bei einem Wechsel des zuständigen Finanzamts. Die Daten werden erst gelöscht, wenn sie von den Behörden nicht mehr benötigt werden, spätestens jedoch 20 Jahre nach dem Tod des Steuerpflichtigen.[11] Wenn IDs irrtümlich – zum Beispiel wegen zunächst nicht erkannter Mehrfacherfassung eines Steuerpflichten – vergeben werden und dies erkannt wird, werden sie stillgelegt.[12]

§ 139b Absatz 2 Abgabenordnung (AO) enthält ausdrückliche Beschränkungen für die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer:

  • Die Finanzbehörden dürfen die Identifikationsnummer nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet.
  • Andere Stellen als die Finanzbehörden, gleich ob öffentlich oder nicht-öffentlich, dürfen die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Das gilt z. B. für Arbeitgeber bei den Lohnsteuerdaten der Mitarbeiter und bei Kreditinstituten für die Zinsabschlagsteuer oder bei bestimmten Übertragungen zwischen Wertpapierdepots. Zudem dürfen diese Stellen ihre Dateien nur insoweit nach der Identifikationsnummer ordnen oder für den Zugriff erschließen, als dies für regelmäßige Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist.
  • Für jede nach dem 1. Januar 2018 bestehende Kontoverbindung hat das Kreditinstitut die Identifikationsnummer des Kontoinhabers und jedes weiteren Verfügungsberechtigten zu erfassen (§ 154 Abs. 2a Nr. 1 AO). Teilt der Kunde einer bestehenden Kontoverbindung die Nummer nicht mit, ist sie in einem maschinellen Verfahren beim Bundeszentralamt für Steuern zu erfragen (§ 26 Abs. 4 und 5 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung).

Ein Verstoß gegen die Beschränkungen für die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer stellte bis zur Aufhebung von § 383a AO mit Wirkung zum 25. Mai 2018 eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden konnte. (Nicht erst seitdem) geht Art. 83 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den Regelungen in der AO oder den Steuergesetzen vor, wenn eine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten, die unmittelbar nach Art. 83 DSGVO mit einer Geldbuße geahndet werden kann, gleichzeitig auch eine Steuerordnungswidrigkeit darstellt (nur klarstellend § 384a AO).

Mit Einführung der Identifikationsnummer wurde auch ein indirekter Abgleich der Melderegister durchgeführt (Ermittlung und Entfernung der Dubletten), d. h. zukünftig kann eine Person mit denselben Daten nur bei einer Meldebehörde mit Hauptwohnsitz gemeldet sein.

Der Austausch der Daten zwischen den Einwohnermeldeämtern und dem Bundeszentralamt für Steuern erfolgt nach OSCI-XMeld über OSCI-Transport.

Aufbau

Die Identifikationsnummer besteht aus elf Ziffern. Diese dürfen nicht aus anderen Daten des Steuerpflichtigen gebildet werden,[13] sondern werden den Steuerpflichtigen zufällig zugewiesen.[6] In den ersten zehn Ziffern der Identifikationsnummer sind eine Ziffer genau zweifach und eine andere Ziffer gar nicht enthalten (ab 2016 ist auch eine dreifache vorkommende Ziffer möglich, entsprechend dann zwei Ziffern gar nicht; bei drei gleichen Ziffern dürfen nur zwei unmittelbar hintereinander stehen, nicht jedoch alle drei[14]), die anderen acht (ab 2016: auch sieben) Ziffern jeweils genau einfach. Die erste Ziffer darf nicht die 0 sein.[15]

Bis 2015 betrug die Zahl zulässiger Steuer-IDs 146.966.400. Mit der Erweiterung im Jahr 2016 kamen 182.891.520 IDs mit dreifach vorkommenden Ziffern hinzu. Seitdem gibt es also insgesamt 329.857.920 gültige Steuer-IDs.[16]

Die elfte Ziffer ist eine Prüfziffer, die sich aus den ersten zehn Ziffern der Ziffernfolge berechnet und eine einfache und effiziente Fehlererkennung ermöglichen soll.[15] Ihre Berechnungsvorschrift entspricht der des Prüfzeichensystems nach ISO/IEC 7064, MOD 11,10:[17]

Ziffernfolge : array[1..10] of 0..9;

