Benjamin Disraeli

Benjamin Disraeli (* 21. Dezember 1804 in London; † 19. April 1881 in Mayfair), seit 1876 1. Earl of Beaconsfield, war ein erfolgreicher Romanschriftsteller und zweifach britischer Premierminister.

Benjamin Disraeli

Leben

Benjamin Disraeli stammte aus einer sephardisch-jüdischen Familie aus Italien. Sein Vater, Isaac Disraeli, war Autor verschiedener Werke, u. a. The Life and Reign of Charles I. Benjamin Disraeli zog es in eine ähnliche Richtung. Nach der Schule studierte er Rechtswissenschaften. 1826 erschien sein erstes Buch, Vivian Grey. Dieses Erstlingswerk verkaufte sich ausgezeichnet. In den folgenden Jahren erschienen noch weitere Werke, u. a. Contarini Fleming (1832), Alroy (1833) und Henrietta Temple. Alle Bücher behandeln politische und soziale Fragen seiner Zeit auf eine Art, die auch einen Einblick in seine politische Zugehörigkeit zulässt. Disraeli war keine Persönlichkeit, die man in irgendeine politische Schublade verfrachten konnte. In seiner Grundeinstellung war er aber zeitlebens eher konservativ.

Mit dem verdienten Geld aus dem Bücherverkauf bereiste er Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts Spanien, die Türkei und den Balkan. Zwischen 1832 und 1835 kandidierte er mehrmals erfolglos für das britische Unterhaus. Durch seinen Drang zur Unabhängigkeit ist es nicht verwunderlich, dass er sich erst für die Radikalen und später für die Konservativen aufstellen ließ. Im Jahr der Thronbesteigung Königin Victorias 1837 hatte auch er endlich Erfolg und zog ins Unterhaus ein. Durch seine extravagante und wohl auch arrogante Art stieß er anfänglich auf Unverständnis und Ablehnung. Mit der Zeit verschaffte er sich trotzdem den Respekt der Abgeordneten.

1839 heiratete Disraeli Mary Anne Wyndham Lewis, die Witwe von Sir Wyndham Lewis. Mary Lewis war 12 Jahre älter als ihr neuer Ehemann, trotzdem war die Ehe ein großer Erfolg. Diese Ehe wurde von vielen als eine Geldhochzeit betrachtet, was auch letztendlich stimmen mag, trotzdem lernten sich die beiden lieben.

Die Regierung Lord Melbournes endete 1841 durch den Rücktritt des Premiers. Die folgenden Wahlen gewannen die Konservativen und Disraeli sah seine Chance für einen Kabinettsplatz in der neuen Regierung von Sir Robert Peel. Doch Peel lehnte den jungen Politiker ab. So blieb Disraeli auch in den kommenden Jahren ein Hinterbänkler mit viel Charisma. Disraeli wurde einer der schärfsten Kritiker der konservativen Politik Peels. Peel, der im Zuge der beginnenden Industrialisierung einen Hang zur neu entstandenen, machtvollen Mittelschicht entwickelte, sah sich oft in der Defensive gegenüber einem für heutige Zeiten (außer in den USA) eher ungewöhnlichen Bündnis der Aristokraten und der Arbeiterschaft in Großbritannien, das u. a. von Benjamin Disraeli unterstützt wurde (sozialistisches bzw. kommunistisches Gedankengut waren zu dieser Zeit noch nicht formuliert). Disraeli meinte, dass der Adel eine historische Verpflichtung gegenüber der Arbeiterschaft habe und traf sich mit anderen Politikern mit ähnlichen Bestrebungen. Sie gründeten eine Interessengemeinschaft mit dem Namen Young England Group. Diese Gruppe wurde auch Grundlage für Disraelis neue Novellen Coningsby (1844), Sybil (1845) und Tancred (1847).

