„Dämonisierung“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Dr. Manuel (Diskussion | Beiträge)
Links, Ergänzung, Belege-Bausteine
Zeile 1:Zeile 1:
'''Dämonisierung''' oder „Verteufelung“ ist die Darstellung einer anderen Person oder Gruppe, des [[Gegner]]s oder [[Feind]]es als wesensmäßig böse. Es handelt sich um die extremste Form der [[Dehumanisierung]] des Anderen. Sie entwickelte sich aus religiösen Ursprüngen und hat heute vor allem eine politische Funktion, besonders in politischen Konflikten, bei der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung.
'''Dämonisierung''' oder „Ver[[teufel]]<nowiki>ung</nowiki>“ ist die Darstellung einer anderen Person oder Gruppe, des [[Gegner]]s oder [[Feind]]es als [[Essentialismus|wesensmäßig]] [[Das Böse|böse]] . Es handelt sich um die extremste Form der [[Dehumanisierung]] des Anderen. Sie entwickelte sich aus religiösen Ursprüngen und hat heute vor allem eine politische Funktion, besonders in politischen Konflikten, bei der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung.


== Beschreibung ==
== Beschreibung ==
[[Dämon]]isierung ist eine [[Rhetorisches Stilmittel|rhetorische]] und ideologische [[Propagandatechniken|Manipulationstechnik]] zur [[Desinformation]] oder zur Verdrehung von Fakten (ähnlich der unter umgekehrten Vorzeichen geschehenden Sakralisierung, [[Heroisierung]] oder der Opfertheorie), die darin besteht, politische, ethnische, kulturelle oder religiöse Entitäten durch ein [[Moral|moralisches]] Urteil als [[Essentialismus|wesensmäßig]] [[Das Böse|böse]] und böswillig darzustellen und sich damit selbst zu rechtfertigen und indirekt positiv zu beschreiben: Den anderen böse zu nennen impliziert die [[Vergöttlichung]] des eigenen Standpunkts. In der Regel ist die Dämonisierung mit einer [[Entmenschlichung]] (Dehumanisierung) verbunden, die dem Gegner die Menschlichkeit, die [[Menschenwürde]] und den Anspruch auf [[Menschenrechte]] abspricht.<ref>{{Literatur |Autor=Linn Normand |Titel=Demonization in International Politics: A Barrier to Peace in the Israeli-Palestinian Conflict |Verlag=Springer |Datum=2016-06-08 |ISBN=9781137545817 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=aYtPDAAAQBAJ&pg=PA2&dq=demonization&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiOq5_r0-rhAhUC7mEKHasnC98Q6AEIOjAC#v=onepage&q=demonization&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>
Dämonisierung ist eine [[Rhetorik|rhetorische]] und ideologische [[Propagandatechniken|Manipulationstechnik]] zur [[Desinformation]] oder zur Verdrehung von Fakten (ähnlich der unter umgekehrten Vorzeichen geschehenden [[Sakralisierung]], [[Heroisierung]] oder der Opfertheorie), die darin besteht, politische, ethnische, kulturelle oder religiöse Entitäten durch ein [[moral]]isches Urteil als wesensmäßig böse und böswillig darzustellen und sich damit selbst zu rechtfertigen und indirekt positiv zu beschreiben: Den anderen böse zu nennen impliziert die [[Vergöttlichung]] des eigenen Standpunkts. In der Regel ist die Dämonisierung mit einer [[Entmenschlichung]] (Dehumanisierung) verbunden, die dem Gegner die Menschlichkeit, die [[Menschenwürde]] und den Anspruch auf [[Menschenrechte]] abspricht.<ref>{{Literatur |Autor=Linn Normand |Titel=Demonization in International Politics: A Barrier to Peace in the Israeli-Palestinian Conflict |Verlag=Springer |Datum=2016-06-08 |ISBN=9781137545817 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=aYtPDAAAQBAJ&pg=PA2&dq=demonization&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiOq5_r0-rhAhUC7mEKHasnC98Q6AEIOjAC#v=onepage&q=demonization&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>


