„Abführmittel“ – Versionsunterschied

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Von der Antike bis in die Neuzeit hinein waren Abführmittel ebenso wie Brechmittel und Aderlässe Bestandteil [[Humoralpathologie|humoralpathologisch]] begründeter purgierender (von lateinisch ''purgare'' = reinigen, säubern) Therapien.<ref>[[Ralf Vollmuth]]: ''Purgieren, Purgation.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1203.</ref> Ziel war die Purgation, d. h. das Reinigen des Erkrankten von überschüssiger Säften und schädlicher Krankheitsmaterie durch Ausleitung unter anderem mittels Erbrechen und über den Stuhlgang nach Einnahme von Purgativa.<ref>Gundolf Keil: ''„blutken – bloedekijn“. Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposphagma-Genese im ‚Pommersfelder schlesischen Augenbüchlein‘ (1. Drittel des 15. Jahrhunderts). Mit einer Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters.'' In: ''Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen.'' Band 8/9, 2012/2013, S. 7–175, hier: S. 20 f. und 42.</ref> Weitere neben Rizinusöl bereits in der Antike benutzte pflanzliche Purgiermittel waren die Schwarze Nieswurz ([[Schneerose]]), die Weiße Nieswurz ([[Weißer Germer]]), Zubereitungen aus bestimmten [[Aloen|Aloe]]- und [[Wolfsmilch]]-Arten. Aus dem Orient gelangten [[Rhabarber (Gattung)|Rhabarber]] und [[Alexandrinische Senna]] in die Medizin des abendländischen Mittelalters.<ref>Christoph Schweikardt: ''Abführmittel.'' In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' 2005, S. 3.</ref>
Von der Antike bis in die Neuzeit hinein waren Abführmittel ebenso wie Brechmittel und Aderlässe Bestandteil [[Humoralpathologie|humoralpathologisch]] begründeter purgierender (von lateinisch ''purgare'' = reinigen, säubern) Therapien.<ref>[[Ralf Vollmuth]]: ''Purgieren, Purgation.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1203.</ref> Ziel war die Purgation, d. h. das Reinigen des Erkrankten von überschüssiger Säften und schädlicher Krankheitsmaterie durch Ausleitung unter anderem mittels Erbrechen und über den Stuhlgang nach Einnahme von Purgativa.<ref>Gundolf Keil: ''„blutken – bloedekijn“. Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposphagma-Genese im ‚Pommersfelder schlesischen Augenbüchlein‘ (1. Drittel des 15. Jahrhunderts). Mit einer Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters.'' In: ''Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen.'' Band 8/9, 2012/2013, S. 7–175, hier: S. 20 f. und 42.</ref> Weitere neben Rizinusöl bereits in der Antike benutzte pflanzliche Purgiermittel waren die Schwarze Nieswurz ([[Schneerose]]), die Weiße Nieswurz ([[Weißer Germer]]), Zubereitungen aus bestimmten [[Aloen|Aloe]]- und [[Wolfsmilch]]-Arten. Aus dem Orient gelangten [[Rhabarber (Gattung)|Rhabarber]] und [[Alexandrinische Senna]] in die Medizin des abendländischen Mittelalters.<ref>Christoph Schweikardt: ''Abführmittel.'' In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' 2005, S. 3.</ref>


Historische Abführmittel sind etwa die Heilig-Bitter-Latwerge ''Hiera picra'' und die „Goldenen Pillen“ (Abführpillen) im ''[[Antidotarium Nicolai]]''<ref>Gundolf Keil (2012/2013), S. 21.</ref> sowie die [[Frankfurter Pillen]].
Historische Abführmittel sind etwa die Heilig-Bitter-Latwerge ''Hiera picra'' und die „Goldenen Pillen“ (Abführpillen) im ''[[Antidotarium Nicolai]]''<ref>Gundolf Keil (2012/2013), S. 21.</ref> sowie die [[Frankfurter Pillen]] und das Glaubersalz (Natriumsulfat).


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 1. November 2018, 15:11 Uhr

Abführmittel, Laxativa (Einz.: Laxativum) oder Laxanzien (Einz.: Laxans, veraltet: Laxantien, von lateinisch laxare ‚lockern‘) sind Arzneimittel, die den Stuhlgang bzw. die Darmentleerung fördern und gegen Obstipation (Verstopfung) eingesetzt werden.