Produkt := 10;
for Stelle := 1 to 10 do
begin
  Summe := (Ziffernfolge[Stelle] + Produkt) mod 10;
  if Summe = 0 then Summe := 10;
  Produkt := (Summe * 2) mod 11;
end;
Prüfziffer := 11 - Produkt;
if Prüfziffer = 10 then Prüfziffer := 0;

Das Prüfziffersystem nach MOD 11,10 erkennt, laut ISO 7064, alle einfachen Substitutionsfehler und alle Fehler durch zirkuläres Verschieben. Die Substitution zweier Zeichen wird in 80,0 % aller Fälle erkannt, das Vertauschen zweier benachbarter Zeichen in 97,8 %, das zweier Zeichen, die durch ein Zeichen getrennt sind, in 90,7 % der Fälle. Alle sonstigen Fehler werden zu 90,0 % erkannt.[18]

Verwendung als allgemeines Personenkennzeichen

Vorläufer

In der DDR wurde am 1. Januar 1970 eine Personenkennzahl eingeführt. In Österreich, Schweden, Island,[19] Polen und einigen anderen Staaten existieren Personenkennzahlen, durch die die eindeutige Identifizierung jeder Person und damit eine erhebliche Reduzierung des Verwaltungsaufwandes erreicht werden konnte.

Die Bundesrepublik Deutschland plante die Einführung eines Personenkennzeichens (PKZ). So war zum Beispiel geplant, mit dem Bundesmeldegesetz ab 1973 eine einheitliche PKZ für jeden Deutschen sowie alle im Ausländerzentralregister erfassten Ausländer bzw. im Ausland lebenden wiedergutmachungsberechtigten Ausländer einzuführen, um Verwaltungsvorgänge zu rationalisieren.[20][21]

Zuvor bestand bereits eine bundeseinheitliche Versicherungsnummer nach dem Sozialgesetzbuch. Ebenso gab es eine Personenkennziffer aus dem Wehrpass nach gleicher Systematik. Diese Nummern wurden aus Gründen der Rechtssystematik und wegen fehlender gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht gezogen. Technische Gründe lagen nicht vor.

Das Vorhaben eines Personenkennzeichens wurde verworfen, da der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages 1976 feststellte, dass „die Entwicklung, Einführung und Verwendung von Numerierungssystemen, die eine einheitliche Numerierung der Bevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzes ermöglicht, wegen fehlender gesetzlicher Grundlage unzulässig ist.“ . Diese Feststellung stützte sich auf das Mikrozensusurteil des BVerfG von 1969, BVerfGE 27, 1Mikrozensus.

Befürchtungen anlässlich der Einführung

Der damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, befürchtete, die Identifikationsnummer könne, wie der italienische Codice Fiscale, ein weit über die Steuerbelange hinausgehendes allgemeines Personenkennzeichen werden.[22]

Für die Einführung der Identifikationsnummer wurde im Oktober 2007 der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit dem Negativpreis Big Brother Award in der Kategorie Politik ausgezeichnet. Weiterhin wird die Verfassungskonformität der Identifikationsnummer von einigen Kritikern bestritten, darunter die Humanistische Union, die am 20. August 2008 beim FG Köln Klage erhob. Mindestens drei weitere Klagen sind bisher öffentlich bekannt geworden. Die Klagen (Az. 2 K 2822/08 FG Köln u. a.) wurden jedoch trotz verfassungsrechtlicher Bedenken des Gerichts an der IdNr zunächst abgewiesen, weil das Finanzgericht eindeutig von einer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein muss, um eine Klage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.[23]

In einem anderen, parallelen Verfahren hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Zuteilung der Identifikationsnummer und die dazu erfolgte Datenspeicherung insbesondere mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar ist.[24] Das Bundesministerium der Finanzen wies die Einsprüche am 22. Juli 2013 in Hinblick auf dieses BFH-Urteil in einer Allgemeinverfügung zurück.[25]

Registermodernisierungsgesetz

Laut Konjunkturpaket vom Juni 2020 sollte noch im Sommer ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, „der in einem ersten Schritt den Bereich der Register mit Relevanz für die Umsetzung des Online-Zugangs-Gesetzes [sic] mit der Steuer-ID als verwaltungsübergreifender ID-Nummer erschließt.“[26] „Im Falle eines gesetzlich geregelten Datenaustausches von Daten einer bestimmten Person zwischen zwei Behörden soll zukünftig die steuerliche Identifikationsnummer genutzt werden.[…] Dabei soll der Datenaustausch nicht direkt zwischen zwei Behörden, sondern als zusätzliche Sicherung immer über eine dritte Stelle erfolgen. Derzeit wird geprüft, wie diese Festlegung umgesetzt werden kann. […] Die in den dezentralen Registern gespeicherten Informationen werden gerade nicht an einer zentralen Stelle zusammengeführt, vielmehr bleibt die dezentrale Registerführung erhalten.“[27]

