John Cassavetes

John Cassavetes (griechisch Ιωάννης Νικόλαος Κασσαβέτης; * 9. Dezember 1929 in New York City; † 3. Februar 1989 in Los Angeles) war ein US-amerikanischer Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler.

Leben

John Cassavetes (eigentl. Ioannis Kassavetes) wuchs als Sohn griechischer Einwanderer (Mutter: Schauspielerin Katherine Cassavetes, Vater: Geschäftsmann) in Manhattan auf und studierte an der Colgate University und an der New York Academy of Dramatic Arts, die er 1953 abschloss.[1]

Er arbeitete als Filmkomparse und Hilfsinspizient am Broadway und verschiedenen New Yorker Theatern, bevor er seine erste bedeutende Rolle als Schauspieler in Budd Schulbergs Fernsehfilm Paso Doble erhielt.[1] Es folgten eine TV-Karriere (über 80 Rollen in zwei Jahren) und erste Einsätze als Schauspieler im Kino. Hollywood entdeckte den jungen Schauspieler 1953. Größere Rollen in Ein Mann besiegt die Angst (1956), Das dreckige Dutzend (1967), Rosemaries Baby (1968) und die in den USA lange laufende Fernsehserie Johnny Staccato brachten neben einem erheblichen Bekanntheitsgrad das nötige Geld für eigene Regieprojekte.[2]

1956 eröffnete Cassavetes einen Workshop für arbeitslose Schauspieler, in dem nach der Stanislawski-Methode gearbeitet wurde, um Produzenten und Regisseure für die eigene Arbeit zu interessieren, nachdem er vergeblich versucht hatte, seine Freunde in TV- und Filmproduktionen unterzubringen. Aus diesem Workshop entwickelte sich seine Hinwendung zu Gruppenarbeit und Improvisation, woraus zwischen 1957 und 1959 der Film Shadows entstand. Das später viel beachtete Werk wurde mit kleinstem Budget auf 16-mm-Film gedreht und erst später auf 35-mm-Film überspielt („aufgeblasen“). In dieser kinotauglichen Version erhielt der Film 1960 den Kritikerpreis der Mostra in Venedig.

Zwei Filme inszenierte Cassavetes danach für Hollywood-Studios. Arbeitsbedingungen und die Ergebnisse der Filme Too Late Blues (1961) und A Child Is Waiting (1962) waren für den Regisseur deprimierend. Der darauf folgende, unabhängig produzierte Film Faces (1968) wird heute filmhistorisch als Cassavetes' Befreiung aus den Zwängen Hollywoods interpretiert. Für A Woman Under The Influence (1974) gründete er die Produktionsgesellschaft „Faces International“, der später „Faces Distribution Corp.“ folgte[1].

Grab von John Cassavetes auf dem Westwood Village Memorial Park Cemetery

Von 1954 bis zu seinem Tod war John Cassavetes mit der Schauspielerin Gena Rowlands verheiratet, die durch ihre Rollen in seinen Filmen sein Schaffen maßgeblich beeinflusste. Aus der Ehe entsprangen ein Sohn und zwei Töchter, die ebenfalls in der Filmbranche als Schauspieler und Filmemacher tätig sind: Nick Cassavetes, Alexandra Katherine Cassavetes und Zoe R. Cassavetes. John Cassavetes verstarb am 3. Februar 1989 an den Folgen einer Leberzirrhose[2].

Wirken

Bereits Cassavetes’ Rollen als Schauspieler loteten häufig die menschlichen Grenzen aus, wie etwa der egomanische Ehemann in Rosemaries Baby, der einen Pakt mit dem Satan schließt, um seine Karriere voranzutreiben, oder der selbstsüchtige Bruder eines ehemaligen Revolverhelden, der sich in Robert Parrishs Western Vom Teufel geritten um jeden Preis von seinem Bruder emanzipieren will und dabei einige Menschen umbringt.

Später hauptsächlich durch seine Arbeit als Drehbuchautor und Regisseur bekannt geworden, gilt John Cassavetes heute als einer der geistigen Väter und Wegbereiter des amerikanischen Independentfilms.[3]

Sein 1957 bis 1959 entstandener Film Schatten (Shadows) wird heute als Ausgangspunkt einer einmaligen Erneuerung des amerikanischen Kinos gesehen. Was später in den sechziger Jahren als New American Cinema, Direct Cinema, Independent Cinema oder New Hollywood neue filmische Ausdrucksformen verfolgte und damit das klassische Hollywood hinter sich ließ, ist ohne Cassavetes’ Vorarbeit kaum denkbar[4].

