Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Deutsches Grundgesetz
Titel: Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland
Kurztitel: Grundgesetz
Abkürzung: GG
Art: Verfassung
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Verfassungsrecht
FNA: 100-1
Datum des Gesetzes: 23. Mai 1949 (BGBl. I 1949, S. 1)
Inkrafttreten am: 24. Mai 1949
Letzte Änderung durch: Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 96) vom 26. Juli 2002
(BGBl. I 2002, S. 2863)

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ist die rechtliche und politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit die Verfassung des deutschen Staats. Besondere Bedeutung haben aufgrund der leidvollen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus die im Grundgesetz verankerten Grundrechte. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wurde ihre Geltung noch verstärkt. Sie verpflichten die Staatsgewalt unmittelbar als geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG).

Ursprünglich 1949 nur für die westlichen Besatzungszonen und daher nicht als dauerhafte und endgültige Verfassung gedacht (und deshalb auch nicht so bezeichnet), ist das Grundgesetz durch die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 die Verfassung des gesamten Deutschen Volkes geworden (vgl. die Präambel). Bis heute erfolgte keine Volksabstimmung über die Geltung des Grundgesetzes.

Entstehungsgeschichte

Vor dem Parlamentarischen Rat

Zwischen Kriegsende und der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz

Schon vor der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz gab es von Seiten der Alliierten Aufforderungen an die in den Besatzungszonen politisch aktiven Deutschen, sich Gedanken über die Konstruktion eines neuen Staates zu machen. So forderte der britische Militärgouverneur, Sir Brian Robertson, am 12. Juni 1947 den in seiner Besatzungszone eingerichteten Zonenbeirat auf, sich zur Struktur eines deutschen Nachkriegsstaates zu äußern. Während in dieser Besatzungszone die SPD mit ihrer Absicht, einen Zentralstaat zu errichten, noch relativ aussichtsreich erschien, überwog im Länderrat der US-amerikanischen Besatzungszone im Süden Deutschlands mit seinen starken föderalistischen Traditionen in Bayern, Württemberg und Baden die Ansicht, den in Deutschland traditionellen Föderalismus weiterzuführen. Der Begriff "Bundesrepublik Deutschland" wurde jedoch von den französischen Besatzungsbehörden in Württemberg-Hohenzollern im Mai 1947 erstmals verwendet.

Während die Landesvertreter relativ stark in dem verfassungsrechtlichen Diskurs mitwirken konnten, blieben die Parteien weithin außen vor, zumal sie sich noch nicht deutschlandweit konstituieren konnten und damit als gesamtstaatsbezogene Interessenverbände ausschieden. Dennoch ergab sich bereits in den Jahren 1947 und 1948 eine deutliche Differenz zwischen der Union, die im April 1948 ihre "Grundsätze für eine Deutsche Bundesverfassung" mit stark föderalistischer Prägung vorstellten, und der SPD, die bereits 1947 mit ihren "Nürnberger Richtlinien" jeglichen "Separatismus" verurteilte und die "Reichseinheit" unbedingt bewahren wollte.

Londoner Sechs-Mächte-Konferenz

Die im Februar/März und von April bis Juni 1948 in London stattfindende Konferenz zwischen den drei westlichen Besatzungsmächten Frankreich, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten sowie den drei direkten Nachbarn Deutschlands, Niederlande, Belgien und Luxemburg, beschäftigte sich sehr stark mit der politischen Neuordnung ihres Besatzungsgebietes Westdeutschland. Wegen des beginnenden Kalten Krieges tagten die Siegermächte erstmals ohne die Sowjetunion.

Die drei Besatzungsmächte verfolgten zunächst recht unterschiedliche Interessen: Während das zentral organisierte Vereinigte Königreich keine Präferenzen bezüglich der Frage Zentralstaat oder Föderalismus hatte, sondern vielmehr die möglichst problemlose Vereinigung der Trizone mit der sowjetischen Besatzungszone im Auge hatte, plädierten die Vereinigten Staaten für einen nur aus der Trizone bestehenden deutschen Föderalstaat. Für die Franzosen wiederum war die möglichst deutliche Schwächung eines jeden deutschen Staates Hauptziel: Dementsprechend traten sie für eine möglichst lange Besatzungszeit ohne Staatsgründung und die Einbeziehung des Saarlandes in den französischen Staatsverband ein. Da sie sich mit der Position der Verhinderung einer Staatsgründung jedoch nicht durchsetzen konnten, waren die Franzosen für einen föderalen Staatsaufbau mit internationaler Kontrolle der Bergbauindustrie.

