„Esten“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Eesti rahvarõivad-EE 1.jpg|mini|Estnische Volkstrachten]]
Die '''Esten''' (estnisch ''eestlased'') sind eine [[Indigene Völker|autochthone]] [[Nordeuropa|nordeuropäische]] [[Finno-ugrische Völker|finno-ugrische Ethnie]] mit etwa einer Million Angehörigen. Sie bilden die [[Titularnation]] [[Estland]]s.


Die '''Esten''' (Eigenbezeichnung ''eestlased'') sind ein nordeuropäisches Volk mit ca. einer Million Angehörigen. Sie bilden als [[Indigene Völker|autochthones]] Volk die Staatsbevölkerung [[Estland]]s. Während das Staatsgebiet Estlands zum [[Baltikum]] zugerechnet wird, gehören die Esten nicht zu den [[Balten]], sondern zusammen mit den [[Samen (Volk)|Samen]] und [[Finnen]] zu den [[Finno-ugrische Völker|finno-ugrischen Völkern]].
Die Esten gehören ethnisch nicht zu den [[Balten]], sondern zusammen mit den [[Magyaren|Ungarn]] und [[Finnen]] zu den finno-ugrischen Völkern. Geographisch liegt Estland jedoch im Baltikum.

== Name ==
Die ursprüngliche Selbstbezeichnung der Esten war '''''maarahvas'''''. Diese ist möglicherweise eine Lehnübersetzung des deutschen Worts ''Landvolk'', das im Mittelalter schlicht „Einheimische“ bedeutete.<ref>so Beyer, Jürgen: ''Ist ''maarahvas'' (‚Landvolk‘), die alte Selbstbezeichnung der Esten, eine Lehnübersetzung? Eine Studie zur Begriffsgeschichte des Ostseeraums.'', In: ''Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung'' 56 (2007), S. 566–593 ([[doi:10.25627/20075648770]]).</ref>

Erst im 18. Jahrhundert trat die Bezeichnung '''''eestlane''''' hinzu. Dies war möglicherweise beeinflusst von dem Namen der [[Balten|baltischen]] ''[[Ästier]]'' im westlichen [[Baltikum]]. Beide Gruppen sind nicht identisch.

In altrussischen Chroniken wurde die Bezeichnung '''''[[Tschuden]]''''' für die Bewohner Estlands verwendet.


== Geschichte ==
== Geschichte ==
=== Frühgeschichte ===
=== Frühgeschichte ===
Über die Frühgeschichte der Esten ist, wie bei allen Völkern ohne schriftliche Aufzeichnungen, nicht allzu viel bekannt. Eine biologische Verwandtschaft mit den [[Wolga-Finnen]] oder Permjaken ([[Komi (Volk)|Komi]] und [[Udmurten]]) scheint angesichts ihrer geringen Ähnlichkeit wenig wahrscheinlich. Die Völker der [[Arktischer Ozean|Eismeerküste]] von den [[Nenzen]] im Osten bis zu den Samen im Westen weisen eine von den klimatischen Gegebenheiten bestimmte, ähnliche Kultur auf.
Über die [[Ethnogenese]] und die Frühgeschichte der Esten ist, wie bei allen Völkern ohne schriftliche Aufzeichnungen, nicht allzu viel bekannt.