Bar Tal klassifiziert sie als eine der Formen der Delegitimierung, neben der [[Entmenschlichung]], [[Verdinglichung]], [[Marginalisierung|Ausgrenzung]], [[Etikettierung]] und dem Gruppenstereotyp.<ref>{{Literatur |Autor=Linn Normand |Titel=Demonization in International Politics: A Barrier to Peace in the Israeli-Palestinian Conflict |Verlag=Springer |Datum=2016-06-08 |ISBN=9781137545817 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=aYtPDAAAQBAJ&pg=PA2&dq=demonization&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiOq5_r0-rhAhUC7mEKHasnC98Q6AEIOjAC#v=onepage&q=demonization&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>
Bar Tal klassifiziert sie als eine der Formen der Delegitimierung, neben der Entmenschlichung, [[Verdinglichung]], [[Marginalisierung|Ausgrenzung]], [[Etikettierung]] und dem Gruppen[[stereotyp]].<ref>{{Literatur |Autor=Linn Normand |Titel=Demonization in International Politics: A Barrier to Peace in the Israeli-Palestinian Conflict |Verlag=Springer |Datum=2016-06-08 |ISBN=9781137545817 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=aYtPDAAAQBAJ&pg=PA2&dq=demonization&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiOq5_r0-rhAhUC7mEKHasnC98Q6AEIOjAC#v=onepage&q=demonization&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>


Für Rodney Barker gilt Dämonisierung als die extremste Form von [[Feindbild]]-[[Stereotyp]], mit dessen Hilfe die Welt in zwei sauber getrennte Hälften geteilt wird, wodurch ein manichäischer Kampf des Guten gegen das Böse ermöglicht wird.<ref>{{Literatur |Autor=R. Barker |Titel=Making Enemies |Verlag=Springer |Datum=2006-12-07 |ISBN=9780230287532 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=SCWHDAAAQBAJ&pg=PR4&dq=rodney+barker+making+enemies&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiHobeM3OrhAhXMFogKHQF_DTkQuwUIMDAA#v=onepage&q=narratives&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>
Für Rodney Barker gilt Dämonisierung als die extremste Form von [[Feindbild]]-Stereotyp, mit dessen Hilfe die Welt in zwei sauber getrennte Hälften geteilt wird, wodurch ein [[Manichäismus|manichäischer]] Kampf des Guten gegen das Böse ermöglicht wird.<ref>{{Literatur |Autor=R. Barker |Titel=Making Enemies |Verlag=Springer |Datum=2006-12-07 |ISBN=9780230287532 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=SCWHDAAAQBAJ&pg=PR4&dq=rodney+barker+making+enemies&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiHobeM3OrhAhXMFogKHQF_DTkQuwUIMDAA#v=onepage&q=narratives&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>