Schlussendlich enthielt das Schlusskommuniqué der Konferenz die Aufforderung an die Deutschen in den westlichen Ländern, einen föderalen Staat aufzubauen. Allerdings sollte dieser föderale westdeutsche Staat kein Hindernis für eine spätere Einigung mit der Sowjetunion über die "deutsche Frage" darstellen.

Die Bestätigung dieses Beschlusses durch Frankreich erfolgte erst nach massivem Druck der beiden anderen Alliierten und einer äußerst knappen Abstimmung (297:289) in der Nationalversammlung.

Frankfurter Dokumente

Nachdem die Londoner Beschlüsse in Deutschland eher negativ aufgenommen wurde, sollten die den Ministerpräsidenten am 1. Juli 1948 überreichten Frankfurter Dokumente in einem für Deutschland freundlicheren Ton gehalten werden. Neben der Ankündigung eines Besatzungsstatutes enthielt das wichtigste der drei Dokumente, das Dokument Nr. I, die Ermächtigung an die Ministerpräsidenten, eine Versammlung einzuberufen, die eine demokratische Verfassung mit einer Grundrechtsgarantie und einem föderalen Staatsaufbau auszuarbeiten, die anschließend von den Militärgouverneuren zu genehmigen war. Die Militärgouverneure wollten dabei den Eindruck vermeiden, den Deutschen Verfassungsgrundsätze zu diktieren; sie unterließen es auch, den Ministerpräsidenten eine Frist zur Beantwortung der Dokumente zu setzen. Einzig der späteste Termin für den Zusammentritt der verfassunggebenden Versammlung wurde festgesetzt: der 1. September 1949.

Koblenzer Beschlüsse

Die Tage nach der Übergabe der Frankfurter Dokumente waren von großer Betriebsamkeit in den Landesregierungen und Landtagen geprägt. Vom 8. Juli bis zum 10. Juli 1948 trafen sich die westdeutschen Ministerpräsidenten auf dem Rittersturz in Koblenz in der französischen Besatzungszone. Die Einladung der ostdeutschen Ministerpräsidenten war gar nicht mehr in Betracht gezogen worden. In ihren "Koblenzer Beschlüssen" erklärten die Ministerpräsidenten die Annahme der Frankfurter Dokumente. Gleichzeitig wandten sie sich jedoch gegen die Schaffung eines westdeutschen Staates, da dies die deutsche Teilung zementieren würde. Auch das Besatzungsstatut wurde in seiner vorgeschlagenen Form abgelehnt.

Die Militärgouverneure reagierten verärgert auf die Koblenzer Beschlüsse, da sie ihrer Meinung nach in anmaßender Weise die Londoner und Frankfurter Dokumente außer Kraft zu setzen versuchten. Insbesondere der amerikanische Militärgouverneur, Lucius D. Clay, machte die Ministerpräsidenten dafür verantwortlich, dass nun die Franzosen wieder eine für die Deutschen nachteilige Revision der Londoner Beschlüsse fordern würden. In einer weiteren Sitzung am 20. Juli 1948 wurden den Ministerpräsenten die negativen Folgen eines Beharrens auf den Koblenzer Beschlüssen deutlich gemacht. Obwohl eine Verfassung und kein Grundgesetz ausgearbeitet werden sollte, stimmten die Ministerpräsidenten schließlich den Forderungen der Militärgouverneure zu.

Auf einer Ministerpräsidentenkonferenz auf Schloss Niederwald hielten die Ministerpräsidenten trotz ihres Eingehens auf die Londoner Beschlüsse an den Koblenzer Beschlüssen als "Empfehlung" und an der Bezeichnung "Grundgesetz" fest. Weiter wurde eine Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Rates durch die Landtage und eine Ratifizierung des Grundgesetzes durch die Landtage und nicht - wie von den Militärgouverneuren gewollt - durch Volksabstimmung angestrebt.

Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee

Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee fand vom 10. bis zum 23. August 1948 statt. Er sollte mehr aus Verwaltungsbeamten denn aus Politikern bestehen. Parteipolitische Erwägungen sollten ganz außen vor bleiben. Die Landtage aus der amerikanischen und der französischen Besatzungszone hielten sich jedoch nicht an diese Empfehlungen. Obwohl nicht klar war, ob die Mitglieder des Konventes einen kompletten Entwurf eines Grundgesetzes oder nur einen Überblick liefern sollten, kristallisierten sich in der Diskussion wichtige Punkte heraus, von denen einige schließlich im Grundgesetz verwirklicht wurden. Dazu zählen eine starke Bundesregierung, die Einführung eines neutralen und wesentlich entmachteten Staatsoberhauptes, der weitgehende Ausschluss von Volksabstimmungen und eine Vorform der späteren Ewigkeitsklausel. Die Ausgestaltung der Ländervertretung war bereits umstritten; sie sollte es über die gesamte Zeit der Beratungen des Parlamentarischen Rates bleiben.

Während die Bedeutung des Herrenchiemseer Entwurfes umstritten war (es war von einer "privaten" Veranstaltung die Rede, die von "elf x-beliebigen Staatsbürgern" [den Ministerpräsidenten] vereinbart worden sei), trugen die Vorarbeiten des Konventes erheblich zum Grundgesetzentwurf des Parlamentarisches Rates bei. Gleichzeitig war der Herrenchiemseer Konvent die letzte große Einflussmöglichkeit der Ministerpräsidenten auf das Grundgesetz.

Parlamentarischer Rat

Arbeit des Rates

Verkündungsformel und Präambel des Grundgesetzes

Auf der Grundlage der binnen zwei Wochen durch den Verfassungskonvent entwickelten Grundsätze eines föderalen und demokratischen Rechtsstaats arbeitete der Parlamentarische Rat die neue Verfassung aus. Grundsätze der Mitglieder des Parlamentarischen Rates war die so genannte "Verfassung in Kurzform", nämlich, dass Bonn nicht Weimar sein (siehe Weimarer Republik) und die Verfassung einen provisorischen Charakter erhalten sollte (daher auch der Übergangsname "Grundgesetz"). Als Verfassung sollte erst eine für ganz Deutschland geltende Konstitution bezeichnet werden. Die Wiedervereinigung wurde in der Präambel als Verfassungsziel festgeschrieben und in Art. 23 GG geregelt (heute enthält der obsolet gewordene Artikel Normen über das Verhältnis zur EG/EU). Die eigentlich für den Fall der Wiedervereinigung vorgesehene Abstimmung über eine neue Verfassung fand jedoch nicht statt.

Die Mitglieder dieses Gremiums wurden häufig auch als "Väter des Grundgesetzes" bezeichnet; erst später erinnerte man sich an die Beteiligung der vier "Mütter" Elisabeth Selbert, Friederike Nadig, Helene Wessel und Helene Weber. Elisabeth Selbert hatte dabei gegen heftige Widerstände die Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) durchgesetzt.

Genehmigung und Ratifikation des Grundgesetzes

Nach zum Teil heftigen Debatten über die Lehren, die aus dem Scheitern der Weimarer Republik und dem Zweiten Weltkrieg zu ziehen sind, wurde das Grundgesetz am 8. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat angenommen. Am 12. Mai 1949 wurde es von den Militärgouverneuren der britischen, französischen und amerikanischen Besatzungszone genehmigt, allerdings mit einigen Vorbehalten.

Der Bayerische Landtag stimmte in einer Sitzung in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai 1949 mit 101 zu 63 Stimmen gegen das Grundgesetz, da eine stärkere föderale Prägung, beispielsweise eine Gleichberechtigung des Bundesrates bei der Gesetzgebung gefordert wurde. Die Verbindlichkeit des Grundgesetzes für Bayern, falls bundesweit zwei Drittel der Länder das Grundgesetz ratifizieren würden, wurde aber mit nur einer Gegenstimme akzeptiert. Somit war Bayern das einzige Bundesland, das das Grundgesetz abgelehnt hatte.

Nach der Ratifizierung durch alle anderen Bundesländer wurde das Grundgesetz am 23. Mai 1949 in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates verkündet. Es trat am 24. Mai 1949 in Kraft, damit war die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Dieses Ereignis findet sich in der Eingangsformel des GG wieder.

