„Geschichte des Glases“ – Versionsunterschied

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[[Glas]] wurde erstmals etwa im [[5. Jahrtausend v. Chr.|5. Jahrtaustend v. Chr.]] als Nebenprodukt der [[Glasur (Keramik)|Glasur]] hergestellt. Als eigenständiges Produkt erscheint es erstmals im [[Altes Ägypten|Ägypten]] und [[Mesopotamien|Mesopotamiens]] des [[3. Jahrtausend v. Chr.|3. Jahrtausends v. Chr.]] als [[Glasperle|Glasperlen]]. Seit der Antike wurde neben [[Hohlglas]] (für [[Trinkglas|Trinkgläser]]) auch [[Flachglas]] (für [[Fenster]]) hergestellt. Bis ins 17. Jahrhundert wurde die Glas ausschließlich durch [[Glasbläser|Glasblasen]] hergestellt, bis um 1900 noch überwiegend.{{Belege fehlen|Zur Nachvollziehbarkeit der Artikelinhalte könnte Einzelbelege hilfreich sein}}
{{Dieser Artikel|behandelt den Werkstoff Glas; zu weiteren Bedeutungen siehe [[Glas (Begriffsklärung)]].}}
[[Datei:Belitski, Ludwig - 14 Venezianische und deutsche Gläser und eine orientalische Glas-Vase aus Milch- und Opalglas, mit eingebrannter Vergoldung und Malerei. 2-5 Naturgröße. 16., 17. und 18. Jahrhundert, Liegnitz (Zeno Fotografie).jpg|mini|hochkant=1.2|Venezianische und deutsche Gläser sowie eine orientalische Vase aus Milch- und Opalglas, mit eingebrannter Vergoldung und Malerei aus dem 16. bis 18. Jahrhundert (Foto von Ludwig Belitski, 1855)]]


== Hohlglas ==
'''Glas''' (von [[Germanische Sprachen|germanisch]] ''glasa'' „das Glänzende, Schimmernde“, auch für „[[Bernstein]]“) ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe [[Amorphes Material|amorpher]] [[Feststoff]]e. Die meisten Gläser bestehen hauptsächlich aus [[Siliciumdioxid]], wie [[Trinkglas|Trink-]] oder [[Flachglas|Fenstergläser]]; diese – meist [[Transparenz (Physik)|lichtdurchlässigen]] – Silikat-Gläser haben wirtschaftlich die weitaus größte Bedeutung aller Gläser. Auch [[Metallisches Glas|amorph erstarrte Metalle]] sind Gläser. Gläser aus organischen Materialien sind beispielsweise der natürliche Bernstein oder viele [[Kunststoff]]e wie [[Polymethylmethacrylat|Acrylglas]]. Durch sehr schnelles Abkühlen aus dem flüssigen oder gasförmigen Zustand kann nahezu jeder Stoff in ein ([[Metastabilität|metastabiles]]) Glas überführt werden.<ref>{{RömppOnline|ID=RD-07-01164|Name=Glas|Abruf=2013-01-21}}</ref> Es gibt eine sehr große Anzahl von Gläsern verschiedener Zusammensetzungen, die aufgrund ihrer Eigenschaften von wirtschaftlichem oder wissenschaftlichem Interesse sind. Wegen der breiten Palette von Anwendungen für Gläser gibt es auch vielfältige Techniken zu deren Erzeugung und Formgebung. Viele dieser Techniken sind bereits sehr alt und werden – von ihrem Grundprinzip her unverändert – auch heute noch industriell umgesetzt.


=== Frühzeit ===
[[Datei:UNIQA-Tower-Fassade-01.JPG|mini|hochkant=1.2|Glasfassade des [[Uniqa Tower|UNIQA Towers]] in Wien]]
[[Datei:ObsidianBladeChiapaTuxtla.JPG|mini|Eine Messerklinge aus dem natürlichen Glas Obsidian]]
[[Datei:Glaskelch_Thutmosis_III.jpg|links|mini|Glaskelch [[Thutmosis III.|Thutmosis' III.]], ältestes sicher zu datierendes Glasgefäß der Welt ([[Staatliches Museum Ägyptischer Kunst]], [[München]])]]
[[Datei:Gladiatorhelm_-_Tropffläschchen_-_1JHnch-2.jpg|mini|Römisches Tropffläschchen in Form eines [[Gladiator|Gladiatorhelms]], 1.&nbsp;Jahrhundert n.&nbsp;Chr. ([[Römisch-Germanisches Museum]], [[Köln]])]]
[[Datei:Turicum_-_Thermengasse_-_Salbölfläschchen_2010-06-19_20-43-14.JPG|mini|[[Salböl|Salbölfläschchen]] aus dem römischen Vicus ''Turicum'']]
Natürliches Glas wie [[Obsidian]] wurde wegen seiner großen Härte und des scharfen Bruchs seit frühester Zeit für Werkzeuge wie Keile, Klingen, Schaber und Bohrer benutzt. Obsidian konnte jedoch – anders als künstlich hergestelltes Glas – mit antiken Mitteln nicht geschmolzen oder gefärbt werden.


Auch die natürlich vorkommenden [[Transluzenz|transluzenten]] und [[Spaltbarkeit|spaltbaren]] Minerale [[Glimmer]] und [[Marienglas]] wurden als [[Fensterglas]] verwendet, bevor man in der Lage war, entsprechend große und gleichmäßig dicke Scheiben künstlich herzustellen. Die Römer nannten Marienglas ''Lapis specularis''. Der römische Geschichtsschreiber [[Plinius der Ältere]] (23/24–79) beschrieb in seiner Enzyklopädie ''[[Naturalis historia]]'' den Abbau und die Verarbeitung von Lapis specularis zu Fensterscheiben und Lampen.
== Definition ==
[[Datei:SiO² Quartz.svg|mini|hochkant|SiO<sub>2</sub> als Kristall: [[Quarz]]-Kristall]]
[[Datei:Silica.svg|mini|hochkant|SiO<sub>2</sub> als Glas: [[Quarzglas]]]]


Ob die Glasherstellung in [[Mesopotamien]], im [[Altes Ägypten|alten Ägypten]] oder an der [[Levante|Levanteküste]] erfunden wurde, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Die ältesten Glasfunde stammen aus Mesopotamien; altägyptische Quellen deuten für die Anfangsphase der Glasnutzung in Ägypten auf einen Import aus dem Osten hin. Die älteste textliche Erwähnung stammt aus [[Ugarit]] und wird auf etwa 1600 v.&nbsp;Chr. datiert. Als älteste Funde gelten die [[Nuzi]]-Perlen. Das älteste sicher zu datierende Glasgefäß ist ein Kelch, der den [[Thronname|Thronnamen]] von [[Pharao]] [[Thutmosis III.]] trägt und um 1450 v.&nbsp;Chr. entstand. Der Kelch befindet sich seit dem 20. Jahrhundert im [[Staatliches Museum Ägyptischer Kunst|Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst]] in [[München]].
Glas ist eine [[Amorphes Material|amorphe]] Substanz, die durch [[Schmelzen]] erzeugt wird. Die Herstellung von Glas ist auch durch die Erwärmung von [[Sol-Gel]] und durch [[Stoßwelle]]n möglich. [[Thermodynamik|Thermodynamisch]] wird Glas als gefrorene, [[Unterkühlte Schmelze|unterkühlte Flüssigkeit]] bezeichnet. Diese Definition gilt für alle Substanzen, die geschmolzen und entsprechend schnell abgekühlt werden. Das bedeutet, dass sich bei der [[Erstarrung]] der Schmelze zum Glas zwar [[Kristallisationskeim|Kristallkeime]] bilden, für den [[Kristallisation]]sprozess jedoch nicht genügend Zeit bleibt. Vereinfachend dargestellt ist der atomare Aufbau eines Glases dem einer [[Viskosität|hochviskosen]] Flüssigkeit vergleichbar.<ref name="Jebsen">Hans Jebsen-Marwedel: ''Glastechnische Fabrikationsfehler.'' 4. Auflage.</ref>{{rp|3}}
Auch nach Jahrzehnten fließt Glas jedoch nicht in dem Maße, dass dies zu der an historischen Gläsern häufig zu beobachtenden Schlierenbildung führen würde. Diese sind vielmehr auf die damaligen Herstellungsprozesse wie den [[Fourcault-Prozess]] zurückzuführen.


Glas wurde in Ägypten seit etwa 1450 v.&nbsp;Chr. zu Gefäßen verarbeitet ([[Glaskunst#%C3%84gypten|siehe unten]]). Der Herstellungsort dieses frühesten Glases ist allerdings unbekannt, er wird in [[Theben (Ägypten)|Theben]] vermutet, gegenüber dem heutigen [[Luxor]]. Die bekannteste Verarbeitungstechnik beruht auf dem Herstellen von Hohlgefäßen durch das Wickeln von erweichten Glasstäbchen um einen porösen Keramikkern, der anschließend herausgekratzt wurde. Die besten Funde hierzu liegen aus den Grabungen von [[Flinders Petrie]] aus [[Amarna]] vor. Die bislang einzige bekannte bronzezeitliche [[Glashütte]], in der Glas aus seinen Rohstoffen hergestellt wurde, datiert in die [[Ramessidenzeit]] und wurde Ende der 1990er Jahre bei Grabungen des [[Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim|Roemer- und Pelizaeus-Museums]] (Hildesheim) unter der Leitung von Edgar Pusch im östlichen [[Nil]]-Delta in [[Qantir-Piramesse]] gefunden. Untersuchungen gaben Aufschluss über das Schmelzverfahren. So wurde [[Quarz|Quarzgestein]] zerkleinert, mit sodahaltiger Pflanzenasche vermengt, in einen Krug gefüllt und bei vielleicht 800&nbsp;°C zu einer [[Fritte (Werkstoff)|Fritte]] geschmolzen. Diese Fritte wurde nach dem Abkühlen vermutlich zerkleinert und in einer zweiten Schmelze in speziell hergestellten [[Tiegel (Gefäß)|Tiegeln]] bei 900 bis 1100&nbsp;°C zu einem 8 bis 10&nbsp;cm hohen Barren mit 10 bis 14&nbsp;cm Durchmesser geschmolzen. Das Glas wurde dabei durch Beimischen von Metall-Oxiden schwarz, violett, blau, grün, rot, gelb oder weiß gefärbt. Ein konkreter Zusammenhang von Glasherstellung und Metallgewinnung ist trotz der ähnlichen Temperaturen nicht nachzuweisen. Das gefärbte Rohglas wurde in Barrenform an die weiterverarbeitenden Werkstätten geliefert, die daraus monochrome und polychrome Objekte herstellten. Solche Glasbarren wurden im [[Schiff von Uluburun|Schiffswrack von Uluburun]] nahe dem türkischen [[Bodrum]] gefunden, das auf das 14. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. datiert ist. Die erste bekannte Rezeptur ist aus der Bibliothek des assyrischen Königs [[Assurbanipal]] überliefert, die auf ca. 650 v.&nbsp;Chr. datiert wird: ''Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide und du erhältst Glas.'' Zu dieser Zeit wurde schon wesentlich mehr Glas verarbeitet, und es entwickelte sich eine neue Glasschmelztechnik.
Der [[Transformationsbereich]], das ist der Übergangsbereich zwischen Schmelze und Feststoff, liegt bei vielen Glasarten um 600&nbsp;°C.
Trotz des nicht definierten Schmelzpunkts sind Gläser [[Festkörper]]. Allerdings werden sie in der Fachterminologie als „[[Ergodizität|nichtergodisch]]“ bezeichnet. Das heißt, ihre Struktur befindet sich nicht im [[Thermodynamisches Gleichgewicht|thermodynamischen Gleichgewicht]]. Viele [[Kunststoff]]e, wie zum Beispiel [[Plexiglas]], fallen wegen ihres amorphen Aufbaus und eines [[Glasübergang]]s ebenfalls in die Kategorie Gläser, obwohl sie eine völlig andere chemische Zusammensetzung aufweisen als Silikatgläser. Sie werden daher oft als [[Organischer Baustoff|organisches]] Glas bezeichnet.


=== Antike ===
Der Unterschied zwischen Gläsern und anderen amorphen Feststoffen liegt darin, dass Gläser beim Erhitzen im Bereich der [[Glasübergangstemperatur]] in den flüssigen Zustand übergehen, während nicht glasartige amorphe Substanzen dabei kristallisieren.<ref>Wissenschaft-Online-Lexika: ''Eintrag zu „Glas“ im Lexikon der Physik,'' abgerufen am 21. Januar 2013.</ref>
[[Plinius der Ältere]] beschreibt in der ''[[Naturalis historia]]'' die Herstellung des Glases. Chemische Analysen und Erkenntnisse der [[Experimentelle Archäologie|experimentellen Archäologie]] haben Plinius in vielen Fragen bestätigt. Zur [[Römerzeit]] wurde Glas (lateinisch ''vitrum'') mit Flusssand und Natron aus Ägypten geschmolzen. Das ägyptische Natron wurde am [[Sketische Wüste|Wadi Natrun]], einem natürlichen Natronsee in Nord-Ägypten, abgebaut und über [[Alexandria]] von den [[Phönizier|Phöniziern]] in den Mittelmeerraum exportiert. Dieses war verhältnismäßig rein und enthielt mehr als 40 Prozent [[Natriumoxid]] (die Angabe wurde wie in der [[Petrologie]] üblich auf das Oxid bezogen, faktisch liegt aber [[Natriumcarbonat]] vor) und bis zu 4 Prozent [[Calciumcarbonat|Kalk]]. Die Zusammensetzung machte es zu einem idealen Schmelzmittel. Plinius schreibt weiter von Glassandlagern in Italien, [[Hispanien]] und [[Gallien]], aber an keiner dieser Stätten entwickelte sich eine so bedeutende Glasherstellung wie an der palästinischen Küste zwischen [[Akkon]] und [[Tyros]] sowie in den ägyptischen Glashütten rund um den Wadi Natrun bei Alexandria.


Kaiser [[Diokletian]] legte im Jahr 301 die Preise für eine ganze Reihe von Produkten fest, unter anderem für Rohglas. Unterschieden wurde ''judaicum'' und ''alexandrium'', wobei Letzteres teurer und wahrscheinlich entfärbtes Glas war. Zu dieser Zeit war die Glasproduktion im Wesentlichen noch immer in Primär- und Sekundärwerkstätten gegliedert. In den Primärwerkstätten wurde in großen Schmelzwannen Rohglas geschmolzen, das dann an die Sekundärwerkstätten geliefert wurde, wo es in Tiegeln eingeschmolzen und verarbeitet wurde. In Bet Eli’ezer im heutigen Israel wurden 17 Glasschmelzwannen freigelegt, die jeweils 2&nbsp;×&nbsp;4&nbsp;m groß sind. Nachdem das Gemenge in die Wanne eingelegt worden war, wurde der Ofen zugemauert und 10 bis 15 Tage lang befeuert. Acht bis neun Tonnen blaues bzw. grünes Rohglas wurden so in nur einem Arbeitsgang erschmolzen. Nach dem Feuerungsstopp und dem Abkühlen wurde das Gewölbe des Ofens abgetragen, der Glasblock herausgestemmt und das Rohglas zur weiteren Verarbeitung versandt. Ein Schiffswrack aus dem 3. Jahrhundert, das an der südfranzösischen Küste gefunden wurde, hatte mehr als drei Tonnen Rohglas geladen.<ref>[http://www.persee.fr/doc/ran_0557-7705_2007_num_40_1_1181 Zum Schiffsfund Ouest-Embiez 1] (französisch)</ref> In Ägypten wurden Rohglashütten gefunden, die bis ins 10. Jahrhundert reichten. Die Ägypter benutzten [[Antimon]] zur Entfärbung, konnten also farbloses, durchsichtiges Glas herstellen.
Aus der Beobachtung der Eigenschaften der Gläser und ihrer Struktur wurden viele Versuche angestrengt, eine umfassende Definition für den Begriff Glas zu geben. Der anerkannte Glaswissenschaftler [[Horst Scholze]] führte eine Auswertung der gängigsten Definitionsversuche des Begriffs Glas durch. In seiner Monographie „Der Glaszustand“ (1933) formierte [[Gustav Tammann (Chemiker)|Gustav Tammann]] folgende Definition: ''„Im Glaszustand befinden sich die festen, nicht kristallisierten Stoffe.“'', während die [[American Society for Testing and Materials|ASTM]] 1945 als Definition ''„Glas ist ein anorganisches Schmelzprodukt, das im wesentlichen ohne Kristallisation erstarrt.“'' vorschlug. [[Franz Eugen Simon]] gab bereits 1930 eine Definition aus thermodynamischer Sicht: ''„Im physikochemischen Sinn ist Glas eine eingefrorene unterkühlte Flüssigkeit.“''. Nach Scholze haben alle dieser Definitionen ihre Berechtigungen, jedoch auch ihre Schwächen. So ist die Definition nach Tammann zu allgemein und schließt [[Kieselgel]], das ebenfalls ein nichtkristalliner Festkörper ist, nicht als Glas aus. Die Beschränkung der ASTM-Definition auf anorganische Substanzen wurde von Scholze als bedenklich bewertet, da mittlerweile einige organische Gläser bekannt sind.<ref name="Scholze">Horst Scholze: ''Glas. Natur, Struktur und Eigenschaften.'' 3. Auflage.</ref>{{rp|3 ff.}}<ref name="Vogel">[[Werner Vogel (Chemiker)|Werner Vogel]]: ''Glaschemie.'' 3. Auflage.</ref>{{rp|27 ff.}} Eine umfassende Definition wurde von der Kommission für Terminologie der [[UdSSR]] gegeben: ''„Als Gläser werden alle amorphen Körper bezeichnet, die man durch Unterkühlung einer Schmelze erhält, unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung und dem Temperaturbereich ihrer Verfestigung und die infolge der allmählichen Zunahme der Viskosität die mechanischen Eigenschaften der fester Körper annehmen. Der Übergang aus dem flüssigen in den Glaszustand muß dabei reversibel sein.“''<ref name="russ. Definition">Manfred Flemming: ''Faserverbundbauweisen.'' Springer-Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-540-58645-8, S. 52.</ref> Die Beschränkung der Gläser auf Festkörper, die aus einer Schmelzphase erhalten wurden, ist aus heutiger Sicht ebenfalls bedenklich, da auch der [[Sol-Gel-Prozess]] amorphe Festkörper bzw. Gläser hervorbringen kann.<ref name="Scholze" />{{rp|76 f.}} Die Besonderheit des Glaszustandes der Materie geht so weit, dass einige Forscher ihn als „vierten [[Aggregatzustand]] zwischen Festkörper und Flüssigkeit“ ansahen.<ref name="Jebsen" />{{rp|3}}
[[Datei:Römisches_Glas.JPG|mini|Römisches Parfumfläschchen aus Glas, 1.–3.&nbsp;Jh. n.&nbsp;Chr., 8,2&nbsp;cm hoch]]
Die Sekundärglashütten waren im ganzen Römischen Reich verbreitet und stellten Hohlglas, Flachglas und Mosaiksteine her. Das Rohglas wurde in einem Tiegel eingeschmolzen und mit der Pfeife im zähflüssigen Zustand aus dem Ofen genommen und verarbeitet. An der Pfeife konnte das Glas aufgeblasen werden, was die Herstellung von größeren Gefäßen und neuen Formen ermöglichte. Wurde bis dahin Glas für Perlen, Parfümfläschchen und Trinkschalen verwendet, verbreitete sich im Römischen Reich vor allem Behälterglas – im Gegensatz zu den üblichen Ton-, Holz-, Metall- oder Lederbehältnissen ist Glas geschmacksneutral – sowie [[Karaffe|Karaffen]] zum [[Kredenzen]] und in der Spätantike auch Trinkgläser.


[[Glasarmring|Glasarmringe]] sind eine typische Schmuckform, die neben gläsernen [[Fingerring|Fingerringen]] und Ringperlen zur mittleren [[La-Tène-Zeit]] im [[Kelten|keltischen]] [[Mitteleuropa]] als Frauenschmuck aufkommt und als Grabbeigabe gefunden wird.
== Einteilung der Gläser ==
[[Datei:Moldavite Besednice.jpg|mini|Natürliches Glas: ein [[Moldavit]]; die grüne Farbe rührt hauptsächlich vom Eisenoxid im erschmolzenen Sand.]]


=== Mittelalter und Neuzeit ===
; Nach Art der Genese:Neben ''künstlichen'' finden sich auch ''natürliche Gläser:'' [[Obsidian]] und [[Bimsstein]] sind vulkanischen Ursprungs,<ref name="Glastechnik 1 198">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 198 f.</ref> [[Impaktglas|Impaktgläser]] und [[Tektit]]e entstehen durch [[Impakt|Meteoriteneinschlag]],<ref name="Glastechnik 1 204">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 204 ff.</ref> [[Fulgurite]] bei [[Blitz]]einschlag,<ref name="Glastechnik 1 208">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 208 f.</ref> [[Trinitit]] durch Atombombenexplosion und der Friktionit [[Köfelsit]] durch [[Bergsturz|Bergstürze]].<ref name="koefelsit">{{Literatur |Autor=Th. Erismann, H. Heuberger, Ekkehard Preuss |Titel=Der Bimsstein von Köfels (Tirol), ein Bergsturz-“Friktionit” |Sammelwerk=Mineralogy and Petrology |Band=Band 24 |Nummer=1–2 |Verlag=Springer |Ort=Wien |Datum=1977-03 |ISSN=0930-0708 |Seiten=67–119 |DOI=10.1007/BF01081746}}</ref> Diese Gläser entstehen aus dem Schmelzen von [[Sand]]en. Durch Einwirkung einer [[Schockwelle|Stoßwelle]] kann ein Kristallgitter seine geregelte Struktur verlieren und sich so in einen amorphen Festkörper umwandeln. So entstandene Gläser werden als [[Diaplektisches Glas|diaplektisch]] bezeichnet.<ref name="diaplekt">Roland Vinx: ''Gesteinsbestimmung im Gelände.'' München (Elesevier) 2005, ISBN 3-8274-2748-7, S. 33.</ref> Hierzu zählt [[Maskelynit]], das aus [[Feldspat]] entstanden ist.<ref name="Maskelynit">{{Literatur |Autor=Stefan Weiß |Titel=Das große Lapis Mineralienverzeichnis |Auflage=5. |Verlag=Christian Weise Verlag |Ort=München |Datum=2008 |ISBN=3-921656-17-6}}</ref> ''Künstliche'' Gläser werden hauptsächlich durch Schmelzen von Rohstoffen in verschiedensten Schmelzaggregaten erzeugt. Ein weiterer Syntheseweg zur Herstellung von Gläsern ist der [[Sol-Gel-Prozess]], mit dem dünne Schichten oder [[Aerogel]]e erzeugt werden können.<ref name="Glastechnik 1 212">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 212 ff.</ref><ref name="Scholze" />{{rp|3 ff., 76 f.}}<ref name="Vogel" />{{rp|226 ff.}}
[[Datei:Hrabanus-maurus-glass.jpg|mini|[[Glasmacher]]. Aus: [[Hrabanus Maurus]], ''[[De universo]]'', illustrierte Handschrift (1023), Kloster [[Montecassino]] (cod. 132)<ref>{{Literatur |Autor=Axel von Saldern, Ulrich Hausmann, Reinhard Herbig, Walter Otto |Titel=Antikes Glas |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2004 |ISBN=3-406-51994-6}}</ref>]]
; Nach Art des „Chemismus“: Der größte Teil der heute hergestellten Gläser sind [[Kalk-Natron-Glas|Kalk-Natron-Gläser]], welche zur Gruppe der Silikatischen Gläser gehören. Alle Gläser dieser Gruppe haben gemeinsam, dass ihr Netzwerk hauptsächlich aus Siliziumdioxid (SiO<sub>2</sub>) gebildet wird. Durch Zugabe weiterer Oxide wie beispielsweise Aluminiumoxid oder verschiedener Alkalioxide entstehen die Alumo- oder Alkali-Silikatgläser. Für die Einordnung entscheidend ist, welches Oxid mengenmäßig das zweithäufigste im silikatischen Grundglas ist. Ein Silikatglas ohne weitere Bestandteile – also reines SiO<sub>2</sub> – wird als Kiesel- oder Quarzglas bezeichnet.<ref name="Vogel" />{{rp|141–150}} Aufgrund seiner hohen chemischen Beständigkeit und thermischen Belastbarkeit sowie des geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten wird es oft in technischen Spezialanwendungen genutzt. Treten als Haupt[[netzwerkbildner]] eines Glases [[Phosphorpentoxid]] oder [[Bortrioxid]] auf, spricht man von Phosphat- bzw. Boratgläsern, deren Eigenschaften ebenfalls durch Zugabe weiterer Oxide eingestellt werden können.<ref name="Vogel" />{{rp|164, 185 ff.}} Alle zuvor genannten Gläser bestehen größtenteils aus Oxiden, weshalb man sie zusammenfassend als Oxidische Gläser bezeichnet. Ist das Anion eines Glases ein [[Halogenid]]ion spricht man von Halogenidglas<ref name="Vogel" />{{rp|200–207}}<ref name="Scholze" />{{rp|140 f.}} oder von einem Chalkogenidglas, wenn es sich hauptsächlich um [[Schwefel]], [[Selen]] oder [[Tellur]] als Anion im Glasnetzwerk handelt.<ref name="Scholze" />{{rp|142 f.}}<ref name="Vogel" />{{rp|189 ff.}} Diese Gläser zeichnen sich durch eine hohe Transparenz, weit über den sichtbaren Bereich des Lichtes hinaus, aus und werden deshalb in der Infrarotoptik eingesetzt. Neben diesen anorganisch-nichtmetallischen Gläsern existieren noch organische Gläser<ref name="Scholze" />{{rp|144 f.}}, beispielsweise amorphe [[Kunststoff]]e, welche mit den zuvor genannten als nichtmetallische Gläser zusammengefasst werden können und den metallischen Gläsern gegenüberstehen.<ref name="Vogel" />{{rp|226}} Die Grenzen zwischen den einzelnen Glastypen sind fließend und es gibt zahlreiche Untertypen. Ein Beispiel hierfür sind die [[Oxy-Nitridglas|Oxy-Nitridgläser]], in denen ein Teil der Sauerstoffionen durch Stickstoff ersetzt wurde, um gezielt Eigenschaften zu erzeugen.<ref name="Scholze" />{{rp|139 f.}} Dadurch ist dieses Glas als ein Hybrid zwischen oxidischen und nichtoxidischen Gläsern aufzufassen. Gläser, welche nur aus einem Bestandteil, also dem Netzwerkbildner, bestehen, werden als Einkomponentengläser bezeichnet. Das typische Beispiel hierfür ist das Quarzglas. Durch Zugabe weiterer Bestandteile erhält man die sogenannten Zweikomponentengläser wie das Alkaliboratglas oder die Dreikomponentengläser wie das Kalk-Natron-Glas. In der Regel enthalten Gläser mehr als nur drei Bestandteile, jedoch werden nur die Hauptbestandteile genannt, da sich die Gläser dieser Zusammensetzungen in ihren Eigenschaften und Einsatzgebieten weitestgehend ähneln.<ref name="Scholze" />{{rp|121 ff.}} Die hierarchische Beziehung der Gläser untereinander ist in der untenstehenden Abbildung dargestellt.<ref name="Glastechnik 1 60">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 60–68.</ref><ref name="Scholze" />{{rp|120–146}}<ref name="Vogel" />{{rp|177 f.}}
Im frühen [[Mittelalter]] stellten die [[Germanen]] überall dort, wo die [[Römisches Reich|Römer]] sich zurückgezogen hatten, Glas her, das nahtlos an die schon germanisierte [[spätantike]] Formensprache anschließt. Man geht heute davon aus, dass für das [[Franken (Region)|fränkische]] Glas noch vorhandene römische Gläser wiederverwertet wurden.