Eine biologische Verwandtschaft mit den [[Wolga-Finnen]] oder Permjaken ([[Komi (Volk)|Komi]] und [[Udmurten]]) scheint angesichts ihrer geringen Ähnlichkeit wenig wahrscheinlich. Die Völker der [[Arktischer Ozean|Eismeerküste]] von den [[Nenzen]] im Osten bis zu den Samen im Westen weisen eine von den klimatischen Gegebenheiten bestimmte, ähnliche Kultur auf.
Der erste schriftliche Bericht zu den Balten stammt von dem römischen Historiker [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]]. Dieser berichtet im Jahre 98 in seiner [[Germania (Tacitus)|Germania]] von den ''[[Aestii]]''. Dies war die Bezeichnung, die die [[Germanen]] den Bewohnern nordöstlich der [[Weichsel]] gaben. Tacitus beschrieb die ''„Stämme der Aestier, die die Bräuche und Tracht der [[Sueben]] haben“'', doch deren Sprache der [[Britannische Sprachen|britannischen]] nähersteht.<ref>[http://www.gottwein.de/Lat/tac/Germ38.php 45. ''Die Aestier und der Bernstein''.]</ref> Diese Bezeichnung bezog sich allerdings ursprünglich auf einen baltischen Stamm, die Aisten, der an der preußischen Ostseeküste ansässig war, und diente in der Antike als Sammelbezeichnung für alle Balten.<ref>Stichtwort Aisten im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Walter de Gruyter, 2000, S. 116 ff. [https://books.google.de/books?id=4ci-m8oJocsC&pg=PA118&lpg=PA118&dq=aestii+balten&source=bl&ots=LiqgZcAApX&sig=CQnPcwmcZH5MPe1ki4b_5yu9MdQ&hl=de&sa=X&ei=s1qgVOnOCcSdPbGSgfAE&ved=0CDEQ6AEwAw#v=onepage&q=aestii%20balten&f=false Online]</ref> Der Name wurde später auf das Volk der Esten übertragen.<ref>Leendert Johannes Paul: Midden- en Oost-Europa: geografie van een transitiezone [https://books.google.de/books?id=liijB4u7zVMC&pg=PT129&dq=aestii++esten&hl=de&sa=X&ei=UF6gVKHvHoHNPcT3gcgF&ved=0CEUQ6AEwBzgK#v=onepage&q=aestii%20%20esten&f=false]</ref> Die alte [[Russische Sprache|russische]] Bezeichnung für die Esten war ''Tschuden''. Die bis ins 19. Jahrhundert benutzte Selbstbezeichnung ''maarahvas'' stammt allerdings nicht - wie bisher angenommen wurde - aus der Zeit vor der Eroberung, sondern stellt eine Lehnübersetzung des deutschen Worts ''Landvolk'' dar, das im Mittelalter schlicht „Einheimische“ bedeutete.<ref>Beyer, Jürgen: Ist ''maarahvas'' (‚Landvolk‘), die alte Selbstbezeichnung der Esten, eine Lehnübersetzung? Eine Studie zur Begriffsgeschichte des Ostseeraums. In: ''Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung'' 56 (2007), S. 566-593.</ref>

Der erste schriftliche Bericht zu den Balten stammt von dem römischen Historiker [[Tacitus]]. Dieser berichtet in seiner frühestens 98 n. Chr. entstandenen [[Germania (Tacitus)|Germania]] von den ''[[Aestii]]''. Dies war die Bezeichnung, die die [[Germanen]] den Bewohnern nordöstlich der [[Weichsel]] gaben. Tacitus beschrieb die „Stämme der Aestier, die die Bräuche und Tracht der [[Sueben]] haben“, doch deren Sprache der [[Britannische Sprachen|britannischen]] nähersteht.<ref>[https://www.gottwein.de/Lat/tac/Germ38.php 45. ''Die Aestier und der Bernstein''.]</ref> Diese Bezeichnung bezog sich allerdings ursprünglich auf einen baltischen Stamm, die Aisten, der an der preußischen Ostseeküste ansässig war, und diente in der Antike als Sammelbezeichnung für alle Balten.<ref>Stichtwort Aisten im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, De Gruyter, 2000, S. 116 ff. [https://books.google.de/books?id=4ci-m8oJocsC&pg=PA116#v=onepage&q&f=false Online]</ref>

Zur Zeit der ostgotischen Herrschaft in Italien in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts berichtet [[Cassiodor]] von einer Gesandtschaft der Esten am Hofe in [[Ravenna]].<ref>Cassiodor, ''Variae'' 5,2.</ref><ref>Auszug aus: Benedict Hasenstab: ''Studien zur Variensammlung des Cassiodorius Senator.'' Band 1, S. 23 ([https://books.google.de/books?id=qFANAwAAQBAJ&pg=PA23#v=onepage&q&f=false Digitalisat]).</ref>


