„Zweite Marokkokrise“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K →6x fehlenden Punkt eingefügt...
Abkürzung aufgelöst: RLGW = Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke
 
(23 dazwischenliegende Versionen von 19 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:SMS Panther.gif|miniatur|Das Kanonenboot [[SMS Panther (1901)|SMS ''Panther'']]]]
[[Datei:SMS Panther.gif|mini|Das Kanonenboot ''[[Panther (Schiff, 1902)|Panther]]'']]
Die '''zweite Marokkokrise''', auch als '''Panthersprung nach Agadir''' bekannt, wurde [[1911]] durch die auf persönlichen Befehl Wilhelms II.<ref>[[Luciano Canfora]]: ''August 1914. Oder: Macht man Krieg wegen eines Attentats?'' Köln 2010, S. 36.</ref> erfolgte Entsendung<ref name="Telegramm der Admiralität 26. Juni 1911">[http://www.bundesarchiv.de/tools/docview.html?file=/imperia/md/images/abteilungen/abtma/virtuelle_ausstellung/teil_04/19_801x0_0_23.jpg Telegramm der Admiralität vom 26. Juni 1911]</ref> des deutschen Kanonenboots ''[[SMS Panther (1901)|Panther]]'' nach [[Agadir]] ausgelöst, nachdem [[Frankreich|französische]] Truppen [[Fès]] und [[Rabat]] besetzt hatten. Die am 1. Juli 1911 eingetroffene ''Panther'' wurde nach wenigen Tagen durch zwei andere deutsche Kriegsschiffe, den Kleinen Kreuzer [[SMS Berlin|SMS ''Berlin'']] und das Kanonenboot [[SMS Eber (1903)|SMS ''Eber'']], abgelöst.<ref name="Telegramm der Admiralität 28. Juni 1911">[http://www.bundesarchiv.de/tools/docview.html?file=/imperia/md/images/abteilungen/abtma/virtuelle_ausstellung/teil_04/21_801x0_0_24.jpg Telegramm der Admiralität vom 28. Juni 1911]</ref> Ziel der deutschen Aktion war die Abtretung von Kolonialgebieten Frankreichs an das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Reich]] als Gegenleistung für die Akzeptanz der französischen Herrschaft über Marokko infolge der [[Erste Marokkokrise|ersten Marokkokrise]]. Drohgebärden wie die Entsendung der ''Panther'' sollten dieser Forderung Nachdruck verleihen.
Die '''zweite Marokkokrise''',<!-- vgl. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/marokko-krise-1911.html --> auch als '''Panthersprung nach Agadir''' bekannt, wurde [[1911]] durch die auf persönlichen Befehl [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelms II.]]<ref>[[Luciano Canfora]]: ''August 1914. Oder: Macht man Krieg wegen eines Attentats?'' Köln 2010, S. 36.</ref> erfolgte Entsendung<ref name="Telegramm der Admiralität 26. Juni 1911">[http://www.bundesarchiv.de/tools/docview.html?file=/imperia/md/images/abteilungen/abtma/virtuelle_ausstellung/teil_04/19_801x0_0_23.jpg Telegramm der Admiralität vom 26. Juni 1911]</ref> des deutschen Kanonenboots ''[[Panther (Schiff, 1902)|Panther]]'' nach [[Agadir]] ausgelöst, nachdem [[Dritte Französische Republik|französische]] Truppen [[Fès]] und [[Rabat]] besetzt hatten. Die am 1. Juli 1911 eingetroffene ''Panther'' wurde nach wenigen Tagen durch zwei andere deutsche Kriegsschiffe, den Kleinen Kreuzer ''[[Berlin (Schiff, 1905)|Berlin]]'' und das Kanonenboot ''[[Eber (Schiff, 1903)|Eber]]'', abgelöst.<ref name="Telegramm der Admiralität 28. Juni 1911">[http://www.bundesarchiv.de/tools/docview.html?file=/imperia/md/images/abteilungen/abtma/virtuelle_ausstellung/teil_04/21_801x0_0_24.jpg Telegramm der Admiralität vom 28. Juni 1911]</ref> Ziel der deutschen Aktion war die Abtretung von Kolonialgebieten Frankreichs an das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Reich]] als Gegenleistung für die Akzeptanz der französischen Herrschaft über Marokko infolge der [[Erste Marokkokrise|Ersten Marokkokrise]]. Drohgebärden wie die Entsendung der ''Panther'' sollten dieser Forderung Nachdruck verleihen.


