„Gibellina“ – Versionsunterschied

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'''Gibellina''' ({{ScnS|Jibbiddina}} von {{ArS|جبل صغير|de=kleiner Hügel}}) ist eine kleine [[Stadt]] und [[Italienische Gemeinden|Comune]] im [[Freies Gemeindekonsortium Trapani|Freien Gemeindekonsortium Trapani]] in der Region [[Autonome Region Sizilien|Sizilien]] in [[Italien]] mit knapp 4.000 Einwohnern (2019). Sie liegt im [[Belice|Belìce]]<nowiki/>tal an der Strada Statale 188.
'''Gibellina''' ({{ScnS|Jibbiddina}} von {{ArS|جبل صغير|de=kleiner Hügel}}) ist eine kleine [[Stadt]] und [[Italienische Gemeinden|Comune]] im [[Freies Gemeindekonsortium Trapani|Freien Gemeindekonsortium Trapani]] in der Region [[Autonome Region Sizilien|Sizilien]] in [[Italien]] mit knapp 4.000 Einwohnern (2019). Sie liegt im [[Belice|Belìce]]<nowiki/>tal an der Strada Statale 188.


Die seit dem Spätmittelalter historisch gewachsene Stadt ('''Gibellina Vecchia''') wurde bei einem schweren Erdbeben im Januar 1968 fast vollständig zerstört. Daraufhin wurde eine neue Siedlung etwa neun Kilometer westlich errichtet ('''Gibellina Nuovo''') und auf einem Teil des Geländes der verlassenen historischen Siedlung 1989 bis 2015 das großflächiges Denkmal ''Cretto'' nach einem Entwurf [[Alberto Burri]]<nowiki/>s errichtet. Für den Bau der neuen Stadt wurden zahlreiche namhafte Architekten und Künstler beauftragt, darunter [[Oswald Mathias Ungers]], [[Arnaldo Pomodoro]], [[Gino Severini]] und [[Joseph Beuys]]. Dennoch steht die Stadt heute vor städtebaulichen Problemen und Herausfolgerungen.
Die seit dem Spätmittelalter historisch gewachsene Stadt ('''Gibellina Vecchia''') wurde bei einem schweren Erdbeben im Januar 1968 fast vollständig zerstört. Daraufhin wurde eine neue Siedlung etwa neun Kilometer westlich errichtet ('''Gibellina Nuovo''') und auf einem Teil des Geländes der verlassenen historischen Siedlung 1989 bis 2015 das großflächiges Denkmal ''Cretto'' nach einem Entwurf [[Alberto Burri]]<nowiki/>s errichtet. Für den Bau der neuen Stadt wurden zahlreiche namhafte Architekten und Künstler beauftragt, darunter [[Oswald Mathias Ungers]], [[Guiseppe Samonà]], [[Arnaldo Pomodoro]] und [[Gino Severini]]. Dennoch steht die Stadt heute vor städtebaulichen Problemen und Herausfolgerungen.