Wesentliche Unterschiede zur Weimarer Verfassung

Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, in der sie noch als bloße Staatszielbestimmungen ausgestaltet waren, wurden die Grundrechte fundamentale Grundlage des Grundgesetzes. Unter der Prämisse der Achtung der Menschenwürde ist nun alle staatliche Macht unmittelbar den Grundrechten verpflichtet. Art. 1 GG unterliegt - wie auch die Staatsprinzipien des Artikel 20 GG - der "Ewigkeitsgarantie" des Art. 79 Abs. 3 GG, d.h. kann auch nicht durch verfassungsändernde Mehrheit abgeschafft werden. Eine Bestimmung wie die "Reichstagsbrandverordnung" von 1933, die die Menschen- und Bürgerrechte der Verfassung außer Kraft setzt kann nicht durchgesetzt werden.

Die Stellung des Bundespräsidenten wurde erheblich geschwächt. War der Reichspräsident noch eine Art Ersatzkaiser mit weitrechenden exekutiven Befugnissen, so ist die Rolle des Bundespräsidenten zugunsten von Bundesregierung und Bundestag auf eine formal-repräsentative beschnitten worden. Im Gegensatz zum Reichspräsidenten ist es dem Bundespräsidenten aus eigener Machtfülle weder möglich den Bundestag aufzulösen noch einen Kanzler ohne Parlamentsmehrheit zu ernennen. Stattdessen sind die jeweilige Bundestagsmehrheit und die Bundesregierung stark miteinander verschränkt und voneinander abhängig, was die Stabilität der jeweiligen Regierung erhöht.

Die Stellung der Regierung wurde gestärkt. Die Bundesregierung ist nur noch vom Bundestag, statt, wie die Reichsregierung nach Weimarer Verfassung, sowohl vom Reichspräsidenten als auch vom Reichstag abhängig. Die Bundesregierung kann nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum, also die Wahl eines neuen Kanzlers, gestürzt werden. Dies sorgt für mehr Stabilität als in Weimar, in der sich rechts- und linksradikale zur Abwahl eines Kanzlers zusammenschließen konnten, ohne sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. In der Weimarer Republik war es außerdem möglich, einzelnen Ministern das Vertrauen zu entziehen.

Über die Einhaltung des Grundgesetzes wacht das Bundesverfassungsgericht, dessen Urteile Gesetzeskraft haben. Ein Gericht mit derartiger Machtfülle sah die Weimarer Verfassung nicht vor. Die Änderung des Grundgesetzes, geregelt in Artikel 79 GG, ist schwerer als eine Änderung der Weimarer Verfassung. Bei einer Änderung des Grundgesetzes muss explizit der geänderte Artikel angegeben werden. Die Weimarer Verfassung konnte auch "unbeabsichtigt" mit jedem Gesetz, das eine 2/3 Mehrheit erreichte, geändert werden. Nach Artikel 79 Absatz 3 dürfen Grundsätze aus Artikel 1 GG, Artikel 20 GG sowie Elemente der Bundesstaatlichkeit nicht abgeschafft werden. So ist nach der in Artikel 20 festgeschriebenen Gewaltenteilung ein "Ermächtigungsgesetz" wie das von 1933, das die Weimarer Verfassung de facto abschaffte, nicht möglich.

Parteien wurden - anders als in die Weimarer Verfassung - in das Grundgesetz aufgenommen. Dadurch werden Parteien offiziell als wichtige Teilnehmer an der Politik anerkannt und jede Partei muss sich zu den demokratischen Grundsätzen bekennen. In der Weimarer Republik herrschte über die Parteien ein sehr negatives Bild und sie wurden eher als Übel angesehen und sie mussten nicht auf dem Boden der Demokratie stehen, wodurch verfassungsfeindliche Parteien wie die KPD, die DNVP oder die NSDAP ungehindert politisch Einfluss nehmen konnten.

Der Bundesrat ist im Vergleich zum Reichsrat sehr stark an der Gesetzgebung beteiligt. Der Reichsrat verfügte nur über ein suspensives Veto in Gesetzesfragen.

Die Verfassung von Weimar trug dazu bei, dass die Reichswehr ein "Staat im Staate" wurde, zum Beispiel da sie offiziell jederzeit dem Reichspräsidenten unterstellt war. Laut dem Grundgesetz ist die Bundeswehr im Friedensfall dem Verteidigungsminister unterstellt. Hiermit soll gewährleistet werden, dass ein regierungstreuer Volksbeauftragter die Kontrolle über die Streitkräfte hat.

