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* {{Literatur |Autor=[[Joseph W. Dauben]]|Titel=Georg Cantor. His Mathematics and Philosophy of the Infinite |Auflage=|Verlag=[[Harvard University Press]]|Ort=Cambridge, Mass. [u.a.] |Jahr=1979 |ISBN=0-674-34871-0}}
* {{Literatur |Autor=[[Joseph W. Dauben]]|Titel=Georg Cantor. His Mathematics and Philosophy of the Infinite |Auflage=|Verlag=[[Harvard University Press]]|Ort=Cambridge, Mass. [u.a.] |Jahr=1979 |ISBN=0-674-34871-0}}
* Anne-Marie Décaillot ''Cantor und die Franzosen - Mathematik, Philosophie und das Unendliche''. Springer, Berlin u.a. 2011, ISBN 978-3-642-14868-2.
* Anne-Marie Décaillot ''Cantor und die Franzosen - Mathematik, Philosophie und das Unendliche''. Springer, Berlin u.a. 2011, ISBN 978-3-642-14868-2.
* [[Marie-Luise Heuser-Keßler]]: ''Georg Cantors transfinite Zahlen und Giordano Brunos Unendlichkeitsidee.'' In: ''Selbstorganisation.'' Hrsg. v. Uwe Niedersen, Bd. 2, Duncker & Humblot, Berlin 1991, S. 222-244.
* [[Herbert Meschkowski]]: ''Probleme des Unendlichen. Werk und Leben Georg Cantors''. Vieweg, Braunschweig 1967.
* [[Herbert Meschkowski]]: ''Probleme des Unendlichen. Werk und Leben Georg Cantors''. Vieweg, Braunschweig 1967.
** 2. erweiterte Auflage: Herbert Meschkowski: ''Georg Cantor, Leben, Werk und Wirkung''. Vieweg, Braunschweig 1983.
** 2. erweiterte Auflage: Herbert Meschkowski: ''Georg Cantor, Leben, Werk und Wirkung''. Vieweg, Braunschweig 1983.

Version vom 16. Oktober 2013, 10:48 Uhr

Georg Cantor

Georg Ferdinand Ludwig Philipp Cantor [ɡ̥eˈɔʁk (ˈfɛʁdinant ˈluːtvɪç ˈfiːlɪp) ˈkʰantɔʁ] (* 19. Februarjul. / 3. März 1845greg. in Sankt Petersburg; † 6. Januar 1918 in Halle an der Saale) war ein deutscher Mathematiker. Cantor lieferte wichtige Beiträge zur modernen Mathematik. Insbesondere ist er der Begründer der Mengenlehre.

Leben

Georg Cantor (ca. 1870)

Cantor wurde als Sohn von Georg Woldemar Cantor, einem Börsenmakler, und Marie Cantor, geb. Boehm, in St. Petersburg, der damaligen russischen Hauptstadt, geboren. Sein Vater war in Kopenhagen geboren und in jungen Jahren mit seiner Mutter nach St. Petersburg gekommen, wo er in der dortigen deutschen lutherischen Mission aufgezogen worden war. Nach späteren Aussagen des Sohnes stammte der Vater aus einer sephardischen Familie, was jedoch nach heutiger Quellenlage umstritten scheint. Die Mutter war in St. Petersburg geboren, von römisch-katholischer Konfession und stammte aus einer österreichischen Musikerfamilie. Die Großeltern mütterlicherseits, Franz Boehm und Marie Boehm, geb. Morawek, waren beide Berufsmusiker (Violinisten).

Die Kinder wurden im lutherischen Glauben und in einem deutschen kulturellen Umfeld aufgezogen. Der Vater war sehr fromm und instruierte seinen Sohn in religiösen Dingen. Zeit seines Lebens blieb Georg Cantor ein tief religiöser Mensch. Als er 11 Jahre alt war, siedelte die Familie aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Vaters des milderen Klimas wegen 1856 von St. Petersburg in die Kurstadt Wiesbaden und etwas später nach Frankfurt am Main über.

Nach dem Schulabschluss („mit Auszeichnung“) 1860 in Darmstadt studierte er an der Universität Zürich und an der Universität Göttingen und wurde 1867 in Berlin bei Ernst Eduard Kummer promoviert[1]. Zu seinen Lehrern zählten Karl Weierstraß, Ernst Eduard Kummer und Leopold Kronecker. Nach der Promotion lehrte und arbeitete er von 1869 an bis zu seinem Lebensende in Halle, zunächst als Privatdozent, seit 1872 als Extraordinarius und seit 1877 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1913 als ordentlicher Professor.