== Vorgeschichte ==
== Vorgeschichte ==
Zwischen etwa 1880 und 1914 kam es zu einem [[Wettlauf um Afrika]]: Ab dem Jahr 1880 änderte sich der europäische [[Imperialismus]]. Wurde zuvor ein „informeller“ Imperialismus, geprägt durch militärische und wirtschaftliche Überlegenheit, angewandt, kristallisierte sich um das Jahr 1880 immer mehr ein direkter Imperialismus heraus. Sein Merkmal war die direkte Einflussnahme [[Europa|europäischer Staaten]] in Angelegenheiten afrikanischer Stämme und Länder.
Zwischen etwa 1880 und 1914 kam es zu einem [[Wettlauf um Afrika]]: Ab dem Jahr 1880 änderte sich der europäische [[Imperialismus]]. Wurde zuvor ein „informeller“ Imperialismus, geprägt durch militärische und wirtschaftliche Überlegenheit, angewandt, kristallisierte sich um das Jahr 1880 immer mehr ein direkter Imperialismus heraus. Sein Merkmal war die direkte Einflussnahme [[Europa|europäischer Staaten]] in Angelegenheiten afrikanischer Stämme und Länder.


Alle Versuche, den imperialistischen Wettbewerb in geregelte Bahnen zu bringen, zum Beispiel durch die [[Kongokonferenz]], scheiterten. Die Konflikte um die afrikanischen Kolonien waren Teil des weltpolitischen Machtstrebens europäischer Regierungen und Regenten, das zum Ersten Weltkrieg führte.
Alle Versuche, den imperialistischen Wettbewerb in geregelte Bahnen zu bringen, zum Beispiel durch die [[Kongokonferenz]] in den Jahren 1884 und 1885, scheiterten. Die Konflikte um die afrikanischen Kolonien waren Teil des weltpolitischen Machtstrebens europäischer Regierungen und Regenten, das zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] führte.

Spanien erhielt mit Abschluss des französisch-spanischen Vertrags vom 27. November 1912 eine eigene Einflusszone (Zone d’influence espagnole) zugesprochen: im Norden das Küstengebiet am Mittelmeer und dem Rifgebirge sowie im Süden einen Streifen mit der Provinz [[Tarfaya]]. Spanien errichtete auf diesen Gebieten das Protektorat [[Spanisch-Marokko]] mit Tetouan als Hauptstadt.


== Ausbruch der Krise ==
== Ausbruch der Krise ==
Am 21. Mai 1911 marschierten französische Truppen unter General [[Charles Moinier]] nach Marokko ein und besetzten [[Fès]] und [[Rabat]]. Aus Paris wurde der Schritt damit begründet, es habe einen Hilferuf des Sultans [[Mulai Abd al-Hafiz]] gegeben. Dieser war in derselben Zeit in Auseinandersetzungen mit aufständischen Stämmen verwickelt. Frankreich führte an, dass es durch die Intervention einen Bürgerkrieg verhindern und die Autorität des Sultans stärken wollte. Nach dem Einmarsch der französischen Truppen dementierte der Sultan jedoch, um Hilfe gebeten zu haben und betonte, dass er sich weiterhin an die [[Algeciras-Konferenz|Algeciras-Akte]] halte. Trotzdem zeigte er sich dankbar für die Niederschlagung der gegen ihn gerichteten Aufstände. Das [[Sultanat Marokko]] war bei der Aufteilung des Osmanischen Reiches bis dahin unabhängig geblieben; es sah sich seit der Kolonisierung Algeriens aber immer stärker unter Druck aus Frankreich. Außerdem rangen deutsche und französische Rüstungskonzerne um die reichen Erzvorkommen des Landes und den damit verbundenen Waffenhandel.<ref>[[Gerd Fesser]]: ''Der Panthersprung nach Agadir. Mit dem deutschen Marineabenteuer vor Marokkos Küste begann am 1. Juli 1911 der Weg in den Ersten Weltkrieg.'' In: ''Die Zeit'', Nr. 27, 30. Juni 2011, S. 24.</ref>
Am 21. Mai 1911 marschierten französische Truppen unter General [[Charles Moinier]] nach Marokko ein und besetzten [[Fès]] und [[Rabat]]. Aus Paris wurde der Schritt damit begründet, es habe einen Hilferuf des Sultans [[Mulai Abd al-Hafiz]] gegeben. Dieser war in derselben Zeit in Auseinandersetzungen mit aufständischen Stämmen verwickelt. Frankreich führte an, dass es durch die Intervention einen Bürgerkrieg habe verhindern und die Autorität des Sultans stärken wollen. Nach dem Einmarsch der französischen Truppen dementierte der Sultan jedoch, um Hilfe gebeten zu haben, und betonte, dass er sich weiterhin an die [[Algeciras-Konferenz|Algeciras-Akte]] halte. Trotzdem zeigte er sich dankbar für die Niederschlagung der gegen ihn gerichteten Aufstände. Das [[Sultanat Marokko]] war bei der Aufteilung des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reiches]] bis dahin unabhängig geblieben; es sah sich seit der Kolonisierung Algeriens aber immer stärker unter Druck aus Frankreich. Außerdem rangen deutsche und französische Rüstungskonzerne um die reichen Erzvorkommen des Landes und den damit verbundenen Waffenhandel.<ref>[[Gerd Fesser]]: ''Der Panthersprung nach Agadir. Mit dem deutschen Marineabenteuer vor Marokkos Küste begann am 1. Juli 1911 der Weg in den Ersten Weltkrieg.'' In: ''Die Zeit'', Nr. 27, 30. Juni 2011, S. 24.</ref>


