Klaus Michael Beier

Klaus Michael Beier (* 1961) ist Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité in Berlin.

Leben

Klaus Michael Beier begann 1979 sein Medizinstudium und 1980 zusätzlich ein Philosophiestudium an der Freien Universität Berlin. 1986 promovierte er in Medizin, zwei Jahre später in Philosophie. Ebenfalls 1988 wurde er wissenschaftlicher Assistent für Sexualwissenschaft/Sexualmedizin am Klinikum der Universität Kiel an der dortigen Sexualmedizinischen Forschungs- und Beratungsstelle. Seine Habilitation für Sexualmedizin erfolgte 1994, 1996 wurde er Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker und zum Professor für Sexualwissenschaft/Sexualmedizin an der Charité sowie Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin.

Beier leitete die Berliner Männer-Studie vom August 2002 bis Juni 2005, bei der von 600.000 Männern im Alter zwischen 40 bis 79 Jahren aus Berlin 6000 angeschrieben wurden, von denen 1700 antworteten und sich 1400 Männer im zweiten Teil in einem Interview befragen ließen. Unter anderem wurden die Teilnehmer zu ihrer Sexualfunktion und ihrem sexuellen Erleben sowie persönlichkeitspsychologische Aspekte befragt.[1][2]

Seit 2005 leitet Beier dort das Forschungsprojekt Kein Täter werden zum Thema Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld welches unter dem Slogan Lieben Sie Kinder mehr, als Ihnen lieb ist? öffentlich auftritt.[3][4][5]

Bei der Begutachtung im Fall des sogenannten Kannibalen von Rotenburg war er auf Grund seiner Fachkenntnisse ein wichtiger Gutachter. Die wissenschaftliche Betrachtung zu diesem Fall veröffentlichte er 2007 in Sexueller Kannibalismus: sexualwissenschaftliche Analyse der Anthropophagie.[6]

Er vertritt den Standpunkt, dass sich die sexuelle Orientierung und die sexuelle Präferenzstruktur in der Jugend ausbilden und danach unveränderlich sind.[7] Das sexuelle Bedürfnis sei im Kern Ausdruck der Sehnsucht, vom Liebespartner angenommen, anerkannt zu werden. Dies gelte für Heterosexuelle genauso wie für Homosexuelle oder Pädophile. Daher vertritt er den therapeutischen Ansatz, dass der Pädophile seine sexuelle Neigungen kontrollieren soll. Dabei soll ihm eine Erhöhung der Hemmschwellen beispielsweise durch ein sich hineinversetzen in das Kind in der Kontrolle bestärken. Die Unversehrtheit des Kindes sei immer das höhere Rechtsgut. Die genannten Hemmschwellen würden abgebaut, wenn Pädophile beispielsweise in Second Life virtuell pädophile Handlungen einüben würden.[8][9]

Kritik

Auf Grund seiner Theorien über Geschlechtsidentitätsstörungen, seinen kontrollierenden Hausbesuchen bei Gutachtenpatienten und seinen Therapieversuchen vor allem an von der Psychoanalyse "prähomosexuell" bezeichneten Kindern[10], steht Beier in der Kritik verschiedener Nichtregierungsorganisationen[11]. Laut Beier sei es bei möglichst früher Behandlung möglich, Kinder mit "Geschlechtsidentitätsstörungen" mit ihrem Geburtsgeschlecht zu versöhnen[12]. In Einzel- oder Gruppentherapie sei es möglich, geschlechtsatypische Verhaltensweisen zu unterbinden und identifikationsfördernde Aktivitäten zu stärken.

Werke

  • Klaus Michael Beier (Hrsg.): Sexualität zwischen Medizin und Recht. Stuttgart 1991
  • Weiblichkeit und Perversion : von der Reproduktion zur Reproversion, Stuttgart 1994, ISBN 3-437-11515-4
  • Dissexualität im Lebenslängsschnitt : theoretische und empirische Untersuchungen zu Phänomenologie und Prognose begutachteter Sexualstraftäter, Berlin 1995, ISBN 3-540-59011-0
  • Klaus Michael Beier (Hrsg.): Sexualwissenschaft und Interdisziplinarität. Beiträge einer Fachtagung. 1998.
  • Sexualität und Partnerschaft bei Morbus Parkinson ; ein Leitfaden für Betroffene und ihre Partner, Potsdam 2000, ISBN 3-9806784-0-7
  • Lust in Beziehungen : Einführung in die syndyastische Sexualtherapie als fächerübergreifendes Therapiekonzept der Sexualmedizin, zusammen mit Kurt Loewit, Ch. Ahlers, A. Pauls, Berlin 2004, ISBN 3-540-20071-1
  • Sexuelle Gesundheit und partnerschaftliche Zufriedenheit : syndyastische Sexualtherapie, zusammen mit Christoph J. Ahlers, Berlin 2005, ISBN 3-9806784-1-5
  • Sexueller Kannibalismus : sexualwissenschaftliche Analyse der Anthropophagie, unter Mitarb. von Christoph J. Ahlers, München 2007, ISBN 978-3-437-23930-4

Fußnoten

  1. Sexualmedizin. (online)
  2. K. M. Beier, Ch. J. Ahlers, G. A. Schäfer & W. Vance: Gesundheit, Lebensqualität und Sexualität bei Männern. Ergebnisse einer Fragebogenerhebung zur Häufigkeit erektiler Dysfunktion bei Berliner Männern. In: Sexuologie. Band 10, Nr. 3, 2003
  3. Das Präventionsprojekt Dunkelfeld (PPD). (online)
  4. Samir Rabbata: Präventionsprojekt: Therapie für Pädophile. In: Deutsches Ärzteblatt. 17. Juni 2005
  5. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Charité-Studie: Therapie Pädophiler kann Kindesmissbrauch verhindern. 30. Mai 2007
  6. Ärzteblatt Sachsen-Anhalt: Das Fachbuch. 2/2008, S. 55
  7. Harald Zaun: Projekt- und Therapieziel: Kinderseelen retten! In: Telepolis. 9. November 2011
  8. Eberhard Rathgeb & Claudius Seidl: Gefährliche Erregung: Ist Pädophilie wirklich therapierbar? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. , archiviert vom Original am 7. Juni 2010; abgerufen am 7. Juni 2010 (Interview).
  9. Stefan Tomik: Im Gespräch: Klaus Beier über Kinderpornographie: „Ein großer unethischer Menschenversuch“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 28. Mai 2010, archiviert vom Original am 7. Juni 2010; abgerufen am 7. Juni 2010.
  10. Martin Dannecker in: Volkmar Sigusch (Hrsg.) "Sexuelle Störungen und ihre Behandlung", Thieme-Verlag 2007, S.60
  11. http://de.indymedia.org/2010/10/292699.shtml
  12. Klaus M. Beier, H. Bosinski, K. Loewit - Sexualmedizin, Elsevier 2005