1874 heiratete er Vally Guttmann, mit der er sechs Kinder zeugte (das letzte wurde 1886 geboren). Nur durch die Erbschaft seines Vaters konnte er seine Familie versorgen, sein bescheidenes akademisches Einkommen hätte dafür nicht gereicht. Seine Flitterwochen verbrachte er im Harz, wo er auch intensiv mit Richard Dedekind, einem engen Freund, den er zwei Jahre zuvor auf einem Urlaub in der Schweiz kennengelernt hatte, über Mathematik diskutieren konnte.

Von 1884 an litt Cantor wiederholt an einer manisch-depressiven Erkrankung[2] und musste sich erstmals in psychiatrische Behandlung begeben. Cantors Beschäftigung mit der Frage nach dem „wahren“ Autor der shakespeareschen Werke fällt in die erste Zeit seiner geistigen Erkrankung. Er sprach sich in mehreren Veröffentlichungen für Francis Bacon als Verfasser aus. Ähnliche Erörterungen stellte Cantor auch im Hinblick auf die Werke von Jakob Böhme und John Dee an. Dieses sehr forcierte literaturgeschichtliche Engagement wird oft als Folge seiner Geisteskrankheit betrachtet, doch war die Beteiligung an dem Rätselraten um Shakespeare allgemein sehr verbreitet, und Cantor zeigte stets an Fragen außerhalb seines Fachgebietes großes Interesse, besonders an Philosophie und (katholischer) Theologie, die für ihn in engem Bezug zu den mengentheoretischen Problemen der Unendlichkeit stand.

Bis 1899 gibt es keine weiteren Aufzeichnungen bezüglich eines Aufenthaltes in einem Sanatorium. Kurz nach diesem zweiten Aufenthalt im Sanatorium verstarb Cantors jüngster Sohn plötzlich (während eines Vortrags von Cantor bezüglich der Bacon-Theorie und Shakespeare). Durch die Tragödie, einen Sohn verloren zu haben, verlor Cantor auch viel an Leidenschaft für die Mathematik und auch seine Depressionen traten verstärkt auf.

1903 erfolgte ein weiterer Aufenthalt in einem Sanatorium. Ein Jahr später, 1904, wurde von Julius König auf dem Internationalen Mathematikerkongress ein Vortrag gehalten, in dem König vermeintlich beweisen konnte, dass die Mächtigkeit des Kontinuums unter den Alephs überhaupt nicht vorkommt [3]. Als Reaktion auf diesen in seiner Wirkung als „sensationell“ [3] empfundenen Vortrag soll Cantor sich aufgewühlt und empört darüber gezeigt haben, dass man es gewagt hatte, seine (laut seiner Aussage von Gott übermittelten) Studie widerlegen zu wollen, aber auch darüber, dass seine Töchter und Kollegen die vermeintliche Widerlegung mitanhören mussten und die damit verbundene an ihm vollzogene Demütigung. Obwohl Ernst Zermelo einen Tag später schon demonstrierte, dass Julius Königs Beweisführung falsch war [4], verblieb Cantor schockiert, verärgert und begann sogar, an seinem Glauben zu zweifeln. (Hinsichtlich der Reaktion Cantors auf Königs Vortrag liegen seitens der Teilnehmer des Kongresses aber auch abweichende Schilderungen vor [4].)

1911 wurde Cantor als einer der bevorzugten ausländischen Gelehrten zum 500. Jahrestag der Gründung der Universität St. Andrews in Schottland eingeladen. Es war gerade jene Zeit, in der Bertrand Russell das Werk Principia Mathematica veröffentlichte, ein Werk über mathematische Prinzipien, in dem Russell sich regelmäßig auf Cantors Arbeiten bezog. In der Hoffnung, Bertrand Russell auf dem 500. Jahrestag zu treffen, nahm Cantor daran teil, aber letztendlich nur um diesbezüglich enttäuscht zu werden. Ein Jahr später wollte man Cantor durch dieselbe Universität den Ehrendoktor verleihen, aber Cantor konnte aufgrund seiner Krankheit nicht persönlich daran teilnehmen.