Seine Filme handeln häufig von Menschen aus Mittelstand und Kleinbürgertum. Seine Figuren bewegen sich meist außerhalb der von Hollywood etablierten Kategorien wie Gut und Böse, fernab von den damals filmisch populären Idealen wie Schönheit, Heldentum, Reinheit und Tugend. Mit Independent-Dramen wie Schatten, Gesichter und Ehemänner prägte er als Regisseur und Drehbuchautor eine neue Form der Filmkunst, die erstmals außerhalb der großen Hollywood-Studios entstand.[2] Stilmittel sind eine für damalige Verhältnisse ungewohnte, bewegte Handkameraführung, gelegentliche Unschärfen, ein zurückhaltender Umgang mit Kunstlicht, Bevorzugung von Originalschauplätzen gegenüber Studiosets und plötzlich abbrechende Filmszenen. Sie waren das Resultat oft niedriger Produktionsbudgets und zugleich Ausdruck seiner Vernachlässigung der Technik zugunsten der Darsteller. Cassavetes konnte der Machart der Filme aus den großen Hollywood-Studios wenig abgewinnen. Wegen seiner unkonventionellen Arbeitsweise ist er wiederholt mit den Geldgebern der großen Studios aneinandergeraten. Er setzte in seinen Produktionen gern Laiendarsteller und junge, unerfahrene Filmtechniker ein, um seine Methoden mit einem noch nicht von Hollywood geprägten Team zu erarbeiten.

In seinen Filmen stand das Spiel mit den Schauspielern immer im Vordergrund, die Kamera war immer nah an ihren Gesichtern. Er gilt neben bekannten Hollywood-Größen wie Marilyn Monroe und Marlon Brando als einer der damals frühen Verfechter des sogenannten Method Acting, einer Schauspiel- und Lehrmethode, die von Lee Strasberg in den 1920er Jahren aufgegriffen und in den frühen 1950er Jahren bekannt gemacht, aber eigentlich aus den Theorien und protokollierten Beobachtungen des Regisseurs und Theaterreformers Stanislawski entwickelt worden ist.

In Cassavetes’ Filmen spielen häufig dieselben Schauspieler, da er gern Schauspielern, die er kannte, eine Rolle "auf den Leib" schrieb. Die meisten seiner Darsteller waren Freunde, frühere Kollegen von der Schauspielschule, Laien und Familienangehörige wie Peter Falk, Seymour Cassel, Ben Gazzara und Gena Rowlands.

Zitate

„Sagt was ihr seid. Nicht, was ihr gern wärt, und auch nicht, was ihr sein müsstet. Sagt einfach, was ihr seid. Das ist allemal genug.“

John Cassavetes

„Ich mache gern schwierige Filme, bei denen die Leute schreiend rauslaufen. Ich bin schließlich nicht in der Unterhaltungsbranche.“

John Cassavetes

„Niemand konnte arbeiten wie er. Niemand hat auch nur eine Ahnung, wie man so arbeiten kann wie er.“

Filmografie (Auswahl)

Regie

Darsteller

Drehbuch

Auszeichnungen[6]