Der [[Friedenspsychologie|Friedens-Psychologe]] und [[Kriegsursachenforschung|Kriegsursachenforscher]] [[Ralph K. White]] (1907–2007)<ref>https://www.washingtonpost.com/gdpr-consent/?next_url=https%3a%2f%2fwww.washingtonpost.com%2fwp-dyn%2fcontent%2farticle%2f2008%2f01%2f11%2fAR2008011103743.html</ref> sieht sie neben [[Missverständnis]] und Kommunikationsmangel als [[Wahrnehmungsfalle|Fehlwahrnehmung]]<nowiki/>s-Komponente in Kriegssituationen, ohne die es im zwanzigsten Jahrhundert keine Kriege gegeben hätte.<ref>{{Literatur |Autor=Ralph K. White |Titel=Nobody wanted war: misperception in Vietnam and other wars |Verlag=Doubleday |Datum=1968 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=vfh7vwEACAAJ&dq=ralph+white+misperception+and+war&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiwjum93erhAhUNH3AKHaVDDJMQ6AEIMjAB |Abruf=2019-04-25}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Ronald J. Fisher |Titel=The Social Psychology of Intergroup and International Conflict Resolution |Verlag=Springer Science & Business Media |Datum=2012-12-06 |ISBN=9781461232889 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=lGZ3BQAAQBAJ&pg=PT216&dq=ralph+white+misperception+and+war&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiwjum93erhAhUNH3AKHaVDDJMQ6AEIVjAG#v=onepage&q=ralph%20white%20misperception%20and%20war&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Arthur A. Stein |Titel=Why Nations Cooperate: Circumstance and Choice in International Relations |Verlag=Cornell University Press |Datum=1990 |ISBN=9780801497810 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=77JTYATzFoIC&pg=PA55&dq=ralph+white+misperception+and+war&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiwjum93erhAhUNH3AKHaVDDJMQ6AEIQDAD#v=onepage&q=ralph%20white%20misperception%20and%20war&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>
Der [[Friedenspsychologie|Friedens-Psychologe]] und [[Kriegsursachenforschung|Kriegsursachenforscher]] [[Ralph K. White]] (1907–2007)<ref>https://www.washingtonpost.com/gdpr-consent/?next_url=https%3a%2f%2fwww.washingtonpost.com%2fwp-dyn%2fcontent%2farticle%2f2008%2f01%2f11%2fAR2008011103743.html</ref> sieht sie neben [[Missverständnis]] und Kommunikationsmangel als [[Wahrnehmungsfalle|Fehlwahrnehmung]]<nowiki/>s-Komponente in Kriegssituationen, ohne die es im zwanzigsten Jahrhundert keine Kriege gegeben hätte.<ref>{{Literatur |Autor=Ralph K. White |Titel=Nobody wanted war: misperception in Vietnam and other wars |Verlag=Doubleday |Datum=1968 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=vfh7vwEACAAJ&dq=ralph+white+misperception+and+war&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiwjum93erhAhUNH3AKHaVDDJMQ6AEIMjAB |Abruf=2019-04-25}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Ronald J. Fisher |Titel=The Social Psychology of Intergroup and International Conflict Resolution |Verlag=Springer Science & Business Media |Datum=2012-12-06 |ISBN=9781461232889 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=lGZ3BQAAQBAJ&pg=PT216&dq=ralph+white+misperception+and+war&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiwjum93erhAhUNH3AKHaVDDJMQ6AEIVjAG#v=onepage&q=ralph%20white%20misperception%20and%20war&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Arthur A. Stein |Titel=Why Nations Cooperate: Circumstance and Choice in International Relations |Verlag=Cornell University Press |Datum=1990 |ISBN=9780801497810 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=77JTYATzFoIC&pg=PA55&dq=ralph+white+misperception+and+war&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiwjum93erhAhUNH3AKHaVDDJMQ6AEIQDAD#v=onepage&q=ralph%20white%20misperception%20and%20war&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>