Während der französischen Aktion begann auch Spanien seine Truppen in Alarmbereitschaft zu versetzen, da sich das Königreich durch die militärische Präsenz Frankreichs im direkten Nachbarland in seinen Interessen bedroht sah.
Während der französischen Aktion begann auch Spanien, seine Truppen in Alarmbereitschaft zu versetzen, da sich das Königreich durch die militärische Präsenz Frankreichs im direkten Nachbarland in seinen Interessen bedroht sah.


== Der „Panthersprung nach Agadir“ {{Anker|Panthersprung}} ==
== Der „Panthersprung nach Agadir“ {{Anker|Panthersprung}} ==
[[Datei:Berlin vor Agadir 1911.jpg|mini|[[SMS Berlin]] vor Agadir (1911)]]
[[Datei:Berlin vor Agadir 1911.jpg|mini|Die ''[[Berlin (Schiff, 1905)|Berlin]]'' vor Agadir (1911)]]
Nun trat das Auswärtige Amt unter Staatssekretär [[Alfred von Kiderlen-Waechter]] auf den Plan. Hinter dem aggressiven Vorgehen in Marokko standen kolonial- und bündnispolitische Überlegungen des Auswärtigen Amtes. Zum einen sollte die Agadir-Aktion (ähnlich wie die [[Erste Marokkokrise]]) einen Keil zwischen die Bündnispartner Großbritannien und Frankreich treiben, zum anderen schwebten dem Staatssekretär mittelafrikanische Kompensationen vor, welche längerfristig eine Verbindung zwischen [[Deutsche Kolonie Kamerun|Deutsch-Kamerun]] und [[Deutsch-Ostafrika]] herstellen sollten.<ref>[[Emily Haber|Emily Oncken]]: ''Panthersprung nach Agadir. Die deutsche Politik während der Zweiten Marokkokrise 1911'', Düsseldorf 1981, S. 234.</ref> Im Laufe der Verhandlungen zwischen Kiderlen-Waechter und dem französischen Botschafter [[Jules Cambon]], bei denen von Anfang an Kompensationsgedanken im Vordergrund standen, sah sich die deutsche Außenpolitik zunehmend in dem Zwiespalt, sich durch tatkräftige Rhetorik Vorteile in den Verhandlungsgesprächen zu verschaffen, ohne einen Krieg, bei dem man Großbritannien an der Seite Frankreichs sah, zu provozieren.
Nun trat das deutsche [[Auswärtiges Amt|Auswärtige Amt]] unter Staatssekretär [[Alfred von Kiderlen-Waechter]] auf den Plan. Hinter dem aggressiven Vorgehen in Marokko standen kolonial- und bündnispolitische Überlegungen des Auswärtigen Amtes. Zum einen sollte die Agadir-Aktion (ähnlich wie die Erste Marokkokrise) einen Keil zwischen die Bündnispartner [[Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland|Großbritannien]] und Frankreich treiben. Zum anderen schwebten dem Staatssekretär [[Deutsch-Mittelafrika|mittelafrikanische Kompensationen]] durch die Abtretung [[Geschichte der Republik Kongo#Überblick über die Geschichte der Kongostaaten|Französisch-Kongos]] vor,<ref>Gernot Dallinger, Hans-Georg Golz, Heike Krüger, Mathias Münter-Elfner (Hrsg.): ''Schlaglichter der Weltgeschichte.'' Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, ISBN 3-89331-146-7, S.&nbsp;351.</ref> welche längerfristig eine Verbindung zwischen [[Kamerun (Kolonie)|Kamerun]] und [[Deutsch-Ostafrika]] herstellen sollten.<ref>[[Emily Haber|Emily Oncken]]: ''Panthersprung nach Agadir. Die deutsche Politik während der Zweiten Marokkokrise 1911'', Düsseldorf 1981, S. 234.</ref> Im Laufe der Verhandlungen zwischen Kiderlen-Waechter und dem französischen Botschafter [[Jules Cambon]], bei denen von Anfang an Kompensationsgedanken im Vordergrund standen, sah sich die deutsche Außenpolitik zunehmend in dem Zwiespalt, sich durch tatkräftige Rhetorik Vorteile in den Verhandlungsgesprächen zu verschaffen, ohne einen Krieg, bei dem man Großbritannien an der Seite Frankreichs sah, zu provozieren.

So verlangte das Auswärtige Amt von der SMS ''Panther'', die von Kamerun aus gerade auf dem Weg zur Grundüberholung nach Deutschland war, Agadir anzulaufen, wo sie am 1. Juli 1911 erschien.