==== Waldglas ====
{{Einteilung Gläser Chemismus}}
{{Hauptartikel|Waldglas}}Mit ''De diversis artibus'' des [[Benediktiner|Benediktinermönches]] [[Theophilus Presbyter]] steht erstmals eine längere schriftliche Quelle zur Verfügung, die die Glasherstellung, das Blasen von Flachglas und Hohlglas sowie die Ofentechnologie beschreibt. Theophilus, der wahrscheinlich in [[Konstantinopel]] war, vermischte Asche von getrocknetem [[Buche|Buchenholz]] mit gesiebtem Fluss[[sand]] im Verhältnis 2:1 und trocknete dieses [[Gemenge]] im Ofen unter ständigem Rühren, so dass es nicht schmelzen oder verkleben konnte, einen Tag und eine Nacht. Danach wurde diese [[Glasfritte|Fritte]] in einen Tiegel gefüllt und in einer Nacht unter starker Hitze zu Glas geschmolzen.
[[Datei:Coppa diatreta Trivulzio.TIF|mini|hochkant|Kunstvolles römisches Diatretglas]]
[[Datei:Bowl milk glass.jpg|mini|Kelch aus Milchglas (Trübglas)]]
[[Datei:Ceran surface.jpg|mini|[[Glaskeramik]][[kochfeld]]]]


Dieser am Anfang des 12. Jahrhunderts wohl in Köln entstandene Text bildet wahrscheinlich die Grundlage für die Kirchenfenster der Gotik und auch für das Waldglas. Die Pflanzenasche mit allen Verunreinigungen lieferte auch einen Teil des Kalks, der für die Herstellung guten Glases nötig war. Um die enorme Menge an [[Holz]], die für die Befeuerung der Öfen und für die Aschegewinnung nötig war, nicht über lange Wege befördern zu müssen, wurden die Glashütten in abgelegenen Waldgebieten angelegt. Diese [[Waldglashütte|Waldglashütten]] stellten überwiegend Glas her, welches durch Eisenoxid (aus verunreinigtem Sand) grünlich verfärbt war.
; Nach der Grundform des Produkts und dem Produktionsverfahren: Die [[Glasindustrie]] wird gewöhnlich in [[Hohlglas]]-, [[Flachglas]]- und Spezialglasherstellung gegliedert, auch wenn diese einfache Gliederung nicht alle Bereiche der Glasindustrie erfasst. Hohlglas bezeichnet in der Regel Behältnisse für Lebensmittel, wie beispielsweise [[Flasche]]n und Konservengläser. Diese Massenprodukte werden maschinell im [[Press-Blas-Prozess|Press-Blas-]] oder [[Blas-Blas-Prozess]] gefertigt. [[Glasbaustein]]e und [[Trinkglas|Trinkgläser]] werden nur durch einen [[Pressen (Glas)|Pressvorgang]] geformt. Höherwertige Produkte wie [[Weinglas|Weingläser]], werden als sogenanntes Tableware bezeichnet und meist in einem aufwendigen mehrstufigen Prozess hergestellt. Im Gegensatz zu den Glasflaschen werden sie nicht mit Hilfe von [[IS-Maschine]]n, sondern sogenannten [[Rotationsblasmaschine]]n produziert. Für [[Glühlampe]]n ist ein besonderes Verfahren notwendig, welches sich besonders durch die hohen Produktionsgeschwindigkeiten der [[Ribbonmaschine]] auszeichnet. [[Rohrglas]] kann nach verschiedenen Verfahren hergestellt werden, welche sich durch die unterschiedlichen Abmessungen des herzustellenden Halbzeugs unterscheiden. Flachglas wird je nach Produktionsverfahren [[Floatglas]] oder [[Walzglas]] genannt. Das Grundprodukt ist eine Glasscheibe. Endprodukte sind z.&nbsp;B. [[Windschutzscheibe|Automobilglas]], [[Spiegel]], [[Temperglas]] oder [[Verbundglas]], welche auf verschiedenste Weise nachbearbeitet wurden. Anwendungen in Form von [[Faser]]n umfassen [[Lichtwellenleiter]], [[Glaswolle]] und [[Glasfaserverstärkter Kunststoff|glasfaserverstärkten Kunststoff]] sowie [[Textilglas]]. Mundgeblasene Gläser existieren praktisch nur noch im Kunstgewerbe sowie bei kostspieligen Vasen und Weingläsern.<ref name="Glastechnik 2 13">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 2: ''Hohlglas.'' 2010, S. 13–20.</ref><ref name="Glastechnik 3 11">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 11–32 ff.</ref><ref name="Glastechnik 4 13">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 13–18.</ref>
; Nach ihren hergebrachten Handelsnamen: [[Antikglas]], [[Diatretglas]], [[Optisches Glas|optische Gläser]] wie [[Kronglas]] und [[Flintglas]] (Bleiglas), [[Hyalithglas]] (opakes Glas, im 19. Jahrhundert benutzt für Tafel- und Pharmaglas), [[Kryolithglas]] (opakes, weißes Fluoridglas).<ref name="Glastechnik 2 22">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 2: ''Hohlglas.'' 2010, S. 22–32.</ref>
; Nach ihren Markennamen als Gattungsbegriff: Häufig hat sich der Markenname eines Glasherstellers als Sammelbegriff für verschiedene Produkte eines oder sogar mehrerer Glashersteller eingebürgert. [[Ceran]] wird sehr oft als Synonym für Glaskeramiken oder Kochfelder verwandt. [[Jenaer Glas]] steht umgangssprachlich oft für alle Varianten von hitzefestem Borosilikatglas. Im angelsächsischen Raum hat sich der Markenname [[Pyrex]] von [[Corning (Unternehmen)|Corning]] für diese Sorte von Gläsern eingebürgert.<ref name="Glastechnik 2 13–32">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 2: ''Hohlglas.'' 2010, S. 13–32.</ref>
; Nach ihrer Verwendung: Die wichtigsten [[Optisches Glas|optischen Gläser]] zur Herstellung von [[Linse (Optik)|Linsen]], [[Prisma (Optik)|Prismen]], Spiegeln und anderen optischen Bauteilen für [[Mikroskop]]e, [[Fernglas|Ferngläser]], [[Objektiv (Optik)|Objektive]] usw. sind [[Quarzglas]], [[Kronglas]], [[Flintglas]] und [[Borosilikatglas]].<ref name="Glastechnik 4 70">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 70 ff.</ref><ref name="Glastechnik 4 120">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 120–162.</ref> Als Substratmaterial für optische Elemente in der [[Astronomie]] und [[Raumfahrt]] kommt der glaskeramische Werkstoff [[Zerodur]] (Schott) zum Einsatz. Dieser weist einen äußerst geringen [[Ausdehnungskoeffizient]]en auf und eignet sich somit z.&nbsp;B. hervorragend als Spiegelträger für große astronomische [[Teleskop]]e.<ref name="Glastechnik 4 168">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 168 ff.</ref> Ein weiteres Beispiel ist [[Glasgerät|Geräteglas]] als Oberbegriff für alle Sorten von Gläsern im Bereich der technischen Laborgläser.<ref name="Glastechnik 4 20">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 20 ff.</ref> Ein ähnlicher Oberbegriff für verschiedene weiterverarbeitete Gläser ist [[Architekturglas|Architektur-]] oder [[Bauglas]].<ref name="Glastechnik 3 140">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 140.</ref>


Im 15. Jahrhundert wurde auch Blei zur Herstellung von Glas verwendet.<ref>Wilhelm Hassenstein, [[Hermann Virl]]: ''Das Feuerwerkbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei.'' Neudruck des Erstdruckes aus dem Jahr 1529 mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen von Wilhelm Hassenstein. Verlag der Deutschen Technik, München 1941, S. 108 (''Glas, vitrum'': „Man macht Glas von Blei und subtiler Erden“).</ref>
{{Siehe auch|Liste der Gläser}}


In [[Georgius Agricola|Georgius Agricolas]] ''De re metallica'' gibt es eine kurze Beschreibung der Glaskunst. Er hat von 1524 bis 1527 in [[Venedig]] gelebt und wohl die Insel [[Murano]] besuchen dürfen, was die detaillierten Beschreibungen der Öfen vermuten lassen.
== Eigenschaften ==
=== Struktur ===
[[Datei:Glass tetrahedon.svg|mini|SiO<sub>4</sub>-Tetraeder]]
[[Datei:Kalk-Natron-Glas 2D.svg|mini|hochkant|Kalk-Natron-Glas]]


Als [[Rohstoff]] sind durchsichtige Steine genannt, also [[Quarz|Bergkristall]] und „weiße Steine“, also [[Marmor]], die im Feuer gebrannt, im [[Pochwerk]] zu grobem Grieß zerstoßen und danach gesiebt werden. Weiter führt er [[Speisesalz|Kochsalz]], [[Magnetit|Magnetstein]] und [[Soda (Mineral)|Soda]] an. Kochsalz und Magnetstein werden von späteren Autoren als unnütz verworfen. Marmor und Soda gab es in [[Altare]] und in [[Mailand]]; sie sind in Deutschland nicht zu erhalten. Einzig eine Andeutung ''„salz das aus laugen dargestellt wird“'' weist auf ein venezianisches Geheimnis hin.
Obwohl Glas zu den ältesten Werkstoffen der Menschheit gehört, besteht noch Unklarheit in vielen Fragen des atomaren Aufbaus und seiner Struktur. Die mittlerweile allgemein anerkannte Deutung der Struktur ist die [[Netzwerkhypothese]], die 1932 von [[Frederik William Houlder Zachariasen|W. H. Zachariasen]] aufgestellt und [[Bertram Eugene Warren|B. E. Warren]] 1933 experimentell bekräftigt wurde. Diese besagt, dass im Glas grundsätzlich dieselben Bindungszustände oder Grundbausteine wie in einem [[Kristall]] vorliegen müssen. Im Falle [[silikat]]ischen Glases also die SiO<sub>4</sub>-[[Tetraeder]], welche aber im Gegensatz zu einem Quarzkristall ein regelloses Netzwerk bilden. Um die Glasbildung weiterer chemischer Verbindungen vorhersagen zu können, stellte Zachariasen weitere Regeln in seiner Netzwerkhypothese auf. Unter anderem muss ein [[Kation]] in einer Verbindung relativ klein im Verhältnis zum [[Anion]] sein. Die sich bildenden Polyeder aus den Anionen und Kationen dürfen nur über deren Ecken verbunden sein. Werden die betrachteten Verbindungen auf Oxide beschränkt, so erfüllen unter anderen [[Phosphorpentoxid]] (P<sub>2</sub>O<sub>5</sub>), [[Siliziumdioxid]] (SiO<sub>2</sub>) und [[Bortrioxid]] (B<sub>2</sub>O<sub>3</sub>) diese Bedingungen zur Netzwerkbildung und werden daher als [[Netzwerkbildner]] bezeichnet.<ref name="Scholze" />{{rp|5 ff.}}


Die [[Glasschmelzofen|Glasschmelzöfen]] der Waldglashütten und Venedigs waren eiförmige Konstruktionen mit 3&nbsp;Meter Durchmesser und bis zu 3&nbsp;Meter Höhe, gemauert aus mit gebrannter [[Schamotte]] versetzten [[Lehmziegel|Lehmziegeln]]. Im unteren Stock lag der Befeuerungsraum mit ein oder zwei halbrunden Öffnungen für den Holzeinwurf. In der Mitte schlugen die Flammen durch eine große runde Öffnung in den zweiten Stock, in dem die [[Hafenofen|Hafenöfen]] standen. Dieser etwa 1,20&nbsp;Meter hohe Raum war rundum mit 20&nbsp;×&nbsp;20&nbsp;cm großen Ofentoren versehen, durch die das Gemenge eingelegt und das Glas entnommen werden konnte. Im Obergeschoss, das durch eine kleine Öffnung mit dem Schmelzraum verbunden war, lag der Kühlofen, der nur 400&nbsp;°C heiß war. Der Kühlofen war mit einer kleinen Öffnung versehen, durch die fertige Werkstücke eingetragen wurden. Am Abend wurde das Loch zwischen Schmelzraum und Kühlraum mit einem Stein verschlossen, so dass das Glas über Nacht abkühlen konnte.
Wie die zweidimensionalen Abbildungen des [[Quarz]]es und des [[Quarzglas]]es zeigen, liegt der Unterschied in der Regelmäßigkeit des atomaren Aufbaus. Beim Quarz, welcher ein Kristall ist, liegt ein Gitteraufbau vor – beim Quarzglas hingegen ein regelloses Netzwerk von aneinandergereihten SiO<sub>4</sub>-Tetraedern. Zur besseren Anschaulichkeit ist die vierte Oxidbindung, die aus der Zeichenebene hinaus ragen würde, nicht dargestellt. Die Bindungswinkel und Abstände im Glas sind nicht regelmäßig und die Tetraeder sind ebenfalls verzerrt. Der Vergleich zeigt, dass Glas ausschließlich über eine Nahordnung in Form der Tetraeder verfügt, jedoch keine kristalline Fernordnung aufweist. Diese fehlende Fernordnung hat die sehr schwierige Analyse der Glasstruktur zur Folge. Insbesondere die Analyse in mittlerer Reichweite, also die Verbindungen mehrerer Grundformen (hier den Tetraedern), ist Gegenstand der Forschung und wird zu den heutigen größten Problemen der Physik gezählt.<ref name="Scholze" />{{rp|90 ff.}} Das liegt zum einen daran, dass Gläser röntgenographischen Untersuchungen nur sehr schwer zugänglich sind und zum anderen daran, dass die strukturbildenden Prozesse teilweise bereits in der Schmelze beginnen, wobei die vorliegenden Temperaturen eine genaue Untersuchung zusätzlich erschweren.<ref name="Vogel" />{{rp|68}}


==== Venedig ====
Das Material, das diese Grundstruktur des Glases bestimmt, heißt [[Netzwerkbildner]]. Neben dem erwähnten Siliciumoxid können auch andere Stoffe Netzwerkbildner sein, wie Bortrioxid und auch nichtoxidische wie [[Arsen(III)-sulfid|Arsensulfid]]. Einkomponentengläser sind jedoch sehr selten. Das trifft auch auf reines Quarzglas zu, das als einziges Einkomponentenglas wirtschaftliche Bedeutung hat. Die Ursache hierfür sind die enorm hohen Temperaturen (über 2000&nbsp;°C) welche zu dessen Erzeugung notwendig sind.<ref name="Scholze" />{{rp|154}}<ref name="Schaeffer 4 238">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 238 f.</ref>
Am Anfang der [[Wirtschaftsgeschichte der Republik Venedig#Glas|venezianischen Glastradition]] steht wohl der Handel mit byzantinischen Glaserzeugnissen, die schon im 10. Jahrhundert importiert und nach ganz Europa exportiert wurden. Erste [[Glasmacher]] finden sich in den Registern des 11. Jahrhunderts. Sie werden ''phiolarius'' („Flaschner“) genannt. Ein an der Südküste der Türkei havariertes Handelsschiff, das um 1025 gesunken ist, transportierte nicht weniger als drei Tonnen Rohglas, das aus [[Caesarea Maritima|Caesarea]] in Palästina stammte. Ob es für Venedig bestimmt war, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ist aber naheliegend. Bis 1295 werden alle Glasmacher auf der Insel Murano angesiedelt und ihre Reisefreiheit per Gesetz eingeschränkt. Auf dieser von der Welt abgeschnittenen Insel konnte Angelo Barovier Mitte des 15.&nbsp;Jahrhunderts das Geheimnis der Glasentfärbung lüften und erstmals ungetrübtes, klar durchsichtiges Glas in Europa herstellen. Das ''crystallo'', ein Soda-Kalk-Glas, das mit [[Mangan(IV)-oxid|Manganoxid]] entfärbt war, sollte den Weltruhm des venezianischen Glases begründen. Die Soda wurde aus der [[Levante]] oder [[Alexandria]] importiert, [[Laugen|ausgelaugt]] und [[Sieden|versotten]], bis ein reines Salz entstand. Als Sand wurde ein reiner Glassand aus dem [[Ticino (Fluss)|Ticino]] oder gebrannter Marmor verwendet. Die Manganerze wurden wahrscheinlich von reisenden Erzsuchern aus Deutschland beschafft, die dort als [[Walen]] oder Venediger bekannt waren. Eine weitere venezianische Wiederentdeckung ist das ''lattimo'' ([[Milchglas]]), ein opakes weißes Glas, das mit [[Zinn(IV)-oxid|Zinndioxid]] und [[Knochenasche]] getrübt war und das [[Chinesisches Porzellan|chinesische Porzellan]] nachahmte.


Viele neue Techniken wurden entwickelt, insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert. Den Höhepunkt erreichte die Branche in den 1950er und 1960er Jahren. Berühmte Techniken aus dieser Zeit sind zum Beispiel: Anse Volante, [[Battuto#Begriff|Battuto]], Canna, Colorazione a caldo senza fusione, Fenicio, Incamiciato, Murrina, Oriente, Pezzato, Pulegoso, [[Scavo]], Siderale, Sommerso, Tessuto. Muranoglas gilt heute als begehrtes Sammlerobjekt. Es werden teilweise sehr hohe Summen für seltene und besondere Stücke bezahlt. Berühmte historische Glasmanufakturen sind zum Beispiel Venini & C., Pauly & C., Barovier & Toso, Seguso Vetri d’Arte. Einige dieser Manufakturen bestehen noch heute.<gallery heights="150px" widths="150px">
Weitere Stoffe binden sich anders in das Glasnetzwerk der Netzwerkbildner ein. Hier werden [[Netzwerkwandler]] und [[Stabilisator (Glas)|Stabilisatoren]] (oder auch Zwischenoxide) unterschieden.<ref name="Scholze" />{{rp|5 ff.}}<ref name="Vogel" />{{rp|51 f.}}
Calice di angelo barovier, metà del XV sec. 01.JPG|mini|Kelch von [[Angelo Barovier]] (?), Mitte 15. Jahrhundert
Venezia, grande bacile in vetro di murano con dorature, 1510 ca.jpg|mini|Glasschale mit Vergoldungen, ca. 1510
Venezia, versatoio con vetro a retorti, 1550-1600 ca..JPG|mini|Glaskännchen oder -vase, Venedig, ca. 1550–1600
Vetro di murano, vaso biansato, vetro trasperente blu, fine xvi-inizio xvii sec.JPG|mini|Vase aus blauem Glas, Murano, um 1600
Museo medievale, bologna, piatto da parata da murano 02.JPG|mini|Glasteller in ''reticello''-Technik
Murano Glass Museum 27022015 Vetro calcedonio 02.jpg|mini|Schale aus ''vetro calcedonio'' mit Einlagen von ''vetro aventurino'', Murano, um 1700
Verres Venise 19e.jpg|mini|Venezianische Gläser, 1880–1890
FratelliToso3.jpg|mini|Vase in ''millefiori''-Technik, Fratelli Toso, ca. 1900–1910
Precious Objects from Venezia 1.jpg|mini|Moderne Glasgefäße aus Venedig
Murano_Glas_Aschenbecher_1960er_Jahre.jpg|mini|Murano Glas Aschenbecher mit Luftblasen, 1960er Jahre
</gallery>


==== Glasperlen ====
Netzwerkwandler werden in das vom Netzwerkbildner gebildete Gerüst eingebaut. Für gewöhnliches Gebrauchsglas – Kalk-Alkali-Glas (gebräuchlicher ist allerdings der engere Terminus ''Kalk-Natron-Glas'') – sind dies [[Natriumoxid|Natrium-]] bzw. [[Kaliumoxid]] und [[Calciumoxid]]. Diese Netzwerkwandler reißen die Netzwerkstruktur auf. Dabei werden Bindungen des Brückensauerstoffs in den Siliciumoxid-Tetraedern aufgebrochen. Anstelle der Atombindung mit dem Silicium geht der Sauerstoff eine deutlich schwächere Ionenbindung mit einem Alkaliion ein.<ref name="Scholze" />{{rp|5 ff.}}<ref name="Vogel" />{{rp|51 f.}}
{{Hauptartikel|Glasperle}}Die Glasperlen wurden zu einer begehrten Handelsware und breiteten sich schnell über ganz Europa aus. Über Jahrhunderte waren Glasperlen ein beliebtes Zahlungsmittel im Tauschhandel mit Gold, Elfenbein, Seide und Gewürzen. Seit einigen Jahren sind die bunten Kunstwerke begehrte Objekte für Sammler.


Glasperlen aus [[Venedig]] sind die bekanntesten und begehrtesten Perlen der Welt. Venezianische Glaskünstler haben während mehrerer Jahrhunderte Perlenhersteller auf der ganzen Welt beeinflusst. Dort werden die Glasperlen über offener Flamme hergestellt. Es ist ein sehr zeitaufwendiges Verfahren, da jede Perle einzeln gefertigt wird.
Zwischenoxide wie [[Aluminiumoxid]] können als Netzwerkbildner und -wandler fungieren, das heißt, sie können ein Glasnetzwerk verfestigen (stabilisieren) oder genau wie die Netzwerkwandler die Strukturen schwächen. Ihre jeweilige Wirkung in einem Glas ist stets abhängig von einer Reihe von Faktoren. Allerdings sind Zwischenoxide allein nicht zur Glasbildung fähig.<ref name="Scholze" />{{rp|5 ff.}}<ref name="Vogel" />{{rp|51 f.}}


Ein Glasstab wird unter der Verwendung einer [[Lötlampe]] bis zum Schmelzen erhitzt und um einen Metallstab gewickelt, bis die gewünschte Perlenform erreicht wird. Auf diese Grundperle können nach und nach weitere Glasfarben aufgeschmolzen werden und unterschiedliche Dekorationselemente, wie dünne Glasfäden oder hauchdünne Glasplättchen (Confettis), aufgebracht werden. Dann wird die Perle sehr langsam abgekühlt und von der Stange entfernt, wodurch ein Loch entsteht, durch das die Perle später aufgefädelt werden kann. Diese Perlen heißen Wickelperlen.
=== Übergang von der Schmelze zum festen Glas ===
Während bei kristallinen Materialien der Übergang von der Schmelze zum Kristall durch langsame Abkühlung erfolgt, ist dieser Vorgang bei Gläsern so rasch, dass sich keine Kristallstruktur bilden kann. Der Übergangsbereich von einer Schmelze zum Glas wird [[Transformationsbereich|Transformations''bereich'']] genannt.<ref name="Vogel" />{{rp|29 f.}} Im Laufe der Abkühlung nimmt die [[Viskosität]] des Materials stark zu. Dies ist das äußere Zeichen für eine zunehmende innere Struktur. Da diese Struktur kein regelmäßiges Muster aufweist, heißt der Zustand der Schmelze im Transformationsbereich, wie auch des erstarrten Glases, [[Amorphes Material|amorph]]. Am kühlen Ende des Transformationsbereichs liegt ein thermodynamischer Übergang, der für Glas charakteristisch ist und daher den Namen [[Glasübergang]] trägt. An ihm wandelt sich die Schmelze in den festen, glasartigen Zustand, den das Glas auch bei weiterer Abkühlung beibehält. Der Glasübergang zeichnet sich durch eine sprunghafte Änderung des [[Wärmeausdehnungskoeffizient]]en sowie eine Abnahme der [[Spezifische Wärme|spezifischen Wärme]] <math>C_\mathrm{p}</math> aus.<ref name="Vogel" />{{rp|36 ff.}}<ref name="Scholze" />{{rp|3 ff.}}
Diese Abfolge von Transformationsbereich und Glasübergang ist charakteristisch für alle Gläser, auch solche, die wie [[Plexiglas]] aus [[Kohlenwasserstoff]]en bestehen. Der amorphe, viskose Zustand der Schmelze im Transformationsbereich wird für die Bearbeitung von Glas durch [[Glasbläserei|Glasbläser]] ausgenutzt. Er erlaubt eine beliebige Verformung, ohne dass Oberflächenspannung und Gravitation das Werkstück sofort zerfließen lassen.<ref name="Jebsen" />{{rp|7 f.}}


=== Physikalische Eigenschaften ===
=== Industrialisierung ===
[[Datei:Glassmaking2.jpg|mini|Hohlglasproduktion um 1910: Der Tropfen wird in einer Form zur Flasche geblasen.]]
{| class="wikitable float-right"
[[Datei:Ten_Arm_Owens_Automatic_Bottle_Machine.jpg|mini|Die Owens-Maschine in Karussellform zur vollautomatischen Flaschenherstellung (1912)]]
!Eigenschaft
[[Datei:Frisch_aufgebrühter_Rooibos.jpg|mini|Hitzebeständiges Glas ([[Jenaer Glas]]), hier für Teegeschirr]]
! Wert
Im frühen 19. Jahrhundert wurden neue mechanische Hilfsmittel zum Blasen der Gläser benutzt. Es wurden Formen benutzt, die ein zu erzeugendes Relief als Negativ aufwiesen. Durch den Blasdruck wird das Glas an die Form gedrückt und das Werkstück erhält so seine Gestalt. Allerdings ist die Lungenkraft des Glasmachers nicht ausreichend hoch für tiefere Reliefs, so dass mechanische Hilfsmittel eingeführt wurden. Durch den Einsatz von Luftpumpen wurde genügend Druck erzielt.<ref>Walter Spiegl: ''[http://glas-forschung.info/pageone/pdf/tech_press.pdf Maschinell gepresste und druckgeblasene Gläser]'' (PDF; 391&nbsp;kB).</ref>
! Einheit
|-
|[[Dichte]] eines ''[[Kalk-Natron-Glas]]''
| 2500
| kg/m³
|-
|[[Dichte]] eines ''[[Optisches Glas|Schwerflintglases]] (SF59)''<ref name="Glastechnik 1 171">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 171.</ref>
| 6260
| kg/m³
|-
|[[Wärmeleitfähigkeit]] ''Kalk-Natron-Glas''
| 0,80
| W/(K·m)
|-
|Wärmeleitfähigkeit ''[[Quarzglas]]''<ref name="heraeus 1">{{Internetquelle |url=http://www.heraeus-quarzglas.de/de/quarzglas/thermalproperties/Thermal_properties.aspx |titel=Stoffdaten zu Quarzglas auf der Website des Herstellers Heraeus |abruf=2013-03-25}}</ref>
| 1,38
| W/(K·m)
|-
|Wärmeleitfähigkeit ''[[Zerodur]]''
| 1,46
| W/(K·m)
|-
|[[Elektrische Leitfähigkeit]]
| bis ca. 600&nbsp;°C [[Nichtleiter|Isolator]]
|
|-
|[[Thermische Ausdehnung]] ''Kalk-Natron-Glas''<ref name="Glastechnik 1 122">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 122.</ref>
| 9,0·10<sup>−6</sup>
| 1/K
|-
|Thermische Ausdehnung ''[[Borosilikatglas]] 3.3''<ref name="Glastechnik 1 122" />
| 3,3·10<sup>−6</sup>
| 1/K
|-
|Thermische Ausdehnung ''Quarzglas''<ref name="Glastechnik 1 122" />
| 0,57·10<sup>−6</sup>
| 1/K
|-
|Thermische Ausdehnung ''Zerodur''
| < 0,1·10<sup>−6</sup>
| 1/K
|-
|[[Zugfestigkeit]]
| 30
| MPa
|-
|[[Druckfestigkeit]]
| 900
| MPa
|-
|[[E-Modul]]
| 70.000
| MPa
|-
|[[Wärmekapazität]]
| 0,8
| kJ/(kg·K)
|-
|[[Transmission (Physik)]]
| 0–100
| %
|-
|[[Brechungsindex]] (siehe [[Optisches Glas]])
| 1,47 bis 1,95
|
|-
|}


Eine weitere Neuerung in der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Einführung von Metallformen. Erstmals 1847 ersetzten die von Joseph Magoun entwickelten Formen die alten aus Holz, was deren Haltbarkeit beträchtlich erhöhte.
Die im allgemeinen Sprachgebrauch tragende Eigenschaft von Glas ist die optische [[Transparenz (Physik)|Durchsichtigkeit]]. Die optischen Eigenschaften sind so vielfältig, wie die Anzahl der Gläser. Neben klaren Gläsern, die in einem breiten Band für [[Licht]] durchlässig sind, kann die Zugabe von speziellen Materialien zur Schmelze die Durchlässigkeit blockieren. Zum Beispiel werden damit optisch klare Gläser für [[infrarotes Licht]] undurchdringbar, die Wärmestrahlung ist blockiert. Die bekannteste Steuerung der Durchlässigkeit ist die Färbung. Die verschiedensten Farben können erzielt werden. Andererseits gibt es undurchsichtiges Glas, das schon aufgrund seiner Hauptkomponenten oder der Zugabe von Trübungsmitteln [[Opazität|opak]] ist.<ref name="Vogel" />{{rp|149, 286 f., 304 ff.}}


Die erste halbautomatische Flaschenblasmaschine entwickelten die Briten Alexander Mein und Howard M. Ashley in Pittsburg im Jahr 1859. Doch noch immer waren manuelle Arbeitsschritte vonnöten.<ref>Frank Andrews: ''[http://www.ysartglass.com/Moncrieff/MoncrieffMonish.htm Moncrieff’s Monish Bottle-making Machines]''. 1947 (englisch).</ref>
Gebrauchsglas hat eine [[Dichte]] von ca. 2500&nbsp;kg/m³ ''([[Kalk-Natron-Glas]])''.<ref name="Dichte">{{Internetquelle |url=http://www.baunetzwissen.de/dl/134762/eigenschaften.pdf |titel=Mechanische und physikalische Eigenschaften von Kalk-Natron-Silikatglas und von Borosilikatglas nach EN 572-1 &#x5B;64&#x5D; und EN 1748-1 &#x5B;61&#x5D; |werk=Baunetzwissen.de |format=PDF; 53&nbsp;kB |abruf=2016-03-20}}</ref> Die mechanischen Eigenschaften variieren sehr stark. Die Zerbrechlichkeit von Glas ist sprichwörtlich. Die Bruchfestigkeit wird stark von der Qualität der Oberfläche bestimmt.<ref name="Scholze" />{{rp|240}}
Glas ist weitgehend resistent gegen Chemikalien. Eine Ausnahme ist [[Flusssäure]]; sie löst das [[Siliciumdioxid]] und wandelt es zu [[Hexafluorokieselsäure]].<ref name="Scholze" />{{rp|305 f.}} Durch Verwitterung, bspw. jahrzehntelange Lagerung im Erdreich, entstehen mikroskopisch feine Risse an der Glasoberfläche, die sogenannte [[Glaskrankheit]]. Klarglas erscheint dann für das menschliche Auge trüb.<ref name="Scholze" />{{rp|310 ff.}}<ref name="Glastechnik 1 96">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 96.</ref> Bei Raumtemperatur hat Kalk-Natron-Glas einen hohen [[Elektrischer Widerstand|elektrischen Widerstand]], der allerdings mit steigender Temperatur stark abfällt. [[Quarzglas]] (glasartig erstarrtes reines Siliciumdioxid) ist auch noch bei deutlich höheren Temperaturen ein Isolator.<ref name="Scholze" />{{rp|272 ff.}} Neben den Silikatgläsern gibt es aber auch sog. [[Metallisches Glas|metallische Gläser]] wie Fe<sub>80</sub>B<sub>20</sub>, die bereits bei Raumtemperatur höhere [[Elektrische Leitfähigkeit|Leitfähigkeiten]] besitzen, weil sie sich ähnlich wie eingefrorene flüssige Metalle verhalten.<ref name="Vogel" />{{rp|226}}


Ein Meilenstein war die 1903 von [[Michael Joseph Owens]] eingeführte Owens-Maschine als erste vollautomatische Glasmaschine überhaupt. In einem in der Schmelze eingetauchten Speiser wird ein Vakuum erzeugt und so die benötigte schmelzflüssige Glasmenge exakt aufgenommen. Der Arm des Speisers schwenkt zurück und drückt den Tropfen in die Form. Mit Pressluft wird der Tropfen in die Metallform geblasen und das Werkstück erhält seine endgültige Gestalt. Diese Technik heißt ''Saug-Blas-Verfahren''. Damit war es möglich, die zu dieser Zeit enorme Menge von vier Flaschen pro Minute zu produzieren.<ref>The American Society of Mechanical Engineers: ''[http://www.asme.org/Communities/History/Landmarks/Owens_AR_Bottle_Machine_1912.cfm Owens AR Bottle Machine (1912)].'' 1983 (englisch).</ref>
Wegen seiner Natur als unterkühlte Schmelze kann Glas auch in sehr begrenztem Umfang fließen. Dieser Effekt macht sich aber erst bei höheren Temperaturen bemerkbar. Die häufige Behauptung, dass [[Kirchenfenster]] unten dicker seien, weil das Glas im Laufe der Jahrhunderte durch die [[Schwerkraft]] nach unten geflossen sei, ist falsch, derartige Fließvorgänge hätten bei Raumtemperatur Jahrmillionen benötigt. Die Verdickung ist auf das damalige Produktionsverfahren (Zylinderblasen) zurückzuführen.<ref>{{Internetquelle |autor=Verena Schulte-Frohlinde |url=http://www.berliner-zeitung.de/archiv/ein-physiker-raeumt-mit-einer-zaehlebigen-touristenfuehrer-legende-auf--fensterglas-fliesst-nicht--nicht-einmal-ganz-langsam-dicker-irrtum-bei-alten-fenstern,10810590,9443476.html |titel=Dicker Irrtum bei alten Fenstern – Ein Physiker räumt mit einer zählebigen Touristenführer-Legende auf: Fensterglas fließt nicht, nicht einmal ganz langsam |werk=www.berliner-zeitung.de |datum=1998-06-17 |abruf=2013-07-05}}</ref>


Trotz dieser Errungenschaft blieben maschinell geblasene Flaschen noch viele Jahre schwerer als mundgeblasene. Um die Glasmacher zu übertreffen, mussten die Maschinen noch sehr viel genauer arbeiten. So ist auch zu erklären, dass die verschiedenen Produktionsverfahren noch lange parallel betrieben wurden.
== Produktionsprozesse ==


Wesentliche Verbesserungen der Tropfenentnahme durch den Tropfenspeiser von Karl E.&nbsp;Pfeiffer im Jahre 1911 führten ebenfalls zu einer Steigerung der Produktivität. Die Portionierung der Glasmasse erfolgte nicht mehr durch Abschöpfen oder Saugen einer Menge Glas von der blanken Schmelzoberfläche, sondern indem ein Tropfen durch eine Öffnung am Ende des [[Feeder (Glas)|Feeders]] (Speiserkanals) abläuft. Durch die genauer mögliche Dosierung der Glasmenge konnten gleichmäßigere Flaschen gefertigt werden.
=== Gemenge ===
[[Datei:Piasek kwarcowy.jpg|mini|Quarzsand als Rohstoff]]
[[Datei:Floatglasanlage.jpg|mini|Einlegemaschine einer Floatglasanlage]]


1924 wurde die [[Glasmaschine|IS-Maschine]] von den Namensgebern Ingle und Smith patentiert, die erste industrielle Anwendung folgte wenige Jahre später. Diese Maschine, die die Vorteile des Tropfen-Verfahrens erst richtig nutzt, arbeitet nach dem Blas-Blas-Verfahren. Ein Tropfen wird in eine Metallform geleitet und vorgeblasen. Der vorgeformte Tropfen wird in eine zweite Form geschwenkt, in der das Werkstück fertig geblasen wird.
Das [[Kalk-Natron-Glas]] ist das vorherrschende Massenglas und macht circa 90 % des weltweit produzierten Glases aus.<ref name="Glastechnik 1 36">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 38.</ref> Grundsätzlich besteht dieses Glas aus Siliziumdioxid (SiO<sub>2</sub>), Natriumoxid (Na<sub>2</sub>O) und Calciumoxid (CaO). Im alltäglichen Gebrauchsglas, welches nach wie vor zur Familie der Kalk-Natron-Gläser gehört, werden aber verschiedene weitere Bestandteile zugegeben, um die Gebrauchseigenschaften und Herstellungsbedingungen zu optimieren. Geringfügige Verunreinigungen der Rohstoffe, die mit den normalen Qualitätsanforderungen an das Gebrauchsglas vereinbar sind, stellen ebenfalls Quellen für weitere (unbeabsichtigte) Glasbestandteile dar. In normalem Glas, wie es zur Fertigung von farblosen Behältern oder Flachglas verwendet wird, finden sich oft gewisse Mengen Aluminiumoxid, Magnesiumoxid und Kaliumoxid, welche bewusst zugegeben werden. Durch Verunreinigungen finden sich weiterhin kleinere Mengen von Eisenoxiden, Titanoxid und beispielsweise Chrom(III)-oxid im Glas wieder.<ref name="Glasrohstoffe 82">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 82.</ref> Die häufigsten Rohstoffe in der Massenglasproduktion können der nachfolgenden Liste entnommen werden:


Erste Anwendungen des neuen Verfahrens folgten wenige Jahre später. Die erste Maschine von 1927 hatte vier Stationen: Ein Feeder beschickte eine Maschine und diese konnte parallel vier Flaschen fertigen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.emhartglass.com/history |titel=Emhart Glass – An Industry Leader for more than 90 Years |hrsg=[[Emhart Glass]] |datum=2008 |sprache=en |abruf=2009-06-06 |kommentar=Zusammenfassung der Geschichte der Firma Emhart Glass}}</ref> Das Prinzip des Blas-Blas-Verfahrens ist auch heute noch in der Massenfabrikation gültig.{{Zeittafel-Fensterglas}}
* [[Quarzsand]] ist ein fast reiner SiO<sub>2</sub>-Träger zur Netzwerkbildung. Wichtig ist, dass der Sand nur einen geringen Anteil an Fe<sub>2</sub>O<sub>3</sub> besitzen darf (< 0,05 %), da sonst bei Weißglas störende Grünfärbungen auftreten.<ref name="Glasrohstoffe 94">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 94.</ref><ref name="Glasrohstoffe 82" /> Dieser Rohstoff macht mit über 70 % massenmäßig den größten Teil des Gemenges aus, und ist eine der Hauptquellen für Verunreinigungen.<ref name="Glastechnik 1 195">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 195 f.</ref>
* [[Natriumcarbonat|Soda]] (Na<sub>2</sub>CO<sub>3</sub>) dient als Natriumoxidträger, das als Netzwerkwandler und als Flussmittel dient und den Schmelzpunkt des SiO<sub>2</sub> senkt. In der Schmelze wird Kohlenstoffdioxid frei und löst sich als Gas aus dem Glas.<ref name="Glasrohstoffe 111">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 111 ff.</ref> Soda ist im Bereich der Massengläser der teuerste Rohstoff, da er kaum als natürlich vorkommendes Mineral verfügbar ist. Natrium kann der Schmelze auch als [[Nitrat]] oder [[Sulfat]] zugeführt werden ([[Natriumsulfat]] ist Läutermittel zur Reduzierung des Blasengehaltes).<ref name="Glasrohstoffe 173">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 173.</ref><ref name="Glastechnik 1 195" />
* [[Pottasche]] (K<sub>2</sub>CO<sub>3</sub>) liefert Kaliumoxid für die Schmelze, das wie Natriumoxid als Netzwerkwandler und Flussmittel dient.<ref name="Glastechnik 1 195" /><ref name="Glasrohstoffe 111" />
* [[Feldspat]] (NaAlSi<sub>3</sub>O<sub>8</sub>) trägt neben SiO<sub>2</sub> und Na<sub>2</sub>O auch [[Aluminiumoxid|Tonerde]] (Al<sub>2</sub>O<sub>3</sub>) in das Gemenge ein. Diese führt zu einer Erhöhung der chemischen Beständigkeit gegenüber Wasser, Nahrungsmitteln und Umwelteinflüssen.<ref name="Scholze" />{{rp|318 ff.}}<ref name="Glasrohstoffe 156">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 156.</ref>
* [[Calciumcarbonat|Kalk]] dient als Netzwerkwandler. Während der Schmelze zersetzt er sich zu Kohlendioxid und Calciumoxid. CaO erhöht in mäßiger Zugabe (10–15 %) die Härte und chemische Beständigkeit des Endproduktes.<ref name="Glasrohstoffe 133">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 133 ff.</ref><ref name="Scholze" />{{rp|318 ff., 273}}
* [[Dolomit (Mineral)|Dolomit]] ist ein Träger für CaO und MgO. [[Magnesiumoxid]] wirkt auf die Schmelze ähnlich wie Calciumoxid. Ein zu hoher MgO-Gehalt im Glas kann jedoch die [[Liquidustemperatur]] unerwünscht erhöhen und zu [[Entglasung]]en führen.<ref name="Glasrohstoffe 136">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 136.</ref>
* [[Altglas]] oder Eigenscherben aus dem Produktionsbruch werden ebenfalls dem Gemenge wieder zugegeben. Altglas aus dem [[Glasrecycling]] geht vor allem in die Behälterglasindustrie, denn Glasflaschen bestehen heute im Schnitt zu rund 60 % aus Altglas, grüne Flaschen aus bis zu 95 %,<ref name="Glastechnik 1 218">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 218 f.</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.glasaktuell.de/glas-nachhaltigkeit/ |titel=Glas & Nachhaltigkeit |hrsg=Aktionsforum Glasverpackung im Bundesverband Glasindustrie e.&nbsp;V. |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120120004733/http://www.glasaktuell.de/glas-nachhaltigkeit |archiv-datum=2012-01-20 |offline=1 |abruf=2012-01-06}}</ref> und in die Herstellung von [[Glaswolle]], wo ihr Anteil bis zu 80 % beträgt.<ref>[http://www.fmi-mineralwolle.de/produkte/herstellung-von-glas-und-steinwolle/#glaswolle FMI Fachverband Mineralwolleindustrie e.&nbsp;V.: ''In zunehmendem Umfang wird bei der Herstellung von Glaswolle Altglas in Form von Fensterscheiben, Autofenstern oder Flaschenglas verwendet, wobei der Anteil von Recycling-Material mittlerweile 30 % bis 60 % der eingesetzten Rohstoffe ausmacht. In Einzelfällen erreicht dieser Anteil sogar 80 %.''] (abgerufen 3/2013)</ref> Dies spart Rohstoff und Energie, da Scherben leichter schmelzen als das Gemenge und die chemischen Reaktionen wie beispielsweise die Dekarbonatisierung von Soda, Kalk und Dolomit nicht mehr stattfinden müssen.<ref name="Glastechnik 1 218" /> Recycelte Scherben sind eine weitere Hauptquelle für Verunreinigungen, da die Farbsortierung bei Altglasrecycling Probleme bereitet und weitere unerwünschte Fremdstoffe wie Metalle, Keramik oder Spezialgläser nur ungenügend ausgelesen worden sein können. Die Fremdstoffe verursachen [[Glasfehler]] durch nicht vollständiges Aufschmelzen oder ungewollte Färbungen des Glases und Schäden in der Glasschmelzwanne, da sich Metalle in den feuerfesten Boden einfressen.<ref name="Glastechnik 1 218" /><ref name="Jebsen" />{{rp|366 ff.}}


== Flachglas ==
Für Spezialgläser kommen auch [[Blei(II,IV)-oxid|Mennige]], [[Borax]], Bariumcarbonat und [[seltene Erden]] zum Einsatz.<ref name="Glasrohstoffe 99">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 99 ff.</ref><ref name="Glasrohstoffe 121">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 121 f.</ref><ref name="Glasrohstoffe 126">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 126 ff.</ref><ref name="Glasrohstoffe 140">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 140 ff.</ref>
[[Datei:Turicum_-_Thermengasse_-_Reste_von_Fensterglas_2010-06-20_19-26-58.JPG|mini|Fundort ''Thermengasse'' im römischen [[Vicus]] ''[[Turicum]]'' ([[Zürich]]): Reste von Fensterglas aus den [[Thermen]]]]


=== Schmelze ===
=== Antike ===
Erste Fenstergläser fanden sich in [[Aix-en-Provence]] und [[Herculaneum]]. Die Funde haben Größen von bis zu 80&nbsp;cm&nbsp;×&nbsp;80&nbsp;cm. Allerdings erwähnt keine schriftliche Überlieferung das Herstellungsverfahren. Für das frühe, dickwandige und einseitig matte Fensterglas gibt es in der Fachwelt unterschiedliche Auffassungen zu dessen Herstellung. Einerseits wird eine manuelle Strecktechnik<ref name="Glasrepliken">glasrepliken.de: [http://www.glasrepliken.de/p_artikel_fensterglas.htm ''Artikel über römisches Fensterglas''].</ref> in Betracht gezogen, zum Anderen wird von einem Gussverfahren<ref name="Glastechnik 3 34">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 34.</ref> für dessen Herstellung ausgegangen. Funde von Fensterglas in [[Pompeji]] belegen, dass die Römer bereits im 1. Jahrhundert Fensterglas kannten, das beispielsweise in Thermen oder Villen zum Einsatz kam. Es gibt sogar vereinzelte Berichte von gläsernen Gewächshäusern. Meist handelte es sich um rechteckige Platten von ca. 20&nbsp;cm × 30&nbsp;cm bis zu 80&nbsp;cm × 80&nbsp;cm Größe und einer Stärke von 3 bis 5&nbsp;mm, die eine glatte Seite und eine raue Seite aufweisen. Ab dem 2. Jh. n. Chr. scheint beidseitig glattes, dünnwandiges Fensterglas das dickwandige und aufgrund seiner rauen Seite nur mäßig transparente Fensterglas zu verdrängen, welches im archäologischen Befund oftmals schwer von Gefäßglas und rezentem Glas zu unterscheiden ist. Dieses dünnwandige Fensterglas ist wahrscheinlich im Zylinderblasverfahren entstanden.<ref name="Glastechnik 3 342">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 34.</ref><ref name="Glastechnik 3 16">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 16.</ref>
[[Datei:Glasproduktion, Doghouse der Schmelzwanne mit Einlegemaschine.jpg|mini|Doghouse der Schmelzwanne mit Einlegemaschine]]


=== Mittelalter ===
Die Glasschmelze lässt sich in drei Phasen unterteilen:
Zu einer breiteren Verwendung kommt es mit der aufkommenden Gotik im 12. Jahrhundert.<ref name="Glastechnik 3 17">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 17 f.</ref>
* Sie beginnt mit der Rauschmelze, die das Erschmelzen des Gemenges und seine Homogenisierung umfasst.
[[Datei:Glashütte_Weibersbrunn_2.jpg|mini|Mondglasproduktion im 18. Jahrhundert; die Tafel stammt aus der [[Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers|Encyclopédie.]] Der&nbsp;Arbeiter links trägt Holz zu Befeuerung. Mittig wird ein Glastropfen entnommen oder das Werkstück aufgeheizt. Rechts im Vordergrund wird ein Glastropfen durch ''Marbeln'' vorgeformt, im Hintergrund wird eine Scheibe ausgeschleudert.]]
* Im Anschluss erfolgt die [[Läuterung (Glas)|Läuterung]], in der die Gase ausgetrieben werden.
Bei dem Mondglasverfahren, das bereits im vierten Jahrhundert im vorderen [[Orient]] belegt ist und später breite Anwendung in Frankreich fand, wird ein Glastropfen mit der [[Glasmacherpfeife]] zu einer Kugel vorgeblasen. Die heiße Glaskugel wird auf der gegenüberliegenden Seite an einem Metallstab befestigt, und die Glasmacherpfeife abgesprengt. Die Kugel hat nun ein Loch, dessen Ränder nach außen gestülpt werden. Zur weiteren Verarbeitung wurde die Kugel wieder auf Temperatur gebracht. Bei ca. 1000&nbsp;°C war das Glas weich genug, um mittels Zentrifugalkraft in Tellerform geschleudert zu werden. Die Kugel öffnete sich um das Loch, an dem vorher die Pfeife befestigt war. Durch diese Technik wurden Glasplatten von ca. 1,20&nbsp;m Durchmesser erzeugt. Anschließend wurde der äußere Rand zu Rechtecken geschnitten. Diese fanden Verwendung als z.&nbsp;B. Kirchenglas mit Bleieinfassungen. Das Mittelstück mit der Anschlussstelle des Schleuderstabs heißt Butze und wurde für [[Butzenscheibe|Butzenscheiben]] von 10 bis 15&nbsp;cm Durchmesser verwendet.<ref name="Glastechnik 3 44">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 44 f.</ref>
* Zuletzt wird die geläuterte Schmelze auf die gewünschte Formgebungstemperatur abgekühlt („Abstehen des Glases“).<ref name="Kitaigorodski 119">I. I. Kitaigorodski: ''Technologie des Glases.'' 2. Auflage. 1957, S. 119 ff.</ref>


=== Frühe Neuzeit ===
Bei [[Los (Produktion)|chargenweise]] arbeitenden [[Glasschmelzwanne#Tageswannen|Tageswannen]] und [[Hafenofen|Hafenöfen]] geschehen diese Schritte nacheinander in demselben Becken.<ref name="Trier 240">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 240.</ref><ref name="Trier 244">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 244.</ref> Dieses historische Produktionsverfahren findet heute nur noch bei kunsthandwerklicher Produktion und speziellen, optischen Gläsern in geringen Mengen statt. Im industriellen Maßstab finden ausschließlich kontinuierlich arbeitende Öfen Verwendung.<ref name="Trier 1">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 1.</ref> Hier ist die Abfolge obiger Schritte nicht zeitlich, sondern räumlich getrennt, auch wenn die einzelnen Abschnitte fließend ineinander übergehen.<ref name="Trier 240" /> Die Menge des zugeführten Gemenges muss derjenigen der Glasentnahme entsprechen. Die notwendige Energie zum Erschmelzen des Glases kann durch fossile Brennstoffe oder elektrische Energie, mittels Stromdurchgang durch die Schmelze, erbracht werden.
[[Datei:Glassmaking.jpg|mini|Walzglasproduktion 1908: der gleiche Prozess wie 1688]]
Das Walzglasverfahren wurde zum ersten Mal 1688 in [[Saint-Gobain]], der Keimzelle des heutigen [[Compagnie de Saint-Gobain|gleichnamigen Weltkonzerns]], dokumentiert. Geschmolzenes Glas wird auf den Walztisch gegossen, verteilt und schließlich gewalzt. Im Gegensatz zu den vorher genannten Verfahren wurde hier eine gleichmäßige Dicke erreicht. Auch waren erstmals Scheibengrößen von 40&nbsp;×&nbsp;60&nbsp;Zoll möglich, was für die Produktion von [[Spiegel|Spiegeln]] genutzt wurde. Probleme bereitet jedoch die ungleichmäßige Oberfläche. Fensterglas dieses Herstellungsverfahrens ist oft blind und Spiegelglas nur durch aufwendiges kaltes Polieren zu erzielen.<ref name="Glastechnik 3 44" />
[[Datei:Meyers_b7_s0384a.jpg|links|mini|Zeichnung des Regenerativofens von Friedrich Siemens]]


=== Industrialisierung und Automatisierung ===
Das Gemenge wird der Schmelzwanne mit einer Einlegemaschine am Einlegevorbau, dem Doghouse, aufgegeben. Da das Gemenge eine geringere Dichte als die Glasschmelze besitzt, schwimmt dieses auf der Schmelze und bildet den sogenannten Gemengeteppich.<ref name="Trier 150">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 150 f.</ref><ref name="Kitaigorodski 119" /> Bei Temperaturen von ca. 1400&nbsp;°C und mehr schmelzen die verschiedenen Bestandteile langsam auf. Einige der Gemengebestandteile können zusammen [[Eutektikum|Eutektika]] bilden und bereits bei wesentlich geringeren Temperaturen erste Schmelzphasen bilden.<ref name="Kitaigorodski 124">I. I. Kitaigorodski: ''Technologie des Glases.'' 2. Auflage. 1957, S. 124 ff.</ref><ref name="Kitaigorodski 141">I. I. Kitaigorodski: ''Technologie des Glases.'' 2. Auflage. 1957, S. 141 ff.</ref> Die [[Konvektion]] im Glasbad bewirkt einen kontinuierlichen Abtransport von Material, das sich vom Gemengeteppich löst. Gleichzeitig bewirkt sie eine Erwärmung des Gemenges. Somit erzeugt sie sowohl eine thermische, als auch eine chemische [[Homogenität (Physik)|Homogenität]] der Schmelze.<ref name="Trier 151">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 151, S. 156 ff.</ref> Diese kann durch ein [[Bubbling (Glas)|Bubbling]], die Eindüsung von Luft oder Gasen in die Schmelze, unterstützt werden.<ref name="Trier 164">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 164.</ref>
[[Datei:Železná_forma_s_držadly.jpg|mini|Gusseiserne Form zur manuellen Formgebung von Hohlglas]]
Die Industrialisierung und Automatisierung der Glaserzeugung setzte schrittweise im 19. Jahrhundert ein. Zunächst wurden einzelne Verfahrensabschnitte optimiert. So wurden 1847 durch [[Joseph Magoun]] Metallformen in der Hohlglasproduktion eingeführt, welche die bis dahin hauptsächlich genutzten Holzformen ersetzten.<ref name="agr europe">{{Webarchiv |url=http://www.agrintl.de/deutsch/glas.htm |text=Agr Europe |archive-is=20130429033259}}</ref> 1856 entwickelte [[Friedrich Siemens]] den ersten Glasofen mit [[Glasschmelzwanne|Regenerativfeuerung]], was 1867 zum ersten kontinuierlichen Wannenofen ebenfalls durch Friedrich Siemens führte. Die regenerative Befeuerung ermöglichte erhebliche Energieeinsparungen und zugleich eine verbesserte Temperaturführung in der Glasschmelzwanne. Wenig später, im Jahr 1884, gründeten [[Ernst Abbe]] und [[Otto Schott]] in Jena ein Glaswerk für optische Spezialgläser.<ref name="Glastechnik 3 52">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Hohlglas.'' 2007, S. 52.</ref><ref name="schott">[http://www.schott.com/german/company/corporate_history/milestones.html Geschichte der Schott AG]. Abgerufen: 03/2013</ref>
[[Datei:Fourcault_process_for_flat_glass_forming.svg|mini|Herstellung von Flachglas nach dem Fourcault-Prozess. Die Glastafel wird durch eine Düse senkrecht aus der Schmelze gezogen.]]
Im Jahr 1905 entwickelte der Amerikaner [[John H. Lubbers]] ein Verfahren zur Flachglasherstellung, wobei er den manuellen Prozess des [[Zylinderblasverfahren|Zylinderblasverfahrens]] im industriellen Maßstab umzusetzen versuchte. Dabei wurden Zylinder direkt aus der Schmelz gezogen, diese konnten einen Durchmesser von 80&nbsp;cm erreichen und waren bis zu 12&nbsp;m hoch. Der Zylinder wurde anschließend aufgeschnitten und geplättet. Das Verfahren war jedoch sehr umständlich, insbesondere das Umlegen der Zylinder in die Horizontale bereitete Schwierigkeiten.<ref name="Glastechnik 3 52" />


Ein Patent zur verbesserten Flachglasproduktion sollte 1902 von [[Émile Fourcault]] folgen. Das nach ihm benannte ''[[Fourcault-Verfahren]]'' zur [[Ziehglas|Ziehglasherstellung]]. Das Glas wird dabei kontinuierlich als Glastafel durch eine Düse aus der Schmelze senkrecht nach oben gezogen. Das Flachglas wurde somit ohne Umweg über einen Zylinder erzeugt. Nach dem Hochziehen durch einen senkrechten Kühlkanal auf ca. 8&nbsp;m Höhe kann gekühltes Flachglas am oberen Ende zugeschnitten werden. Durch Variation der Ziehgeschwindigkeit konnte die Glasdicke eingestellt werden. Das Fourcault-Verfahren kam ab 1913 zum Einsatz und bedeutete eine große Verbesserung.<ref name="Glastechnik 3 54f">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 54 ff.</ref>
Im Läuterbereich, der dem Schmelzbereich unmittelbar folgt, und häufig auch durch einen Wall in der Schmelze von diesem getrennt ist, werden in der Schmelze verbliebene Gase ausgetrieben.<ref name="Kitaigorodski 144">I. I. Kitaigorodski: ''Technologie des Glases.'' 2. Auflage. 1957, S. 144 ff.</ref>
Zu diesem Zweck wird dem Gemenge zuvor ein sogenanntes Läutermittel zugegeben. Dieses Läutermittel zersetzt sich bei einer bestimmten Temperatur unter Gasbildung. Aufgrund von Partialdruckdifferenzen diffundieren nun Gase aus der Schmelze in die Läutermittel-Gasblasen ein, welche dadurch anwachsen und aufsteigen. Um diesen Prozess in wirtschaftlich vertretbaren Zeiten durchführen zu können, herrschen im Läuterteil einer Glasschmelzwanne ähnlich hohe Temperaturen wie im Schmelzteil, weil eine zu hohe Viskosität der Schmelze das Aufsteigen der Gasblasen stark verlangsamen würde. Da die Läuterung bestimmend für die Glasqualität ist, gibt es vielfältige unterstützende Maßnahmen.<ref name="Kitaigorodski 144" /><ref name="Glasrohstoffe 166">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. 1993, S. 166 ff.</ref>


Ein ähnliches Verfahren ließ der Amerikaner [[Irving Wightman Colburn]] 1904 patentieren. Das Glasband wurde ebenfalls senkrecht aus der Schmelz gezogen, aber zur besseren Handhabung über eine Umlenkrolle in einen horizontalen Kühlkanal umgeleitet. Mit einer eigenen Fabrik wurde bis 1912 versucht, das Verfahren zu beherrschen, blieb aber letztlich erfolglos, so dass Insolvenz angemeldet wurde. Das Patent ging an die [[Toledo Glass Company]]. 1917 kam das nunmehr sogenannte [[Libbeys-Owens-Verfahren]] zur industriellen Anwendung. Die Vorteile gegenüber dem Fourcault-Verfahren lagen in der einfacheren Kühlung. Hingegen konnten bei jenem mehrere Ziehmaschinen an einer Glasschmelzwanne arbeiten. Da der Kühlofen beliebig lang sein konnte, erreichte dieses Verfahren etwa die doppelte Produktionsgeschwindigkeit. In der Folgezeit existierten beide Verfahren parallel. 1925 verbesserte die Plate Glass Company die Vorteile der Verfahren von Fourcault und Colburn; sie erzielte mit dem [[Pittsburg-Verfahren]] dadurch eine deutliche Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit.<ref name="Glastechnik 3 60">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 60 ff.</ref><ref name="Glastechnik 158">Siegfried Rech: ''Glastechnik .'' S. 158 ff.</ref>
Dem Läuterbereich schließt sich die baulich klar getrennte [[Arbeitswanne]] an. Da für die Formgebung niedrigere Temperaturen als zur Schmelze und Läuterung nötig sind, muss das Glas vorher abstehen, das Gefäß heißt daher auch ''Abstehwanne''. Der Kanal, der Schmelzwanne und Arbeitswanne verbindet, wird ''Durchlass'' genannt und arbeitet nach dem [[Düker|Siphon]]&shy;prinzip. Bei Flachglaswannen sind Schmelz- und Arbeitswanne nur durch eine Einschnürung getrennt, da ein Durchlass eine optische Unruhe im Fertigprodukt entstehen ließe.<ref name="Trier 7">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 7 ff.</ref>


Dem Deutschen [[Max Bicheroux]] gelang 1919 der entscheidende Schritt bei der [[Gussglas|Gussglasherstellung]]. Im Gegensatz zu den bisher genannten Verfahren wurde hier keine Glastafel aus der Schmelze gezogen, sondern die flüssige Glasmasse wurde dabei zwischen gekühlten Walzen zu einem Glasband geformt. Im noch erwärmten Zustand wurde das Glasband zu Tafeln geschnitten und in Öfen abgekühlt. Mit diesem Verfahren konnten Scheiben bis zu 4,5&nbsp;m Breite hergestellt werden. Ein ähnliches Verfahren wurde 1921 von [[Pilkington]] und dem Fahrzeugfabrikanten Ford zur kontinuierlichen Herstellung von Automobilglas als [[Walzglas]] entwickelt. Dieses Verfahren lieferte allerdings geringere Breiten als das von Bicheroux.<ref name="Glastechnik 3 40">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 40 f.</ref>
Von der Arbeitswanne fließt das Glas weiter zum Entnahmepunkt, wo dann die Formgebung stattfindet. Bei der Produktion von Hohlglas sind dieses die Speiser oder [[Feeder (Glas)|Feeder]]. Hier werden Tropfen erzeugt, die über ein Rinnensystem in darunter stehende [[Glasmaschine]]n geleitet werden. Bei der Flachglasherstellung nach dem Floatglasverfahren fließt das Glas über einen Lippstein in das [[Floatbad]].<ref name="Trier 3">Wolfgang Trier: ''Glasschmelzöfen.'' 1984, S. 3 ff.</ref><ref name="Glastechnik 2 72">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 2: ''Hohlglas.'' 2010, S. 72 ff.</ref>


Die Firma Pilkington bewältigte in den 1960er Jahren als erste die technischen Probleme der [[Floatglas|Floatglasfertigung]], wobei die Glasschmelze auf ein Bad aus flüssigem Zinn gegossen wurde. Dieses Prinzip revolutionierte die [[Flachglas|Flachglasfertigung]], da es eine sehr hohe Produktivität aufwies und die Spiegelglasherstellung ohne weitere Nachbearbeitungsschritte ermöglichte. In den 1970er Jahren wurde dieses Verfahren allgemeiner Standard und verdrängte die Übrigen nahezu vollkommen. Das Verfahren basiert auf einer Idee von [[Henry Bessemer]], die [[William E. Heal]] bereits 1902 zum Patent angemeldet hatte.
=== Formgebung ===


== Rohrglas ==
Je nach Produkt wird Glas unterschiedlich geformt. Die Formung erfolgt durch Pressen, Blasen, Schleudern, Spinnen, Walzen oder Ziehen:
[[Datei:Fotothek_df_n-27_0000047_Glaswerk.jpg|links|mini|Danner-Rohrzug im VEB Glaswerk Weißwasser]]
* ''[[Hohlglas]]'' wird in mehreren Verfahren durch Pressen, Blasen, Saugen und Kombinationen dieser Techniken hergestellt. Hier dominiert die [[Glasmaschine|IS-Maschine]], die im Blas-Blas- oder Press-Blas-Verfahren arbeitet. Für höherwertige Tafelware kommen Press-Blas-Verfahren zum Einsatz, die karussellförmig arbeiten und als Rundläufer oder [[Rotationsblasmaschine]] bezeichnet werden.<ref name="Glastechnik 2 88">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 2: ''Hohlglas.'' 2010, S. 88 ff.</ref>
Glasrohre wurden bis ins 19. Jahrhundert ebenfalls (mundgeblasen) ausschließlich diskontinuierlich aus einer Charge oder einem Glasposten hergestellt. Die industriellen Prozesse zur Glasrohrerzeugung werden in Verfahren mit rotierender Pfeife und Ziehverfahren mit Düsen unterteilt. Letztere können weiter unterteilt werden in Varianten, bei denen das Glasrohr senkrecht nach unten oder oben aus der Schmelze gezogen wird. 1912 entwickelte E. Danner ''(Libbey Glass Company)'' in den USA das erste kontinuierliche Röhrenziehverfahren, worauf 1917 ein Patent erteilt wurde.<ref name="Giegerich 341f">W. Giegerich, W. Trier: ''Glasmaschinen.'' 1964, S.&nbsp;341ff.</ref>
* ''kontinuierliche [[Glasfaser]]n'' werden durch Spinnen im so genannten TEL-Verfahren produziert<ref name="Giegerich 394">W. Giegerich, W. Trier: ''Glasmaschinen.'' 1964, S. 394 f.</ref>
* ''Glasfasern'' für beispielsweise [[Mineralwolle|Glaswolle]] werden erzeugt, indem sie durch ein Sieb geschleudert werden<ref name="Giegerich 389">W. Giegerich, W. Trier: ''Glasmaschinen.'' 1964, S. 89 ff.</ref>
* ''[[Flachglas]]'' wird hauptsächlich im [[Floatglas|Floatverfahren]] hergestellt, kann aber auch nach verschiedenen älteren Verfahren gezogen, gewalzt oder gegossen werden. Manufakturen bieten seit einiger Zeit auch wieder vermehrt handgeblasenes Flachglas an, das [[Antikglas]] (oder in Anlehnung an seine Herstellungsmethode auch ''Zylinderglas'') genannt wird.<ref name="Giegerich 139">W. Giegerich, W. Trier: ''Glasmaschinen.'' 1964, S. 139 ff.</ref><ref name="Glastechnik 3 14">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 14.</ref><ref name="Glastechnik 3 51">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 51 f.</ref>
* ''[[Rohrglas]]'' wird durch verschiedene kontinuierliche Ziehverfahren hergestellt, großformatige Glasrohre werden in einem speziellen Schleuderverfahren erzeugt.<ref name="Giegerich 341">W. Giegerich, W. Trier: ''Glasmaschinen.'' 1964, S. 341.</ref>


Beim Danner-Verfahren fließt eine Glasschmelze als Band auf einen schräg nach unten geneigten, rotierenden keramischen Hohlzylinder – die ''Dannerpfeife''. Nach Zuführung von Druckluft über das Innere der Pfeife gelingt das Abziehen des sich bildenden Glasrohres in Richtung der Pfeifenachse. Die Ziehgeschwindigkeit des Rohrs sowie Höhe des Drucks der zugeführten Luft bestimmen hierbei die Rohrdimension.<ref name="Giegerich 341f" />
=== Kühlung ===
[[Datei:Strain in Glass.jpg|mini|Mit Hilfe der Doppelbrechung von polarisiertem Licht sichtbar gemachte Spannungen in Glas]]
[[Datei:OberlandGlasproduktion.jpg|mini|Hohlglasproduktion: Konservengläser nach dem Verlassen der Kühlbahn]]


In Frankreich wurde 1929 von L. Sanches-Vello ein vertikales Ziehverfahren ausgearbeitet. Dabei handelt es sich um ein senkrechtes Rohrziehverfahren. Die Schmelze wird durch eine Düse im Boden der Schmelzwanne nach unten gezogen und kurz darauf in die Horizontale umgeleitet.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.petzi-kristall.de/Glasgeschichte/glasgeschichte_2.htm |titel=Geschichte des Glases. Teil 2 |werk=petzi-kristall.de |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160325000751/http://www.petzi-kristall.de/Glasgeschichte/glasgeschichte_2.htm |archiv-datum=2016-03-25 |abruf=2016-03-20}}</ref><ref name="Giegerich 353">W. Giegerich, W. Trier: ''Glasmaschinen.'' 1964, S. 353 ff.</ref>
In jedem Glasgegenstand entstehen bei der [[Formgebung]] [[mechanische Spannung]]en als Folge einer Zwangsformgebung oder [[Dehnung]]sunterschiede im Material aufgrund von [[Temperaturgradient]]en.<ref name="Jebsen" />{{rp|46}} Diese Spannungen lassen sich mit [[optisch]]en Spannungsprüfern unter polarisiertem Licht geometrisch messen ([[Spannungsdoppelbrechung]]). Die Spannungsanfälligkeit hängt vom [[Ausdehnungskoeffizient]]en des jeweiligen Glases ab und muss thermisch ausgeglichen werden.<ref name="Jebsen" />{{rp|107 ff.}}


Für die Produktion von Rohrglas existieren eine Reihe weiterer Verfahren, die aber alle nach sehr ähnlichen Prinzipien arbeiten.<ref name="Giegerich 341">W. Giegerich, W. Trier: ''Glasmaschinen.'' 1964, S. 341.</ref>
Für jedes Glas lässt sich ein Kühlbereich festlegen, welcher von der sogenannten ''oberen'' und ''unteren Kühltemperatur'' begrenzt wird. Die Lage dieser Temperaturen definiert sich nach der Viskosität, so ist die obere Kühltemperatur diejenige Temperatur, bei der das Glas eine Viskosität von 10<sup>12</sup> Pa·s besitzt. Bei der unteren Kühltemperatur liegt eine Viskosität 10<sup>13,5</sup> Pa·s vor. In der Regel erstreckt sich der Kühlbereich für die meisten kommerziell genutzten Gläser zwischen 590&nbsp;°C und 450&nbsp;°C. Die Spannungen werden durch [[Tempern]] verringert, also durch definiertes langsames Abkühlen, da bei den hier vorherrschenden Viskositäten eine Spannungsrelaxation gerade noch möglich ist und bleibende Spannungen im Glaskörper vermieden werden.<ref name="Jebsen" />{{rp|7-10}}

Die Zeit, in der ein Glasgegenstand den Kühlbereich durchlaufen kann, hängt maßgeblich von der je nach Glasart zu überbrückenden Temperatur und der Stärke (Dicke) des Gegenstands ab. Im Hohlglasbereich sind dies zwischen 30 und 100&nbsp;Minuten, bei großen optischen [[Linse (Optik)|Linsen]] mit 1&nbsp;m Durchmesser und mehr kann eine langsame Abkühlung von einem Jahr notwendig sein, um sichtbare Spannungen und somit Bildverzeichnungen der Linse zu vermeiden.<ref name="Jebsen" />{{rp|46 ff.}} Die Kühlrate ist bei optischen Gläsern, nach der chemischen Zusammensetzung, der zweite wichtige Parameter zur Einstellung von Brechungsindex bzw. Dispersion und deshalb generell von besonderer Bedeutung im Produktionsprozess.<ref>H. Bach, N. Neuroth: ''The Properties of Optical Glass.'' 2. Auflage. Springer Verlag, 1998, S.&nbsp;99ff.</ref>

Es gibt zwei Arten von [[Kühlaggregat]]en, die zum Entspannungskühlen von Glasgegenständen genutzt werden können: die periodisch arbeitenden [[Kühlofen|Kühlöfen]] und kontinuierlich betriebene [[Kühlbahn]]en. In der Praxis geschieht jedoch zumeist keine klare Abgrenzung zwischen diesen beiden Fällen, so wird beispielsweise das kontinuierlich betriebene Kühlaggregat in der Flachglasindustrie häufig als Rollenkühlofen bezeichnet.<ref name="Resch 122">Siegfried Rech: ''Glastechnik 1.'' 1. Auflage. S. 122 ff.</ref>

Kühlöfen eignen sich nur für Sonderfertigungen und Kleinstchargen, da nach jeder Entnahme der Werkstücke der Ofen wieder auf Temperatur gebracht werden muss. Industriell werden Kühlbahnen genutzt. In der Hohlglasindustrie erfolgt der Transport der Glasgegenstände auf Stahlmatten oder Kettenbändern durch die Kühlbahn, während das kontinuierliche Glasband in der Flachglasindustrie mittels Rollen durch die Kühlbahn transportiert wird.

Vor den Kühlbahnen (regional auch Kühlbänder genannt) wurden für mittlere Sortimente sogenannte Zugöfen verwendet. Nachdem der Zug im Ofen mit Gläsern gefüllt war, wurde der eine Wagen aus dem Ofen heraus- und ein leerer Wagen hineingefahren. Der heiße Wagen wurde mit isolierten Blechen verhängt und konnte langsam abkühlen, bevor er entleert wurde. Pro Schicht wurden meist drei Wagenwechsel <!-- (zum Schichtbeginn, nach der Frühstückspause und nach der Mittagspause) --> durchgeführt.<ref name="Resch 122f">Siegfried Rech: ''Glastechnik 1.'' 1. Auflage. S. 122–130 ff.</ref><ref name="Glastechnik 4 172">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 172.</ref><ref name="Glastechnik 4 263">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 263.</ref>

Die bisher geschilderten Vorgänge lassen sich unter dem Begriff des ''Entspannungskühlens'', also dem Kühlen eines Glaskörpers mit dem Zweck, bleibende Spannungen zu vermeiden, zusammenfassen. Als einen umgekehrten Fall kann das thermische Vorspannen von Glas zur Herstellung von beispielsweise [[Einscheibensicherheitsglas]] betrachtet werden. Dabei wird das Glas von einer Temperatur oberhalb seiner [[Transformationstemperatur]] so schnell abgekühlt, dass die thermisch erzeugten Spannungen nicht mehr abgebaut werden können. Infolgedessen entstehen im Glasvolumen Zugspannungen und in der Glasoberfläche Druckspannungen, die ursächlich für eine gesteigerte Festigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit des Glaskörpers sind.<ref name="Glastechnik 3 82">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 82 ff.</ref>

=== Oberflächenveredelung ===
[[Datei:Au sputtering light.JPG|mini|Beschichtung eines Substrates mit Gold durch [[Sputtern]]]]
[[Datei:Slovenska Filharmonija door.jpg|mini|hochkant|Eine durch Ätzen kunstvoll verzierte Scheibe.]]

Eine Oberflächenveredelung entsteht durch das Aufbringen von Schichten oder das Abtragen von Schichten, sowie das Modifizieren der Struktur oder der Chemie der Glasoberfläche. Sinn und Zweck solcher Maßnahmen ist die Verbesserung der bestehenden Gebrauchseigenschaften eines Glasgegenstandes oder die Erzeugung neuer Anwendungsgebiete für einen Glasgegenstand.<ref name="Dünnfilm 23">Hans Joachim Gläser: ''Dünnfilmtechnologie auf Flachglas.'' Verlag Karl Hofmann. 1999, ISBN 3-7780-1041-7, S. 23 ff.</ref>
* Durch [[Chemische Gasphasenabscheidung|chemische]] und [[physikalische Gasphasenabscheidung]] können [[Dünne Schichten|feinste Metallbeschichtungen]] aufgebracht werden. Die meisten Fenster- und Autogläser werden auf diese Weise mit für [[Infrarotlicht]] undurchlässigen Beschichtungen versehen. Die Wärmestrahlung wird reflektiert und Innenräume heizen durch Sonneneinstrahlung weniger auf. Gleichzeitig werden die Wärmeverluste im Winter reduziert, ohne dabei die Durchsichtigkeit wesentlich zu beeinträchtigen.<ref name="Glastechnik 3 102">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 102 ff.</ref><ref name="Dünnfilm 174">Hans Joachim Gläser: ''Dünnfilmtechnologie auf Flachglas.'' Verlag Karl Hofmann. 1999, ISBN 3-7780-1041-7, S. 174 ff.</ref>
* Die Beschichtung mit [[Dielektrikum|dielektrischem]] Material, das selbst durchsichtig ist, aber einen vom Glasträger abweichenden [[Brechungsindex]] aufweist, ermöglicht sowohl [[Spiegel|Verspiegelungen]] als auch eine [[Entspiegelung]]. Dies wird bei der Herstellung von Brillengläsern und Linsen für Fotoapparate eingesetzt, um störende [[Reflexionsgrad|Reflexionen zu vermindern]]. Für wissenschaftliche Zwecke werden Schichten hergestellt, die mehr als 99,9999 % des einfallenden Lichts einer bestimmten Wellenlänge reflektieren. Umgekehrt kann auch erreicht werden, dass 99,999 % des Lichts die Oberfläche passieren.<ref name="Glastechnik 3 102" /><ref name="Glastechnik 3 110">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 3: ''Flachglas.'' 2007, S. 110 ff.</ref><ref name="Dünnfilm 239">Hans Joachim Gläser: ''Dünnfilmtechnologie auf Flachglas.'' Verlag Karl Hofmann. 1999, ISBN 3-7780-1041-7, S. 239–245.</ref><ref name="Dünnfilm 228">Hans Joachim Gläser: ''Dünnfilmtechnologie auf Flachglas.'' Verlag Karl Hofmann. 1999, ISBN 3-7780-1041-7, S. 228.</ref>
* Durch [[Sandstrahlen]] oder mit [[Flusssäure]] kann die Oberfläche so weit aufgeraut werden, dass das Licht stark [[Streuung (Physik)|gestreut]] wird. Es erscheint dann milchig und nicht mehr durchsichtig, jedoch wird weiterhin nur sehr wenig Licht absorbiert. Daher wird diese Technik häufig für Lampenschirme oder blickdichte Fenster angewandt (siehe auch [[Satinieren (Glasbearbeitung)|Satinieren]]).<ref name="Glastechnik 2 209">Helmut A. Schaeffer:. ''Glastechnik.'' Band 2: ''Hohlglas.'' 2010, S. 209 ff.</ref>
* Ebenfalls mit Flusssäure lässt sich die Oberfläche eines Glases säurepolieren. Dabei werden die beschädigten Oberflächenschichten abgetragen was zu defektfreien Oberfläche und somit einer erhöhten Festigkeit des Glasgegenstandes führt.<ref name="Glastechnik 2 209" />
* Eine weitere häufig eingesetzte Oberflächenveredelungsmethode ist die Entalkalisierung der Glasoberfläche. Durch Reaktion der heißen Glasoberfläche mit aggressiven Gasen (z.&nbsp;B. HCl oder SO<sub>2</sub>) bilden sich mit den Alkalien aus dem Glas Salze, welche sich auf der Glasoberfläche abscheiden. Das an Alkalien verarmte Glas zeigt infolgedessen eine erhöhte chemische Beständigkeit.<ref name="HVG 89 II5">Helmut A. Schaeffer: ''Veränderung der Glasoberfläche während des Herstellungs- und Verarbeitungsprozesses.'' S. II/5 ff. In: ''HVG-Fortbildungskurs 1989 – Veränderung und Veredelung von Glasoberflächen''.</ref>
* Während der Hohlglasproduktion wird dem Glas in zwei Schritten eine sogenannte ''Heiß-'' und ''Kaltendvergütung'' aufgebracht. Diese beiden Vergütungen sollen verhindern, dass sich die Glasflaschen während der Produktion und späteren Befüllung gegenseitig beschädigen, indem ihr Reibkoeffizient verringert wird und sie so im Falle eines Kontaktes aneinander vorbeigleiten, statt sich gegenseitig zu zerkratzen. Hierfür werden verschiedene Zinn- und Titanverbindungen als Schichten verwendet.<ref name="Glastechnik 2 230">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 2: ''Hohlglas.'' 2010, S. 230 ff.</ref>