[[Anne Morelli]] betrachtet Dämonisierung im Anschluss an [[Arthur Ponsonby, 1. Baron Ponsonby of Shulbrede|Arthur Ponsonby]] als wichtiges [[Die Prinzipien der Kriegspropaganda|Prinzip der Kriegspropaganda]], in enger Verbindung mit der Kriegsschuldzuweisung und der eigenen Rechtfertigung. Sie sieht in der Dämonisierung den notwendigen Schritt der Propaganda, den Gegner zu personifizieren. Der Hass der Bevölkerung muss auf ein psychologisch geeignetes Bild umgeleitet werden, da ein Mensch ein Volk als Ganzes nicht hassen könne, wohl aber ein entmenschlichtes Bild einer feindlichen Führungsfigur, der dann die Gesamtbevölkerung [[Verschiebung (Psychologie)|substituiert]] wird. Für Morelli steht die Dämonisierung in enger Verbindung mit der Mobilisierung der Bevölkerung, sie ist eine Methode der Massenpsychologie, das über die Massenmedien verbreitet wird.<ref>{{Literatur |Autor=Anne Morelli |Titel=Die Prinzipien der Kriegspropaganda |Verlag=zu Klampen Verlag GbR |Datum=2015-04-22 |ISBN=9783866744448 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=Mrc-CQAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=anne+morelli+demonizing&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiPwp-f5OrhAhXKAYgKHdxRDtcQ6AEIQzAD#v=onepage&q&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>
[[Anne Morelli]] betrachtet Dämonisierung im Anschluss an [[Arthur Ponsonby, 1. Baron Ponsonby of Shulbrede|Arthur Ponsonby]] als wichtiges [[Die Prinzipien der Kriegspropaganda|Prinzip der Kriegspropaganda]], in enger Verbindung mit der Kriegsschuldzuweisung und der eigenen Rechtfertigung. Sie sieht in der Dämonisierung den notwendigen Schritt der [[Propaganda]], den Gegner zu personifizieren. Der Hass der Bevölkerung muss auf ein psychologisch geeignetes Bild umgeleitet werden, da ein Mensch ein Volk als Ganzes nicht hassen könne, wohl aber ein entmenschlichtes Bild einer feindlichen Führungsfigur, der dann die Gesamtbevölkerung [[Verschiebung (Psychologie)|substituiert]] wird. Für Morelli steht die Dämonisierung in enger Verbindung mit der Mobilisierung der Bevölkerung, sie ist eine Methode der Massenpsychologie, das über die Massenmedien verbreitet wird.<ref>{{Literatur |Autor=Anne Morelli |Titel=Die Prinzipien der Kriegspropaganda |Verlag=zu Klampen Verlag GbR |Datum=2015-04-22 |ISBN=9783866744448 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=Mrc-CQAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=anne+morelli+demonizing&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiPwp-f5OrhAhXKAYgKHdxRDtcQ6AEIQzAD#v=onepage&q&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>


In der Form der Personalisierung und Moralisierung lenkt sie von den politischen Ereignissen ab und richtet das Interesse auf leichter zu beurteilende negative Charakterzüge im Privatleben.<ref>{{Literatur |Autor=Salvador Vidal-Ortiz, Brandon Andrew Robinson, Cristina Khan |Titel=Race and Sexuality |Verlag=John Wiley & Sons |Datum=2018-04-27 |ISBN=9781509513871 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=zPRYDwAAQBAJ&pg=PT95&dq=demonizing+stereotypes+sexualit&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi2_oSx9OrhAhXQdd4KHWYqDA8Q6AEIKzAA#v=onepage&q=demonizing%20stereotypes%20sexualit&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>
In der Form der Personalisierung und Moralisierung lenkt sie von den politischen Ereignissen ab und richtet das Interesse auf leichter zu beurteilende negative Charakterzüge im Privatleben.<ref>{{Literatur |Autor=Salvador Vidal-Ortiz, Brandon Andrew Robinson, Cristina Khan |Titel=Race and Sexuality |Verlag=John Wiley & Sons |Datum=2018-04-27 |ISBN=9781509513871 |Online=https://books.google.com.ph/books?id=zPRYDwAAQBAJ&pg=PT95&dq=demonizing+stereotypes+sexualit&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi2_oSx9OrhAhXQdd4KHWYqDA8Q6AEIKzAA#v=onepage&q=demonizing%20stereotypes%20sexualit&f=false |Abruf=2019-04-25}}</ref>
Zeile 20:Zeile 20:


== Geschichte ==
== Geschichte ==
{{Belege}}
Ursprünglich bestand die Dämonisierung in der Reinterpretation der politheistischen Gottheiten in lügenhafte bösartige Dämonen, meist durch monotheistische Religionen.
Ursprünglich bestand die Dämonisierung in der Reinterpretation der politheistischen Gottheiten in lügenhafte bösartige Dämonen, meist durch monotheistische Religionen.