Im Herbst 2020 legte die Bundesregierung dann den Gesetzesentwurf für das Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) vor. Es handelt sich dabei um ein Artikelgesetz, dessen erster Artikel die Einführung eines Identifikationsnummerngesetzes (IDNrG) umfasst. Im Kern sieht das Gesetz vor, die Steuer-ID zu einer lebenslang gültigen und behördenübergreifend verwendbaren Personenkennziffer („einheitliche Bürgernummer“) auszuweiten. Zu den Registern, in denen die Verwendung der ID vorgesehen werden soll, zählen verschiedene Melderegister, Datenbestände gesetzlicher Versicherungen, Verkehrsregister, Lehrlings- und Handwerkerrollen, Datenbestände zu (ehemaligen) Studierenden und Berufsausbildungsverhältnissen, Waffenregister, Gewerbeverzeichnisse, Verzeichnisse der Empfänger von staatlichen Leistungen (z. B. Wohn- oder Elterngeld) und einige mehr.[28]

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags formulierte in einem Gutachten erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorhabens.[29] Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder sah die Verwendung der Steueridentifikationsnummer als einheitliche, registerübergreifende Personenkennziffer, wie sie im Registermodernisierungsgesetz geplant ist, als verfassungswidrig an.[30] Auch der Deutsche Anwaltverein bezeichnete die Pläne als verfassungswidrig und lehnte sie ab.[31] Die Gesellschaft für Informatik wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Verwendung der Steuer-Identifikationsnummer für die Registermodernisierung weder technisch notwendig sei noch dem Stand der Technik entspreche, und schlug vor, ein Identifikationsmanagement-System einzuführen, das aus ihrer Sicht verfassungsgemäß sei.[32]

Die Rechtsinformatiker Christoph Sorge und Maximilian Leicht machten darauf aufmerksam, dass die Steuer-ID zahlreichen Dritten bekannt sei, darunter Arbeitgebern, Banken und Krankenversicherungen sowie Unternehmen, die im Auftrag dieser Dritten Daten verarbeiten, und daher besonders anfällig für Missbrauch sei, zum Beispiel Identitätsdiebstahl oder die illegitime Verknüpfung von Datenbeständen. Sie wiesen auf Sicherheitsvorfälle hin, in denen Unbefugte unter anderem auf Steueridentifikationsnummern zugriffen.[33] Lösungen in Österreich oder die eID des deutschen Personalausweises zeigten, dass anstelle einer einheitlichen zentralen ID auch abgeleitete bereichsspezifische Kennzeichen verwendet werden könnten, die das erhebliche Missbrauchspotential verringern würden.[34]

Am 18. September 2020 gab es einen (weiteren) Big Brother Award in der neu geschaffenen Kategorie Geschichtsvergessenheit für die Innenministerkonferenz, die dieses Vorhaben vorangetrieben und im Juni 2020 die Verwendung der Steuer-ID zu diesem Zweck befürwortet hatte.[35][36][37][38] Bei der Einführung der Steuer-ID war versichert worden, dass diese nie zu einer Personenkennziffer ausgeweitet werden würde.[36]

Am 28. Januar 2021 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung angenommen.[39][40] Am 5. März 2021 hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt.[41]

Weitere Identifikationsnummern im Steuerwesen

Infolge der verschiedentlichen Einreden von Beauftragten, Interessenten und Klägern ist seit dem Volkszählungsurteil des BVerfG von 1983 kein Rückschluss von der Steueridentnummer auf die Person zulässig und daher unmöglich. Eine integrierte informationstechnische Verarbeitung der Steuerfälle und des Schriftverkehrs mit den Finanzämtern ist daher ebenfalls nicht möglich. Es erhält jeder Steuerpflichtige weiterhin (2016) Steuerbescheide etwa für Grundsteuer oder Umsatzsteuer mit verschiedenen Steuernummern für jeden Steuerfall ohne Verweis auf seine Steueridentnummer.