So verlangte das Auswärtige Amt von der SMS ''Panther'', die von Kamerun aus gerade auf dem Weg zur Grundüberholung nach Deutschland war, Agadir anzulaufen, wo sie am 1. Juli 1911 erschien. In deutschen Zeitungen wurde dieses Eingreifen mit Schlagzeilen wie ''„Westmarokko deutsch!“'', ''„Hurra, eine Tat!“'' und ''„Wann werden wir marschieren?“'' enthusiastisch gefeiert.<ref>[[Golo Mann]]: ''Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts'', 1958, S. 542.</ref>
In deutschen Zeitungen wurde dieses Eingreifen mit Schlagzeilen wie ''„Westmarokko deutsch!“'', ''„Hurra, eine Tat!“'' und ''„Wann werden wir marschieren?“'' enthusiastisch gefeiert.<ref>[[Golo Mann]]: ''Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts'', 1958, S. 542.</ref> Der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-Parteivorstand dagegen rief zum Protest gegen den Imperialismus, gegen „das Treiben der Chauvinisten“ und zu Friedensdemonstrationen auf.<ref name=":0">[http://fes.imageware.de/fes/web/index.html?open=VW28153 Vorwärts: 4.7.1911, Nr. 153, Jahrgang: 28]</ref> Im September beschloss der SPD-Parteitag eine Resolution, die die Erwartung aufstellte, dass insbesondere die deutsche Arbeiterklasse jedes mögliche Mittel anwende, um einen Weltkrieg zu verhindern.<ref name=":02">Osterroth, Franz / Schuster, Dieter: ''[http://library.fes.de/fulltext/bibliothek/chronik/band1/e235e792.html Chronik der deutschen Sozialdemokratie.]'' Band 1: ''Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges.'' 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975. Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001</ref>


Die britische Regierung fragte nach dem Grund für die Anwesenheit der ''Panther'', und da eine Antwort zunächst ausblieb, erklärte Schatzkanzler [[David Lloyd George|Lloyd George]] nach Verabredung mit dem Premierminister [[Herbert Henry Asquith|Asquith]] und dem Außenminister [[Edward Grey]] am 21. Juli in [[Mansion-House-Rede#Lloyd Georges Mansion-House-Rede von 1911|einer Rede]], sein Land würde im Falle einer deutschen Herausforderung an der Seite Frankreichs stehen. Es folgten eine Probemobilmachung und die Verhängung einer Urlaubssperre für das Militär, ferner zusätzliche Kohlekäufe und die Beobachtung deutscher Kriegsschiffbewegungen in der Nordsee.<ref>Hans H. Hildebrand, Albert Röhr, Hans-Otto Steinmetz: ''Die deutschen Kriegsschiffe'', 5. Band, S. 40.</ref>
Die britische Regierung fragte nach dem Grund für die Anwesenheit der ''Panther'', und da eine Antwort zunächst ausblieb, erklärte Schatzkanzler [[David Lloyd George]] nach Verabredung mit dem Premierminister [[H. H. Asquith]] und dem Außenminister [[Edward Grey]] am 21. Juli in [[Mansion-House-Rede#Lloyd Georges Mansion-House-Rede von 1911|einer Rede]], sein Land werde im Falle einer deutschen Herausforderung an der Seite Frankreichs stehen. Es folgten eine Probemobilmachung und die Verhängung einer Urlaubssperre für das Militär, ferner zusätzliche Kohlekäufe und die Beobachtung deutscher Kriegsschiffbewegungen in der Nordsee.<ref>Hans H. Hildebrand, Albert Röhr, Hans-Otto Steinmetz: ''Die deutschen Kriegsschiffe'', 5. Band, S. 40.</ref>


[[Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland|Großbritannien]] befürchtete, wie schon während der ersten Marokkokrise, das Ziel des Deutschen Reiches sei die Errichtung einer [[Marinestützpunkt|Flottenbasis]] in [[Agadir]], um von dort aus die äußerst wichtigen britischen Seewege nach Ägypten, zum [[Sueskanal]] und nach Indien (damals [[Britisch-Indien]]) zu beherrschen. Zu dieser Zeit war das [[Deutsch-Britisches Flottenwettrüsten|deutsch-britische Wettrüsten]] in vollem Gange; die Beziehungen zwischen beiden Ländern waren sehr angespannt. Die deutsche Regierung unter [[Reichskanzler]] [[Theobald von Bethmann Hollweg]] hielt es jedoch nicht für nötig, andere Mächte dabei zu konsultieren, was zu dem Missverständnis beitrug. Zudem wollte Großbritannien nicht dabei zusehen, wie Frankreich von Deutschland im Fall einer militärischen Auseinandersetzung als eigenständige Großmacht ausgeschaltet würde. Als Folge dessen schlug sich Großbritannien auf die Seite Frankreichs, das daraufhin nicht zu den erhofften Zugeständnissen gegenüber Deutschland bereit war.
Großbritannien befürchtete, wie schon während der Ersten Marokkokrise, das Ziel des Deutschen Reiches sei die Errichtung einer [[Marinestützpunkt|Flottenbasis]] in [[Agadir]], um von dort aus die äußerst wichtigen britischen Seewege nach Ägypten, zum [[Sueskanal]] und nach Indien (damals [[Britisch-Indien]]) zu beherrschen. Zu dieser Zeit war das [[Deutsch-Britisches Flottenwettrüsten|deutsch-britische Wettrüsten]] in vollem Gange; die Beziehungen zwischen beiden Ländern waren sehr angespannt. Die deutsche Regierung unter [[Reichskanzler (Deutsches Kaiserreich)|Reichskanzler]] [[Theobald von Bethmann Hollweg]] hielt es jedoch nicht für nötig, andere Mächte dabei zu konsultieren, was zu dem Missverständnis beitrug. Zudem wollte Großbritannien nicht dabei zusehen, wie Frankreich von Deutschland im Fall einer militärischen Auseinandersetzung als eigenständige Großmacht ausgeschaltet wird. Als Folge dessen schlug sich Großbritannien auf die Seite Frankreichs, das daraufhin nicht zu den erhofften Zugeständnissen gegenüber Deutschland bereit war.