== Geographie ==
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Die unter der 25-jährigen Amtszeit (1969–1994) des [[Politische Linke|linken]] Bürgermeisters [[Ludovico Corrao]] geplante und realisierte Neuerrichtung der Stadt orientiert sich nicht direkt an der historischen Stadt, sondern ist den Prinzipien des [[Moderne (Architektur)|modernen]] Städtebaus verpflichtet.<ref>{{Literatur |Autor=Rosa Maria Provvidenza Pecoraro |Titel=Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971) |Verlag=Università degli Studi |Ort=Palermo |Datum=2012 |Seiten=27–28 |Kommentar=Dissertation}}</ref> Die Planung und städtebauliche Leitung unterlag dem Ingenieur [[Marcello Fabbri (Ingenieur)|Marcello Fabbri]]. Wichtige städtebauliche Überlegungen für den Wiederaufbau waren die Trennung von Fußgänger- und Autoverkehr, die Verwendung von sich widerholenden Reihenhäusern und die Idee einer zentralen Achse von kommunalen und Wirtschaftsgebäuden. Topographisch sollte die Stadt sich flächig etwa als Halbkreis ausbreiten und dem zur geplanten Autobahn und Zugstrecke abfallen. Der endgültige Plan von 1970 sah eine etwa halbkreisförmige Anlage mit einer mittigen Längsachse in Ost-West-Richtung vor und Infrastruktur und Wohnungen für 6.500 Einwohner.<ref>{{Literatur |Autor=Rosa Maria Provvidenza Pecoraro |Titel=Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971) |Verlag=Università degli Studi |Ort=Palermo |Datum=2012 |Seiten=32–34 |Kommentar=Dissertation}}</ref>
Die unter der 25-jährigen Amtszeit (1969–1994) des [[Politische Linke|linken]] Bürgermeisters [[Ludovico Corrao]] geplante und realisierte Neuerrichtung der Stadt orientiert sich nicht direkt an der historischen Stadt, sondern ist den Prinzipien des [[Moderne (Architektur)|modernen]] Städtebaus verpflichtet.<ref>{{Literatur |Autor=Rosa Maria Provvidenza Pecoraro |Titel=Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971) |Verlag=Università degli Studi |Ort=Palermo |Datum=2012 |Seiten=27–28 |Kommentar=Dissertation}}</ref> Die Planung und städtebauliche Leitung unterlag dem Ingenieur [[Marcello Fabbri (Ingenieur)|Marcello Fabbri]]. Wichtige städtebauliche Überlegungen für den Wiederaufbau waren die Trennung von Fußgänger- und Autoverkehr, die Verwendung von sich widerholenden Reihenhäusern und die Idee einer zentralen Achse von kommunalen und Wirtschaftsgebäuden. Topographisch sollte die Stadt sich flächig etwa als Halbkreis ausbreiten und dem zur geplanten Autobahn und Zugstrecke abfallen. Der endgültige Plan von 1970 sah eine etwa halbkreisförmige Anlage mit einer mittigen Längsachse in Ost-West-Richtung vor und Infrastruktur und Wohnungen für 6.500 Einwohner.<ref>{{Literatur |Autor=Rosa Maria Provvidenza Pecoraro |Titel=Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971) |Verlag=Università degli Studi |Ort=Palermo |Datum=2012 |Seiten=32–34 |Kommentar=Dissertation}}</ref>

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Zahlreiche bekannte Architekten, Bildhauer und Maler stifteten Kunstwerke für die Plätze der neuen Stadt. Dazu zählten zum Beispiel [[Rob Krier]], [[Oswald Mathias Ungers]], [[Pietro Consagra]], [[Arnaldo Pomodoro]], [[Renato Guttuso]] und [[Joseph Beuys]]. Heute ist Gibellina die Stadt mit der höchsten Dichte an moderner Kunst in ganz Italien.
Zahlreiche bekannte Architekten, Bildhauer und Maler stifteten Kunstwerke für die Plätze der neuen Stadt. Dazu zählten zum Beispiel [[Rob Krier]], [[Oswald Mathias Ungers]], [[Pietro Consagra]], [[Arnaldo Pomodoro]], [[Renato Guttuso]] und [[Joseph Beuys]]. Heute ist Gibellina die Stadt mit der höchsten Dichte an moderner Kunst in ganz Italien.

Version vom 22. Juni 2022, 21:58 Uhr

Gibellina
Gibellina (Italien)
Gibellina (Italien)
Staat Italien
Region Sizilien
Freies Gemeindekonsortium Trapani (TP)
Lokale Bezeichnung Gibbiddina / Ibbiddina
Koordinaten 37° 49′ N, 12° 52′ OKoordinaten: 37° 49′ 0″ N, 12° 52′ 0″ O
Höhe 227 m s.l.m.
Fläche 45 km²
Einwohner 3.801 (31. Dez. 2022)[1]
Postleitzahl 91024
Vorwahl 0924
ISTAT-Nummer 081010
Bezeichnung der Bewohner Gibellinesi
Schutzpatron San Rocco
Website gibellina.gov.it

Gibellina (sizilianisch Jibbiddina von arabisch جبل صغير ‚kleiner Hügel‘) ist eine kleine Stadt und Comune im Freien Gemeindekonsortium Trapani in der Region Sizilien in Italien mit knapp 4.000 Einwohnern (2019). Sie liegt im Belìcetal an der Strada Statale 188.