Für verschiedene Steuerarten gibt es jeweils weitere Steuernummern in der Struktur der bisherigen Steuernummer ohne Prüfziffer und in verschiedener Länge. Dabei wird die Bundesfinanzamt-Nummer (BUFA Nummer) je nach Bundesland verkürzt verwendet.[42] Die verwendete Finanzamts-Nummer muss beispielsweise bei der Umsatzsteuer nicht mit der des ausstellenden Finanzamts übereinstimmen.

Als weitere Zahl soll die Wirtschafts-Identifikationsnummer für Selbstständige, juristische Personen und Personenvereinigungen eingeführt werden (siehe § 139c AO).

Daneben existiert bereits seit 1993 (Einführung des Europäischen Binnenmarktes) die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die Unternehmen zur (umsatzsteuerfreien) Teilnahme am Waren- und Dienstleistungsverkehr im Gebiet der Europäischen Union benötigen. Diese wird im Inland nicht benötigt, formal reicht die Angabe der Umsatzsteuernummer aus.

Wiktionary: Steueridentifikationsnummer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Bezeichnung laut Verordnung
  2. TIN – Steuer-Identifikationsnummer. Europäische Kommission, abgerufen am 9. Februar 2021.
  3. Steuernummer – Fiskus schafft Doppelgänger – Wirtschaft – Süddeutsche.de. Abgerufen am 13. Februar 2014.
  4. Mehrfach vergebene Steuer-Identifikationsnummern. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucksache 18/929 vom 26. März 2014
  5. Steueridentifikationsnummer Zuteilung. Abgerufen am 3. August 2020: „Jedes neugeborene Kind sowie jede neue Bürgerin und jeder neue Bürger bekommt bei der ersten Anmeldung in Deutschland automatisch eine Steueridentifikationsnummer zugeteilt.“
  6. a b Einführung der Identifikationsnummer für Steuerpflichtige. In: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.): Monatsberichte des BMF. August 2008, S. 51–60.
  7. Steuerliche Identifikationsnummer verlegt, verloren oder vergessen? – Erneute Mitteilung der IdNr. Bundeszentralamt für Steuern, abgerufen am 15. Oktober 2020.
  8. BZSt - Steuerliche Identifikationsnummer. Abgerufen am 18. August 2019.
  9. BZSt - Steuerliche Identifikationsnummer. Abgerufen am 28. Mai 2022.
  10. BZSt - Steuerliche Identifikationsnummer. Abgerufen am 28. Mai 2022.
  11. § 4 Steueridentifikationsnummerverordnung (StIdV)
  12. § 139b Abgabenordnung (AO)
  13. AO 1977 § 139a Identifikationsmerkmal
  14. Bayerisches Landesamt für Steuern: Prüfung der Steuer- und Steueridentifikationsnummer
  15. a b Informations Technik Zentrum Bund (Hrsg.): Steueridentifikationsnummer (IdNr) nach § 139b AO: Informationen zur Berechnung gültiger Prüfziffern. 1. März 2016 (deutsche-rentenversicherung-bund.de [PDF; 63 kB]).
  16. Erzeugung von Identifikationsnummern. Abgerufen am 7. Juli 2021 (vorgelegt vom Bundeszentralamt für Steuern).
  17. Vergleiche ZIVIT (PDF; 20 kB): Prüfziffernberechnung für die IdNr nach § 139b AO und Verordnung über die Abgabe von Zusammenfassenden Meldungen auf maschinell verwertbaren Datenträgern (Datenträger-Verordnung über die Abgabe Zusammenfassender Meldungen – ZMDV) vom 13.05.1993. In: Bundesgesetzblatt. Jahrgang 1993, Teil I Nr. 24. Abschnitt: Anlage 3 (zu §9): Vollständigkeits- und Schlüssigkeitsregel für die deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. (Online)
  18. International Organization for Standardization (Hrsg.): Information technology – Security techniques – Check character systems. ISO/IEC 7064:2003(E), 15. Februar 2003.
  19. Information des isländischen Einwohnermeldeamts über die Kennnummer (kennitala) (Engl.). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. September 2016; abgerufen am 21. August 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.skra.is
  20. Vgl. Steinmüller, Wilhelm: EDV und Recht : Einf. in d. Rechtsinformatik. In: Juristische Arbeitsblätter : JA-Sonderheft. Band 6. Schweitzer, Berlin 1970, S. 78.