Als offizielle Begründung für die Entsendung der ''Panther'' wurde nun eine Bedrohung deutscher Firmenhäuser im Süden Marokkos („des maisons allemandes, établies au Sud du Maroc et notamment à Agadir et dans ses environs“<ref>Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871–1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, hrsg. v. Johannes Lepsius, Albrecht Mendelssohn Bartholdy, Friedrich Thimme, 29. Bd., Berlin 1927, Nr. 10578.</ref>) geltend gemacht. Ein entsprechender Hilferuf wurde auf Bestellung des Auswärtigen Amtes von der Hamburg-Marokko-Gesellschaft unter der Leitung von [[Wilhelm Regendanz]] veranlasst und lag unterzeichnet erst nach dem 1. Juli in der Wilhelmstraße vor.<ref>[[Willibald Gutsche]]: ''Monopole, Staat und Expansion vor 1914. Zum Funktionsmechanismus zwischen Industriemonopolen, Großbanken und Staatsorganen in der Außenpolitik des Deutschen Reiches 1897 bis Sommer 1914'', Berlin 1986, S. 145.</ref>
Als offizielle Begründung für die Entsendung der ''Panther'' wurde nun eine Bedrohung deutscher Firmenhäuser im Süden Marokkos („des maisons allemandes, établies au Sud du Maroc et notamment à Agadir et dans ses environs“<ref>Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871–1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, hrsg. v. Johannes Lepsius, Albrecht Mendelssohn Bartholdy, Friedrich Thimme, 29. Bd., Berlin 1927, Nr. 10578.</ref>) geltend gemacht. Ein entsprechender Hilferuf wurde auf Bestellung des Auswärtigen Amtes von der Hamburg-Marokko-Gesellschaft unter der Leitung von [[Wilhelm Regendanz]] veranlasst und lag unterzeichnet erst nach dem 1. Juli in der Wilhelmstraße vor.<ref>[[Willibald Gutsche]]: ''Monopole, Staat und Expansion vor 1914. Zum Funktionsmechanismus zwischen Industriemonopolen, Großbanken und Staatsorganen in der Außenpolitik des Deutschen Reiches 1897 bis Sommer 1914'', Berlin 1986, S. 145.</ref>


Weil die deutsche Antwort erst nach der Rede von Lloyd George eintraf und wenig überzeugend wirkte, entstand auf der ganzen Welt der Eindruck des Zurückweichens vor der britischen Drohung. Auch in Deutschland selbst wurde dieser Vorgang von vielen als Schlappe empfunden. Das seitdem isolierte Deutsche Reich drohte daraufhin immer offener mit Krieg, wollte diesen zugleich aber nicht riskieren. Darauf fing ein Teil der deutschen Öffentlichkeit an, [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II.]] Feigheit vorzuwerfen. Politiker, die einen [[Präventivkrieg]] forderten, gewannen an Einfluss.
Weil die deutsche Antwort erst nach der Rede von Lloyd George eintraf und wenig überzeugend wirkte, entstand auf der ganzen Welt der Eindruck des Zurückweichens vor der britischen Drohung. Auch in Deutschland selbst wurde dieser Vorgang von vielen als Schlappe empfunden. Das seitdem isolierte Deutsche Reich drohte daraufhin immer offener mit Krieg, wollte ihn zugleich aber nicht riskieren. Darauf begann ein Teil der deutschen Öffentlichkeit, [[Deutscher Kaiser|Kaiser]] [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] Feigheit vorzuwerfen. Politiker, die einen [[Präventivkrieg]] forderten, gewannen an Einfluss.