=== Zeit der Fremdherrschaften ===
=== Zeit der Fremdherrschaften ===
Im 13. Jahrhundert wurden die Esten im südlichen [[Livland]] durch Ritter des [[Deutscher Orden|Deutschen Orden]] in den [[Litauerkriege des Deutschen Ordens|Litauerkriegen]] dem [[Deutsch-Balten|deutsch-baltischen Adel]] unterworfen und [[Zwangschristianisierung|zwangschristianisiert]]. Es entwickelten sich zwei grundverschiedene Bevölkerungsschichten: die einheimische, estnische Landbevölkerung und die zugewanderte, deutsche Herrschaftsschicht. Auch nach dem Zerfall des Ordensgebietes sicherte das 1561 erlassene [[Privilegium Sigismundi Augusti]] den Ständen das Recht auf die deutsche Sprache, die deutsche Gerichtsbarkeit und den evangelischen Glauben zu. Die [[Deutsche Sprache]] blieb bis ins 20. Jahrhundert die Hauptverkehrssprache der gehobenen Schichten. Jeder Este, der einen gesellschaftlichen Aufstieg vollziehen wollte, war zu einer weitgehenden Anpassung gezwungen. So war die [[Universität Tartu|Kaiserliche Universität]] zu [[Tartu|Dorpat (Tartu)]] von ihrer Neugründung 1802 bis 1880 deutschsprachig und auch intellektuell und hinsichtlich des Lehrkörpers eine deutsche Universität.
Im 13. Jahrhundert wurden die Esten im südlichen [[Livland]] durch Ritter des [[Deutscher Orden|Deutschen Ordens]] in den [[Litauerkriege des Deutschen Ordens|Litauerkriegen]] dem [[Deutsch-Balten|deutsch-baltischen Adel]] unterworfen und [[Zwangschristianisierung|zwangschristianisiert]]. Es entwickelten sich zwei grundverschiedene Bevölkerungsschichten: die einheimische, estnische Landbevölkerung und die zugewanderte, deutsche Herrschaftsschicht. Auch nach dem Zerfall des Ordensgebietes sicherte das 1561 erlassene [[Privilegium Sigismundi Augusti]] den Ständen das Recht auf die deutsche Sprache, die deutsche Gerichtsbarkeit und den [[Protestantismus|evangelischen Glauben]] zu. Die [[Deutsche Sprache]] blieb bis ins 20. Jahrhundert die Hauptverkehrssprache der gehobenen Schichten. Jeder Este, der einen gesellschaftlichen Aufstieg vollziehen wollte, war zu einer weitgehenden Anpassung gezwungen. So war die [[Universität Tartu|Kaiserliche Universität]] zu Dorpat ([[Tartu]]) von ihrer Neugründung 1802 bis 1880 deutschsprachig und auch intellektuell und hinsichtlich des Lehrkörpers eine deutsche Universität.


=== Zeit des Erwachens ===
=== Zeit des Nationalen Erwachens ===
Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstand ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Esten und führte zum Erwachen des estnischen Nationalbewusstseins. An der Entwicklung des estnischen Nationalbewusstseins hatten aber auch viele estophile Deutschbalten, wie zum Beispiel [[Garlieb Helwig Merkel]], entscheidenden Anteil. Die nationale Bewegung richtete sich gegen die Vormundschaft und Privilegierung der Deutschbalten und die vom Zarenreich ausgehende [[Russifizierung]] mit der Einführung der [[Russische Sprache|russischen Sprache]] als Amts- und Unterrichtssprache. Zwischen diesen Polen bildete sich ein schnell wachsendes Nationalbewusstsein, doch erst 1918 konnten die Esten ihre Unabhängigkeit erlangen.
Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstand ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Esten und führte zum Erwachen des estnischen Nationalbewusstseins. An der Entwicklung des estnischen Nationalbewusstseins hatten aber auch viele estophile Deutschbalten, wie zum Beispiel [[Garlieb Helwig Merkel]], entscheidenden Anteil. Die nationale Bewegung richtete sich gegen die Vormundschaft und Privilegierung der Deutschbalten und die vom Zarenreich ausgehende [[Russifizierung]] mit der Einführung der [[Russische Sprache|russischen Sprache]] als Amts- und Unterrichtssprache. Zwischen diesen Polen bildete sich ein schnell wachsendes Nationalbewusstsein, doch erst 1918 konnten die Esten ihre Unabhängigkeit erlangen.


=== Zweiter Weltkrieg und Wiedererlangung der Unabhängigkeit ===
=== Zweiter Weltkrieg und Wiedererlangung der Unabhängigkeit ===
Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] beendete die soeben erlangte Unabhängigkeit und hatte zur Folge, dass sich die Bevölkerungszahl Estlands um 200.000 verringerte. In den 1940er-Jahren kamen zehntausende Esten durch Krieg, Terror und Okkupation der [[Sowjetunion]] und des [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Deutschen Reiches]] ums Leben. Darunter zählt die Bilanz 30.000 gefallene Esten. Etwa 1000 Esten jüdischer Herkunft wurden im [[Holocaust]] ermordet.<ref>[[Burkhard Asmuss]] (Hrsg.): ''Holocaust. Der nationalsozialistische Völkermord und die Motive seiner Erinnerung''. Deutsches Historisches Museum. Berlin 2002, ISBN 3-932353-60-9.</ref> Nach dem Krieg verringerte sich die Zahl der Esten im eigenen Land nochmals um 80.000 Menschen, welche aus Furcht vor einer neuen Terrorwelle der Sowjetunion flüchteten.
Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] beendete die soeben erlangte Unabhängigkeit und hatte zur Folge, dass sich die Bevölkerungszahl Estlands um 200.000 verringerte. In den 1940er-Jahren kamen zehntausende Esten durch Krieg, Terror und Okkupation durch die [[Sowjetunion]] und das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] ums Leben. Darunter zählt die Bilanz 30.000 gefallene Esten. Etwa 1000 Esten jüdischer Herkunft wurden im [[Holocaust]] ermordet.<ref>[[Burkhard Asmuss]] (Hrsg.): ''Holocaust. Der nationalsozialistische Völkermord und die Motive seiner Erinnerung''. Deutsches Historisches Museum. Berlin 2002, ISBN 3-932353-60-9.</ref> Nach dem Krieg verringerte sich die Zahl der Esten im eigenen Land nochmals um 80.000 Menschen, welche aus Furcht vor einer neuen Terrorwelle der Sowjetunion flüchteten. Die bis 1991 andauernde Okkupation des Landes hatte nicht nur 70.000 unter [[Repressalie]]n leidende Esten, von denen 12.000 ums Leben kamen, zur Folge.<ref>Laar, Mart: ''Estland im Zweiten Weltkrieg.'' Tallinn 2005.</ref> Im Rahmen umfassender [[Russifizierung]]spolitik kam es auch zu Zwangsansiedlungen von [[Russen]], [[Ukrainer]]n und [[Weißrussen]] in deren Folge der prozentuale Anteil der Esten innerhalb der [[Estnische Sozialistische Sowjetrepublik|Estnischen SSR]] von ca. 90 % bei Kriegsende auf 60 % am Ende der 1980er-Jahre sank.<ref>Laar, Mart: ''Streifzug durch die estnische Geschichte.'' Tallinn 2005.</ref>
Die bis 1991 andauernde Okkupation des Landes hatte nicht nur 70.000 unter [[Repressalie]]n leidende Esten, von denen 12.000 ums Leben kamen, zur Folge.<ref>Laar, Mart: ''Estland im Zweiten Weltkrieg.'' Tallinn 2005.</ref> Im Rahmen umfassender [[Russifizierung]]spolitik kam es auch zu Zwangsansiedlungen von [[Russen]], in deren Folge der prozentuale Anteil der Esten innerhalb der [[Estnische SSR|Estnischen SSR]] von ca. 90 % bei Kriegsende auf 60 % am Ende der 1980er-Jahre sank.<ref>Laar, Mart: ''Streifzug durch die estnische Geschichte.'' Tallinn 2005.</ref>


=== Entwicklungstendenzen ===
=== Entwicklungstendenzen ===
Auch nach Wiedererlangung der [[Souveränität]] sind etwa 25 % der Bevölkerung der Republik Estland russischsprachig. Nach wie vor kommt es kaum zu einer Vermischung der beiden Volksgruppen.
Auch nach Wiedererlangung der [[Souveränität]] sind etwa 25 % der Bevölkerung der Republik Estland russischsprachig. Nach wie vor kommt es kaum zu einer Vermischung der beiden Bevölkerungsgruppen.

Von der beträchtlichen Zahl an Auslandsesten leben 40.000 in Russland, viele davon in der zwischen beiden Ländern lange umstrittenen Region [[Setumaa]].
Von der beträchtlichen Zahl an Auslandsesten leben 40.000 in Russland, viele davon in der zwischen beiden Ländern lange umstrittenen Region [[Setumaa]].