„Die Welt wird von ganz anderen Personen regiert als diejenigen es sich vorstellen, die nicht hinter den Kulissen stehen.“

Benjamin Disraeli: Coningsby, 1844

1846, als Peel die Aufhebung der Getreidezollgesetze zugunsten des Freihandels durchsetzte, gewann Disraeli durch seine rhetorisch brillanten Angriffe auf Peel die Führung der so genannten Protektionisten, der Gegner des Freihandels. Im folgenden Jahr konnte die Konservative Partei, inzwischen gespalten in Freihandels-Befürworter unter Peel und Protektionisten unter Disraeli, die Parlamentswahlen nicht mehr gewinnen.

Disraeli unterstützte jetzt den liberalen Premierminister Lord John Russell, als dieser das Verbot aufhob, das Juden vom britischen Parlament ausgeschlossen hatte. 1852, nachdem Lord Russel sein Amt abgegeben hatte, gewannen die Konservativen unter dem Lord von Derby die Wahlen. Disraeli wurde Schatzkanzler, vergleichbar mit unserem Finanzminister. Die Regierung des Lord Derby dauerte nur wenige Monate, da es der Regierung nicht gelang, den Haushalt durch das Unterhaus zu bringen. Die Regierung Lord Derbys trat daraufhin zurück und wurde durch Lord Aberdeen ersetzt, der das Vereinigte Königreich in den Krimkrieg führte.

Erst 6 Jahre später bekamen Lord Derby und Benjamin Disraeli wieder die Möglichkeit, eine Regierung zu formen. Disraeli wurde wieder Schatzkanzler. Auch diese Regierung war nicht von langer Dauer, sie endete nach nur 18 Monaten. Ein Versuch Disraelis, ein neues Wahlrecht einzuführen (alle Steuerzahler sollten das Wahlrecht erhalten), scheiterte. Lord Palmerston, ein Liberaler, wurde 1859 Premierminister. Erst 1866 gelang es dem Duo Derby/Disraeli, wieder eine Regierung zu formen. Ein Jahr später gelang es Disraeli, seine Wahlrechtsreform durchzusetzen. 1868 trat Lord Derby als Premier zurück und Disraeli wurde sein Nachfolger. Bei den Wahlen 1869 wurde der liberale William Ewart Gladstone zum neuen Premierminister gewählt und Disraeli ging in die Opposition. Disraeli über Gladstone: It would be a tragedy if anybody were to push Mr Gladstone into the river and a disaster if anybody were to pull him out again (Es wäre eine Tragödie, wenn jemand Mr. Gladstone in die Themse stieße, und eine Katastrophe, wenn ihn jemand wieder herauszöge).

1874 gelang es den Konservativen, mit deutlicher Mehrheit, wieder an die Macht zu kommen. Auf Intervention von Königin Victoria wurde Benjamin Disraeli zum Premier gewählt. Anders als William Gladstone hatte Disraeli ein überaus gutes Verhältnis zur Königin. Disraeli trug der Königin den Titel Kaiserin von Indien an, was die Begründung des British Empire fundierte. 1876 wurde Benjamin Disraeli durch die Königin geadelt. Seine größte außenpolitische Tat vollbrachte Disraeli 1878 auf dem Berliner Kongress. Hierbei ging es um eine Friedensfindung zwischen der Türkei und Russland nach dem Russisch-Osmanischen Krieg (siehe: Türkenkriege). Disraeli konnte ein sehr gutes, vor allem für Großbritannien günstiges Vertragswerk aushandeln, Großbritannien erhielt Zypern. Russland als Gewinner des Krieges schnitt dabei schlecht ab. Zum Dank bot ihm Queen Victoria die Erhebung in den Herzogstand an, was er aber ablehnte. 1880 wurde Gladstone wieder Premier und Disraeli nahm seinen Abschied von der Politik. Am 19. April 1881 starb Benjamin Disraeli in Mayfair. Seine Romane werden bis heute verlegt.