Im Jahre 1486 veröffentlichten die Inquisitoren Jacques Sprenger und Henri Institoris in Malleus maleficarum. Es ist ein echter Perspektivwechsel der Kirche: Während Hexen bis dahin wegen Häresie [[Hexenverfolgung|verfolgt]] wurden und die Kirche ihre Praktiken als bloßen Aberglauben ohne Fundament sah, wurden sie nun als besessen und als Inkarnation des [[Teufel]]s angesehen. Dies fand zwei Jahre nach der Bulle Summis desiderantes affectibus des Papstes Innozenz VIII statt. Man kann darin einen Willen zur Legitimierung der Hexenjagd sehen.
Im Jahre 1486 veröffentlichten die Inquisitoren Jacques Sprenger und Henri Institoris in Malleus maleficarum. Es ist ein echter Perspektivwechsel der Kirche: Während Hexen bis dahin wegen Häresie [[Hexenverfolgung|verfolgt]] wurden und die Kirche ihre Praktiken als bloßen Aberglauben ohne Fundament sah, wurden sie nun als besessen und als Inkarnation des [[Teufel]]s angesehen. Dies fand zwei Jahre nach der Bulle Summis desiderantes affectibus des Papstes Innozenz VIII statt. Man kann darin einen Willen zur Legitimierung der Hexenjagd sehen.

Dämonisierung ist neben Delegitimierung und [[Doppelmoral|doppelten Standards]] eines der drei Ds im [[3-D-Test für Antisemitismus]]: Kritik an der Politik der [[israel]]ischen Regierung gilt als legitim und nicht antisemitisch, wenn sie keines davon erfüllt, das heißt, sie weder strenger beurteilt als die der Regierungen der Nachbarländer noch das [[Existenzrecht Israels]] in Frage stellt noch Israel zum Beispiel mit [[Nazi-Vergleich]]en als schlechthin böse hinstellt.<ref>Natan Scharanski: [http://jcpa.org/phas/phas-sharansky-s05.htm ''3D Test of Anti-Semitism: Demonization, Double Standards, Delegitimization.''] (Jerusalem Center of Political Affairs, Jewish Political Studies Review 16:3-4, Herbst 2004)</ref>


== Techniken ==
== Techniken ==
{{Belege}}
* [[Analogieschluß|Analogieschluss]] oder Amalgamierung mit einem Thema, das etwas mit dem das Dämonisierungsobjekt etwas gemeinsam hat (Sie sind Vegetarier, genau wie Hitler, also...);
* [[Analogieschluss]] oder Amalgamierung mit einem Thema, das etwas mit dem das Dämonisierungsobjekt etwas gemeinsam hat (Sie sind Vegetarier, genau wie [[Adolf Hitler|Hitler]], also...);
* [[Entwertung (Psychologie)|Abwertung]] (Wie viel Intelligenz kann man von einem Athleten erwarten?);
* [[Entwertung (Psychologie)|Abwertung]] (Wie viel Intelligenz kann man von einem Athleten erwarten?);
* Fälschliche Berufung auf Naturgesetze.
* Fälschliche Berufung auf [[Naturgesetz]]e.
* Negative Konnotierung und semantische Verschiebungen, um Ablehnung zu erzeugen
* Negative Konnotierung und semantische Verschiebungen, um Ablehnung zu erzeugen


== Die Bildung von Tabus ==
== Die Bildung von Tabus ==
{{Belege}}
Dämonisierung ist oft mit der Verwendung oder Erstellung von Tabus verbunden: Ein Thema, das so negativ beurteilt wird, dass seine Evokation selbst problematisch wird. Die Mehrheit der von Ethnologen untersuchten Gesellschaften verwendet ähnliche Methoden, um Abweichungen von der Norm zu begrenzen, was die Überlebensfähigkeit der Gruppe gefährden könnte. Dämonisierung ist in diesem Sinne nichts anderes als die mehr oder weniger bewusste Ausnutzung eines natürlichen Mechanismus.
Dämonisierung ist oft mit der Verwendung oder Erstellung von [[Tabu]]s verbunden: Ein Thema, das so negativ beurteilt wird, dass seine Evokation selbst problematisch wird. Die Mehrheit der von Ethnologen untersuchten Gesellschaften verwendet ähnliche Methoden, um Abweichungen von der Norm zu begrenzen, was die Überlebensfähigkeit der Gruppe gefährden könnte. Dämonisierung ist in diesem Sinne nichts anderes als die mehr oder weniger bewusste Ausnutzung eines natürlichen Mechanismus.