Die seit dem Spätmittelalter historisch gewachsene Stadt (Gibellina Vecchia) wurde bei einem schweren Erdbeben im Januar 1968 fast vollständig zerstört. Daraufhin wurde eine neue Siedlung etwa neun Kilometer westlich errichtet (Gibellina Nuovo) und auf einem Teil des Geländes der verlassenen historischen Siedlung 1989 bis 2015 das großflächiges Denkmal Cretto nach einem Entwurf Alberto Burris errichtet. Für den Bau der neuen Stadt wurden zahlreiche namhafte Architekten und Künstler beauftragt, darunter Oswald Mathias Ungers, Guiseppe Samonà, Arnaldo Pomodoro und Gino Severini. Dennoch steht die Stadt heute vor städtebaulichen Problemen und Herausfolgerungen.

Geographie

Gibellina liegt 37 km südöstlich von Trapani auf einer Höhe von 227 m im Belìcetal. Die Gemeinde bedeckt eine Fläche von 45 km².

Die Nachbargemeinden sind Calatafimi Segesta, Monreale (PA), Poggioreale, Salaparuta, Santa Ninfa, Salemi und Vita.

Geschichte

Die Stadt wurde im 14. Jahrhundert gegründet.

Bei einem schweren Erdbeben im Belicetal am 15. Januar 1968 wurde sie nahezu vollständig zerstört, ebenso wie Montevago, Poggioreale und Salaparuta. In einer Reihe von weiteren Gemeinden kam es zu schwerwiegenden Zerstörungen. Bei den vier nahezu vollständig zerstörten Siedlungen wurde durch die zuständigen staatlichen Institutionen, das Ispettorato Generale per le Zone Terremotate della Sicilia (Generalinspektion für die erdbebengeschädigten Gebiete Siziliens) und das Istituto per lo Sviluppo dell’Edilizia Sociale (I.S.E.S) (Institut für die Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus) mit Sitz in Rom, entschieden, sie vollständig neu zu errichten und die Bewohner umzusiedeln. Diese wurden bis zur Errichtung der neuen Siedlungen in temporären Lagern untergebracht. Für die Bewohner von Gibellina wurde das sogenannte Villaggio I.R.I. (I.R.I.-Siedlung) in Madonna delle Grazie und ein Lager in Rampinzeri errichtet.[2]

Der ursprüngliche Plan des I.S.E.S. sah einen Wiederaufbau der zerstörten Siedlungen in mittelgroßen Ballungszentren vor, was aufgrund von Protesten der Bewohner jedoch nicht umgesetzt wurde und die Siedlungen in mehr oder weniger großer Entfernung von den historischen Zentren wiedererrichtet wurden.[3] Gibellina Nuova wurde letztlich 18 Kilometer (9 km Luftlinie) von der historischen Stadt entfernt errichtet, auf dem Gemeindegebiet von Salemi und Santa Ninfa.[4]

Die unter der 25-jährigen Amtszeit (1969–1994) des linken Bürgermeisters Ludovico Corrao geplante und realisierte Neuerrichtung der Stadt orientiert sich nicht direkt an der historischen Stadt, sondern ist den Prinzipien des modernen Städtebaus verpflichtet.[5] Die Planung und städtebauliche Leitung unterlag dem Ingenieur Marcello Fabbri. Wichtige städtebauliche Überlegungen für den Wiederaufbau waren die Trennung von Fußgänger- und Autoverkehr, die Verwendung von sich widerholenden Reihenhäusern und die Idee einer zentralen Achse von kommunalen und Wirtschaftsgebäuden. Topographisch sollte die Stadt sich flächig etwa als Halbkreis ausbreiten und dem zur geplanten Autobahn und Zugstrecke abfallen. Der endgültige Plan von 1970 sah eine etwa halbkreisförmige Anlage mit einer mittigen Längsachse in Ost-West-Richtung vor und Infrastruktur und Wohnungen für 6.500 Einwohner.[6]