Laxativa sind die Mittel der Wahl, wenn eine tatsächliche Obstipation (d. h. Stuhlgang seltener als drei Mal wöchentlich in Kombination mit starkem Pressen) nicht durch eine Änderung des Lebensstils behandelt werden kann. Eine Ernährungsumstellung mit vermehrter Aufnahme von Ballaststoffen in Kombination mit einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme und mehr Bewegung kann helfen, die Darmtätigkeit anzuregen und die Stuhlkonsistenz zu verbessern. Erst bei Versagen dieser Maßnahmen ist (nach ärztlicher Abklärung) die Einnahme von Laxanzien angezeigt.

Wirkprinzipien der Abführmittel

Bei Abführmitteln wird die Wirkung meistens dadurch erzielt, dass sie das Stuhlvolumen innerhalb des Darms vergrößern. Dadurch wird auch der Druck auf den Darm größer und dieser reagiert mit der Auslösung von Wellenbewegungen (Peristaltik), die den Speisebrei weiter in die gewünschte Richtung schieben.

Im Einzelnen kommen folgende abführend wirkende Prinzipien zur Anwendung.

Quell-, Füll- und Gleitstoffe einschließlich osmotisch wirkender Abführmittel:

Motilitäts- und sekretionsbeeinflussende (stimulierende) Abführmittel:

Medizinische Anwendung von Abführmitteln

Als medizinisch sinnvoll werden Abführmittel angesehen,

Andere Anwendungen und Gefahren von Abführmitteln

Teilweise werden Laxanzien nicht im therapeutischen Sinne – also z. B. um eine Verstopfung zu behandeln – angewandt. Sie werden z. B. missbräuchlich und meist überdosiert zur (vermeintlichen) Gewichtsreduzierung eingenommen. Man kann jedoch durch Abführmittel keinesfalls abnehmen: Die missbräuchliche Überdosierung verursacht Durchfälle (Diarrhö) und dadurch verliert der Körper wertvolle und lebenswichtige Flüssigkeit. Dies ist – wie immer bei Durchfall – auf Dauer sehr ungesund und kann zu Störungen im Elektrolythaushalt (insbesondere zu Verlusten von Kalium) führen. Kaliumverluste können zu einer Störung der Herzfunktion und Muskelschwäche führen. Zudem kommt es bei Daueranwendung von Abführmitteln zur Reizung der Darmschleimhaut.[1]

Bestimmte Abführmittel werden gerne im Frühjahr zum sogenannten Entschlacken eingesetzt. Ziel soll hierbei sein, den Körper von vermeintlich angesammelten Schlacken zu befreien und ihm hiermit die Möglichkeit zur Regeneration zu geben. Oftmals leitet das Entschlacken eine Fastenzeit ein. Die Befreiung von körperlichem Ballast wie dem Kot wird hier als Aufbruchsignal für die Fastenwoche gesehen. Meist werden hierfür so genannte salinische Abführmittel wie Glaubersalz oder Bittersalz benutzt. Auch hier sollte man einen Arzt befragen, da bei Einnahme dieser Mittel schwere Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Muskelschwäche bis hin zu Reflexausfällen auftreten können. Ebenso können diese Mittel die Wirkung von anderen Medikamenten, beispielsweise Herzmittel, Blutdrucksenker oder Antibiotika, stören.[2]

Viele, vor allem ältere Menschen, sind zudem der Meinung, man müsse jeden Tag mindestens einmal Stuhlgang haben. Dabei wird aber aus medizinischer Sicht alles zwischen dreimal täglich und dreimal wöchentlich als normal angesehen. Gerade ältere Leute, die oftmals krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, sich viel zu bewegen und normalerweise weniger ausgewogen essen, nehmen Laxanzien ein, da sie meinen, an Verdauungsstörungen zu leiden. Allerdings dauert es, bis ein entleerter Darm wieder ausreichend gefüllt ist, um einen Defäkationsreflex auszulösen. Teilweise wird dann verfrüht wieder ein Laxans genommen, in der irrigen Annahme, der Darm sei schon wieder verstopft. Die zu häufige und/oder zu hochdosierte Anwendung von stimulierenden Abführmitteln kann durch die Entstehung von Durchfall (s. o.) zu Wasser- und Elektrolytverlusten führen. Da ein Elektrolytverlust die Funktionsweise von Muskelzellen (Depolarisation des Membranpotentials) stark beeinträchtigt, kann dies bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu lebensgefährlichen Komplikationen führen, da die Symptome verstärkt werden und eine Medikation z. B. mit Herzglykosiden nicht mehr ausreicht. Bei der korrekten Anwendung stimulierender Abführmittel sollte es nicht zu Durchfall kommen – ein Zeichen für zu hohe Dosierung oder zu häufige Anwendung. Früher postulierte Gewöhnungs-/Abhängigkeitseffekte durch Langzeitanwendung konnten in neueren Studien nicht belegt werden.