=== Qualitätskontrolle ===
Um die Qualität des Glases sicherzustellen, müssen regelmäßig umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden, hierzu zählen:
* Online-Kontrolle in der Glashütte (optische Prüfungen aller einzelnen Glaserzeugnisse auf Maßhaltigkeit, Risse, Relikten, Verunreinigungen etc.)
* tägliche oder wöchentliche chemische Glasanalyse mit der [[Atomemissionsspektrometrie#Optische Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES)|ICP-OES]], um u.&nbsp;a. auch die Schwermetalle im Verpackungsglas zu überwachen (Forderung der Verpackungsverordnung)
* wöchentliche oder monatliche [[Eisen#Chemische Eigenschaften|Fe<sup>2+</sup>]]-Analyse und Analyse des Redoxzustandes, um so das Schmelzaggregat und die Qualität der verwendeten Recyclingglasqualitäten zu beurteilen<ref>{{Internetquelle |url=https://analytik.news/fachartikel/2013/44.html |titel=Nasschemische Fe2+-Analysen zur Beurteilung des Redoxzustandes von Glasschmelzaggregaten {{!}} Analytik NEWS |sprache=de |abruf=2022-05-27}}</ref>
* tägliche Spannungsprüfungen mit Rotlicht 1. Ordnung unter dem Mikroskop um Bruchprobleme zu reduzieren
* bei Bedarf Bruchanalysen mit der [[Energiedispersive Röntgenspektroskopie#Anwendung|REM-EDX]]

=== Glasfärbung und Entfärbung ===
[[Datei:Green color of float glass.jpg|mini|Gewöhnliches [[Floatglas]] ist wegen Fe<sup>2+</sup>-Verunreinigungen in dickeren Schichten grün]]

==== Grundsätze ====
Die meisten Glassorten werden mit weiteren Zusatzstoffen produziert, um bestimmte Eigenschaften, wie ihre Färbung, zu beeinflussen. Grundsätzlich werden bei Gläsern drei Farbgebungsmechanismen unterschieden, die Ionenfärbung, die kolloidale Färbung und die Anlauffärbung. Während die erstgenannte Möglichkeit hauptsächlich auf der Wechselwirkung des Lichtes mit den [[Elektronenhülle]]n der farbgebenden Elemente beruht, treten bei den letzten beiden unterschiedlichste Beugungs-, Reflexions- und Brechungserscheinungen des Lichts auf, die stark abhängig von [[Dispersion (Chemie)|dispergierten]] Phasen sind. Im Falle der Anlauffärbung handelt es sich um eine Elektronenanregung im Kristallgitter des Chromophors.<ref name="Vogel" /> {{rp|275 ff.}}<ref name="Glasrohstoffe 184">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. Springer-Verlag, S. 184 ff.</ref>

==== Ionenfärbung ====
Als färbende Substanzen in Gläsern werden Metalloxide, sehr häufig 3d-Elemente, eingesetzt. Die Entstehung der Farbwirkung beruht auf der Interaktion der äußeren Elektronen mit elektromagnetischen Wellen. Dabei kann es zur Absorption bestimmter Wellenlängen und zur Emission anderer Wellenlängen kommen. Werden Wellenlängen des sichtbaren Lichtes absorbiert, entsteht eine Farbwirkung, da das übriggebliebene Wellenlängenspektrum kein weißes Licht mehr ergibt. Die Färbung kann also als eine selektive Transmission betrachtet werden.<ref name="Vogel" />{{rp|255 ff.}} Die tatsächliche Färbung eines Glases ist von einer Vielzahl von Parametern abhängig. Neben der Konzentration der farbgebenden Ionen ist auch deren Koordination und die umgebende Glasstruktur von entscheidender Bedeutung. Beispielsweise ergibt Cobalt(II)-oxid in einem Silikatglas einen anderen Blauton als in einem Phosphatglas.<ref name="Vogel" />{{rp|251 ff.}}<ref name="Glasrohstoffe 184" /> Um einen speziellen Farbton zu erhalten, können die verschiedenen farbgebenden Oxide miteinander kombiniert werden, jedoch müssen dabei eventuell auftretende Wechselwirkungen beachtet werden.<ref name="Vogel" />{{rp|264 f.}}

==== Anlauffärbung ====
Zu den Anlaufgläsern gehören die durch [[Chalkogenide]] gefärbten Gläser, die hauptsächlich in silikatischen Gläsern mit hohen Zink- und [[Kaliumoxid]]gehalten Anwendung finden. Am häufigsten werden hierfür [[Cadmiumsulfid]] oder [[Cadmiumselenid]] in geringen Prozentbereichen zugegeben, aber auch andere Metallchalkogenide sind denkbar.<ref name="Vogel" />{{rp|266}} Das Glas wird unter reduzierenden Bedingungen erschmolzen, wobei zunächst farbloses Glas entsteht. Erst eine anschließende [[Tempern|Temperung]] bewirkt, dass die Gläser farbig werden – sie ''laufen an''. Mit zunehmender Dauer wandert die [[UV-Kante]] des Glases immer mehr in den sichtbaren Bereich hinein. Durch eine gezielte Temperung können somit unterschiedliche Farbwirkungen erzielt werden. Ursache für dieses Verhalten sind mikroskopische (Cadmium-)Chalkogenidkristalle, die sich während des Temperns bilden und mit andauernder Temperzeit weiter wachsen.<ref name="Vogel" />{{rp|267}} Es handelt sich also um eine gesteuerte [[Entglasung]]. Untersuchungen zeigten, dass sich mit zunehmender Kristallisation des Chalkogenids die [[Bandlücke|Verbotene Zone]] zwischen [[Valenzband|Valenz-]] und [[Leitungsband]] vergrößert, was die Ursache für die Verschiebung der UV-Kante in den sichtbaren Bereich ist.<ref name="Vogel" />{{rp|275 ff.}} Aufgrund ihrer scharfen Farbkante werden diese Gläser häufig als Filtergläser eingesetzt.<ref name="Vogel" />{{rp|268}}

==== Kolloidale Färbung ====
[[Datei:Vintage cranberry glass.jpg|mini|Eine goldrubin gefärbte Glasschale]]

Kolloidalgefärbte Gläser werden oft auch als ''(echte) Rubingläser'' bezeichnet. Bei diesen Gläsern werden Metallsalze der Schmelze zugegeben. Zunächst ergibt sich ebenfalls ein farbloses Glas. Durch eine anschließende Temperaturbehandlung werden Metalltröpfchen aus der Glasmatrix ausgeschieden und wachsen an. Die Farbwirkung der Kolloide beruht sowohl auf der Absorption des Lichtes durch die Teilchen als auch der [[Rayleigh-Streuung]] des Lichtes an ihnen. Je größer die erzeugten Kolloide werden, umso mehr nimmt ihre Extinktion zu. Gleichzeitig verschiebt sich die Wellenlänge ihrer maximalen Absorption zu langwelligerem Licht hin. Außerdem nimmt mit zunehmender Kolloidgröße der Effekt der Streuung zu, jedoch muss hierfür die Größe des Kolloids sehr viel kleiner als die Wellenlänge des zu streuenden Lichtes sein.<ref name="Vogel" />{{rp|281 ff.}}

==== Farbwirkung einzelner Bestandteile (Auswahl) ====
[[Datei:Old Bottle.JPG|mini|hochkant|Durch Eisen und Schwefel ''(Kohlegelb)'' braungefärbte Flaschen]]
[[Datei:MANA - Glas 5.jpg|mini|Verschiedene Farbschattierungen antiker römischer Glasflaschen]]

Die nachfolgende Liste enthält einige der häufigeren zur Färbung genutzten Rohstoffe, unabhängig von deren Farbgebungsmechanismus.<ref name="Vogel" />{{rp|226, 284}}<ref name="Glasrohstoffe 180">Joachim Lange: ''Rohstoffe der Glasindustrie.'' 3. Auflage. Springer-Verlag, S. 180 ff.</ref><ref name="Glasrohstoffe 184" />

* [[Eisen]]oxide: färben je nach Wertigkeit des Eisenions grün-blaugrün (Weinflaschengrün) oder gelb und in Verbindung mit [[Mangan(IV)-oxid|Braunstein]] gelb sowie braun-schwarz in Verbindung mit [[Schwefel]] bei reduzierenden Schmelzbedingungen.
* [[Kupfer]]oxide: Zweiwertiges Kupfer färbt blau; einwertiges färbt rot, daraus ergibt sich das ''Kupfer[[rubinglas]]''.
* [[Chrom]](III)-oxid: wird in Verbindung mit Eisenoxid oder allein für die Grünfärbung verwendet.
* [[Uran]]oxid: ergibt eine sehr feine Gelb- oder Grünfärbung. (''Annagelbglas'' oder ''Annagrünglas'') mit grüner [[Fluoreszenz]] unter [[Ultraviolettstrahlung]]. Solche Gläser wurden vor allem in der Zeit des [[Jugendstil]]s hergestellt. In England und Amerika ist diese Glassorte auch als ''uranium glass'' oder ''vaseline glass'' bekannt. Aufgrund der [[Radioaktivität]] des Urans wird es heutzutage nicht mehr verwendet.
* [[Cobalt(II)-oxid]]: färbt intensiv blau und wird auch für die Entfärbung verwendet. Das Cobaltoxid wurde früher in einem aus den Cobalterzen hergestelltem Gemisch zugegeben, das [[Zaffer|Zaffer oder Safflor]] genannt wird.
* [[Nickel]]oxid: violett, rötlich; es dient auch für die Graufärbung und zur Entfärbung.
* [[Mangan(IV)-oxid]] (Braunstein): Es wird als Glasmacherseife zur Entfernung des Grünstichs (durch [[Lichtabsorption|Absorption]] der [[Komplementärfarben]]) verwendet.
* [[Selen]]oxid: färbt rosa und rot. Die rosa Färbung wird als ''[[Rosalinglas|Rosalin]]'' bezeichnet, die rote als ''Selenrubin''.
* [[Silber]]: ergibt feines Silbergelb.
* [[Indium(III)-oxid|Indiumoxid]]: Es erzeugt gelb bis bernsteinorange Farben.
* [[Neodym]]: rosa bis purpur, lila
* [[Praseodym]]: grün
* [[Samarium]]: gelb
* [[Europium]]: intensiv rosa
* [[Gold]]: wird erst in [[Königswasser]] aufgelöst und färbt rubinrot, eine der teuersten Glasfärbungen ([[Goldpurpur]]).

==== Entfärbung von Gläsern ====
Die Entfärbung eines Glases ist dann notwendig, wenn durch Verunreinigungen der Rohstoffe größere Mengen an farbgebenden Bestandteilen im Glas vorhanden sind ''(ungewollter Farbeffekt)'', oder falls in der regulären Glasproduktion ein Erzeugnis anderer Farbe hergestellt werden soll. Die Entfärbung eines Glases kann sowohl chemisch, als auch physikalisch geschehen.<ref name="Glasrohstoffe 180" /> Unter der ''chemischen Entfärbung'' werden Änderungen an der Chemie des Glases verstanden, die zur Folge haben, dass die Färbung reduziert wird. Dies kann im einfachsten Fall durch eine Veränderung der Glaszusammensetzung geschehen. Sollten poly[[Wertigkeit (Chemie)|valente]] Elemente in der Schmelze vorliegen, entscheidet neben deren Konzentration auch deren [[Oxidationszahl|Oxidationszustand]] über die Farbwirkung. In diesem Fall kann ein veränderter Redoxzustand einer Glasschmelze die Farbwirkung des fertigen Produktes ebenfalls beeinflussen. Sofern eine Färbung des Glases durch Chalkogenide (Anlauffärbung) verursacht ist, kann der Schmelze [[Oxidationsmittel]] zugegeben werden. Diese bewirken eine [[Zersetzung (Chemie)|Zersetzung]] der Chalkogenide in der Glasschmelze.<ref name="Vogel" />{{rp|267}} Eine weitere Möglichkeit, Fehlfarben in einem Glas zu kompensieren, stellt die ''physikalische Entfärbung'' dar. Dazu werden kleinste Mengen farbgebender Bestandteile der Schmelze zugegeben. Grundsätzlich dient die [[Komplementärfarbe|komplementäre Farbe]] zur Beseitigung von Farbstichen. Dadurch entsteht der Effekt eines farblosen Glases. Mit steigender Intensität der ursprünglichen Fehlfärbung werden auch höhere Mengen an Entfärbungsmitteln notwendig, wodurch das Glas zwar farblos, aber zunehmend dunkler wirkt. Entfärbemittel werden [[Glasmacherseife]]n (auch ''Glasseifen'') genannt.<ref name="Glasrohstoffe 180" />

==== Phototropie und Elektrotropie ====
{{Hauptartikel|Transparenz (Physik)#Phototropie|Transparenz (Physik)#Elektrotropie}}
Hierbei handelt es sich um Färbungen und Entfärbungen, die unter dem Einfluss von mehr oder weniger Sonnenlicht zustande kommen; sie eignen sich für bei starkem Sonnenlicht automatisch dunkel werdende Brillengläser.

Ein ähnlicher Effekt ist mit einem veränderlichen elektrischen Feld erzielbar; er wird u. a. für verdunkelbare Windschutzscheiben verwendet.

=== Einstellung der Glaseigenschaften allgemein ===
[[Datei:Spidergraph ChemDurab DE.PNG|mini|hochkant=1.3|Einflüsse der Zugabe ausgewählter Glasbestandteile auf die chemische Beständigkeit eines speziellen Basisglases gegenüber [[Glaskorrosion|Korrosion]] durch Wasser (Korrosionstest ISO 719)<ref>[http://www.glassproperties.com/chemical_durability/ Glassproperties.com ''Calculation of the Chemical Durability (Hydrolytic Class, Corrosion) of Glasses'']</ref>]]

Glaseigenschaften können mittels statistischer Analyse von Glasdatenbanken ermittelt und optimiert werden. Sofern die gewünschte Glaseigenschaft nicht mit Kristallisation (z.&nbsp;B. [[Liquidustemperatur]]) oder Phasentrennung in Zusammenhang steht, ist einfache lineare [[Regressionsanalyse]] anwendbar, unter Zuhilfenahme [[Algebraische Gleichung|algebraischer]] Gleichungen der ersten bis zur dritten Ordnung. Viele Verfahren zur Vorausberechnung von Glaseigenschaften sind hauptsächlich empirischer Natur.<ref name="Scholze" />{{rp|162}}

Die nachstehende Gleichung zweiter Ordnung ist ein Beispiel, wobei ''C'' die Konzentrationen der Glaskomponenten wie Na<sub>2</sub>O oder CaO darstellen. Die ''b''-Werte sind variable Koeffizienten, und ''n'' ist die Anzahl aller Glaskomponenten. Der Glas-Hauptbestandteil SiO<sub>2</sub> ist in der dargestellten Gleichung ausgeschlossen und wird mit der Konstante ''b<sub>o</sub>'' berücksichtigt. Der Großteil der Glieder in der Beispielgleichung kann aufgrund von Korrelations- und Signifikanzanalyse vernachlässigt werden. Weitere Einzelheiten und Anwendungen siehe.<ref>{{Internetquelle |autor=Alexander Fluegel |url=http://www.glassproperties.com/de/ |titel=Statistische Berechnung von Glaseigenschaften |abruf=2022-05-27}}</ref>

:<math>\text{Glaseigenschaft} = b_0 + \sum_{i=1}^n \left(b_\mathrm{i}C_\mathrm{i} + \sum_{k=i}^n b_\mathrm{ik}C_iC_\mathrm{k} \right)</math>

Oft ist es erforderlich, mehrere Glaseigenschaften sowie die Produktionskosten gleichzeitig zu optimieren. Dies geschieht mit der [[Methode der kleinsten Quadrate]], wodurch der Abstand zwischen den gewünschten Eigenschaften und den vorausberechneten einer fiktiven Glassorte durch Variation der Zusammensetzung minimiert wird. Es ist möglich, die gewünschten Eigenschaften unterschiedlich zu wichten.<ref>{{Literatur |Autor=Norman T. Huff, A. D. Call |Titel=Computerized prediction of glass compositions from properties |Sammelwerk=Journal of the American Ceramic Society |Band=56 |Nummer=2 |Datum=1973 |Seiten=55–57 |DOI=10.1111/j.1151-2916.1973.tb12356.x}}</ref>

{| class="wikitable float-right"
|+ Zusammensetzungen wichtiger Gläser<ref name="Glastechnik 4 201">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 4: ''Spezialglas.'' 2003, S. 201.</ref><ref name="Glastechnik 1 63">Helmut A. Schaeffer: ''Glastechnik.'' Band 1: ''Werkstoff Glas.'' 2012, S. 63.</ref> (Angaben in [[Masseprozent]])
|- class="hintergrundfarbe8"
!|Glasart || [[Siliciumdioxid|SiO<sub>2</sub>]] || [[Aluminiumoxid|Al<sub>2</sub>O<sub>3</sub>]] || [[Natriumoxid|Na<sub>2</sub>O]] || [[Kaliumoxid|K<sub>2</sub>O]] || [[Magnesiumoxid|MgO]] || [[Calciumoxid|CaO]] || [[Bortrioxid|B<sub>2</sub>O<sub>3</sub>]] || [[Blei(II)-oxid|PbO]] || [[Titan(IV)-oxid|TiO<sub>2</sub>]] || [[Fluor|F]] || [[Arsen|As]] || [[Selen|Se]] || [[Germanium|Ge]] || [[Tellur|Te]] || [[Schwefeltrioxid|SO<sub>3</sub>]]
|-
|[[Quarzglas]] || ≥99 || – || – || – || – || – || – || – || – || – || – || – || – || – || –
|-
|[[Borosilikatglas]] || 70–79 || 1–4,5 || 2–6 || 0–4,4 || 0–0,3 || 0–0,5 || 14–17 || – || – || – || – || – || – || – || –
|-
|[[Kronglas]] || 73 || 2 || 5 || 17 || – || 3 || – || – || – || – || – || – || – || – || –
|-
|[[Kalk-Natron-Glas]] || 71–73 || 1–2,4 || 14–17 || 0,2–1,6 || 2,6–3,8 || 4,2–6,6 || – || – || – || – || – || – || – || – || –
|-
|[[Floatglas]]<ref>{{RömppOnline|ID=RD-06-01179|Name=Floatglas|Abruf=2012-04-29}}</ref> || 72–72,6 || 0,1–1,1 || 13,5–14 || ≤ 0,7 || 4–4,1 || 8,4–8,8 || – || – || ≤ 0,2 || – || – || – || – || – || 0,2
|-
|[[Flintglas]] || 62 || – || 6 || 8 || – || – || – || 24 || – || – || – || – || – || – || –
|-
|[[Bleiglas|Bleikristallglas]] || 58 || – || 4 || 9 || – || – || 2 || 24 || – || – || – || – || – || – || –
|-
|[[Glasfaser]] || 54 || 14 || – || – || 4,5 || 17,5 || 10 || – || – || – || – || – || – || – || –
|-
|[[Email]] || 40 || 1,5 || 9 || 6 || 1 || – || 10 || 4 || 15 || 13 || – || – || – || – || –
|-
|[[Chalkogenidglas|Chalkogenidglas 1]] || – || – || – || – || – || – || – || – || – || – || 12 || 55 || 33 || – || –
|-
|[[Chalkogenidglas|Chalkogenidglas 2]] || – || – || – || – || – || – || – || – || – || – || 13 || 32 || 30 || 25 || –
|}

{| class="wikitable float-right"
|+ Zusammensetzungen historischer, moderner und natürlicher Gläser<ref>''Werkstoff Glas: Alter Werkstoff mit großer Zukunft (Technik im Fokus)'' S. 31.</ref> (Angaben in [[Gewichtsprozent]])
|- class="hintergrundfarbe8"
!|Glasart || [[Siliciumdioxid|SiO<sub>2</sub>]] || [[Aluminiumoxid|Al<sub>2</sub>O<sub>3</sub>]] || [[Eisen(III)-oxid|Fe<sub>2</sub>O<sub>3</sub>]] || [[Natriumoxid|Na<sub>2</sub>O]] || [[Kaliumoxid|K<sub>2</sub>O]] || [[Magnesiumoxid|MgO]] || [[Calciumoxid|CaO]] || [[Wasser|H<sub>2</sub>O]]
|-
|colspan="9"| '''Kalknatron-Silicatgläser'''
|-
|[[Behälterglas]] (weiß) || 73 || 2 || – || 13 || 1 || – || 11 || –
|-
|[[Floatglas]] || 72 || 0,5 || – || 14 || – || 4,5 || 9 || –
|-
|colspan="9"| '''Historische Gläser'''
|-
|mesopotamisches Glas|| 68 || 1 || 0,5 || 14,5 || 3 || 5 || 8 || –
|-
|römisches Glas || 70 || 2 || 0,5 || 18 || 1 || 1 || 7,5 || –
|-
|mittelalterliches Kirchenfensterglas || 49 || 2 || 0,5 +<br /> 1 P<sub>2</sub>O<sub>5</sub> || 0,5 || 20 || 4 || 23 || –
|-
|colspan="9"| '''Natürliche Gläser'''
|-
|[[Obsidian]] || 75 || 14 || 0,5 || 4 || 5 || – || 1 || 0,5
|-
|[[Tektit]]e || 79 || 10 || 3 || 0,5 || 2,5 || 2 || 3 || –
|-
|[[Libysches Wüstenglas]] || 98 +<br />0,2 TiO<sub>2</sub> || 1,3 || 0,3 || – || – || – || – || 0,2
|}

Glas-Zuschlagstoffe sind unter anderem:

* andere [[Netzwerkwandler|Flussmittel]] zur Herabsetzung des Schmelzpunkts<ref name="Scholze" />{{rp|156 ff.}}
** [[Kaliumoxid]]
** [[Zinkoxid]]
** [[Thallium]]
* zur Veränderung des [[Brechungsindex]]<ref name="Scholze" />{{rp|204 ff.}}
** [[Bariumoxid]]
** [[Blei(II)-oxid|Bleioxid]] (absorbiert auch Röntgenstrahlung)
* [[Trübungsmittel]]:<ref name="Vogel" />{{rp|299 ff.}}
** [[Zinndioxid]]
** [[Calciumphosphat]]
** [[Fluoride|Fluorid]] für [[Opalglas]]
** [[Zirkoniumdioxid]]
* [[Cer]] wird verwendet, um Glas gegen [[Radioaktivität|radioaktive]] und [[Röntgenstrahlung]] zu stabilisieren.<ref>{{RömppOnline|ID=RD-03-00917|Name=Cer|Abruf=2013-03-07}}</ref>
* [[Bor]]oxid als Zusatz verändert die thermischen und elektrischen Eigenschaften.<ref name="Scholze" />{{rp|173 f., 279}}
* [[Aluminiumoxid]] erhöht die [[Bruchfestigkeit]].<ref name="Scholze" />{{rp|252 f.}}

== Geschichte der Glasherstellung ==
''siehe: [[Geschichte des Glases]]''

== Märkte für Glas ==
Glas ist ein vielseitiges Material, das in vielen Bereichen des täglichen Lebens zum Einsatz kommt. So spielt Glas eine wichtige Rolle in Forschung und Wissenschaft, in der modernen Architektur sowie in Zukunftsbranchen. Kernbereiche, in denen Glas eingesetzt wird, sind:<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bvglas.de/die-branche/ |titel=Die Glasbranche |hrsg=Bundesverband Glasindustrie e.&nbsp;V. |abruf=2012-01-06}}</ref> Bauindustrie, Ernährungs- und Getränkeindustrie, Kraftfahrzeugindustrie, Elektro(nik)industrie, Haushalt und Gastronomie, Medizin, Forschung und Wissenschaft, Chemie, Pharmazie, Kosmetik, Möbelindustrie und Innenausbau, Kunststoff- und Textilindustrie.