Die ''Panther'' lag, kurz unterbrochen durch eine Kohleaufnahme in [[Santa Cruz de Tenerife|Santa Cruz]], bis zum 25. Juli vor Agadir, ohne irgendwelche Handlungen an Land zu unternehmen. Am 4. Juli wurde sie durch den Kreuzer SMS ''Berlin'' verstärkt. Ende Juli erschien eine als Handelskarawane getarnte französische Heereseinheit und hisste die französische Flagge auf der Kaspha von Agadir. Der Kommandant der ''Berlin'', Fregattenkapitän Löhlein, bat telegraphisch um Anweisungen, die dann mit „abwarten“ beantwortet wurden. Die Angelegenheit wurde auf diplomatischem Wege geregelt und die französische Flagge wieder niedergeholt. Der Kreuzer ''Berlin'' verließ Agadir am 28. November 1911. Auch das Kanonenboot ''Eber'', das in der Zwischenzeit die ''Panther'' ersetzt hatte, wurde abgezogen.<ref>Hans H. Hildebrand, Albert Röhr, Hans-Otto Steinmetz: ''Die deutschen Kriegsschiffe''</ref>
Die ''Panther'' lag, kurz unterbrochen durch eine Kohleaufnahme in [[Santa Cruz de Tenerife|Santa Cruz]], bis zum 25. Juli vor Agadir, ohne irgendwelche Handlungen an Land zu unternehmen. Am 4. Juli wurde sie durch den Kreuzer SMS ''Berlin'' verstärkt. Ende Juli erschien eine als Handelskarawane getarnte französische Heereseinheit und hisste die französische Flagge auf der Kaspha von Agadir. Der Kommandant der ''Berlin'', Fregattenkapitän Löhlein, bat telegraphisch um Anweisungen, die dann mit „abwarten“ beantwortet wurden. Die Angelegenheit wurde auf diplomatischem Wege geregelt und die französische Flagge wieder niedergeholt. Der Kreuzer ''Berlin'' verließ Agadir am 28. November 1911. Auch das Kanonenboot ''Eber'', das in der Zwischenzeit die ''Panther'' ersetzt hatte, wurde abgezogen.<ref>Hans H. Hildebrand, Albert Röhr, Hans-Otto Steinmetz: ''Die deutschen Kriegsschiffe''</ref>


== Beilegung der Krise ==
== Beilegung der Krise ==
Die Krise wurde schließlich am 4. November 1911 mit dem [[Marokko-Kongo-Vertrag]] beigelegt, in dem das Deutsche Reich auf seine Ansprüche in [[Marokko]] verzichtete und dafür mit einem Teil der französischen Kolonie [[Französisch-Äquatorialafrika]] ([[Neukamerun]]) entschädigt wurde.
Die Krise wurde schließlich am 4. November 1911 mit dem [[Marokko-Kongo-Vertrag]] beigelegt, in dem das Deutsche Reich auf seine Ansprüche in [[Marokko]] und auf den ''[[Entenschnabel (Kamerun)|Entenschnabel]]'' verzichtete und dafür mit einem Teil der französischen Kolonie [[Französisch-Äquatorialafrika]] ([[Neukamerun]]) entschädigt wurde.


Die Gebietsgewinne waren nur ein Bruchteil dessen, was die deutsche Regierung angestrebt hatte. Durch diese Krise wurde die außenpolitische Isolation des Deutschen Reichs in Europa weiter verschärft. Das im Marokko-Kongo-Abkommen erreichte Resultat wurde in der deutschen Presse und Öffentlichkeit enttäuscht als „neues Olmütz“ aufgenommen, was sich auf die diplomatische Niederlage Preußens in der [[Olmützer Punktation]] von 1850 bezog.<ref>Klaus Wernecke: Der Wille zur Weltgeltung. Außenpolitik und Öffentlichkeit im Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Düsseldorf 1970, S. 62.</ref> Die Reichstagsdebatte mit der verteidigenden Rede Bethmann Hollwegs stand unter diesem Vorzeichen. Der Reichskanzler musste sein Zurückweichen gegen eine Mehrheit verteidigen, die es auf das Äußerste hätte ankommen lassen und der Regierung Schlappheit vorwarf. Lediglich [[August Bebel]] als Vertreter einer Partei, auf die er seine Politik nicht stützen wollte, stand ihm bei. Somit offenbarte die zweite Marokkokrise nicht nur die außenpolitische Isolation Deutschlands, sondern auch den Autoritätsschwund der kaiserlichen Obrigkeit im Inneren.<ref>[[Golo Mann]]: ''Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts'', 1958, S. 542/543.</ref> Die innenpolitischen Rückwirkungen, die von einer erfolgreichen Marokkopolitik erhofft worden waren, blieben aus, verschlechterten gar das politische Klima, sodass der „schwarz-blaue Block“ in der [[Reichstagswahl 1912]] eine herbe Niederlage erfahren musste.
Die Gebietsgewinne waren nur ein Bruchteil dessen, was die deutsche Regierung angestrebt hatte. Durch diese Krise wurde die außenpolitische Isolation des Deutschen Reichs in Europa weiter verschärft. Das im Marokko-Kongo-Abkommen erreichte Resultat wurde in der deutschen Presse und Öffentlichkeit enttäuscht als „neues Olmütz“ aufgenommen, was sich auf die diplomatische Niederlage Preußens in der [[Olmützer Punktation]] von 1850 bezog.<ref>Klaus Wernecke: Der Wille zur Weltgeltung. Außenpolitik und Öffentlichkeit im Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Düsseldorf 1970, S. 62.</ref> Die Reichstagsdebatte mit der verteidigenden Rede Bethmann Hollwegs stand unter diesem Vorzeichen. Der Reichskanzler musste sein Zurückweichen gegen eine Mehrheit verteidigen, die es auf das Äußerste hätte ankommen lassen und der Regierung Schlappheit vorwarf. Lediglich [[August Bebel]] als Vertreter einer Partei, auf die er seine Politik nicht stützen wollte, stand ihm bei. Somit offenbarte die zweite Marokkokrise nicht nur die außenpolitische Isolation Deutschlands, sondern auch den Autoritätsschwund der kaiserlichen Obrigkeit im Inneren.<ref>[[Golo Mann]]: ''Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts'', 1958, S. 542/543.</ref> Die innenpolitischen Rückwirkungen, die von einer erfolgreichen Marokkopolitik erhofft worden waren, blieben aus, verschlechterten gar das politische Klima, sodass der „schwarz-blaue Block“ in der [[Reichstagswahl 1912]] eine herbe Niederlage erfahren musste.