Werke

Datei:Benjamin Disraeli, 1st Earl of Beaconsfield – Project Gutenberg eText 13619.jpg
Skizze Benjamin Disraelis

Belletristische Werke

  • Vivian Grey, 1826; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg (dt. Vivian Grey. Humoristischer Roman, 3 Bände, Heidelberg 1827)
  • Popanilla, 1828; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg
  • The Young Duke, 1831
  • Contarini Fleming, 1832 (dt. Contarini Fleming, 2 Bände, Grimma 1846; später auch unter den Titeln Contarini Fleming. Ein psychologischer Roman, Berlin 1909 sowie Spiegel des Lebens. Roman, Wien und Leipzig 1931)
  • Alroy, 1833 (dt. Die Wundersage von Alroy etc., 2 Bände, Berlin 1833; spätere Ausgaben unter den Titeln Alroy. Roman, Frankfurt an der Oder 1852 und David Alroy, Leipzig 1862, zuletzt Halle/Saale 1912 und 1913)
  • The Infernal Marriage, 1834
  • Ixion in Heaven, 1834
  • The Revolutionary Epick, (1834)
  • The Rise of Iskander, 1834; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg
  • Henrietta Temple, 1837 (dt. Henriette Temple. Eine Liebesgeschichte etc., 3 Teile, Berlin 1837)
  • Venetia, 1837; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg (dt. Der tolle Lord. [Ein Byron-]Roman, Wien 1930)
  • The Tragedy of Count Alarcos, 1839; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg
  • Coningsby, or the New Generation, 1844; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg (dt. Coningsby oder die neue Generation. Roman, 3 Teile, Grimma 1845; aktuell Zürich 1992, ISBN 3-7175-8190-2; als Auszug erschien auch Die jüdische Weltherrschaft, Leipzig 1937)
  • Sybil, or The Two Nations, 1845; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg (dt. Sybil oder die beiden Nationen, 3 Teile, Grimma 1846 und Sybille oder die gedoppelte Nation, 4 Teile, Leipzig 1846; später unter dem Titel Sybil. Sozialpolitischer Roman, Berlin ca. 1882)
  • Tancred, or the New Crusade, 1847 (dt. Tancred oder der neue Kreuzzug, München und Berlin 1914; aktuell: Zürich 2004, ISBN 3-71752038-5)
  • Lothair, 1870; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg (dt. Lothar. Roman, Leipzig 1874)
  • Endymion, 1880; Volltext (englisch) bei Project Gutenberg (dt. Endymion, Leipzig 1881)
  • Falconet, (unvollendet, 1881)

Briefeditionen

Sachliteratur

  • An Inquiry into the Plans, Progress, and Policy of the American Mining Companies, 1825
  • Lawyers and Legislators. Or, Notes, on the American Mining Companies, 1825
  • The present state of Mexico, 1825
  • England and France, or a Cure for the Ministerial Gallomania, 1832
  • What Is He?, 1833
  • The Letters of Runnymede, 1836
  • Lord George Bentinck, 1852 (dt. Lord Georg[e] Bentinck. Eine politische Biographie, Kassel 1854)

Berühmte Zitate

Das durch Mark Twain populär gewordene Zitat Lügen, verdammte Lügen, und Statistik wurde in seinem Ursprung einige Zeit Benjamin Disraeli zugeschrieben, was jüngste Erkenntnisse jedoch zu widerlegen scheinen.

Mehr dazu bei en.Wikipedia.org: Lies, damned lies, and statistics

Literatur

  • Robert Blake: Disraeli. Eine Biographie aus viktorianischer Zeit (Originaltitel: Disraeli). Deutsch von Klaus Dockhorn. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1980, 701 S., ISBN 3-7973-0360-2
  • André Maurois: Benjamin Disraeli, Lord Beaconsfield (Originaltitel: La Vie de Disraëli). Fischer-Bücherei, Band 15. Deutsch von Erich Klossowski. Ungekürzte Ausgabe, 63. bis 75. Tausend. Fischer, Frankfurt am Main und Hamburg 1956, 243 S.
  • Bruno Bauer: Disraelis romantischer und Bismarcks sozialistischer Imperialismus. 2. Neudruck der Ausgabe Chemnitz 1882. Scientia-Verlag, Aalen 1979
  • Jörg Schneider: Das Bild Benjamin Disraelis in der deutschen Publizistik zwischen 1900 und 1945. Philosophie und Gesellschaft (Band 4). (Dissertation.) Holos-Verlag, Bonn 1996, 294 S., ISBN 3-86097-213-8
Commons: Benjamin Disraeli – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien