Entführung des Flugzeugs „Landshut“

Die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut (Boeing 737) am 13. Oktober 1977 und die erfolgreiche Befreiung der Geiseln in der Operation Feuerzauber war Teil des so genannten Deutschen Herbstes.

Das Ereignis stand in engem Zusammenhang mit der Entführung von Hanns-Martin Schleyer, dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland, durch die linksterroristische Rote Armee Fraktion (RAF). Damit sollte die Freilassung der inhaftierten Terroristen der so genannten ersten Generation der RAF erpresst werden.

Die Geiselbefreiung in Mogadischu durch die GSG 9 und damit der erfolgreiche Abschluss der Operation Feuerzauber war Anlass für die Selbstmorde der bekannten RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim. Deren Tod hatte unmittelbar die Ermordung der RAF-Geisel Hanns-Martin Schleyer durch die so genannte zweite Generation der RAF zur Folge.

Verlauf

Beginn

Am 13. Oktober 1977 wurde der Lufthansa Flug LH 181 von Palma nach Frankfurt von vier palästinensischen Terroristen entführt. Ihr Anführer war Zohair Youssif Akache (23), der sich Captain Martyr Mahmud nannte. Die drei anderen Entführer waren Souhaila Andrawes alias Soraya Ansari, der Libanese Riza Abbasi und Nadia Duaibes alias Shanaz Holun.

Die Maschine wurde nach Rom geleitet, wo aufgetankt wurde und Mahmud erstmals die Forderungen seines Kommandos Koffre Kaddum verkündete. Diese waren identisch mit denen der Entführer von Hanns-Martin Schleyer; zusätzlich forderte man noch die Freilassung zweier in türkischer Haft sitzender Gesinnungsgenossen sowie die Summe von 15 Millionen US-Dollar.

Verfolgung

Von Rom aus flog die Maschine über Larnaka und Bahrain weiter nach Dubai. Hier gelang es am 16. Oktober dem Piloten Jürgen Schumann, den Behörden Informationen über die Anzahl der Entführer mitzuteilen. Durch ein Interview des Verteidigungsministers von Dubai erfuhren auch die Terroristen davon. Daraufhin ließ Mahmud den Flugkapitän im Gang niederknien und drohte, ihn bei einem weitern Vorfall zu erschießen.

Seit Larnaka folgte den Entführern eine Maschine mit Angehörigen der GSG9. Nach erneutem Auftanken flog die Landshut weiter nach Aden im damaligen Südjemen. Die dortige Regierung ließ jedoch alle Landebahnen blockieren. Da der Treibstoff zur Neige ging, blieb der Crew keine andere Möglichkeit, als die Landshut auf einem Sandstreifen neben der Startbahn niederzubringen. Kapitän Jürgen Schumann wurde das Verlassen des Flugzeugs gestattet, um das Fahrwerk zu inspizieren. Da er längere Zeit nicht zurückkehrte und auch nicht auf Anrufe Mahmuds reagierte, wurde er nach seiner Rückkehr von Mahmud im Mittelgang des Flugzeugs mit einem gezielten Kopfschuss ermordet (es wird auch vermutet, dies sei geschehen, um den Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen).

Mogadischu

Die Maschine wurde erneut aufgetankt und hob am 17. Oktober, nur noch durch den Kopiloten Jürgen Vietor gesteuert, ab und nahm Kurs auf die somalische Hauptstadt Mogadischu, wo sie gegen 4:30 Uhr (MEZ) landete. Die Leiche des Piloten wurde aus dem Flugzeug geworfen und die Entführer setzten ein Ultimatum bis 15 Uhr MEZ, um die RAF-Terroristen aus dem Gefängnis Stuttgart-Stammheim zu entlassen. Als die Nachricht kam, dass dieser Forderung nachgegeben würde, die Überführung nach Mogadischu aber mehrere Stunden benötige, verlängerten die Entführer das Ultimatum erneut, diesmal bis zum 18. Oktober, 1:30 Uhr MEZ.