Zusammenfassung der Gefahren und weitere unerwünschte Wirkungen

  • Winde, Blähung des Abdomens, Darmgeräusche (Borborygmus)
  • Koprostase, verzögerte Stuhlentleerung
  • Darmobstruktion
  • Darmkolik, Bauchschmerzen
  • Diarrhoe, Stuhlinkontinenz
  • Entzündung des Rektums durch Zäpfchen
  • Übelkeit
  • Elektrolytstörungen[3]

Geschichte

Abführmittel sind seit 2400 v. Chr. bekannt. In Mesopotamien und im Alten Ägypten wurde das aus dem Samen des Wunderbaums gewonnene Rizinusöl für diese Zwecke eingesetzt. Die Assyrer kannten um 1500 v. Chr. neben der Verwendung ballaststoffreicher Nahrungsstoffe wie beispielsweise Kleie auch saline Abführmittel, die den Wassergehalt des Darmtraktes erhöhen.

Nach dem zweiten Band von Jonathan Pereiras (1804–1853) und Rudolf Buchheims Handbuch der Heilmittellehre sollen die alten Griechen vielleicht schon vor Hippokrates († um 370 v. Chr.) den getrockneten Milchsaft der Wurzel von Convolvulus scammonia (Purgierwinde) als stark (drastisch) wirkendes Abführmittel (Drastikum) genutzt haben.[4]

Von der Antike bis in die Neuzeit hinein waren Abführmittel ebenso wie Brechmittel und Aderlässe Bestandteil humoralpathologisch begründeter purgierender (von lateinisch purgare = reinigen, säubern) Therapien.[5] Ziel war die Purgation, d. h. das Reinigen des Erkrankten von überschüssiger Säften und schädlicher Krankheitsmaterie durch Ausleitung unter anderem mittels Erbrechen und über den Stuhlgang nach Einnahme von Purgativa.[6] Weitere neben Rizinusöl bereits in der Antike benutzte pflanzliche Purgiermittel waren die Schwarze Nieswurz (Schneerose), die Weiße Nieswurz (Weißer Germer), Zubereitungen aus bestimmten Aloe- und Wolfsmilch-Arten. Aus dem Orient gelangten Rhabarber und Alexandrinische Senna in die Medizin des abendländischen Mittelalters.[7]

Historische Abführmittel sind etwa die Heilig-Bitter-Latwerge Hiera picra und die „Goldenen Pillen“ (Abführpillen) im Antidotarium Nicolai[8] sowie die Frankfurter Pillen und das Glaubersalz (Natriumsulfat).

Literatur

  • Michael Stolberg: Die wundersame Heilkraft von Abführmitteln. Erfolg und Scheitern vormoderner Krankheitsbehandlung aus der Patientensicht. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 167–177.
  • Claudia Bausewein, Marcus Hentrich: Obstipation. In: Eberhard Aulbert, Friedemann Nauck, Lukas Radbruch (Hrsg.): Lehrbuch der Palliativmedizin. Schattauer, Stuttgart (1997) 3., aktualisierte Auflage 2012, ISBN 978-3-7945-2666-6, S. 277–281.

Einzelnachweise

  1. http://www.ernaehrung.de/lexikon/ernaehrung/a/abfuehrmittel.php.
  2. http://www.gesund-heilfasten.de/Abfuehrmittel.html.
  3. Claudia Bausewein u. a. (Hrsg.): Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin. (Originalausgabe: PCF2, Palliative Care Formulary, Second Edition; übersetzt von Kathrin Grüner) Urban & Fischer, München und Jena 2005, ISBN 3-437-23670-9, S. 16–21.
  4. Jonathan Pereira, Rudolf Buchheim: Handbuch der Heilmittellehre, Band 2, Leopold Voß, Leipzig 1848, S. 339 ff., Volltext in der Google-Buchsuche.
  5. Ralf Vollmuth: Purgieren, Purgation. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1203.
  6. Gundolf Keil: „blutken – bloedekijn“. Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposphagma-Genese im ‚Pommersfelder schlesischen Augenbüchlein‘ (1. Drittel des 15. Jahrhunderts). Mit einer Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013, S. 7–175, hier: S. 20 f. und 42.
  7. Christoph Schweikardt: Abführmittel. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 3.
  8. Gundolf Keil (2012/2013), S. 21.
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