  • 1960 Internationale Filmfestspiele von Venedig, Pasinetti Award, für Schatten (1959)
  • 1961 (nominiert) BAFTA Film Award Bester Film, für Schatten (1959)
  • 1961 (nominiert) UN Award, für Schatten (1959)
  • 1963 (nominiert) Nastro d’Argento, Beste Regie ausländischer Film, für Schatten (1959)
  • 1968 (nominiert) Laurel Awards: Golden Laurel, Bester Nebendarsteller, 4. Platz, für Das dreckige Dutzend (1967)
  • 1968 (nominiert) Oscar als Bester Nebendarsteller für Das dreckige Dutzend (1967)
  • 1968 (nominiert) Golden Globe, als Bester Nebendarsteller, für Das dreckige Dutzend (1967)
  • 1968 NYFCC Award (New York Film Critics Circle), Bester Regisseur, 2. Platz, für Gesichter (1968/I)
  • 1968 (nominiert) Internationale Filmfestspiele von Venedig, Goldener Löwe, für Gesichter (1968/I)
  • 1968 Internationale Filmfestspiele von Venedig, Pasinetti Award - Bester Film, für Gesichter (1968/I)
  • 1969 NSFC Award (National Society of Film Critics), Bestes Drehbuch, für Gesichter (1968/I)
  • 1969 (nominiert) Oscar für das beste Drehbuch für Gesichter (1968/I)
  • 1969 (nominiert) Writers Guild of America, WGA Award (Screen), Bestes Drehbuch für Gesichter (1968/I)
  • 1970 (nominiert) Laurel Awards: Golden Laurel, Bester Regisseur, 9. Platz
  • 1971 (nominiert) Golden Globe, Bestes Drehbuch, für Husbands (1970)
  • 1971 (nominiert) Laurel Awards: Golden Laurel, Bester Regisseur, 6. Platz
  • 1973 (nominiert) Writers Guild of America, WGA Award (Screen), Bestes Drehbuch für Minnie und Moskowitz (1971)
  • 1975 (nominiert) Writers Guild of America, WGA Award (Screen), Bestes Drehbuch für Eine Frau unter Einfluß (1974)
  • 1975 (nominiert) Oscar als Bester Regisseur, für Eine Frau unter Einfluß (1974)
  • 1975 (nominiert) Golden Globe, als Bester Regisseur - Motion Picture, für Eine Frau unter Einfluß (1974)
  • 1975 (nominiert) Golden Globe, Bestes Drehbuch, für Eine Frau unter Einfluß (1974)
  • 1975 Internationales Filmfestival von San Sebastián, OCIC Award - Ehrenvolle Erwähnung für Eine Frau unter Einfluß (1974)
  • 1975 Internationales Filmfestival von San Sebastián, Silver Seashell, für Eine Frau unter Einfluß (1974)
  • 1978 (nominiert) Internationale Filmfestspiele Berlin, Goldener Berliner Bär, für Opening Night (1977)
  • 1980 (nominiert) Primetime Emmy Award, Flesh & Blood (1979) (TV), (Outstanding Supporting Actor in a Limited Series or a Special, CBS)
  • 1980 Internationale Filmfestspiele von Venedig, Goldener Löwe, für Gloria, die Gangsterbraut (1980)
  • 1980 Internationale Filmfestspiele von Venedig, OCIC Award - ehrenvolle Erwähnung, für Gloria, die Gangsterbraut (1980)
  • 1984 Internationale Filmfestspiele Berlin, FIPRESCI Preis, für Love Streams (1984)
  • 1984 Internationale Filmfestspiele Berlin, Goldener Berliner Bär, für Love Streams (1984)
  • 1984 Nastro d’Argento, Bester ausländischer Schauspieler, für Love Streams (1984)
  • 1986 Career Achievement Award der Los Angeles Film Critics Association

Literatur

  • Andrea B. Braidt, Elisabeth Büttner (Hrsg.): John Cassavetes: filmmaker, Wien : Böhlau, 2009
  • Ray Carney (Hrsg.): Cassavetes über Cassavetes, Verlag der Autoren, 2003. ISBN 3-88661-256-2
  • Anja Streiter: Das unmögliche Leben. Filme von J. C. Traversen 2. Berlin: Vorwerk 8. ISBN 3-930916-04-5
  • Andrea Lang, Bernhard Seiter (Hrsg.): John Cassavetes – Director, PVS Verleger, Wien, 1993. ISBN 3-901196-064
  • Georg Alexander, John Cassavetes, Wolfgang Jacobsen, Peter W. Jansen, Christa Maerker: John Cassavetes, Carl Hanser Verlag, Reihe Film 29, München, Wien, 1983
  • Stefan Lux: John Cassavetes. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008 [1. Auflage 1999], ISBN 978-3-15-010662-4, S. 121–123

Einzelnachweise

  1. a b c Georg Seeßlen: Liebesströme, Todesbilder filmzentrale.com mit Zitaten aus dem Lexikon zur Person John Cassavetes
  2. a b c Christina Nover: John Cassavetes wäre 80 geworden. In: Rhein-Zeitung.de. 2009, abgerufen am 1. Dezember 2012.
  3. Ray Carney: John Cassavetes auf den Seiten der Boston University (englisch)
  4. Sascha Keilholz: John Cassavetes Collection auf critic.de
  5. Oliver Baumgarten, Nikolaj Nikitin: Film ist Flitterwochen Interview mit Ben Gazzara (etwa 2003).
  6. IMDB Awards: John Cassavetes / Awards