  21. Entwurf eines Gesetzes über das Meldewesen (Bundesmeldegesetz — BMG). Gesetzentwurf der Bundesregierung. 4. Oktober 1973 (siehe Dritter Abschnitt „Personenkennzeichen“). BT-Drs. 7/1059
  22. Vgl. Schaar, Peter: Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft. C.Bertelsmann, München 2007, S. 172.
  23. Urteil zu Steuer-ID, wochenblatt.de
  24. BFH, Urteil vom 18. Januar 2012 Az. II R 49/10
  25. Allgemeinverfügung des Bundesministeriums der Finanzen zur Zurückweisung der wegen der Zuteilung der steuerlichen Identifikationsnummer (§ 139b AO) erhobenen Einsprüche vom 22. Juli 2013. Abgerufen am 15. Oktober 2020.
  26. Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken – Ergebnis Koalitionsausschuss 3. Juni 2020. 3. Juni 2020, S. 10, Nr. 40, abgerufen am 6. Januar 2020.
  27. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Canan Bayram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wahrung des Datenschutzes bei der Registermodernisierung. Drucksache 19/19784, 22. Juni 2020 (Online [PDF; 230 kB]).
  28. Bundesregierung (Hrsg.): Entwurf eines Gesetzes zur Einführung und Verwendung einer Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG). Drucksache 19/ 24226, 11. November 2020 (Online [PDF; 2,4 MB] Fassung vom 11.11.2020).
  29. Bundestagsgutachten: Eine Bürgernummer und ihre Schwächen. 20. September 2020, abgerufen am 21. September 2020.
  30. Registermodernisierung verfassungskonform umsetzen! Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Lände. 26. August 2020 (Online).
  31. DAV: Steuer-ID soll nicht zu Personen-Identifikationsnummer werden. In: beck-aktuell. 5. November 2020, abgerufen am 29. Dezember 2020.
  32. Stellungnahme des Fachbereichs Informatik in Recht und Öffentlicher Verwaltung und des Präsidiums-Arbeitskreises Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Identifikationsnummer in die öffentliche Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG) des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Abgerufen am 29. Dezember 2020.
  33. Olivia von Westernhagen: Scalable Capital: Robo-Advisor meldet unbefugten Zugriff auf Kundendaten. In: heise online – News. 20. Oktober 2020, abgerufen am 29. Dezember 2020.
  34. Christoph Sorge, Maximilian Leicht: Registermodernisierungsgesetz – eine datenschutzgerechte Lösung? In: Zeitschrift für Rechtspolitik. Nr. 8, 20. November 2020.
  35. BMI - Referat V II 2 (Hrsg.): Abschlussbericht zur Sondierung eines registerübergreifenden Identitätsmanagements mit Einbezug der Erfahrungen mit der Steuer-Identifikationsnummer für die Innenministerkonferenz 17. - 19. Juni 2020. 10. März 2020 (innenministerkonferenz.de [PDF; 3,9 MB]).
  36. a b padeluun: Den BigBrotherAward 2020 in der Kategorie „Geschichtsvergessenheit“, erhält die Innenministerkonferenz der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch ihren Vorsitzenden Georg Maier, Innenminister von Thüringen, für die Absicht, auf der Basis der Steuer-Identifikationsnummer eine lebenslange Personenkennziffer einzuführen. In: bigbrotherawards.de. 18. September 2020, abgerufen am 21. September 2020.
  37. Detlef Borchers: Preis für Datenkraken: 20 Jahre Big Brother Awards – die Jubiläumsedition. In: Heise Online. 18. September 2020, abgerufen am 21. September 2020.
  38. Jana Ballweber: Big Brother Award 2020: Die Geschichtsvergessenheit der Innenminister:innen. In: Netzpolitik.org. 18. September 2020, abgerufen am 21. September 2020.
  39. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw04-de-registermodernisierung-818730
  40. Friedhelm Greis: Personenkennziffer: Bundestag beschließt einheitliche Bürgernummer. In: golem.de. 29. Januar 2021, abgerufen am 3. Februar 2024.
  41. https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2021/0101-0200/121-21(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1
  42. Finanzamtsuche und GemFa XML-Export Datei. In: bzst.de. BZSt-Portal, abgerufen am 17. März 2020.