== Kunsthandwerk und Glaskunst ==
{{Anker|Glaskunst und Kunsthandwerk}}
[[Datei:GlaskunstAlteGläser.jpg|mini|Alte Gläser. Aus: ''Meyers Großes Konversationslexikon.'' 6. Auflage. Band 8, 1907, Stichwort: Glaskunstindustrie]]
[[Datei:Glasbearbeitung.jpg|mini|Methoden für mund-/handgefertigte Gläser (v. l. n. r.): Bleiverglasen, Sandstrahlen, Fusing/Auflamieren, Beleuchten, Bemalen, Biegen, Ätzen]]

=== Ägypten ===
{{Hauptartikel|Glas im Alten Ägypten}}
Das Glashandwerk im pharaonischen Ägypten lässt sich bis an den Beginn der 18. Dynastie zurückverfolgen; zunächst handelt es sich dabei um Kleinfunde wie Perlen, Amulette oder Kettenglieder sowie farbigen Einlagen in den typischen ägyptischen Schmuckobjekten (z.&nbsp;B. Pektorale). Diese sind meist in Türkis oder Dunkelblau gehalten, da sie solche Objekte aus Lapislazuli oder Türkis imitieren sollten;<ref>zur frühen Glasherstellung und ältesten Funden s. H. Wilde: ''Technologische Innovationen.'' 2003, S. 21–23, siehe Literatur.</ref> dies galt nicht als ''billiger Schmuck'', sondern die Imitation dieser edlen, hoch machtgeladenen Steine galt als besondere ''Kunst''. Das Verfahren war für die damalige Zeit sehr aufwändig und man arbeitete solche Kleinfunde aus Rohglasstücken, ganz und gar vergleichbar mit solchen aus Stein. Dafür spricht auch, dass ein ägyptisches Wort für „Glas“ so nicht existierte; es hieß ''künstliches Lapislazuli'' bzw. ''künstliches Türkis'' im Gegensatz zum wahren/echten Türkis bzw. Lapislazuli.
In der ''Ersten ägyptischen Glaskunstblüte'' (18. bis 20.&nbsp;Dynastie) traten stabgeformte Gefäße auf (die auch kerngeformt genannt werden, nach der ''Sandkerntechnik''). Sie gehen auf Vorbilder zeitgenössischer Gefäße, insbesondere solchen aus Stein, zurück.<ref>H. Wilde: ''Technologische Innovationen.'' 2003, S. 33–39.</ref> Typische Formen ägyptischer Glasgefäße sind Lotoskelchbecher, Granatapfelgefäße, [[Krateriskoi]] und Schminkgefäße wie Kohltöpfe und Kohlpalmsäulchen (für schwarze Augenschminke, sprich „kochel“). Seit [[Thutmosis III.]], aus dessen Regierungszeit auch die ältesten Hohlglasfunde stammen, treten auch Importgefäßformen aus dem Mittelmeergebiet hinzu (z.&nbsp;B. Amphoriskoi, Linsenflasche, Henkelflasche, Bilbils und andere Sonderformen); diese werden allgemein in das Spektrum der Gefäßformen eingeführt und betreffen somit auch Gefäßformen aus Keramik und [[Ägyptische Fayence|Fayence]] beispielsweise. Die älteren kerngeformten Gefäße (etwa in der Zeit Thutmosis' III. bis Amenophis III.) sind meistens türkis bis kräftig blau (wie der echte Türkis und Lapislazuli, denn Glas galt als Imitation dieser edlen Steine). Später, besonders in der Ramessidenzeit, wurden Gläser in hellen, kräftigen Farben wie Gelb und Grün, Weiß aber auch Braun beliebt.<ref>zur Gestaltung von Glasgefäßen des späten Neuen Reiches vgl. H. Wilde: ''Technologische Innovationen.'' 2003, S. 53ff.</ref> Als Dekor entstanden Fadenverzierungen in Zickzack- oder Girlandenform in Gelb, Weiß, und Hellblau sowie tordierte Fäden im Hell-Dunkel-Kontrast, manchmal wurden sie auch monochrom belassen und nur die Henkel oder Schulterumbrüche durch Fadenzier betont. Die ägyptischen Glasgefäße dienten der Aufbewahrung von Kosmetika wie Salben, Ölen, Parfümen und Augenschminke. Das stark gefärbte, undurchsichtige Glas wirkte konservierend.

In der Spätzeit (ab der 3. Zwischenzeit bis zur Griechischen Epoche) blieb das Hohlglashandwerk unterrepräsentiert, nur gelegentlich kamen Hohlgläser vor, weiterhin in Form von kleinen meist unverzierten Salbgefäßen. Dagegen waren Glaseinlagen in Schmuck oder Figuren nicht selten und wurden wie zuvor den Edelsteinen gleichrangig behandelt.
In der hellenistischen Zeit gewann die Glasproduktion wieder an Bedeutung, auch in Ägypten. Zusammen mit neuen Herstellungstechniken trat eine völlig neue Formenwelt auf, ist aber nicht für Ägypten, sondern eher zeittypisch. Bereits im 5.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. hatte sich Rhodos als wichtiges Zentrum der Glasherstellung etabliert. Neben [[Intarsien]] und Perlen fanden sich nun [[Polychromie|vielfarbige]] Mosaikschalen und die Gefäße der ''Canossa-Gruppe''.

=== Römisches Reich ===
[[Datei:Lycurgus Cup red BM MME1958.12-2.1.jpg|mini|Der Lykurgusbecher, römisches Glas aus dem 4. Jh.]]

Im 1. Jahrhundert stieg die Glasproduktion derart, dass das vormals rare und teure Material für weite Kreise erschwinglich wurde. Eine umfangreiche Produktion von Trinkgefäßen, Krügen, Schalen und Tellern setzte ein, anfangs meist manuell geformt oder abgesenkt, dann zunehmend mundgeblasen. Eine Vielzahl hochwertiger Spezialgläser beweist handwerkliche Meisterschaft, so die Mosaik-Fadengläser, Kameogläser, [[Zwischengoldglas|Goldfoliengläser]], Gläser mit Emailmalerei und besonders die [[Diatret]]gläser, meist glockenförmige, prunkvolle Leuchtgefäße in Netzglastechnik, die bis heute wegen ihrer künstlerischen Qualität bewundert werden. Eines der berühmtesten römischen Gläser ist der im Besitz des [[Britisches Museum|Britischen Museums]] befindliche ''Lykurgosbecher''<ref>{{Internetquelle |url=http://www.artfund.org/supporting-museums/art-weve-helped-buy/artwork/3433/the-lycurgus-cup |titel=The Lycurgus Cup |abruf=2022-05-27}}</ref> aus dem 4.&nbsp;Jahrhundert, an dem eine dreidimensionale figurative Darstellung angebracht ist, die im Gegenlicht rot und im Auflicht opak-gelbgrün erscheint.

=== Venezianisches Glas ===
[[Datei:Venezia, coppa barovier, in vetro blu dipinto a smalti, con busti maschile e famminile tra cavalcata e bagno alla fonte dell'amore e giovinezza, 1460 ca. 01.jpg|alternativtext=Coppa Barovier|mini|sog. Coppa Barovier aus blauem Glas mit männlicher und weiblicher Büste und anderen Darstellungen, ca. 1460.]]
Venedig etablierte ab der Hälfte des 15.&nbsp;Jahrhunderts seinen internationalen Ruf als exquisiter Glashersteller mit der "Erfindung" des ''cristallo''. Diese Neuerung beruht auf der Einführung eines vorgelagerten Prozesses bei der Herstellung des vitrum blanchum, bei dem aus der Levantine-Asche unerwünschte Stoffe wie Eisen, die das Glas verunreinigten, entfernt wurden. Diese Weiterentwicklung geht auf den Muraneser maestro Angelo Barovier zurück.<ref>{{Literatur |Autor=Marco Verità |Titel="Secrets and innovations of Venetian Glass between the 15th and the 17th Centuries. Raw Materials, Glass Melting and Artefacts". |Hrsg=Rosa Barovier Mentasti/ Cristina Tonini |Sammelwerk=Study Day on Venetian Glass. Approximetly 1600’s |Ort=Venedig |Datum=2013 |Seiten=53-68, hier 57f.}}</ref> Um diese Zeit entstand beispielsweise die in ausnahmslosem Zustand erhaltene Coppa Barovier und die Flasche mit den Wappen der Familie Bentivoglio und Sforza, heute im Museo Civico in Bologna<ref>[http://museibologna.it/arteantica/percorsi/98214/id/78008/oggetto/78162/ Percorsi collezionistici / Online / I Bentivoglio al Museo Civico Medievale], auf /museibologna.it</ref> (2.&nbsp;Hälfte 15.&nbsp;Jahrhundert). Zu den aus dem 16.&nbsp;Jahrhundert erhaltenen Meisterwerken gehören ein emaillierter Kelch (ca. 1510),<ref>https://www.carltongrandcanal.com/content/uploads/2014/10/Calice-antico2.jpg </ref> der 1902 unter dem eingestürzten Turm von San Marco gefunden wurde (heute im Museo del Vetro, Murano) und Handwaschgefäße in Form eines Schiffes aus durchsichtigem und blauem Glas (heute im Museo del Vetro, Murano).<ref>{{Literatur |Autor=Attila Dorigato |Titel=L’arte del vetro a Murano |Ort=San Giovanni Lupatoto |Datum=2002}}</ref> Über die Variationsbreite der venezianischen [[Renaissance]]-Gläser, ihre Formen und Dekore geben vor allem Gemälde aus naher Umgebung Venedigs, aber auch niederländische und flämische [[Stillleben]] Auskunft. Es handelt sich größtenteils um Becher, Schalen, Kannen und Flaschen, die aus hohl geblasenen [[Baluster]]n zusammengesetzte Schäfte mit flachen Füßen hatten. Diese Schäfte wurden an dem späten 17.&nbsp;Jahrhundert immer ausgeklügelter, Flügel wurden in phantasievollen Ornamenten und figürlichen Dekorationen angesetzt, manchmal war auch der Schaft in figürlicher, beispielsweise in Tiergestalt ausgeführt.
[[Datei:Giuseppe briati, lampadario in vetro di murano, 1730 circa, pressoché integro.jpg|mini|Giuseppe Briati: Lüster aus cristallo-Glas mit bunten Akzenten, ca. 1730, Museo del Settecento Veneziano, Venedig.]]
Für die [[Wandung]] gab es besondere Veredelungstechniken. Beim ''Eisglas (ital. ghiaccio)'' hergestellt durch Abschrecken in eiskaltem Wasser oder durch Rollen über kleine Splitter, wird auf der Oberfläche ein Effekt wie bei einem durch [[Eisblume (Eis)|Eisblumen]] überzogenen Fensterglas erzielt. Beim ''[[Fadenglas|Faden- oder Netzglas]]'' ({{itS|latticinio / vetro a filigrano / reticello}}) – wurden [[Milchglas]]-Fäden in die klare Glasmasse eingeschmolzen und die so erhaltenen Glasstäbe durch Applizieren auf einen geblasenen Glaskörper so verwoben, dass ein faden- bzw. netzartiges Muster entstand. Diese Technik war in Ansätzen schon in der Antike bekannt, erlebte jedoch während des 17. und 18.&nbsp;Jahrhunderts ein Revival in Venedig, mit dem die Republik mit starken Konkurrenten aus Frankreich, England und Böhmen konkurrieren sollte. Dem Gusto des Barock entsprechend, wurde mit üppiger Transparenz gearbeitet – weniger mit Farben, stattdessen aber auf vielfältige Texturen (z.&nbsp;B. battuto) gesetzt und vor allem pflanzliche Motive in Glas nachgeahmt (Blumen, Bäume etc.). Einer der herausragendsten Künstler dieser Zeit war Giuseppe Briarti, der eine Reihe bemerkenswert aufwendiger Lüster sowie Tischaufsätze schuf. Nach der Auflösung der Gilden um 1800 durch Napoleon, beeinflusst durch die starke ausländische Konkurrenz, erlebte die Glaskunst einen Untergang in Venedig. Um 1850 wurde sie durch Nachkommen der berühmten Glasmacher-Familien wieder zum Leben gebracht. Alte Rezepte wurden wiederentdeckt und verbessert. Die Skills der alten Meister übte man vorrangig durch Kopieren der eigenen Produktion aus der Frühen Neuzeit (es entstanden beispielsweise einige Kopien der Flasche der Bentivoglio, der Coppa Barovier und des Klechs von San Marco bei Venice and Murano Company/ Salviati & Co.). Aber auch antike Glasformen wurden vielfach nachgeahmt, beflügelt durch neuste archäologische Entdeckungen. Dabei wurden nicht nur Gefäßtypen und Dekorationen/Techniken wie z.&nbsp;B. das Cameo nachgeahmt, sondern auch der Zustand der Funde. Mit avventurina-Glas imitierte man z.&nbsp;B. die Oxidation und Anlagerung von Sediment auf antiker Keramik.<ref>{{Literatur |Autor=Carol Margot Osborne |Titel=Venetian glass of the 1890s : Salviati at Stanford University |Verlag=Philip Wilson Publishers in association with Iris & B. Gerald Cantor Center for Visual Arts at Stanford University |Ort=London |Datum=2002 |ISBN=0-85667-545-8}}</ref>

Als [[Glas à la façon de Venise]] fand der venezianische Stil trotz aller Versuche der [[Republik Venedig]], ihre Kunst geheim zu halten, Zugang in die Länder nördlich der Alpen.

=== Schmucktechniken im Barock und Rokoko ===

[[Barock]]es Schnittglas (und [[Rokoko]]-Glas) vornehmlich aus Böhmen und Schlesien, aber auch Nürnberg, Brandenburg und Sachsen, seltener Thüringen, Hessen, Norddeutschland und den Niederlanden lief ab dem 18.&nbsp;Jahrhundert venezianischem Glas den Rang ab, da deren Glas für den Glasschnitt und Glasschliff aufgrund seiner Dünnwandigkeit nicht geeignet war.

Die Formen mit Fuß, [[Baluster]]-Schaft und dünnwandiger [[Kuppa]] ähnelten dem farblosen venezianischen Glas, jedoch ohne Flügel und wiesen eine stärkere Wandung auf. In Potsdam, Schlesien, Böhmen, Kassel und anderen Gebieten experimentierte man mit den Rezepten von Glas, um eine Masse herzustellen, die den Schliff und Schnitt erlaubte. Die Themen des Schnittes waren vielseitig. Jagdszenen waren häufig, Landschaften, aber auch allegorische Figuren mit Beischriften, Blumen- und Blattornamente sowie zeitgenössische Persönlichkeiten und Schlachtenszenen.

Bereits im 17.&nbsp;Jahrhundert signierten Glasschneider vereinzelt ihre Werke und auch aus dem 18.&nbsp;Jahrhundert sind Glasschneider bekannt, etwa: [[Christian Gottfried Schneider]] und Friedrich Winter prägten den Glasschnitt Schlesiens wie [[Martin Winter (Glaskünstler)|Martin Winter]] und [[Gottfried Spiller]] denjenigen von Potsdam, [[Johann Christoph Kießling]] arbeitete für [[August II. (Polen)|August den Starken]], [[Franz Gondelach]] stand im Dienst des [[Karl von Hessen-Kassel|Landgrafen Carl von Hessen]] und [[David Wolff]] arbeitete in den Niederlanden.

Gelegentlich weisen die barocken Schnittgläser Vergoldungen an Fuß, Schaft oder am Lippenrand auf. Im 18.&nbsp;Jahrhundert waren auch die Zwischengoldgläser beliebt. Für deren Herstellung wurden zwei Gläser verwendet, wobei eines passgenau in das Zweite, daher größere Glas, passte. Auf die Außenwand des inneren Glases wurde eine Goldfolie aufgelegt und mit einer Radiernadel Motive darin eingeritzt. Dann wurde es in das zweite Glas eingepasst und weiterverarbeitet.

Von der [[Porzellanmalerei]] her kam die Technik der [[Schwarzlotmalerei]], die in anderem Zusammenhang bereits im Mittelalter bekannt war. [[Johann Schaper (Maler)|Johann Schaper]] und [[Ignaz Preissler]] prägten diese Kunst in Nürnberg und Schlesien, Böhmen und Sachsen.

Eine rurale Veredelungstechnik barocken Glases ist die [[Email#Freie Emailmalerei|Emailmalerei]]. Sie findet sich vor allem an Gebrauchsglas in ländlichen Gegenden (z.&nbsp;B. Bierhumpen der Schützenvereine und Schnapsflaschen). Passend zur Provenienz sind die Motive: Bauer mit Vieh und Ackergerät, Wirtshausszenen, Spielkarten, Sinnsprüche. In Böhmen entsteht die Emailmalerei auch auf opakem [[Milchglas]], was diese Technik in die Nähe der Porzellanmalerei rückt.

=== Biedermeierglas ===
[[Datei:Freundschaftsbecher 1850.jpg|mini|Freundschaftsbecher, Mitte 19.&nbsp;Jahrhundert]]

Die Engländer übernahmen im 18. Jahrhundert die Arten und Formen der böhmischen Gläser und beherrschten mit Hilfe der Reinheit ihres [[Bleikristall]]s, dessen hervorragende lichtbrechende Eigenschaften durch den Brillantschliff wirkungsvoll zur Geltung kamen, Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich den zu der Zeit von klassizistischen Geschmacksvorstellungen geprägten Markt. Um den Vorsprung der Engländer wettzumachen, bemühten sich die böhmischen Glasfabrikanten um größere Reinheit ihres bleifreien [[Kristallglas]]es. Zugleich nutzten sie alle Möglichkeiten des Musterschliffes für abwechslungsreiche Dekore und versuchten vor allem auch, billiger zu produzieren. Das Ergebnis dieser Anstrengungen lässt sich an den meisterlich geschliffenen Biedermeiergläsern ablesen, die als bewundernswerte Beispiele kunsthandwerklichen Glasschliffs gelten.

In den 1830ern erreichte der [[Biedermeier]]stil seinen Höhepunkt. Um Produktion und Absatz auszuweiten, bereicherten die Glashütten nach 1840 ihr Angebot mit dem neuentwickelten Farbglas und verdrängten damit das farblose Glas mehr und mehr vom Markt. Besonders die nordböhmischen Glashütten gestalteten ihre Gläser in immer wirkungsvollerer Farbigkeit. Im Zuge dieser Entwicklung verlor jedoch der Glasschliff gegenüber der Buntheit der Dekore an Bedeutung, Form und Schliff wurden nicht zuletzt aus Kostengründen zunehmend einfacher.

Die Mannigfaltigkeit der aus Farbglas und [[Überfangglas|überfangenem]] bzw. gebeiztem (siehe [[Friedrich Egermann#Rotbeize|Rotbeize]]) Kristallglas mit Schnittdekor sowie aus [[Steinglas]] ([[Lithyalinglas]] und [[Hyalithglas]], das mit Gold, Email- und Transparentfarben bemalt wurde) hergestellten Produkte erreichte schließlich ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß. Gängig waren zum Beispiel Trinkgläser und Karaffen aus buntem Glas, ganze Likör- und Dessertservice, Garnituren für Kommoden und Waschtische, Schreibzeuge und Parfümflakons, Schalen, Teller, Tafelaufsätze, und vor allem Vasen. Hinzu kamen die unzähligen Andenken- und Freundschaftsgläser, Dekorations- und Ehrenpokale, außerdem Exportartikel wie [[Shisha|Wasserpfeifen]] und Sprenggefäße für Rosenwasser.

=== Jugendstilglas ===
[[Datei:LanghalsvaseGalle.jpg|mini|Langhalsvase mit geätztem Dekor, ähnlich Gallé]]

Um 1900 waren sich die Gestalter der jungen Generation einig in ihrer Abkehr vom überkommenen [[Historismus (Geschichtswissenschaft)|Historismus]]. Für das daraus resultierende kunstgewerbliche Streben nach neuen, frischen, originellen Ausdrucksformen auf der Basis alter handwerklicher Techniken bürgerte sich im deutschsprachigen Raum, den Niederlanden und den Nordischen Ländern der Begriff [[Jugendstil]] ein, während sonst die Bezeichnung ''Art nouveau'' gebräuchlich ist. Die Fantasie der Jugendstil-Künstler wurde vor allem von der Farben- und Formenwelt des fernen Ostens beflügelt. So sind die wesentlichen Teile oder Elemente des Jugendstils durch dekorativ geschwungene Linien sowie flächenhafte florale [[Ornament]]e und [[Asymmetrie]] gekennzeichnet.

Glas nahm in der Entwicklung des Jugendstils eine zentrale Rolle ein. Der Grund dafür ist in den gestalterischen Möglichkeiten zu suchen, die dem angestrebten organischen Wesen der Formgebung entgegenkamen. Die Zusammenarbeit von Designern und Handwerkern brachte fantasievolles, in limitierten Auflagen von Hand hergestelltes Atelierglas hervor, das durch die Vielfalt der Farbeffekte besticht. Französische Glasmacher wie [[Emile Gallé]] und die [[Daum Frères]] schufen geschnittenes und geätztes Überfangglas in kräftigen Farben. Das böhmische Jugendstilglas hat seinen guten Ruf vor allem Max Ritter von Spaun, Besitzer der Firma [[Joh. Loetz Witwe]] in [[Rejštejn|Klostermühle]] in Böhmen, zu verdanken. Von jenseits des Großen Teiches, aus New York, kamen das irisierende Glas und die berühmten, in Europa als beispielhaft angesehenen Kreationen von [[Louis Comfort Tiffany]].

Der konstruktive Stil, der bestrebt war, alle Formen mit Hilfe einfachster Gebilde wie Quadrat, Rechteck, Kreis und Ellipse zu gestalten und starke Farbgegensätze zu verwenden, wurde am konsequentesten von der Wiener Schule verfolgt. Ihre führenden Repräsentanten waren [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]] und [[Koloman Moser]].

Mit den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Zeit des Ersten Weltkrieges ging die Ära des Jugendstils zu Ende. Sie währte knapp zwanzig Jahre, ihre Auswirkungen sind jedoch weiterhin spürbar.

=== Fusing ===
Beim Fusing (dt. Verschmelzung) oder Fusen (neudeutsch für Glasverschmelzung) werden verschiedene (weiße oder farbige, eventuell mit Glasschmelzfarbe bemalte) Glasstücke bei 780–900&nbsp;°C miteinander verschmolzen. Die Schmelztemperatur ist von Zusammensetzung und Dicke der Gläser abhängig. Temperaturbeständige Gegenstände, wie etwa Metalle, können mit eingeschmolzen werden.

Fusing ist in seinen Grundlagen, nach bisherigem archäologischem Wissensstand, ein mindestens 2200 Jahre altes Glasverarbeitungsverfahren. In den letzten Jahrzehnten wurde es zu einer der vielseitigsten und technisch anspruchsvollsten Glasverarbeitungstechniken weiterentwickelt. Viele [[Glaserei]]en und künstlerische Glasstudios können Glas nach der Fusing-Technik verarbeiten. Das Verfahren wird in großer Variationsbreite eingesetzt: Von Modeschmuck und der Dekoration von Gegenständen bis hin zu Kunstobjekten (z.&nbsp;B. in Murrine- und [[Millefiori]]-Technik), großen künstlerisch gestalteten Fenstern und anderen Glaselementen in Architektur und Innenarchitektur.

Folgende Grundvarianten des Fusing werden unterschieden:
# Relief (engl. ''tack fuse'')
# Vollverschmelzung (engl. ''full fuse'')
# Glasfluss (franz. ''[[Pâte de verre]]''), Glaspaste wird in Form geschmolzen.

Konventionell handwerklich kann Fusing folgendermaßen ablaufen: Aus verschiedenfarbigen Glasplatten werden passende Teile mit einer besonderen Zange abgezwickt oder mit einem Glasschneider abgeschnitten. Die Glasstücke setzt der Glaskünstler dem Entwurf entsprechend zusammen, beispielsweise als Muster für den Rahmen eines Spiegels oder für die Herstellung einer Glasschüssel. Zwischenräume werden oft mit Glaspulver aus zerstampften Glasplatten ausgefüllt. Nun werden die Stücke in einem [[Glasfusingofen]] verschmolzen. Die Temperaturen werden so gewählt, dass das Glas noch nicht als Flüssigkeit verläuft, alle Glasteile und Partikel aber eine dauerhafte Verbindung eingehen. Bei entsprechender Temperaturführung kann ein vollkommen geschlossener und harter Glaskörper hergestellt werden. Dieser Brennvorgang dauert, abhängig von Dicke und Durchmesser des Glases, etwa 18 bis 22&nbsp;Stunden.

Der Glaskörper wird zunächst zu einer flachen Platte verschmolzen, die bei Bedarf in einem zweiten Arbeitsgang in einem Glasschmelzofen weiter geformt wird, z.&nbsp;B. wenn daraus eine Glasschüssel entstehen soll. Dazu werden Trägerformen oder Modelle verwendet, die oft aus Ton oder unglasierter Keramik bestehen. In konkave Modelle kann sich die erhitzte Glasplatte absenken und über konvexe Modelle kann sie sich aufbiegen. Die Form muss etwas größer als die Glasplatte sein, da Glas sich bei Erwärmung ausdehnt und beim Abkühlen zusammenzieht. Auf die entstandenen Objekte können nach dem Abkühlen Glasveredelungstechniken angewendet werden: [[Gravur|Gravieren]], [[Glasmalerei|Glasmalen]], Schleifen, [[Sandstrahlgebläse|Sandstrahlen]] oder Ätzen.

[[Datei:Umlauf-Orrom (1).jpg|mini|Glasobjekt in Verschmelztechnik]]

Eine fortgeschrittene Anwendung des Verfahrens ist die Herstellung großer selbsttragender Glasscheiben oder Glasobjekte, die beispielsweise als Gegenwartskunst oder als Kirchenkunst künstlerisch kontrolliert gestaltet werden können. Dafür werden auch industriell hergestellte Glasbruchstücke (Fritten) und Glaspulver aus farblosen und farbigen Gläsern verwendet. Beispiele für Fusingtechnik in der Glaskunst schafft die Künstlerin [[Ulrike Umlauf-Orrom]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.umlauf-orrom-glas.de/galerie/arbeiten-ab-2010 |titel=Arbeiten ab 2010 {{!}} Glas – Ulrike Umlauf-Orrom |abruf=2020-06-07}}</ref>

Die Herstellung derartiger ''Fusing-Stücke'' setzt künstlerisches Talent und die Kenntnis der Verfahrenstricks voraus. So müssen die zusammengeschmolzenen Gläser den gleichen Ausdehnungskoeffizienten (AKW) haben und die Erhitzung und Abkühlung des Glases muss genau kontrolliert bestimmten Temperaturkurven folgen. Andernfalls können im Glas mechanische Spannungen entstehen, die es zerreißen oder zerspringen lassen. Große Fusing-Stücke können daher nur in einem Flachbett in digital gesteuerten Brennöfen hergestellt werden.

Besonders fortgeschrittene Glaskünstler verwenden Glasöfen der Bauart ''Glory Hole'', weil sie es gestatten, kleinere Glasmassen direkt in verschiedenen angeschmolzenen oder nahezu flüssigen Zuständen künstlerisch zu bearbeiten. Glas wird dabei immer wieder für einen neuen Arbeitsgang durch das Loch in der Ofenwand gehalten und aufgeheizt, um es dann außerhalb des Ofens bearbeiten zu können.

Zur ebenso direkten Bearbeitung dienen Öfen mit ausziehbarem Flachbett. Das im Flachbett liegende Glas wird auf Bearbeitungstemperatur gebracht und dann für kurze Zeit aus dem Ofen hervorgezogen. Unter Beachtung der richtigen Verfahren und Vorsichtsmaßnahmen werden dann beispielsweise Chemikalien, Metallstaub oder farbige Glaspulver auf das angeschmolzene oder geschmolzene Glas gebracht. Besondere Kenntnisse setzt es voraus, mit Werkzeugen direkt gestalterisch in diese Glasmasse einzugreifen.