1912 verlor Marokko im [[Vertrag von Fès]] seine Souveränität an Frankreich.
1912 verlor Marokko im [[Vertrag von Fès]] seine Souveränität an Frankreich und ging im Protektorat [[Französisch-Marokko]] auf.
[[Spanien]] erhielt mit Abschluss des französisch-spanischen Vertrags vom 27. November 1912 eine eigene Einflusszone (Zone d’influence espagnole) zugesprochen: im Norden das Küstengebiet am Mittelmeer und dem Rifgebirge sowie im Süden einen Streifen mit der Provinz [[Tarfaya]]. Spanien errichtete auf diesen Gebieten das Protektorat [[Spanisch-Marokko]] mit [[Tétouan]] als Hauptstadt.
Frankreich errichtete das Protektorat [[Französisch-Marokko]].


== Protestkundgebungen in Europa ==
== Protestkundgebungen in Europa ==
Die zweite Marokkokrise war der bis dahin gefährlichste Konflikt zwischen den europäischen Mächten. Vielen Menschen war die Gefahr eines Weltkrieges bewusst und entsprechend regte sich vielfältiger Protest. In den meisten europäischen Ländern gingen massenhaft Menschen auf die Straßen oder versammelten sich in großen Sälen, um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Neben bürgerlichen [[Pazifist]]en und liberalen Rüstungsgegnern waren die wichtigste Akteure dieser Proteste die europäische Sozialdemokratie und in vielen Ländern auch die Gewerkschaftsbewegung. In Paris und anderen französischen Städten fanden regelmäßig Kundgebungen, Demonstrationen und Versammlungen statt. Demonstrativ wurden Gewerkschafter oder Vertreter der jeweiligen sozialdemokratischen oder Arbeiterparteien aus den in den Konflikt involvierten Ländern eingeladen. Auch im Vereinigten Königreich versammelten sich in zahlreichen Städten Menschen, um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Hier fiel die Marokkokrise allerdings in eine für das Land ungekannte Phase radikalisierter Arbeitskämpfe, die sogar den Einsatz des Militärs zur Folge hatten. Am 13. August kamen mehrere Tausend Menschen auf dem Londoner [[Trafalgar Square]] zusammen und hielten gemeinsam mit gerade anwesenden französischen Arbeitern eine Kundgebung ab.
Die Zweite Marokkokrise war der bis dahin gefährlichste Konflikt zwischen den europäischen Mächten. Vielen Menschen war die Gefahr eines großen Krieges bewusst und entsprechend regte sich vielfältiger Protest. In den meisten europäischen Ländern gingen massenhaft Menschen auf die Straßen oder versammelten sich in großen Sälen, um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Neben bürgerlichen [[Pazifist]]en und liberalen Rüstungsgegnern waren die wichtigste Akteure dieser Proteste die europäische Sozialdemokratie und in vielen Ländern auch die Gewerkschaftsbewegung. In Paris und anderen französischen Städten fanden regelmäßig Kundgebungen, Demonstrationen und Versammlungen statt. Demonstrativ wurden Gewerkschafter oder Vertreter der jeweiligen sozialdemokratischen oder Arbeiterparteien aus den in den Konflikt involvierten Ländern eingeladen. Auch im Vereinigten Königreich versammelten sich in zahlreichen Städten Menschen, um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Hier fiel die Marokkokrise allerdings in eine für das Land ungekannte Phase radikalisierter Arbeitskämpfe, die sogar den Einsatz des Militärs zur Folge hatten. Am 13. August kamen mehrere Tausend Menschen auf dem Londoner [[Trafalgar Square]] zusammen und hielten gemeinsam mit gerade anwesenden französischen Arbeitern eine Kundgebung ab.