Ein plebiszitäres Element, das das Volk in der Weimarer Republik berechtigte, Gesetze zu verabschieden, ist im Grundgesetz auf Bundesebene nicht vorhanden. Da dieses Element von verfassungsfeindlichen Parteien immer wieder zu Propaganda missbraucht worden war, verzichtete man beim Grundgesetz darauf.

Fortentwicklung des Grundgesetzes seit 1949

Wesentliche Änderungen erfuhr das Grundgesetz durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht und Schaffung der Bundeswehr 1956, mit der auch die sog. Wehrverfassung implementiert wurde (u.a. Art. 12a, 17a, 45a-c, 65a, 87a-c GG). Eine weitere große Reform war die 1968 von der damaligen großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verabschiedete sog. Notstandsverfassung (insb. Art. 115a-l GG), die politisch sehr umstritten war. 1969 erfolgte ebenfalls noch eine Reform der Finanzverfassung (Art. 104a bis 115 GG). Danach gab es nur noch moderate Änderungen.

Nach der Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik entschied man sich, das Grundgesetz, das sich in Westdeutschland bewährt hatte, mit einigen wenigen Änderungen beizubehalten. Die Zustimmung zur Verfassung wurde dadurch übergangen, dass die DDR nicht dem Staat, sondern nach Art. 23 GG (alter Fassung bis 1990) dem Grundgesetz beitrat.

Inhalt

Das Grundgesetz besteht aus der Präambel, den Grundrechten (Art. 1-19, Art 38 (Wahlrecht)), dem staatsorganisatorischen Teil und den Justizgrundsätzen (Art. 103). Die Unterteilung erfolgt in Artikeln.

Das Grundgesetz legt im Abschnitt "Grundrechte" (Art. 1 - 19 GG) fest, welche Rechte jeder Bürger (Bürgerrechte, auch: "Deutschengrundrechte") und jeder Mensch (Menschenrechte) gegenüber den Trägern der Staatsgewalt hat. Das Grundgesetz legt darüber hinaus die Staatsorganisation fest und markiert grundlegende Staatsaufgaben und staatliche Handlungsformen. Die wichtigsten im Grundgesetz definierten Staatsprinzipien sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit, Bundesstaatlichkeit und Föderalismus.

Das Grundgesetz legt die wesentlichen staatlichen System- und Wertentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland fest. Dabei besteht die Maßgabe, dass der Sinngehalt der Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 20 GG (Staatliche Grundordnung ( Bundesstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und die freiheitlich-demokratische Grundordnung) sowie einige fundamentale Staatsstrukturprinzipien nicht geändert werden dürfen (Art. 79 Abs. 3 GG; sog. "Ewigkeitsklausel"). Jedoch widerspricht sich in Artikel 79 das Grundgesetz selbst: In Absatz (1) werden die Änderungsgrundlagen, also die Zweidrittelmehrheit beider legislativen Kammern, aufgeführt. Obwohl dies nicht ausdrücklich benannt wird, kann man damit davon ausgehen, dass auch Art. 79 Abs. 3 nicht geändert werden darf.

Das Grundgesetz steht im Rang über allen anderen Rechtsnormen der deutschen Gesetzgebung. Über seine Einhaltung und Auslegung wacht das Bundesverfassungsgericht.

Das Grundgesetz wurde vor allem durch die Erfahrungen der labilen Demokratie der Weimarer Republik und den Erfahrungen im Dritten Reich geprägt.

Bedeutung und Kritik

Das Grundgesetz gilt als erfolgreiches Beispiel der Redemokratisierung eines Landes und als Glücksfall der deutschen Geschichte. Dies trifft insbesondere auf die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts zu, das mit seiner Rechtsprechung die Verfassungsinterpretation und -wirklichkeit entscheidend geprägt hat. Das Bundesverfassungsgericht mit seinen weitreichenden Befugnissen war 1949 ohne Beispiel, ebenso die zentrale Bedeutung des Grundsatzes der Menschenwürde. Beide Elemente wurden mittlerweile vielfach in andere Verfassungen exportiert.