Zunächst bestand der Plan darin, die Geiselnehmer mit einem gezielten Schlag durch Scharfschützen zu eliminieren. Da aber nicht genug Scharfschützen zur Verfügung standen, um alle Terroristen auf einen Schlag zu töten, musste der Plan, das Flugzeug zu stürmen, umgesetzt werden. Bei einigen Testläufen somalischer Truppen unter der Aufsicht von Ulrich Wegener stellte sich heraus, dass dies aufgrund mangelnder Übung nicht möglich war. Letztendlich wurde beschlossen, das Flugzeug von dem später angekommenen GSG 9-Kommando stürmen zu lassen - hierbei sollte es sich allerdings um eine gemeinsame Aktion von deutschen und somalischen Truppen handeln, wobei die Somalier das Gelände sichern sollten.

Am 18. Oktober um 0:05 Uhr MEZ stürmte ein GSG 9-Kommando unter Führung von Ulrich Wegener die in Mogadischu gelandete Landshut. Während der sieben Minuten dauernden Aktion starben drei der vier Terroristen währen die Geiseln unverletzt blieben. Lediglich die Terroristin Souhaila Andrawes blieb am Leben. Um 0:12 Uhr MEZ konnte der mitgereiste Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt den Abschluss der Aktion melden.

Mindestens zwei Personen bestreiten diese Darstellung: Ein ehemaliger Offizier des britischen Special Air Service (SAS) schrieb in seiner Biographie, dass SAS-Mitglieder mit deutscher Identität eingereist seien und die Maschine gestürmt hätten. Der damalige Leiter der GSG 9 hat dies einmal in einem Interview bestätigt - die GSG 9 habe sich damals noch nicht fit gefühlt für einen derartigen Einsatz. Es gilt heute als gesichert, dass an der Operation auch zwei Angehörige des SAS sowie ein somalisches Rangerbataillon beteiligt waren. Letzteres allerdings lediglich zur Sicherung des Flughafengeländes. Offiziell bestätigt wurde dies jedoch nie.

Es handelte sich bei den beiden britischen SAS-Angehörigen wohl um Major Alastair Morrison und Sergeant Barry Davis, die mit der Handhabung der zum damaligen Zeitpunkt gerade völlig neu entwickelten SAS-Blendgranaten (stun grenades) vertraut waren und die auf Bitten der Deutschen sowohl den Plan der "Operation Feuerzauber" ausgearbeitet hatten als auch das Gelände sicherten und schließlich die Zündung der Granaten bei der "Operation Feuerzauber" vornahmen, da die Deutschen zum damaligen Zeitpunkt mit Planung und Ausführung von Spezialoperationen dieser Art noch keine hinreichende Erfahrung hatten; zudem sollte ein weiteres Desaster wie die olympische Tragödie in München 1972 unbedingt vermieden werden. Am eigentlichen Sturm auf das Flugzeug in Mogadischu waren jedoch ausschließlich Deutsche beteiligt, da SAS-Angehörige unter nicht-britischem Oberbefehl an keinen direkten Kampfhandlungen teilnehmen dürfen.

Geheim gehalten wurde die Beteiligung der britischen SAS-Angehörigen u.a. deshalb, weil die britische Regierung bis 1980 vor der Öffentlichkeit zu verbergen suchte, dass der SAS überhaupt existiert.

Nachspiel

Die inhaftierten Terroristen Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader wurden am Morgen des 18. Oktober tot in ihren Zellen aufgefunden. Nach offizieller Darstellung handelte es sich um einen gemeinschaftlichen Suizid. Am Tag darauf gab die RAF die "Hinrichtung" von Hanns-Martin Schleyer bekannt. Seine Leiche wurde in Mülhausen im Elsass aufgefunden.

Durch den (kampftaktischen) Erfolg der Operation bekam die GSG 9 international einen sehr guten Ruf und zählt heute zu den weltweit besten Spezialeinheiten.

Das Flugzeug, in welchem sich die Entführung abspielte, eine Boeing 737-230C mit der Seriennummer 20254-230 und dem deutschen Kennzeichen D-ABCE[1], gehört jetzt, nach mehreren Stationen u.a. in Indonesien und Malaysia, der brasilianischen Fluggesellschaft TAF Linhas Aéreas, die es weiterhin einsetzt.