Zahlreiche bekannte Architekten, Bildhauer und Maler stifteten Kunstwerke für die Plätze der neuen Stadt. Dazu zählten zum Beispiel Rob Krier, Oswald Mathias Ungers, Pietro Consagra, Arnaldo Pomodoro, Renato Guttuso und Joseph Beuys. Heute ist Gibellina die Stadt mit der höchsten Dichte an moderner Kunst in ganz Italien.

Das Konzept der neu aufgebauten Stadt wurde von den Bewohnern nie richtig angenommen. Einige Teile der Stadt sind nicht mehr bewohnt. Viele Monumente und Kunstwerke sind verfallen.

Kultur

Alberto Burri, Creto di Burri, 1989–2015, Beton, 300 × 400 m, Gibellina
(hier Zustand 2009)

Gibellina Vecchia

Ein Teil der Ruinen von Gibellina wurde von dem Künstler Alberto Burri unter einer dicken Schicht aus weißem Beton begraben. Begehbare Einschnitte über den alten Gassen vermitteln einen Eindruck von der Enge der ursprünglichen Stadt.[7] In dem Theater in der Nähe des Kunstwerkes finden regelmäßig von Juni bis Oktober Theaterfestspiele statt.

Gibellina Nuova

Der Stern von Gibellina ist ein großes, sternförmiges Tor, das 1980 von Pietro Consagra über die Zugangsstraße nach Gibellina errichtet wurde.

Pietro Consagra, Stern von Gibellina, 1980

Ein Beispiel moderner Architektur ist die Kirche Chiesa Madre von Ludovico Quaroni und Luisa Anversa von 1987. Der schlichte, quadratische Kirchenraum ist entlang seiner Diagonale orientiert und öffnet sich hinter dem Altar in einen großen, nicht begehbaren kugelförmigen Raum, dessen freistehendes, weiß gestrichenes Volumen das äußere Erscheinungsbild der Kirche prägt.[8][9]

Sehenswerte Museen sind das Ethno-Anthropologische Museum und das Museum der modernen Kunst, in dem ein Großteil der Künstlerspenden aus aller Welt ausgestellt wird.

Wirtschaft und Infrastruktur

Die Einwohner arbeiten fast ausschließlich in der Landwirtschaft.

Literatur

Commons: Gibellina – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bilancio demografico e popolazione residente per sesso al 31 dicembre 2022. ISTAT. (Bevölkerungsstatistiken des Istituto Nazionale di Statistica, Stand 31. Dezember 2022).
  2. Rosa Maria Provvidenza Pecoraro: Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971). Università degli Studi, Palermo 2012, S. 17–18 (Dissertation).
  3. Rosa Maria Provvidenza Pecoraro: Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971). Università degli Studi, Palermo 2012, S. 23 (Dissertation).
  4. Rosa Maria Provvidenza Pecoraro: Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971). Università degli Studi, Palermo 2012, S. 25 (Dissertation).
  5. Rosa Maria Provvidenza Pecoraro: Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971). Università degli Studi, Palermo 2012, S. 27–28 (Dissertation).
  6. Rosa Maria Provvidenza Pecoraro: Il restauro del moderno. Il municipio di Gibellina Nuovo (1970–1971). Università degli Studi, Palermo 2012, S. 32–34 (Dissertation).
  7. Oliver Lück: Einsam auf Sizilien: Verdammt und zubetoniert. Spiegel Online, 4. Mai 2015, abgerufen am 4. Mai 2015.
  8. Chiesa Madre a Gibellina nuova di Ludovico Quaroni - data di costruzione 1987. Pläne der Kirche auf ArchWeb, abgerufen am 21. August 2021.
  9. Salvatore Marra: Ludovico Quaroni: Chiesa Madre di Gibellina. Architekturfotografien auf Divisare, 27. August 2018.