== Sprache ==
== Sprache ==
Die [[estnische Sprache]] ist Teil der [[Finno-ugrische Sprachen|finno-ugrischen Sprachfamilie]] und die Amtssprache der [[Estland|Republik Estland]]. Sie wird von etwa 1.000.000 Menschen in Estland sowie weltweit von weiteren Zehntausenden Esten gesprochen.
Die [[estnische Sprache]] gehört der [[Finno-ugrische Sprachen|finno-ugrischen Sprachfamilie]] an und ist die Amtssprache der [[Estland|Republik Estland]]. Sie wird von etwa 1.000.000 Menschen in Estland sowie weltweit von weiteren Zehntausenden Esten gesprochen.

{{Siehe auch|Estnische Sprache}}

== Siehe auch ==
* [[Estländer]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
{{Wiktionary}}
* [http://www.welt.de/politik/article848963/Warum_es_zwischen_Esten_und_Russen_kracht.html ''Osteuropa: Warum es zwischen Esten und Russen kracht''] in [[Die Welt|Welt Online]] vom 3. Mai 2007


== Referenzen ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Ethnie in Europa]]
[[Kategorie:Ethnie in Europa]]
[[Kategorie:Finno-ugrischsprachige Ethnie]]
[[Kategorie:Finno-ugrischsprachige Ethnie]]
[[Kategorie:Ethnie in Estland]]

Version vom 30. März 2024, 21:34 Uhr

Estnische Volkstrachten

Die Esten (estnisch eestlased) sind eine autochthone nordeuropäische finno-ugrische Ethnie mit etwa einer Million Angehörigen. Sie bilden die Titularnation Estlands.

Die Esten gehören ethnisch nicht zu den Balten, sondern zusammen mit den Ungarn und Finnen zu den finno-ugrischen Völkern. Geographisch liegt Estland jedoch im Baltikum.

Name

Die ursprüngliche Selbstbezeichnung der Esten war maarahvas. Diese ist möglicherweise eine Lehnübersetzung des deutschen Worts Landvolk, das im Mittelalter schlicht „Einheimische“ bedeutete.[1]

Erst im 18. Jahrhundert trat die Bezeichnung eestlane hinzu. Dies war möglicherweise beeinflusst von dem Namen der baltischen Ästier im westlichen Baltikum. Beide Gruppen sind nicht identisch.

In altrussischen Chroniken wurde die Bezeichnung Tschuden für die Bewohner Estlands verwendet.

Geschichte

Frühgeschichte

Über die Ethnogenese und die Frühgeschichte der Esten ist, wie bei allen Völkern ohne schriftliche Aufzeichnungen, nicht allzu viel bekannt.

Eine biologische Verwandtschaft mit den Wolga-Finnen oder Permjaken (Komi und Udmurten) scheint angesichts ihrer geringen Ähnlichkeit wenig wahrscheinlich. Die Völker der Eismeerküste von den Nenzen im Osten bis zu den Samen im Westen weisen eine von den klimatischen Gegebenheiten bestimmte, ähnliche Kultur auf.

Der erste schriftliche Bericht zu den Balten stammt von dem römischen Historiker Tacitus. Dieser berichtet in seiner frühestens 98 n. Chr. entstandenen Germania von den Aestii. Dies war die Bezeichnung, die die Germanen den Bewohnern nordöstlich der Weichsel gaben. Tacitus beschrieb die „Stämme der Aestier, die die Bräuche und Tracht der Sueben haben“, doch deren Sprache der britannischen nähersteht.[2] Diese Bezeichnung bezog sich allerdings ursprünglich auf einen baltischen Stamm, die Aisten, der an der preußischen Ostseeküste ansässig war, und diente in der Antike als Sammelbezeichnung für alle Balten.[3]

Zur Zeit der ostgotischen Herrschaft in Italien in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts berichtet Cassiodor von einer Gesandtschaft der Esten am Hofe in Ravenna.[4][5]

Zeit der Fremdherrschaften

Im 13. Jahrhundert wurden die Esten im südlichen Livland durch Ritter des Deutschen Ordens in den Litauerkriegen dem deutsch-baltischen Adel unterworfen und zwangschristianisiert. Es entwickelten sich zwei grundverschiedene Bevölkerungsschichten: die einheimische, estnische Landbevölkerung und die zugewanderte, deutsche Herrschaftsschicht. Auch nach dem Zerfall des Ordensgebietes sicherte das 1561 erlassene Privilegium Sigismundi Augusti den Ständen das Recht auf die deutsche Sprache, die deutsche Gerichtsbarkeit und den evangelischen Glauben zu. Die Deutsche Sprache blieb bis ins 20. Jahrhundert die Hauptverkehrssprache der gehobenen Schichten. Jeder Este, der einen gesellschaftlichen Aufstieg vollziehen wollte, war zu einer weitgehenden Anpassung gezwungen. So war die Kaiserliche Universität zu Dorpat (Tartu) von ihrer Neugründung 1802 bis 1880 deutschsprachig und auch intellektuell und hinsichtlich des Lehrkörpers eine deutsche Universität.