== Berühmte Beispiele ==
== Berühmte Beispiele ==
{{Belege}}
* [[George W. Bush]]s [[Irakkrieg|Krieg]] gegen das Böse, die [[Achse des Bösen]].
* [[George W. Bush]]s [[Irakkrieg|Krieg]] gegen das Böse, die [[Achse des Bösen]].
* [[Ronald Reagan]]s Bezeichnung [[Reich des Bösen|Evil Empire]].
* [[Ronald Reagan]]s Bezeichnung [[Reich des Bösen|Evil Empire]].
* [[Ayatollah Khomeini]] hat die USA als Großen Satan bezeichnet.
* [[Ayatollah Khomeini]] hat die USA als Großen Satan bezeichnet.
* [[Antisemitismus]]/[[Antijudaismus]]
* Antisemitismus/[[Antijudaismus]]
* [[Kommunistenverfolgung]]
* [[Kommunistenverfolgung]]


== Kritik ==
== Kritik ==
{{Belege}}
Die realistische Schule der Politik ([[Kenneth Waltz]]) hält die Kritik an Propagandaformen wie der Dämonisierung für wenig hilfreich, da diese [[Epiphänomen]]e tiefer liegender [[Geopolitik|geostrategischer]] Interessenkonflikte seien. Die Beziehungen der Staaten untereinander seien wesentlich anarchistisch und richteten sich nach der Einschätzung der materiellen und militärischen Fähigkeiten des anderen. Ideelle Charakterisierungen wie Freundschaft oder Feindschaft seien in der internationalen Politik ungeeignet.
Die [[Realismus (Internationale Beziehungen)|realistische Schule]] der Politik ([[Kenneth Waltz]]) hält die Kritik an Propagandaformen wie der Dämonisierung für wenig hilfreich, da diese [[Epiphänomen]]e tiefer liegender [[Geopolitik|geostrategischer]] Interessenkonflikte seien. Die Beziehungen der Staaten untereinander seien wesentlich anarchistisch und richteten sich nach der Einschätzung der materiellen und militärischen Fähigkeiten des anderen. Ideelle Charakterisierungen wie Freundschaft oder Feindschaft seien in der internationalen Politik ungeeignet.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 21. Mai 2022, 23:26 Uhr

Dämonisierung oder „Verteufelung“ ist die Darstellung einer anderen Person oder Gruppe, des Gegners oder Feindes als wesensmäßig böse . Es handelt sich um die extremste Form der Dehumanisierung des Anderen. Sie entwickelte sich aus religiösen Ursprüngen und hat heute vor allem eine politische Funktion, besonders in politischen Konflikten, bei der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung.

Beschreibung

Dämonisierung ist eine rhetorische und ideologische Manipulationstechnik zur Desinformation oder zur Verdrehung von Fakten (ähnlich der unter umgekehrten Vorzeichen geschehenden Sakralisierung, Heroisierung oder der Opfertheorie), die darin besteht, politische, ethnische, kulturelle oder religiöse Entitäten durch ein moralisches Urteil als wesensmäßig böse und böswillig darzustellen und sich damit selbst zu rechtfertigen und indirekt positiv zu beschreiben: Den anderen böse zu nennen impliziert die Vergöttlichung des eigenen Standpunkts. In der Regel ist die Dämonisierung mit einer Entmenschlichung (Dehumanisierung) verbunden, die dem Gegner die Menschlichkeit, die Menschenwürde und den Anspruch auf Menschenrechte abspricht.[1]

Bar Tal klassifiziert sie als eine der Formen der Delegitimierung, neben der Entmenschlichung, Verdinglichung, Ausgrenzung, Etikettierung und dem Gruppenstereotyp.[2]