1913 ging Cantor in Pension, während des Ersten Weltkrieges litt er an Armut und sogar unter Mangelernährung. Die öffentliche Feier zu seinem 70. Geburtstag musste aufgrund des Krieges abgesagt werden. Am 6. Januar 1918 verstarb Georg Cantor in Halle (Saale) in jenem Sanatorium, in dem er das letzte Jahr seines Lebens verbracht hatte. Sein Grab ist auf dem Friedhof Giebichenstein Halle (Saale) erhalten.

Werk

Cantor befasste sich zunächst mit Zahlentheorie und wandte sich in Halle unter dem Einfluss von Eduard Heine Fourierreihen zu. Er bewies 1869 die Eindeutigkeit der Darstellung von Funktionen durch trigonometrische Reihen, veröffentlicht im Journal für die reine und angewandte Mathematik 1870.[5] Genauer bewies er, dass falls

für alle , dass für alle i. Der Satz bleibt auch bei endlich vielen Ausnahmestellen x gültig (in denen die Fourierreihe nicht konvergiert oder ungleich Null ist).

Er baute beim Beweis auf den Untersuchungen von Bernhard Riemann auf und korrespondierte im Vorfeld des Beweises mit seinem Studienfreund Hermann Amandus Schwarz, der einen wichtigen Baustein des Beweises lieferte[6]. Die Theorie der Fourierreihen war auch der Ausgangspunkt seiner Beschäftigung mit Mengenlehre, als er sich fragte, ob sein Eindeutigkeitssatz bei unendlich vielen Ausnahmestellen erhalten bleibt[7].

Cantor begründete in den Jahren 1874 bis 1897 die Mengenlehre, die er anfangs (1877) noch Mannigfaltigkeitslehre nannte. Er formulierte 1895 folgende, oft zitierte Definition der Menge:

„Unter einer ‚Menge‘ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die ‚Elemente‘ von M genannt werden) zu einem Ganzen.“[8]

Cantor kam zu seiner Mengenlehre durch die Betrachtung eindeutiger (heute: "bijektiver") Zuordnungen der Elemente von unendlichen Mengen. Er bezeichnete Mengen, für die eine solche Beziehung hergestellt werden kann, als äquivalent oder „von gleicher Mächtigkeit“, auch „gleichmächtig“. Demnach ist die Menge der natürlichen Zahlen der Menge der rationalen Zahlen (Brüche) äquivalent, was er durch sein Diagonalisierungsverfahren zeigte. Mit seinem zweiten Diagonalargument bewies er dann, dass die Menge der reellen Zahlen mächtiger ist als die der natürlichen Zahlen. Eine Verallgemeinerung war der Satz von Cantor. Die Arbeiten waren unter den Mathematikern seiner Zeit wegen der ungeklärten Fragen hinsichtlich des „aktual Unendlichen“ und der Einführung der transfiniten Zahlen umstritten. Insbesondere geriet Cantor in einen tiefgreifenden wissenschaftlichen Gegensatz zu Leopold Kronecker. Man vermutet hierin den Grund für die Verzögerung der Publikation von Cantors Artikel Ein Beitrag zur Mannigfaltigkeitslehre in Crelles Journal [9]. Diese Kontroverse zwischen Cantor und Kronecker wird als „Präludium für den späteren Streit zwischen Intuitionisten und Formalisten“ [10] gesehen.

Cantor selbst gehörte auch zu den ersten Entdeckern der Antinomien der naiven Mengenlehre und bewies mit den beiden Cantorschen Antinomien, dass gewisse Klassen keine Mengen sind.

Auf Cantor gehen auch die Cantorsche Paarungsfunktion (auch Nummerierungsfunktion) und der Cantorsche Algorithmus [11] zurück.

Schließlich schuf Cantor 1870 mit der sogenannten Punktmenge die Grundlagen der Theorie der später von Benoît Mandelbrot so bezeichneten Fraktale. Die Cantorsche Punktmenge folgt dem Prinzip der unendlichen Wiederholung selbstähnlicher Prozesse. Die Cantor-Menge gilt als das älteste Fraktal überhaupt.