Zeit des Nationalen Erwachens

Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstand ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Esten und führte zum Erwachen des estnischen Nationalbewusstseins. An der Entwicklung des estnischen Nationalbewusstseins hatten aber auch viele estophile Deutschbalten, wie zum Beispiel Garlieb Helwig Merkel, entscheidenden Anteil. Die nationale Bewegung richtete sich gegen die Vormundschaft und Privilegierung der Deutschbalten und die vom Zarenreich ausgehende Russifizierung mit der Einführung der russischen Sprache als Amts- und Unterrichtssprache. Zwischen diesen Polen bildete sich ein schnell wachsendes Nationalbewusstsein, doch erst 1918 konnten die Esten ihre Unabhängigkeit erlangen.

Zweiter Weltkrieg und Wiedererlangung der Unabhängigkeit

Der Zweite Weltkrieg beendete die soeben erlangte Unabhängigkeit und hatte zur Folge, dass sich die Bevölkerungszahl Estlands um 200.000 verringerte. In den 1940er-Jahren kamen zehntausende Esten durch Krieg, Terror und Okkupation durch die Sowjetunion und das Deutsche Reich ums Leben. Darunter zählt die Bilanz 30.000 gefallene Esten. Etwa 1000 Esten jüdischer Herkunft wurden im Holocaust ermordet.[6] Nach dem Krieg verringerte sich die Zahl der Esten im eigenen Land nochmals um 80.000 Menschen, welche aus Furcht vor einer neuen Terrorwelle der Sowjetunion flüchteten. Die bis 1991 andauernde Okkupation des Landes hatte nicht nur 70.000 unter Repressalien leidende Esten, von denen 12.000 ums Leben kamen, zur Folge.[7] Im Rahmen umfassender Russifizierungspolitik kam es auch zu Zwangsansiedlungen von Russen, Ukrainern und Weißrussen in deren Folge der prozentuale Anteil der Esten innerhalb der Estnischen SSR von ca. 90 % bei Kriegsende auf 60 % am Ende der 1980er-Jahre sank.[8]

Entwicklungstendenzen

Auch nach Wiedererlangung der Souveränität sind etwa 25 % der Bevölkerung der Republik Estland russischsprachig. Nach wie vor kommt es kaum zu einer Vermischung der beiden Bevölkerungsgruppen.

Von der beträchtlichen Zahl an Auslandsesten leben 40.000 in Russland, viele davon in der zwischen beiden Ländern lange umstrittenen Region Setumaa.

Sprache

Die estnische Sprache gehört der finno-ugrischen Sprachfamilie an und ist die Amtssprache der Republik Estland. Sie wird von etwa 1.000.000 Menschen in Estland sowie weltweit von weiteren Zehntausenden Esten gesprochen.

Wiktionary: Esten – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. so Beyer, Jürgen: Ist maarahvas (‚Landvolk‘), die alte Selbstbezeichnung der Esten, eine Lehnübersetzung? Eine Studie zur Begriffsgeschichte des Ostseeraums., In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 56 (2007), S. 566–593 (doi:10.25627/20075648770).
  2. 45. Die Aestier und der Bernstein.
  3. Stichtwort Aisten im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, De Gruyter, 2000, S. 116 ff. Online
  4. Cassiodor, Variae 5,2.
  5. Auszug aus: Benedict Hasenstab: Studien zur Variensammlung des Cassiodorius Senator. Band 1, S. 23 (Digitalisat).
  6. Burkhard Asmuss (Hrsg.): Holocaust. Der nationalsozialistische Völkermord und die Motive seiner Erinnerung. Deutsches Historisches Museum. Berlin 2002, ISBN 3-932353-60-9.
  7. Laar, Mart: Estland im Zweiten Weltkrieg. Tallinn 2005.
  8. Laar, Mart: Streifzug durch die estnische Geschichte. Tallinn 2005.