Für Rodney Barker gilt Dämonisierung als die extremste Form von Feindbild-Stereotyp, mit dessen Hilfe die Welt in zwei sauber getrennte Hälften geteilt wird, wodurch ein manichäischer Kampf des Guten gegen das Böse ermöglicht wird.[3]

Der Friedens-Psychologe und Kriegsursachenforscher Ralph K. White (1907–2007)[4] sieht sie neben Missverständnis und Kommunikationsmangel als Fehlwahrnehmungs-Komponente in Kriegssituationen, ohne die es im zwanzigsten Jahrhundert keine Kriege gegeben hätte.[5][6][7]

Anne Morelli betrachtet Dämonisierung im Anschluss an Arthur Ponsonby als wichtiges Prinzip der Kriegspropaganda, in enger Verbindung mit der Kriegsschuldzuweisung und der eigenen Rechtfertigung. Sie sieht in der Dämonisierung den notwendigen Schritt der Propaganda, den Gegner zu personifizieren. Der Hass der Bevölkerung muss auf ein psychologisch geeignetes Bild umgeleitet werden, da ein Mensch ein Volk als Ganzes nicht hassen könne, wohl aber ein entmenschlichtes Bild einer feindlichen Führungsfigur, der dann die Gesamtbevölkerung substituiert wird. Für Morelli steht die Dämonisierung in enger Verbindung mit der Mobilisierung der Bevölkerung, sie ist eine Methode der Massenpsychologie, das über die Massenmedien verbreitet wird.[8]

In der Form der Personalisierung und Moralisierung lenkt sie von den politischen Ereignissen ab und richtet das Interesse auf leichter zu beurteilende negative Charakterzüge im Privatleben.[9]

Funktion

Es handelt sich um eine Form der Emotionalisierung (Hass-Propaganda) zur Stigmatisierung und Ausgrenzung des Gegners, dessen Bedrohung nur noch mit Mitteln der Gewalt abzuwenden ist und für dessen Bekämpfung kein Preis zu hoch ist. Ziel ist die Diskreditierung und Diffamierung einer Person oder Gruppe.

Die durch den Prozess der Dämonisierung ausgelöste emotionale Aufladung erschwert sowohl den zivilisierten Dialog zwischen Konfliktparteien als auch die objektive Analyse der Situation.[10] Dämonisierung ist Teil eines Narrativs, das dem Framing von Ereignissen und Bewertungen dient. Zum Deutungsrahmen gehört eine scharfe Trennung zwischen „uns“ und „ihnen“, ein klares Freund-Feind-Schema.[11] Dämonisierung spitzt die Einstellungen und Haltungen der Akteure zu und kanalisiert die Handlungen zum Konflikt hin. Sie schafft den Hass, der notwendig ist, um die zivilisatorischen Schranken bei der Durchsetzung der eigenen Interessen zu überwinden.

Geschichte

Ursprünglich bestand die Dämonisierung in der Reinterpretation der politheistischen Gottheiten in lügenhafte bösartige Dämonen, meist durch monotheistische Religionen.

Im Jahre 1486 veröffentlichten die Inquisitoren Jacques Sprenger und Henri Institoris in Malleus maleficarum. Es ist ein echter Perspektivwechsel der Kirche: Während Hexen bis dahin wegen Häresie verfolgt wurden und die Kirche ihre Praktiken als bloßen Aberglauben ohne Fundament sah, wurden sie nun als besessen und als Inkarnation des Teufels angesehen. Dies fand zwei Jahre nach der Bulle Summis desiderantes affectibus des Papstes Innozenz VIII statt. Man kann darin einen Willen zur Legitimierung der Hexenjagd sehen.