Eine weitere neue Variante ist die Pàte-de-Verre-Herstellung großformatiger Glasplastiken.

== Siehe auch ==
=== Glasarten und Verwandtes ===
* [[Aluminiumoxynitrid]]
* [[Bauglas]]
* [[Blähglas]]
* [[Foturan]]
* [[Irisglas]]
* [[Metallisches Glas]]
* [[Schaumglas]]

=== Herstellung ===
* [[Glasmacher]]
* [[Glasmacherstuhl]]
* [[Glasbläser]]
* [[Glasschleiferei]]

=== Medizin ===
[[Datei:MorphologyofBioglass.png|mini|[[Rasterelektronenmikroskop|REM]] Aufnahme der Topographie von Bioglas nach der [[Sintern|Sinterung]] bei 900 °C]]

In der Medizin werden [[Implantat]]e mit einer Glasbeschichtung versehen um eine [[Abstoßungsreaktion|Abstoßung]] vom Organismus zu unterdrücken. Je nach Zusammensetzung kann die [[Biokompatibilität]] angepasst werden. Bioglas mit der Bezeichnung 45S5 steht für 45 gewichts % SiO<sub>2</sub> und einem molaren Verhältnis von 5:1 von [[Calcium]] zu [[Phosphor]].<ref>{{Literatur |Autor=Qizhi Z. Chen, Ian D. Thompson, Aldo R. Boccaccini |Titel=45S5 Bioglass®-derived glass–ceramic scaffolds for bone tissue engineering |Sammelwerk=Biomaterials |Band=27 |Nummer=11 |Datum=2006-04-01 |ISSN=0142-9612 |DOI=10.1016/j.biomaterials.2005.11.025 |Seiten=2414–2425 |Online=http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0142961205010422 |Abruf=2020-10-04}}</ref>
* [[Augenprothese|Glasauge]]
* [[Brillenglas|Brillengläser]]
* [[Dappenglas]]

=== Spezifika ===
* [[Hydrolytische Klasse]]

=== Sonstiges ===
* [[Passauer Glasmuseum]]
* [[Corning Museum of Glass]]
* [[Glasmuseum Frauenau]]
* Europäisches Flakonglasmuseum am Rennsteig
* [[Glasarchitektur]]
* [[Glasmodelle der Blaschkas]]
* [[Glasreich]]
* [[Tiffany-Glaskunst]]
* [[Islamische Glaskunst]]
* [[Meerglas]]


== Literatur ==
== Literatur ==
=== Glaschemie ===
* G. H. Frischat: ''Glas – Struktur und Eigenschaften.'' In: ''[[Chemie in unserer Zeit]].'' 11. Jahrg., Nr. 3, 1977, S. 65–74, {{ISSN|0009-2851}}
* {{Literatur |Autor=[[Werner Vogel (Chemiker)|Werner Vogel]] |Titel=Glaschemie |Auflage=3. |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin |Datum=1992 |ISBN=3-540-55171-9}}
* {{Literatur |Autor=Horst Scholze |Titel=Glas. Natur, Struktur und Eigenschaften |Auflage=3. |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin |Datum=1988 |ISBN=3-540-18977-7}}


=== Glasherstellung und Glastechnik ===
* {{Literatur |Autor=Joachim Lange |Titel=Rohstoffe der Glasindustrie |Auflage=3., überarb. |Verlag=Wiley-VCH |Ort=Leipzig |Datum=1993 |ISBN=3-342-00663-3}}
* {{Literatur |Autor=Günther Nölle |Titel=Technik der Glasherstellung |Verlag=Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie |Ort=Stuttgart |Datum=1997 |ISBN=3-342-00539-4}}
* {{Literatur |Autor=Wolfgang Trier |Titel=Glasschmelzöfen, Konstruktion und Betriebsverhalten (Reprint) |Auflage=1. |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=1984 |ISBN=3-642-82068-9}}
* {{Literatur |Autor=Günther, Rudolf |Titel=Glasschmelzwannenöfen |Verlag=Verlag der Deutschen Glastechnischen Gesellschaft |Ort=Frankfurt am Main. |Datum=1954}}
* {{Literatur |Autor=Alexis G. Pincus |Titel=Combustion Melting in the Glass Industry (Zusammenstellung von Artikeln aus Magazines for Industry Inc.) |Datum=1980}}
* {{Literatur |Autor=I. I. Kitaigorodski |Titel=Technologie des Glases |Auflage=2., verb. und erw. |Verlag=VEB Verlag Technik |Ort=Berlin |Datum=1957}}
* {{Literatur |Hrsg=Hans Jebsen-Marwedel |Titel=Glastechnische Fabrikationsfehler |Auflage=4. |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=2011 |ISBN=978-3-642-16432-3}}
* {{Literatur |Autor=W. Giegerich, W. Trier |Titel=Glasmaschinen, Aufbau und Betrieb der Maschinen zur Formgebung des heißen Glases |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=1964}}
* {{Literatur |Autor=Siegfried Rech |Titel=Glastechnik 1 |Auflage=1. |Verlag=VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie |Ort=Leipzig |Datum=1978}}
* Jürgen Dispan: ''Glasindustrie in Deutschland. Branchenreport 2013''. Stuttgart (= ''IMU-Informationsdienst.'' Nr. 3-2013). [http://www.imu-institut.de/stuttgart/tidings/news_article.2013-11-14.9772677807/ Link zur Branchenstudie]

=== Geschichte der Glasherstellung ===
* {{Literatur |Autor=Birgit Nolte |Titel=Die Glasgefässe im alten Ägypten |Verlag=Hessling |Ort=Berlin |Datum=1968}}
* {{Literatur |Autor=Birgit Nolte |Titel=Die Glasgefässe im alten Ägypten |Verlag=Hessling |Ort=Berlin |Datum=1968}}
* {{Literatur |Autor=Daniele Foy, Marie-Dominique Nenna |Titel=Tout feu tout sable |Ort=Aix-en-Provence |Datum=2001 |ISBN=2-7449-0264-0}}
* {{Literatur |Autor=Daniele Foy, Marie-Dominique Nenna |Titel=Tout feu tout sable |Ort=Aix-en-Provence |Datum=2001 |ISBN=2-7449-0264-0}}
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* {{Literatur |Autor=Frank Schweizer |Titel=Glas des 2. Jahrtausends v. Chr. im Ostmittelmeerraum |Verlag=Greiner |Ort=Remshalden |Datum=2003 |ISBN=3-935383-08-8}}
* {{Literatur |Autor=Frank Schweizer |Titel=Glas des 2. Jahrtausends v. Chr. im Ostmittelmeerraum |Verlag=Greiner |Ort=Remshalden |Datum=2003 |ISBN=3-935383-08-8}}
* {{Literatur |Autor=Heike Wilde |Titel=Technologische Innovationen im zweiten Jahrtausend vor Christus. Zur Verwendung und Verbreitung neuer Werkstoffe im ostmediterranen Raum |Verlag=Harrassowitz |Ort=Wiesbaden |Datum=2003 |ISBN=3-447-04781-X}}
* {{Literatur |Autor=Heike Wilde |Titel=Technologische Innovationen im zweiten Jahrtausend vor Christus. Zur Verwendung und Verbreitung neuer Werkstoffe im ostmediterranen Raum |Verlag=Harrassowitz |Ort=Wiesbaden |Datum=2003 |ISBN=3-447-04781-X}}
* {{Literatur |Hrsg=Lukas Clemens, [[Peter Steppuhn]] |Titel=Glasproduktion. Archäologie und Geschichte. Beiträge zum 4. Internationalen Symposium zur Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Glashütten in Europa |Verlag=Kliomedia |Ort=Trier |Datum=2012 |ISBN=978-3-89890-162-8}}
* {{Literatur |Titel=Glasproduktion. Archäologie und Geschichte. Beiträge zum 4. Internationalen Symposium zur Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Glashütten in Europa |Hrsg=Lukas Clemens, [[Peter Steppuhn]] |Verlag=Kliomedia |Ort=Trier |Datum=2012 |ISBN=978-3-89890-162-8}}
* {{Literatur |Autor=Heidi Amrein |Titel=L’atelier de verriers d’Avenches. L’artisanat du verre au milieu du Ier siècle après J.-C. |Sammelwerk=Cahiers d’archéologie romande |Band=87 |Ort=Lausanne |Datum=2001 |ISBN=2-88028-087-7 |Sprache=fr}}
* {{Literatur |Autor=Heidi Amrein |Titel=L’atelier de verriers d’Avenches. L’artisanat du verre au milieu du Ier siècle après J.-C. |Sammelwerk=Cahiers d’archéologie romande |Band=87 |Ort=Lausanne |Datum=2001 |Sprache=fr |ISBN=2-88028-087-7}}
* {{Literatur |Autor=Axel von Saldern |Titel=Antikes Glas |Verlag=Beck |Ort=München |Datum=2004 |ISBN=3-406-51994-6}}
* {{Literatur |Autor=Axel von Saldern |Titel=Antikes Glas |Verlag=Beck |Ort=München |Datum=2004 |ISBN=3-406-51994-6}}
* {{Literatur |Hrsg=Helmut A. Schaeffer |Titel=Glastechnik |Band=Band 1: ''Werkstoff Glas'' |Verlag=Deutsches Museum Verlag |Datum=2012 |ISBN=978-3-940396-35-8}}
* {{Literatur |Titel=Glastechnik |Hrsg=Helmut A. Schaeffer |Band=Band 1: ''Werkstoff Glas'' |Verlag=Deutsches Museum Verlag |Datum=2012 |ISBN=978-3-940396-35-8}}
* {{Literatur |Hrsg=Helmut A. Schaeffer |Titel=Glastechnik |Band=Band 2: ''Hohlglas'' |Datum=2010 |ISBN=978-3-940396-16-7}}
* {{Literatur |Titel=Glastechnik |Hrsg=Helmut A. Schaeffer |Band=Band 2: ''Hohlglas'' |Datum=2010 |ISBN=978-3-940396-16-7}}
* {{Literatur |Hrsg=Margareta Benz-Zauner, Helmut A. Schaeffer |Titel=Glastechnik |Band=Band 3: ''Flachglas'' |Datum=2007 |ISBN=978-3-940396-01-3}}
* {{Literatur |Titel=Glastechnik |Hrsg=Margareta Benz-Zauner, Helmut A. Schaeffer |Band=Band 3: ''Flachglas'' |Datum=2007 |ISBN=978-3-940396-01-3}}
* {{Literatur |Hrsg=Margareta Benz-Zauner, Helmut A. Schaeffer |Titel=Glastechnik |Band=Band 4: ''Spezialglas'' |Datum=2003 |ISBN=3-940396-07-9}}
* {{Literatur |Titel=Glastechnik |Hrsg=Margareta Benz-Zauner, Helmut A. Schaeffer |Band=Band 4: ''Spezialglas'' |Datum=2003 |ISBN=3-940396-07-9}}

=== Kunsthandwerk und Glaskunst ===
* S. M. Goldstein: ''Pre-Roman and Early Roman Glass in the Corning Museum of Glass.'' Corning, New York 1979 und 1989.
* D. B. Harden: ''Ancient Glass I: Pre-roman.'' In: ''Archaeological Journal.'' Band 125, 1968, S. 46–72.
* D. B. Harden: ''Glass of the Caesars.'' Mailand 1987.
* C. Isings: ''Roman Glass from Dated Finds.'' Groningen/Djakarta 1957.
* H. A. Kordmahini: ''Glass from the Bazargan Collection.'' Iranian Cultural Heritage Organization, [[Iranisches Nationalmuseum]], Teheran 1988.
* N. Kunina: ''Ancient Glass in the Hermitage Collection.'' Leningrad 1997.
* S. Matheson: ''Ancient Glass in the Yale University Art Gallery.'' New Haven, Connecticut, 1980.
* {{Literatur |Autor=Judith Miller |Titel=Art nouveau. Die Welt des Jugendstils |Verlag=Dorling Kindersley Verlag |Ort=Starnberg |Datum=2005 |ISBN=3-8310-0767-5}}
* M. Nenna: ''La verrerie.'' In: ''Bahrein. La civilisation des deux mers de Dilmoun à Tylos.'' Institut de Monde Arabe, Paris 1999, S. 181–191.
* [[Adolf Leo Oppenheim]], R. Brill, D. Barag, [[Axel von Saldern]] (Hrsg.): ''Glass and Glassmaking in Ancient Mesopotamia.'' Corning 1970.
* R. W. Smith: ''Glass from the Ancient World.'' Cornin 1957.
* {{Literatur |Autor=Walter Spiegl |Titel=Glas |Verlag=Battenberg Verlag |Ort=München |Datum=1979 |ISBN=3-87045-155-6}}
* Olov Vessberg: ''Roman Glass in Cyprus.'' In: ''Opuscula Archaeologica.'' Band 7, 1952, S. 109–165.
* David Whitehouse: ''Roman Glass in the Corning Museum of Glass.'' Band 1. Corning, NY 1997.
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=== Restaurierungen historischen Glases ===
* ''Glas.'' In: [[Hans-Herbert Möller]] (Hrsg.): ''Restaurierung von Kulturdenkmalen. Beispiele aus der niedersächsischen Denkmalpflege'' (= ''Berichte zur Denkmalpflege''. Beiheft 2). [[Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege|Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege]]. Niemeyer, Hameln 1989, ISBN 3-87585-152-8, S. 405–424.

== Weblinks ==
{{Commonscat|Glass|Glas}}
{{Wiktionary}}
{{Wikiquote}}
{{Wikisource}}
* ''[http://www.chemie-master.de/lex/gesch/lesetext151-9.pdf Wie wurde das Glas erfunden?]'' (PDF; 60&nbsp;kB) Originaltext von [[Plinius der Ältere|Plinius d. Ä.]] zur Entdeckung des Glases (mit deutscher Übersetzung von Wolfgang Kilb).
* ''[http://www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/werkstoffe/glas/index.jsp Werkstoffe – Glas].'' In: ''Planet Wissen.'' Abgerufen am 1. Juli 2010 (Artikel und Videos zu den Themen: Geschichte und Herstellung von Glas).
* ''[http://www.glasrepliken.de/ glasrepliken.de]'' speziell über römisches Glas und seine Herstellung in Antike und Replik. Abgerufen am 6. Mai 2009
* Martin Weiß (Hrsg.): ''[http://www.antike-tischkultur.de/roemischesglas.html vitrum – das Glas der Antike].'' Abgerufen am 8. März 2012.
* Mathias Hennies: ''[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/925992/ Glashandel an der Seidenstraße. Gemeinsames Forschungsprojekt von deutschen und chinesischen Archäologen].'' In: ''Studiozeit. Aus Kultur- und Sozialwissenschaften.'' Deutschlandfunk, 26. Feb. 2009, abgerufen am 26. Feb. 2009.
* Rudolf Bergmann: ''[https://www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Glaserzeugung Historische Glaserzeugung in Westfalen].'' In: Geographische Kommission für Westfalen (Hrsg.): ''Westfalen regional – die landeskundliche Online-Dokumentation über Westfalen.'' Münster 2009
* {{Webarchiv |url=http://www.bvt.umweltbundesamt.de/sevilla/kurzue.htm |wayback=20130717112327 |text=''Beste verfügbare Techniken (BVT-Merkblatt) der Glasherstellung''}} [[Umweltbundesamt (Deutschland)|Umweltbundesamt]], Dessau
* Auswahl von [https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/kunst-und-krempel/schatzkammer/glas/glas100.html Videos] aus der Fernsehsendung ''[[Kunst und Krempel]]'' des Bayerischen Rundfunks mit ausführlichen Beschreibungen von Glas-Objekten


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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Version vom 30. Juli 2022, 22:43 Uhr

Glas wurde erstmals etwa im 5. Jahrtaustend v. Chr. als Nebenprodukt der Glasur hergestellt. Als eigenständiges Produkt erscheint es erstmals im Ägypten und Mesopotamiens des 3. Jahrtausends v. Chr. als Glasperlen. Seit der Antike wurde neben Hohlglas (für Trinkgläser) auch Flachglas (für Fenster) hergestellt. Bis ins 17. Jahrhundert wurde die Glas ausschließlich durch Glasblasen hergestellt, bis um 1900 noch überwiegend.

Hohlglas

Frühzeit

Eine Messerklinge aus dem natürlichen Glas Obsidian
Glaskelch Thutmosis' III., ältestes sicher zu datierendes Glasgefäß der Welt (Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München)
Römisches Tropffläschchen in Form eines Gladiatorhelms, 1. Jahrhundert n. Chr. (Römisch-Germanisches Museum, Köln)
Salbölfläschchen aus dem römischen Vicus Turicum

Natürliches Glas wie Obsidian wurde wegen seiner großen Härte und des scharfen Bruchs seit frühester Zeit für Werkzeuge wie Keile, Klingen, Schaber und Bohrer benutzt. Obsidian konnte jedoch – anders als künstlich hergestelltes Glas – mit antiken Mitteln nicht geschmolzen oder gefärbt werden.

Auch die natürlich vorkommenden transluzenten und spaltbaren Minerale Glimmer und Marienglas wurden als Fensterglas verwendet, bevor man in der Lage war, entsprechend große und gleichmäßig dicke Scheiben künstlich herzustellen. Die Römer nannten Marienglas Lapis specularis. Der römische Geschichtsschreiber Plinius der Ältere (23/24–79) beschrieb in seiner Enzyklopädie Naturalis historia den Abbau und die Verarbeitung von Lapis specularis zu Fensterscheiben und Lampen.

Ob die Glasherstellung in Mesopotamien, im alten Ägypten oder an der Levanteküste erfunden wurde, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Die ältesten Glasfunde stammen aus Mesopotamien; altägyptische Quellen deuten für die Anfangsphase der Glasnutzung in Ägypten auf einen Import aus dem Osten hin. Die älteste textliche Erwähnung stammt aus Ugarit und wird auf etwa 1600 v. Chr. datiert. Als älteste Funde gelten die Nuzi-Perlen. Das älteste sicher zu datierende Glasgefäß ist ein Kelch, der den Thronnamen von Pharao Thutmosis III. trägt und um 1450 v. Chr. entstand. Der Kelch befindet sich seit dem 20. Jahrhundert im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München.

Glas wurde in Ägypten seit etwa 1450 v. Chr. zu Gefäßen verarbeitet (siehe unten). Der Herstellungsort dieses frühesten Glases ist allerdings unbekannt, er wird in Theben vermutet, gegenüber dem heutigen Luxor. Die bekannteste Verarbeitungstechnik beruht auf dem Herstellen von Hohlgefäßen durch das Wickeln von erweichten Glasstäbchen um einen porösen Keramikkern, der anschließend herausgekratzt wurde. Die besten Funde hierzu liegen aus den Grabungen von Flinders Petrie aus Amarna vor. Die bislang einzige bekannte bronzezeitliche Glashütte, in der Glas aus seinen Rohstoffen hergestellt wurde, datiert in die Ramessidenzeit und wurde Ende der 1990er Jahre bei Grabungen des Roemer- und Pelizaeus-Museums (Hildesheim) unter der Leitung von Edgar Pusch im östlichen Nil-Delta in Qantir-Piramesse gefunden. Untersuchungen gaben Aufschluss über das Schmelzverfahren. So wurde Quarzgestein zerkleinert, mit sodahaltiger Pflanzenasche vermengt, in einen Krug gefüllt und bei vielleicht 800 °C zu einer Fritte geschmolzen. Diese Fritte wurde nach dem Abkühlen vermutlich zerkleinert und in einer zweiten Schmelze in speziell hergestellten Tiegeln bei 900 bis 1100 °C zu einem 8 bis 10 cm hohen Barren mit 10 bis 14 cm Durchmesser geschmolzen. Das Glas wurde dabei durch Beimischen von Metall-Oxiden schwarz, violett, blau, grün, rot, gelb oder weiß gefärbt. Ein konkreter Zusammenhang von Glasherstellung und Metallgewinnung ist trotz der ähnlichen Temperaturen nicht nachzuweisen. Das gefärbte Rohglas wurde in Barrenform an die weiterverarbeitenden Werkstätten geliefert, die daraus monochrome und polychrome Objekte herstellten. Solche Glasbarren wurden im Schiffswrack von Uluburun nahe dem türkischen Bodrum gefunden, das auf das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert ist. Die erste bekannte Rezeptur ist aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal überliefert, die auf ca. 650 v. Chr. datiert wird: Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide und du erhältst Glas. Zu dieser Zeit wurde schon wesentlich mehr Glas verarbeitet, und es entwickelte sich eine neue Glasschmelztechnik.

Antike

Plinius der Ältere beschreibt in der Naturalis historia die Herstellung des Glases. Chemische Analysen und Erkenntnisse der experimentellen Archäologie haben Plinius in vielen Fragen bestätigt. Zur Römerzeit wurde Glas (lateinisch vitrum) mit Flusssand und Natron aus Ägypten geschmolzen. Das ägyptische Natron wurde am Wadi Natrun, einem natürlichen Natronsee in Nord-Ägypten, abgebaut und über Alexandria von den Phöniziern in den Mittelmeerraum exportiert. Dieses war verhältnismäßig rein und enthielt mehr als 40 Prozent Natriumoxid (die Angabe wurde wie in der Petrologie üblich auf das Oxid bezogen, faktisch liegt aber Natriumcarbonat vor) und bis zu 4 Prozent Kalk. Die Zusammensetzung machte es zu einem idealen Schmelzmittel. Plinius schreibt weiter von Glassandlagern in Italien, Hispanien und Gallien, aber an keiner dieser Stätten entwickelte sich eine so bedeutende Glasherstellung wie an der palästinischen Küste zwischen Akkon und Tyros sowie in den ägyptischen Glashütten rund um den Wadi Natrun bei Alexandria.

Kaiser Diokletian legte im Jahr 301 die Preise für eine ganze Reihe von Produkten fest, unter anderem für Rohglas. Unterschieden wurde judaicum und alexandrium, wobei Letzteres teurer und wahrscheinlich entfärbtes Glas war. Zu dieser Zeit war die Glasproduktion im Wesentlichen noch immer in Primär- und Sekundärwerkstätten gegliedert. In den Primärwerkstätten wurde in großen Schmelzwannen Rohglas geschmolzen, das dann an die Sekundärwerkstätten geliefert wurde, wo es in Tiegeln eingeschmolzen und verarbeitet wurde. In Bet Eli’ezer im heutigen Israel wurden 17 Glasschmelzwannen freigelegt, die jeweils 2 × 4 m groß sind. Nachdem das Gemenge in die Wanne eingelegt worden war, wurde der Ofen zugemauert und 10 bis 15 Tage lang befeuert. Acht bis neun Tonnen blaues bzw. grünes Rohglas wurden so in nur einem Arbeitsgang erschmolzen. Nach dem Feuerungsstopp und dem Abkühlen wurde das Gewölbe des Ofens abgetragen, der Glasblock herausgestemmt und das Rohglas zur weiteren Verarbeitung versandt. Ein Schiffswrack aus dem 3. Jahrhundert, das an der südfranzösischen Küste gefunden wurde, hatte mehr als drei Tonnen Rohglas geladen.[1] In Ägypten wurden Rohglashütten gefunden, die bis ins 10. Jahrhundert reichten. Die Ägypter benutzten Antimon zur Entfärbung, konnten also farbloses, durchsichtiges Glas herstellen.

Römisches Parfumfläschchen aus Glas, 1.–3. Jh. n. Chr., 8,2 cm hoch

Die Sekundärglashütten waren im ganzen Römischen Reich verbreitet und stellten Hohlglas, Flachglas und Mosaiksteine her. Das Rohglas wurde in einem Tiegel eingeschmolzen und mit der Pfeife im zähflüssigen Zustand aus dem Ofen genommen und verarbeitet. An der Pfeife konnte das Glas aufgeblasen werden, was die Herstellung von größeren Gefäßen und neuen Formen ermöglichte. Wurde bis dahin Glas für Perlen, Parfümfläschchen und Trinkschalen verwendet, verbreitete sich im Römischen Reich vor allem Behälterglas – im Gegensatz zu den üblichen Ton-, Holz-, Metall- oder Lederbehältnissen ist Glas geschmacksneutral – sowie Karaffen zum Kredenzen und in der Spätantike auch Trinkgläser.

Glasarmringe sind eine typische Schmuckform, die neben gläsernen Fingerringen und Ringperlen zur mittleren La-Tène-Zeit im keltischen Mitteleuropa als Frauenschmuck aufkommt und als Grabbeigabe gefunden wird.

Mittelalter und Neuzeit

Glasmacher. Aus: Hrabanus Maurus, De universo, illustrierte Handschrift (1023), Kloster Montecassino (cod. 132)[2]

Im frühen Mittelalter stellten die Germanen überall dort, wo die Römer sich zurückgezogen hatten, Glas her, das nahtlos an die schon germanisierte spätantike Formensprache anschließt. Man geht heute davon aus, dass für das fränkische Glas noch vorhandene römische Gläser wiederverwertet wurden.

Waldglas

Mit De diversis artibus des Benediktinermönches Theophilus Presbyter steht erstmals eine längere schriftliche Quelle zur Verfügung, die die Glasherstellung, das Blasen von Flachglas und Hohlglas sowie die Ofentechnologie beschreibt. Theophilus, der wahrscheinlich in Konstantinopel war, vermischte Asche von getrocknetem Buchenholz mit gesiebtem Flusssand im Verhältnis 2:1 und trocknete dieses Gemenge im Ofen unter ständigem Rühren, so dass es nicht schmelzen oder verkleben konnte, einen Tag und eine Nacht. Danach wurde diese Fritte in einen Tiegel gefüllt und in einer Nacht unter starker Hitze zu Glas geschmolzen.

Dieser am Anfang des 12. Jahrhunderts wohl in Köln entstandene Text bildet wahrscheinlich die Grundlage für die Kirchenfenster der Gotik und auch für das Waldglas. Die Pflanzenasche mit allen Verunreinigungen lieferte auch einen Teil des Kalks, der für die Herstellung guten Glases nötig war. Um die enorme Menge an Holz, die für die Befeuerung der Öfen und für die Aschegewinnung nötig war, nicht über lange Wege befördern zu müssen, wurden die Glashütten in abgelegenen Waldgebieten angelegt. Diese Waldglashütten stellten überwiegend Glas her, welches durch Eisenoxid (aus verunreinigtem Sand) grünlich verfärbt war.

Im 15. Jahrhundert wurde auch Blei zur Herstellung von Glas verwendet.[3]

In Georgius Agricolas De re metallica gibt es eine kurze Beschreibung der Glaskunst. Er hat von 1524 bis 1527 in Venedig gelebt und wohl die Insel Murano besuchen dürfen, was die detaillierten Beschreibungen der Öfen vermuten lassen.

Als Rohstoff sind durchsichtige Steine genannt, also Bergkristall und „weiße Steine“, also Marmor, die im Feuer gebrannt, im Pochwerk zu grobem Grieß zerstoßen und danach gesiebt werden. Weiter führt er Kochsalz, Magnetstein und Soda an. Kochsalz und Magnetstein werden von späteren Autoren als unnütz verworfen. Marmor und Soda gab es in Altare und in Mailand; sie sind in Deutschland nicht zu erhalten. Einzig eine Andeutung „salz das aus laugen dargestellt wird“ weist auf ein venezianisches Geheimnis hin.

Die Glasschmelzöfen der Waldglashütten und Venedigs waren eiförmige Konstruktionen mit 3 Meter Durchmesser und bis zu 3 Meter Höhe, gemauert aus mit gebrannter Schamotte versetzten Lehmziegeln. Im unteren Stock lag der Befeuerungsraum mit ein oder zwei halbrunden Öffnungen für den Holzeinwurf. In der Mitte schlugen die Flammen durch eine große runde Öffnung in den zweiten Stock, in dem die Hafenöfen standen. Dieser etwa 1,20 Meter hohe Raum war rundum mit 20 × 20 cm großen Ofentoren versehen, durch die das Gemenge eingelegt und das Glas entnommen werden konnte. Im Obergeschoss, das durch eine kleine Öffnung mit dem Schmelzraum verbunden war, lag der Kühlofen, der nur 400 °C heiß war. Der Kühlofen war mit einer kleinen Öffnung versehen, durch die fertige Werkstücke eingetragen wurden. Am Abend wurde das Loch zwischen Schmelzraum und Kühlraum mit einem Stein verschlossen, so dass das Glas über Nacht abkühlen konnte.

Venedig

Am Anfang der venezianischen Glastradition steht wohl der Handel mit byzantinischen Glaserzeugnissen, die schon im 10. Jahrhundert importiert und nach ganz Europa exportiert wurden. Erste Glasmacher finden sich in den Registern des 11. Jahrhunderts. Sie werden phiolarius („Flaschner“) genannt. Ein an der Südküste der Türkei havariertes Handelsschiff, das um 1025 gesunken ist, transportierte nicht weniger als drei Tonnen Rohglas, das aus Caesarea in Palästina stammte. Ob es für Venedig bestimmt war, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ist aber naheliegend. Bis 1295 werden alle Glasmacher auf der Insel Murano angesiedelt und ihre Reisefreiheit per Gesetz eingeschränkt. Auf dieser von der Welt abgeschnittenen Insel konnte Angelo Barovier Mitte des 15. Jahrhunderts das Geheimnis der Glasentfärbung lüften und erstmals ungetrübtes, klar durchsichtiges Glas in Europa herstellen. Das crystallo, ein Soda-Kalk-Glas, das mit Manganoxid entfärbt war, sollte den Weltruhm des venezianischen Glases begründen. Die Soda wurde aus der Levante oder Alexandria importiert, ausgelaugt und versotten, bis ein reines Salz entstand. Als Sand wurde ein reiner Glassand aus dem Ticino oder gebrannter Marmor verwendet. Die Manganerze wurden wahrscheinlich von reisenden Erzsuchern aus Deutschland beschafft, die dort als Walen oder Venediger bekannt waren. Eine weitere venezianische Wiederentdeckung ist das lattimo (Milchglas), ein opakes weißes Glas, das mit Zinndioxid und Knochenasche getrübt war und das chinesische Porzellan nachahmte.

Viele neue Techniken wurden entwickelt, insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert. Den Höhepunkt erreichte die Branche in den 1950er und 1960er Jahren. Berühmte Techniken aus dieser Zeit sind zum Beispiel: Anse Volante, Battuto, Canna, Colorazione a caldo senza fusione, Fenicio, Incamiciato, Murrina, Oriente, Pezzato, Pulegoso, Scavo, Siderale, Sommerso, Tessuto. Muranoglas gilt heute als begehrtes Sammlerobjekt. Es werden teilweise sehr hohe Summen für seltene und besondere Stücke bezahlt. Berühmte historische Glasmanufakturen sind zum Beispiel Venini & C., Pauly & C., Barovier & Toso, Seguso Vetri d’Arte. Einige dieser Manufakturen bestehen noch heute.

Glasperlen

Die Glasperlen wurden zu einer begehrten Handelsware und breiteten sich schnell über ganz Europa aus. Über Jahrhunderte waren Glasperlen ein beliebtes Zahlungsmittel im Tauschhandel mit Gold, Elfenbein, Seide und Gewürzen. Seit einigen Jahren sind die bunten Kunstwerke begehrte Objekte für Sammler.

Glasperlen aus Venedig sind die bekanntesten und begehrtesten Perlen der Welt. Venezianische Glaskünstler haben während mehrerer Jahrhunderte Perlenhersteller auf der ganzen Welt beeinflusst. Dort werden die Glasperlen über offener Flamme hergestellt. Es ist ein sehr zeitaufwendiges Verfahren, da jede Perle einzeln gefertigt wird.

Ein Glasstab wird unter der Verwendung einer Lötlampe bis zum Schmelzen erhitzt und um einen Metallstab gewickelt, bis die gewünschte Perlenform erreicht wird. Auf diese Grundperle können nach und nach weitere Glasfarben aufgeschmolzen werden und unterschiedliche Dekorationselemente, wie dünne Glasfäden oder hauchdünne Glasplättchen (Confettis), aufgebracht werden. Dann wird die Perle sehr langsam abgekühlt und von der Stange entfernt, wodurch ein Loch entsteht, durch das die Perle später aufgefädelt werden kann. Diese Perlen heißen Wickelperlen.

Industrialisierung

Hohlglasproduktion um 1910: Der Tropfen wird in einer Form zur Flasche geblasen.
Die Owens-Maschine in Karussellform zur vollautomatischen Flaschenherstellung (1912)
Hitzebeständiges Glas (Jenaer Glas), hier für Teegeschirr

Im frühen 19. Jahrhundert wurden neue mechanische Hilfsmittel zum Blasen der Gläser benutzt. Es wurden Formen benutzt, die ein zu erzeugendes Relief als Negativ aufwiesen. Durch den Blasdruck wird das Glas an die Form gedrückt und das Werkstück erhält so seine Gestalt. Allerdings ist die Lungenkraft des Glasmachers nicht ausreichend hoch für tiefere Reliefs, so dass mechanische Hilfsmittel eingeführt wurden. Durch den Einsatz von Luftpumpen wurde genügend Druck erzielt.[4]

Eine weitere Neuerung in der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Einführung von Metallformen. Erstmals 1847 ersetzten die von Joseph Magoun entwickelten Formen die alten aus Holz, was deren Haltbarkeit beträchtlich erhöhte.

Die erste halbautomatische Flaschenblasmaschine entwickelten die Briten Alexander Mein und Howard M. Ashley in Pittsburg im Jahr 1859. Doch noch immer waren manuelle Arbeitsschritte vonnöten.[5]

Ein Meilenstein war die 1903 von Michael Joseph Owens eingeführte Owens-Maschine als erste vollautomatische Glasmaschine überhaupt. In einem in der Schmelze eingetauchten Speiser wird ein Vakuum erzeugt und so die benötigte schmelzflüssige Glasmenge exakt aufgenommen. Der Arm des Speisers schwenkt zurück und drückt den Tropfen in die Form. Mit Pressluft wird der Tropfen in die Metallform geblasen und das Werkstück erhält seine endgültige Gestalt. Diese Technik heißt Saug-Blas-Verfahren. Damit war es möglich, die zu dieser Zeit enorme Menge von vier Flaschen pro Minute zu produzieren.[6]

Trotz dieser Errungenschaft blieben maschinell geblasene Flaschen noch viele Jahre schwerer als mundgeblasene. Um die Glasmacher zu übertreffen, mussten die Maschinen noch sehr viel genauer arbeiten. So ist auch zu erklären, dass die verschiedenen Produktionsverfahren noch lange parallel betrieben wurden.

Wesentliche Verbesserungen der Tropfenentnahme durch den Tropfenspeiser von Karl E. Pfeiffer im Jahre 1911 führten ebenfalls zu einer Steigerung der Produktivität. Die Portionierung der Glasmasse erfolgte nicht mehr durch Abschöpfen oder Saugen einer Menge Glas von der blanken Schmelzoberfläche, sondern indem ein Tropfen durch eine Öffnung am Ende des Feeders (Speiserkanals) abläuft. Durch die genauer mögliche Dosierung der Glasmenge konnten gleichmäßigere Flaschen gefertigt werden.

1924 wurde die IS-Maschine von den Namensgebern Ingle und Smith patentiert, die erste industrielle Anwendung folgte wenige Jahre später. Diese Maschine, die die Vorteile des Tropfen-Verfahrens erst richtig nutzt, arbeitet nach dem Blas-Blas-Verfahren. Ein Tropfen wird in eine Metallform geleitet und vorgeblasen. Der vorgeformte Tropfen wird in eine zweite Form geschwenkt, in der das Werkstück fertig geblasen wird.

Erste Anwendungen des neuen Verfahrens folgten wenige Jahre später. Die erste Maschine von 1927 hatte vier Stationen: Ein Feeder beschickte eine Maschine und diese konnte parallel vier Flaschen fertigen.[7] Das Prinzip des Blas-Blas-Verfahrens ist auch heute noch in der Massenfabrikation gültig.

2000 ―
1900 ―
1800 ―
1700 ―
1600 ―
1500 ―
1400 ―
1300 ―
1200 ―
1100 ―
1000 ―
900 ―
800 ―
700 ―
600 ―
500 ―
400 ―
300 ―
200 ―
100 ―
Floatglas
Flachglas, gezogen
Zylinderglas
Tellerscheiben
Butzenscheiben
Flachglas Dünn-/Planschliff
dünngeschliffener Marmor,
oder Alabaster
Pergamente, geölte Leinwände

Zeittafel: Entwicklung der Fensterscheibe

Flachglas

Fundort Thermengasse im römischen Vicus Turicum (Zürich): Reste von Fensterglas aus den Thermen

Antike

Erste Fenstergläser fanden sich in Aix-en-Provence und Herculaneum. Die Funde haben Größen von bis zu 80 cm × 80 cm. Allerdings erwähnt keine schriftliche Überlieferung das Herstellungsverfahren. Für das frühe, dickwandige und einseitig matte Fensterglas gibt es in der Fachwelt unterschiedliche Auffassungen zu dessen Herstellung. Einerseits wird eine manuelle Strecktechnik[8] in Betracht gezogen, zum Anderen wird von einem Gussverfahren[9] für dessen Herstellung ausgegangen. Funde von Fensterglas in Pompeji belegen, dass die Römer bereits im 1. Jahrhundert Fensterglas kannten, das beispielsweise in Thermen oder Villen zum Einsatz kam. Es gibt sogar vereinzelte Berichte von gläsernen Gewächshäusern. Meist handelte es sich um rechteckige Platten von ca. 20 cm × 30 cm bis zu 80 cm × 80 cm Größe und einer Stärke von 3 bis 5 mm, die eine glatte Seite und eine raue Seite aufweisen. Ab dem 2. Jh. n. Chr. scheint beidseitig glattes, dünnwandiges Fensterglas das dickwandige und aufgrund seiner rauen Seite nur mäßig transparente Fensterglas zu verdrängen, welches im archäologischen Befund oftmals schwer von Gefäßglas und rezentem Glas zu unterscheiden ist. Dieses dünnwandige Fensterglas ist wahrscheinlich im Zylinderblasverfahren entstanden.[10][11]

Mittelalter

Zu einer breiteren Verwendung kommt es mit der aufkommenden Gotik im 12. Jahrhundert.[12]

Mondglasproduktion im 18. Jahrhundert; die Tafel stammt aus der Encyclopédie. Der Arbeiter links trägt Holz zu Befeuerung. Mittig wird ein Glastropfen entnommen oder das Werkstück aufgeheizt. Rechts im Vordergrund wird ein Glastropfen durch Marbeln vorgeformt, im Hintergrund wird eine Scheibe ausgeschleudert.

Bei dem Mondglasverfahren, das bereits im vierten Jahrhundert im vorderen Orient belegt ist und später breite Anwendung in Frankreich fand, wird ein Glastropfen mit der Glasmacherpfeife zu einer Kugel vorgeblasen. Die heiße Glaskugel wird auf der gegenüberliegenden Seite an einem Metallstab befestigt, und die Glasmacherpfeife abgesprengt. Die Kugel hat nun ein Loch, dessen Ränder nach außen gestülpt werden. Zur weiteren Verarbeitung wurde die Kugel wieder auf Temperatur gebracht. Bei ca. 1000 °C war das Glas weich genug, um mittels Zentrifugalkraft in Tellerform geschleudert zu werden. Die Kugel öffnete sich um das Loch, an dem vorher die Pfeife befestigt war. Durch diese Technik wurden Glasplatten von ca. 1,20 m Durchmesser erzeugt. Anschließend wurde der äußere Rand zu Rechtecken geschnitten. Diese fanden Verwendung als z. B. Kirchenglas mit Bleieinfassungen. Das Mittelstück mit der Anschlussstelle des Schleuderstabs heißt Butze und wurde für Butzenscheiben von 10 bis 15 cm Durchmesser verwendet.[13]

Frühe Neuzeit

Walzglasproduktion 1908: der gleiche Prozess wie 1688

Das Walzglasverfahren wurde zum ersten Mal 1688 in Saint-Gobain, der Keimzelle des heutigen gleichnamigen Weltkonzerns, dokumentiert. Geschmolzenes Glas wird auf den Walztisch gegossen, verteilt und schließlich gewalzt. Im Gegensatz zu den vorher genannten Verfahren wurde hier eine gleichmäßige Dicke erreicht. Auch waren erstmals Scheibengrößen von 40 × 60 Zoll möglich, was für die Produktion von Spiegeln genutzt wurde. Probleme bereitet jedoch die ungleichmäßige Oberfläche. Fensterglas dieses Herstellungsverfahrens ist oft blind und Spiegelglas nur durch aufwendiges kaltes Polieren zu erzielen.[13]

Zeichnung des Regenerativofens von Friedrich Siemens

Industrialisierung und Automatisierung

Gusseiserne Form zur manuellen Formgebung von Hohlglas

Die Industrialisierung und Automatisierung der Glaserzeugung setzte schrittweise im 19. Jahrhundert ein. Zunächst wurden einzelne Verfahrensabschnitte optimiert. So wurden 1847 durch Joseph Magoun Metallformen in der Hohlglasproduktion eingeführt, welche die bis dahin hauptsächlich genutzten Holzformen ersetzten.[14] 1856 entwickelte Friedrich Siemens den ersten Glasofen mit Regenerativfeuerung, was 1867 zum ersten kontinuierlichen Wannenofen ebenfalls durch Friedrich Siemens führte. Die regenerative Befeuerung ermöglichte erhebliche Energieeinsparungen und zugleich eine verbesserte Temperaturführung in der Glasschmelzwanne. Wenig später, im Jahr 1884, gründeten Ernst Abbe und Otto Schott in Jena ein Glaswerk für optische Spezialgläser.[15][16]

Herstellung von Flachglas nach dem Fourcault-Prozess. Die Glastafel wird durch eine Düse senkrecht aus der Schmelze gezogen.

Im Jahr 1905 entwickelte der Amerikaner John H. Lubbers ein Verfahren zur Flachglasherstellung, wobei er den manuellen Prozess des Zylinderblasverfahrens im industriellen Maßstab umzusetzen versuchte. Dabei wurden Zylinder direkt aus der Schmelz gezogen, diese konnten einen Durchmesser von 80 cm erreichen und waren bis zu 12 m hoch. Der Zylinder wurde anschließend aufgeschnitten und geplättet. Das Verfahren war jedoch sehr umständlich, insbesondere das Umlegen der Zylinder in die Horizontale bereitete Schwierigkeiten.[15]

Ein Patent zur verbesserten Flachglasproduktion sollte 1902 von Émile Fourcault folgen. Das nach ihm benannte Fourcault-Verfahren zur Ziehglasherstellung. Das Glas wird dabei kontinuierlich als Glastafel durch eine Düse aus der Schmelze senkrecht nach oben gezogen. Das Flachglas wurde somit ohne Umweg über einen Zylinder erzeugt. Nach dem Hochziehen durch einen senkrechten Kühlkanal auf ca. 8 m Höhe kann gekühltes Flachglas am oberen Ende zugeschnitten werden. Durch Variation der Ziehgeschwindigkeit konnte die Glasdicke eingestellt werden. Das Fourcault-Verfahren kam ab 1913 zum Einsatz und bedeutete eine große Verbesserung.[17]

Ein ähnliches Verfahren ließ der Amerikaner Irving Wightman Colburn 1904 patentieren. Das Glasband wurde ebenfalls senkrecht aus der Schmelz gezogen, aber zur besseren Handhabung über eine Umlenkrolle in einen horizontalen Kühlkanal umgeleitet. Mit einer eigenen Fabrik wurde bis 1912 versucht, das Verfahren zu beherrschen, blieb aber letztlich erfolglos, so dass Insolvenz angemeldet wurde. Das Patent ging an die Toledo Glass Company. 1917 kam das nunmehr sogenannte Libbeys-Owens-Verfahren zur industriellen Anwendung. Die Vorteile gegenüber dem Fourcault-Verfahren lagen in der einfacheren Kühlung. Hingegen konnten bei jenem mehrere Ziehmaschinen an einer Glasschmelzwanne arbeiten. Da der Kühlofen beliebig lang sein konnte, erreichte dieses Verfahren etwa die doppelte Produktionsgeschwindigkeit. In der Folgezeit existierten beide Verfahren parallel. 1925 verbesserte die Plate Glass Company die Vorteile der Verfahren von Fourcault und Colburn; sie erzielte mit dem Pittsburg-Verfahren dadurch eine deutliche Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit.[18][19]

Dem Deutschen Max Bicheroux gelang 1919 der entscheidende Schritt bei der Gussglasherstellung. Im Gegensatz zu den bisher genannten Verfahren wurde hier keine Glastafel aus der Schmelze gezogen, sondern die flüssige Glasmasse wurde dabei zwischen gekühlten Walzen zu einem Glasband geformt. Im noch erwärmten Zustand wurde das Glasband zu Tafeln geschnitten und in Öfen abgekühlt. Mit diesem Verfahren konnten Scheiben bis zu 4,5 m Breite hergestellt werden. Ein ähnliches Verfahren wurde 1921 von Pilkington und dem Fahrzeugfabrikanten Ford zur kontinuierlichen Herstellung von Automobilglas als Walzglas entwickelt. Dieses Verfahren lieferte allerdings geringere Breiten als das von Bicheroux.[20]

Die Firma Pilkington bewältigte in den 1960er Jahren als erste die technischen Probleme der Floatglasfertigung, wobei die Glasschmelze auf ein Bad aus flüssigem Zinn gegossen wurde. Dieses Prinzip revolutionierte die Flachglasfertigung, da es eine sehr hohe Produktivität aufwies und die Spiegelglasherstellung ohne weitere Nachbearbeitungsschritte ermöglichte. In den 1970er Jahren wurde dieses Verfahren allgemeiner Standard und verdrängte die Übrigen nahezu vollkommen. Das Verfahren basiert auf einer Idee von Henry Bessemer, die William E. Heal bereits 1902 zum Patent angemeldet hatte.

Rohrglas

Danner-Rohrzug im VEB Glaswerk Weißwasser

Glasrohre wurden bis ins 19. Jahrhundert ebenfalls (mundgeblasen) ausschließlich diskontinuierlich aus einer Charge oder einem Glasposten hergestellt. Die industriellen Prozesse zur Glasrohrerzeugung werden in Verfahren mit rotierender Pfeife und Ziehverfahren mit Düsen unterteilt. Letztere können weiter unterteilt werden in Varianten, bei denen das Glasrohr senkrecht nach unten oder oben aus der Schmelze gezogen wird. 1912 entwickelte E. Danner (Libbey Glass Company) in den USA das erste kontinuierliche Röhrenziehverfahren, worauf 1917 ein Patent erteilt wurde.[21]

Beim Danner-Verfahren fließt eine Glasschmelze als Band auf einen schräg nach unten geneigten, rotierenden keramischen Hohlzylinder – die Dannerpfeife. Nach Zuführung von Druckluft über das Innere der Pfeife gelingt das Abziehen des sich bildenden Glasrohres in Richtung der Pfeifenachse. Die Ziehgeschwindigkeit des Rohrs sowie Höhe des Drucks der zugeführten Luft bestimmen hierbei die Rohrdimension.[21]

In Frankreich wurde 1929 von L. Sanches-Vello ein vertikales Ziehverfahren ausgearbeitet. Dabei handelt es sich um ein senkrechtes Rohrziehverfahren. Die Schmelze wird durch eine Düse im Boden der Schmelzwanne nach unten gezogen und kurz darauf in die Horizontale umgeleitet.[22][23]

Für die Produktion von Rohrglas existieren eine Reihe weiterer Verfahren, die aber alle nach sehr ähnlichen Prinzipien arbeiten.[24]

Literatur

  • Birgit Nolte: Die Glasgefässe im alten Ägypten. Hessling, Berlin 1968.
  • Daniele Foy, Marie-Dominique Nenna: Tout feu tout sable. Aix-en-Provence 2001, ISBN 2-7449-0264-0.
  • Rita Hannig: Glaschronologie Nordostbayerns vom 14. bis zum frühen 17. Jahrhundert. Greiner, Remshalden 2009, ISBN 978-3-86705-027-2.
  • Anton Kisa: Das Glas im Altertum. 3 Bände. Hiersemann, Leipzig 1908 (Digitalisat Band 1, Band 2, Band 3).
  • Heinrich Maurach: Glas als Wort und Begriff. In: Glastechnische Berichte. Band 25, 1952, S. 1–12.
  • Frank Schweizer: Glas des 2. Jahrtausends v. Chr. im Ostmittelmeerraum. Greiner, Remshalden 2003, ISBN 3-935383-08-8.
  • Heike Wilde: Technologische Innovationen im zweiten Jahrtausend vor Christus. Zur Verwendung und Verbreitung neuer Werkstoffe im ostmediterranen Raum. Harrassowitz, Wiesbaden 2003, ISBN 3-447-04781-X.
  • Lukas Clemens, Peter Steppuhn (Hrsg.): Glasproduktion. Archäologie und Geschichte. Beiträge zum 4. Internationalen Symposium zur Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Glashütten in Europa. Kliomedia, Trier 2012, ISBN 978-3-89890-162-8.
  • Heidi Amrein: L’atelier de verriers d’Avenches. L’artisanat du verre au milieu du Ier siècle après J.-C. In: Cahiers d’archéologie romande. Band 87. Lausanne 2001, ISBN 2-88028-087-7 (französisch).
  • Axel von Saldern: Antikes Glas. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51994-6.
  • Helmut A. Schaeffer (Hrsg.): Glastechnik. Band 1: Werkstoff Glas. Deutsches Museum Verlag, 2012, ISBN 978-3-940396-35-8.
  • Helmut A. Schaeffer (Hrsg.): Glastechnik. Band 2: Hohlglas, 2010, ISBN 978-3-940396-16-7.
  • Margareta Benz-Zauner, Helmut A. Schaeffer (Hrsg.): Glastechnik. Band 3: Flachglas, 2007, ISBN 978-3-940396-01-3.
  • Margareta Benz-Zauner, Helmut A. Schaeffer (Hrsg.): Glastechnik. Band 4: Spezialglas, 2003, ISBN 3-940396-07-9.

Einzelnachweise

  1. Zum Schiffsfund Ouest-Embiez 1 (französisch)
  2. Axel von Saldern, Ulrich Hausmann, Reinhard Herbig, Walter Otto: Antikes Glas. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51994-6.
  3. Wilhelm Hassenstein, Hermann Virl: Das Feuerwerkbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei. Neudruck des Erstdruckes aus dem Jahr 1529 mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen von Wilhelm Hassenstein. Verlag der Deutschen Technik, München 1941, S. 108 (Glas, vitrum: „Man macht Glas von Blei und subtiler Erden“).
  4. Walter Spiegl: Maschinell gepresste und druckgeblasene Gläser (PDF; 391 kB).
  5. Frank Andrews: Moncrieff’s Monish Bottle-making Machines. 1947 (englisch).
  6. The American Society of Mechanical Engineers: Owens AR Bottle Machine (1912). 1983 (englisch).
  7. Emhart Glass – An Industry Leader for more than 90 Years. Emhart Glass, 2008, abgerufen am 6. Juni 2009 (englisch, Zusammenfassung der Geschichte der Firma Emhart Glass).
  8. glasrepliken.de: Artikel über römisches Fensterglas.
  9. Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 34.
  10. Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 34.
  11. Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 16.
  12. Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 17 f.
  13. a b Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 44 f.
  14. Agr Europe (Memento vom 29. April 2013 im Webarchiv archive.today)
  15. a b Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Hohlglas. 2007, S. 52.
  16. Geschichte der Schott AG. Abgerufen: 03/2013
  17. Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 54 ff.
  18. Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 60 ff.
  19. Siegfried Rech: Glastechnik . S. 158 ff.
  20. Helmut A. Schaeffer: Glastechnik. Band 3: Flachglas. 2007, S. 40 f.
  21. a b W. Giegerich, W. Trier: Glasmaschinen. 1964, S. 341ff.
  22. Geschichte des Glases. Teil 2. In: petzi-kristall.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. März 2016; abgerufen am 20. März 2016.
  23. W. Giegerich, W. Trier: Glasmaschinen. 1964, S. 353 ff.
  24. W. Giegerich, W. Trier: Glasmaschinen. 1964, S. 341.