Ehrungen

Trivia

Die Oper Cantor – Die Vermessung des Unendlichen von Ingomar Grünauer widmet sich dem Leben und Werk Georg Cantors und wurde aus Anlass des 1200-jährigen Stadtjubiläums am 10. November 2006 im Opernhaus Halle uraufgeführt. Die letzte Vorstellung fand am 5. Januar 2007 statt.

Schriften

Georg Cantor: Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts.[12]

Zur Zahlentheorie

  • De aequationibus secundi gradus indeterminatis (Dissertation).
  • Zwei Sätze aus der Theorie der binären quadratischen Formen.
  • Über die einfachen Zahlensysteme.
  • Zwei Sätze über eine gewisse Zerlegung der Zahlen in unendliche Produkte.
  • De transformatione formarum ternariarum quadraticarum (Habilitationsschrift).
  • Algebraische Notiz.
  • Zur Theorie der zahlentheoretischen Funktionen.

Zur Analysis

  • Über einen die trigonometrischen Reihen betreffenden Lehrsatz.
  • Beweis, dass eine für jeden reellen Wert von x durch eine trigonometrische Reihe gegebene Funktion f(x) sich nur auf eine einzige Weise in dieser Form darstellen lässt.
  • Über trigonometrische Reihen.
  • Über die Ausdehnung eines Satzes aus der Theorie der trigonometrischen Reihen, 1872.[13]
  • Bemerkung über trigonometrische Reihen.
  • Fernere Bemerkung über trigonometrische Reihen.
  • Über ein neues und allgemeines Kondensationsprinzip der Singularitäten von Funktionen.
  • Bemerkung mit Bezug auf den Aufsatz: Zur Weierstraß-Cantorschen Theorie der Irrationalzahlen.

Zur Mengenlehre

  • Über eine Eigenschaft des Inbegriffs aller reellen algebraischen Zahlen.
  • Ein Beitrag zur Mannigfaltigkeitslehre, 1878.
  • Über einen Satz aus der Theorie der stetigen Mannigfaltigkeiten.
  • Über unendliche lineare Punktmannigfaltigkeiten.
  • Sur divers théorèmes de la théorie des ensembles de point situés dans un espace continu a n dimensions.
  • De la puissance des ensembles parfait de points.
  • Über verschiednene Theoreme aus der Theorie der Punktmengen in einem n-fach ausgedehnten stetigen Raume Gn. Zweite Mitteilung.
  • Über eine elementare Frage der Mannigfaltigkeitslehre, 1890/91.[14]
  • Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre 1895/1897.[15][16]

Sonstige

  • Über die verschiedenen Standpunkte in Bezug auf das aktuale Unendliche, 1886.[17]
  • Herbert Meschkowski (Hrsg.): Briefe. Springer, Berlin 1991.

Siehe auch

Literatur

Quellen und Bemerkungen

  1. Mathematics Genealogy Project
  2. Purkert/ Ilgauds: S. 79 ff.
  3. a b Purkert/ Ilgauds: S. 160.
  4. a b Purkert/ Ilgauds: S. 161.
  5. Georg Cantor: Beweis, dass eine für jeden reellen Werth von x durch eine trigonometrische Reihe gegebene Function f(x) sich nur auf eine einzige Weise in dieser Form darstellen lässt. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik, Band 72. 1870, S. 139-142, abgerufen am 5. Juli 2013 (digitalisiert an der Universität Göttingen).
  6. Purkert, Ilgauds Cantor, Birkhäuser 1987, S. 34
  7. David Foster Wallace, Die Entdeckung des Unendlichen, 4. Aufl., S. 295 ff
  8. Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre. In: Mathematische Annalen. Bd. 46, S. 481.
  9. Purkert/ Ilgauds: S. 51 ff.
  10. Purkert/ Ilgauds: S. 53.
  11. Rautenberg: S. 88 ff.
  12. E. Zermelo (Hrsg.): Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts. Springer, Berlin 1932. (Reprint: Springer, 1980.)
  13. Über die Ausdehnung eines Satzes aus der Theorie der trigonometrischen Reihen. 1872.
  14. Über eine elementare Frage der Mannigfaltigkeitslehre. 1890/91.
  15. Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre. 1. Artikel. In: Mathematische Annalen. 46, 1895.
  16. Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre. 2. Artikel. In: Mathematische Annalen. 49, 1897.
  17. Über die verschiedenen Standpunkte in Bezug auf das aktuale Unendliche. 1886.
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