Dämonisierung ist neben Delegitimierung und doppelten Standards eines der drei Ds im 3-D-Test für Antisemitismus: Kritik an der Politik der israelischen Regierung gilt als legitim und nicht antisemitisch, wenn sie keines davon erfüllt, das heißt, sie weder strenger beurteilt als die der Regierungen der Nachbarländer noch das Existenzrecht Israels in Frage stellt noch Israel zum Beispiel mit Nazi-Vergleichen als schlechthin böse hinstellt.[12]

Techniken

  • Analogieschluss oder Amalgamierung mit einem Thema, das etwas mit dem das Dämonisierungsobjekt etwas gemeinsam hat (Sie sind Vegetarier, genau wie Hitler, also...);
  • Abwertung (Wie viel Intelligenz kann man von einem Athleten erwarten?);
  • Fälschliche Berufung auf Naturgesetze.
  • Negative Konnotierung und semantische Verschiebungen, um Ablehnung zu erzeugen

Die Bildung von Tabus

Dämonisierung ist oft mit der Verwendung oder Erstellung von Tabus verbunden: Ein Thema, das so negativ beurteilt wird, dass seine Evokation selbst problematisch wird. Die Mehrheit der von Ethnologen untersuchten Gesellschaften verwendet ähnliche Methoden, um Abweichungen von der Norm zu begrenzen, was die Überlebensfähigkeit der Gruppe gefährden könnte. Dämonisierung ist in diesem Sinne nichts anderes als die mehr oder weniger bewusste Ausnutzung eines natürlichen Mechanismus.

Berühmte Beispiele

Kritik

Die realistische Schule der Politik (Kenneth Waltz) hält die Kritik an Propagandaformen wie der Dämonisierung für wenig hilfreich, da diese Epiphänomene tiefer liegender geostrategischer Interessenkonflikte seien. Die Beziehungen der Staaten untereinander seien wesentlich anarchistisch und richteten sich nach der Einschätzung der materiellen und militärischen Fähigkeiten des anderen. Ideelle Charakterisierungen wie Freundschaft oder Feindschaft seien in der internationalen Politik ungeeignet.

Siehe auch

Fundstellen

  1. Linn Normand: Demonization in International Politics: A Barrier to Peace in the Israeli-Palestinian Conflict. Springer, 2016, ISBN 978-1-137-54581-7 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  2. Linn Normand: Demonization in International Politics: A Barrier to Peace in the Israeli-Palestinian Conflict. Springer, 2016, ISBN 978-1-137-54581-7 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  3. R. Barker: Making Enemies. Springer, 2006, ISBN 978-0-230-28753-2 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  4. https://www.washingtonpost.com/gdpr-consent/?next_url=https%3a%2f%2fwww.washingtonpost.com%2fwp-dyn%2fcontent%2farticle%2f2008%2f01%2f11%2fAR2008011103743.html
  5. Ralph K. White: Nobody wanted war: misperception in Vietnam and other wars. Doubleday, 1968 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  6. Ronald J. Fisher: The Social Psychology of Intergroup and International Conflict Resolution. Springer Science & Business Media, 2012, ISBN 978-1-4612-3288-9 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  7. Arthur A. Stein: Why Nations Cooperate: Circumstance and Choice in International Relations. Cornell University Press, 1990, ISBN 978-0-8014-9781-0 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  8. Anne Morelli: Die Prinzipien der Kriegspropaganda. zu Klampen Verlag GbR, 2015, ISBN 978-3-86674-444-8 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  9. Salvador Vidal-Ortiz, Brandon Andrew Robinson, Cristina Khan: Race and Sexuality. John Wiley & Sons, 2018, ISBN 978-1-5095-1387-1 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  10. Tom De Luca, John Buell: Liars! Cheaters! Evildoers!: Demonization and the End of Civil Debate in American Politics. NYU Press, 2005, ISBN 978-0-8147-1975-6 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  11. Linn Normand: Demonization in International Politics: A Barrier to Peace in the Israeli-Palestinian Conflict. Springer, 2016, ISBN 978-1-137-54581-7 (com.ph [abgerufen am 25. April 2019]).
  12. Natan Scharanski: 3D Test of Anti-Semitism: Demonization, Double Standards, Delegitimization. (Jerusalem Center of Political Affairs, Jewish Political Studies Review 16:3-4, Herbst 2004)