Häufig wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Entwicklung einer stabilen Demokratie weniger auf die konkrete Konzeption des Grundgesetzes, als vielmehr auf die wirtschaftliche Prosperität der Nachkriegszeit zurückgeht. Dem wird aber wieder entgegengehalten, dass sich die Wirtschaftskraft (West-)Deutschlands ohne stabile rechtliche und politische Bedingungen nicht hätte entwickeln können. Hierzu zählt insbesondere der soziale Friede, der durch das Sozialstaatsgebot und die verfassungsrechtliche Verankerung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (Art. 9 Abs. 3 GG) erreicht wurde.

Kaum bestritten wird jedenfalls, dass sich die auf Gewaltenverschränkung und -kontrolle angelegte staatsorganisationsrechtliche Struktur des Grundgesetzes bisher bewährt hat. Heute wird allerdings im Föderalismus, d. h. sowohl in den Blockademöglichkeiten des Bundesrates als auch in der Abhängigkeit der Bundesregierung von den sie tragenden Parteien und ihren Koalitionen, ein Hindernis für wirtschaftliche und soziale Reformen gesehen. Das Grundgesetz führe de facto zu einer Konsensdemokratie, die den verschärften globalen Wettbewerbsbedingungen nicht gewachsen sei. Hinter den Forderungen nach einer Reform des Grundgesetzes werden jedoch zumeist kurzfristige ökonomische Interessen vermutet und es wird deshalb zur Vorsicht geraten, die föderale Struktur oder das Verhältniswahlrecht in Frage zu stellen. Die Gefahr des Verlustes demokratischer Kontrolle und Legitimation dürfe nicht unterschätzt werden.

Reformbestrebungen fanden nach der Wiedervereinigung mit marginalen Änderungen im Grundgesetz 1994 einen - zum Teil als enttäuschend empfundenen - Abschluss. Soweit sich jedoch die Parteien einig wurden, sollte an dem bewährten Grundgesetz soweit wie möglich festgehalten werden. Eine Volksabstimmung über das für ganz Deutschland geltende (und nicht mehr nur provisorische) Grundgesetz wurde abgelehnt, obwohl dies mit dem Argument einer stärkeren Verankerung des Grundgesetzes vor allem in Ostdeutschland gefordert wurde. Auch erfolgte nicht die immer wieder geforderte Aufnahme von plebiszitären Elementen wie der Volksgesetzgebung, die in nahezu allen Länderverfassungen vorgesehen ist.

Eine Föderalismuskommission des Bundes und der Länder, die 2004 v.a. über einen neuen Zuschnitt der Gesetzgebungszuständigkeiten und der Zustimmungsbefugnisse des Bundesrates verhandelte, scheiterte.

Aufbau des Grundgesetzes mit weiterführenden Wikipedia-Artikeln

Präambel

I. Die Grundrechte

1. Menschenwürde
2. Freie Entfaltung der Persönlichkeit
3. Gleichheit und Gleichberechtigung
4. Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Kriegsdienstverweigerung
5. Freie Meinungsäußerung, Informationsfreiheit, Forschungsfreiheit
6. Ehe und Familie
7. Schulwesen
8. Versammlungsfreiheit
9. Vereinigungsfreiheit
10. Postgeheimnis, Fernmeldegeheimnis
11. Freizügigkeit
12 Berufsfreiheit
12 a. Wehrpflicht, Wehrersatzdienst
13. Unverletzlichkeit der Wohnung
14 Eigentum, Erbrecht, Enteignung
15 Sozialisierung
16 Staatsangehörigkeit, Auslieferungsverbot
16 a. Asylrecht
17 Petitionsrecht
18. Grundrechtsverwirkung
19. Einschränkung von Grundrechten, Rechtsweggarantie


II. Der Bund und die Länder

III. Der Bundestag

IV. Der Bundesrat

IV a. Gemeinsamer Ausschuss

V. Der Bundespräsident

VI. Die Bundesregierung

VII. Die Gesetzgebung des Bundes

VIII. Die Ausführung der Bundesgesetze und der Bundesverwaltung

VIII a. Gemeinschaftsaufgaben

IX. Die Rechtsprechung

X. Das Finanzwesen

X a. Verteidigungsfall

XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen

Siehe auch

Vorlage:Wikisource1

Artikel 1- 19:

Art. 79: Ewigkeitsklausel

Beteiligung an der Formulierung

Weblinks