Die größten Kundgebungen fanden derweil in Deutschland statt, wo mit der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] die mitgliederstärkste sozialistische Arbeiterpartei der Welt existierte. Allerdings tat sich der Parteivorstand lange Zeit schwer, überhaupt eine Stellungnahme zum Konflikt zu veröffentlichen oder zu Protesten aufzurufen. So weigerte sich die SPD-Führung, eine Sondersitzung des ISB (Internationales Sozialistisches Büro, Einrichtung der sozialistischen Zweiten Internationale) einzuberufen. Dieses Verhalten wurde vor allem von [[Rosa Luxemburg]] und vom linken Parteiflügel mit Hilfe der ''[[Leipziger Volkszeitung]]'' äußerst scharf kritisiert, was den Vorstand, nach heftigen Angriffen auf die Parteilinke um Luxemburg, schließlich dazu bewog, massenhaft zu Protestveranstaltungen zu mobilisieren.<ref>''Kleinbürgerliche oder proletarische Weltpolitik?'' in: RLGW 3, S. 26–31; ''Unser Marokkoflugblatt'', in: RLGW 3, S. 32–36.</ref> Im gesamten August fanden praktisch täglich in vielen Orten massenhaft besuchte Protestversammlungen statt – die größte von ihnen am 3. September in Berlin. Hier versammelten sich mehr als 200.000 Menschen im [[Treptower Park]], um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Diese Demonstration war damit wohl die größte, die bis dahin weltweit stattgefunden hatte.<ref>[[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]], 4. September 1911.</ref>
Die größten Kundgebungen fanden derweil in Deutschland statt, wo mit der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] die mitgliederstärkste sozialistische Arbeiterpartei der Welt existierte. Allerdings tat sich der Parteivorstand lange Zeit schwer, überhaupt eine Stellungnahme zum Konflikt zu veröffentlichen oder zu Protesten aufzurufen. So weigerte sich die SPD-Führung, eine Sondersitzung des ISB (Internationales Sozialistisches Büro, Einrichtung der sozialistischen Zweiten Internationale) einzuberufen. Dieses Verhalten wurde vor allem von [[Rosa Luxemburg]] und vom linken Parteiflügel mit Hilfe der ''[[Leipziger Volkszeitung]]'' äußerst scharf kritisiert, was den Vorstand, nach heftigen Angriffen auf die Parteilinke um Luxemburg, schließlich dazu bewog, massenhaft zu Protestveranstaltungen zu mobilisieren.<ref>''Kleinbürgerliche oder proletarische Weltpolitik?'' In: dies: ''Gesammelte Werke'' (RLGW), Bd. 3, S. 26–31; ''Unser Marokkoflugblatt''. In: RLGW, Bd. 3, S. 32–36.</ref> Im gesamten August fanden praktisch täglich in vielen Orten massenhaft besuchte Protestversammlungen statt – die größte von ihnen am 3. September in Berlin. Hier versammelten sich mehr als 200.000 Menschen im [[Treptower Park]], um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Diese Demonstration war damit wohl die größte, die bis dahin weltweit stattgefunden hatte.<ref>[[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]], 4. September 1911.</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
* Thomas Meyer: ''Endlich eine Tat, eine befreiende Tat...: Alfred von Kiderlen-Wächters "Panthersprung nach Agadir" unter dem Druck der öffentlichen Meinung''. (Historische Studien) Matthiesen-Verlag, Husum 1996 (Dissertation, [[Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf|HHU Düsseldorf]])<ref>[http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00022453/afs-1999-768.pdf Rezension] (pdf) von [[Rolf-Ulrich Kunze]]</ref>
* Thomas Meyer: ''Endlich eine Tat, eine befreiende Tat...: Alfred von Kiderlen-Wächters „Panthersprung nach Agadir“ unter dem Druck der öffentlichen Meinung.'' (Historische Studien) Matthiesen-Verlag, Husum 1996 (Dissertation, [[Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf|HHU Düsseldorf]]).<ref>[http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00022453/afs-1999-768.pdf Rezension] (PDF; 561&nbsp;kB) von [[Rolf-Ulrich Kunze]]</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
Zeile 52: Zeile 52:


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/aussenpolitik/marokko2/ Christian Preuße: ''Die zweite Marokko-Krise 1911''] im [[Deutsches Historisches Museum#LeMO|LeMO]] ([[Deutsches Historisches Museum]] und [[Haus der Geschichte]])
* [http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/aussenpolitik/marokko2/ Christian Preuße: ''Die zweite Marokko-Krise 1911''] im [[Deutsches Historisches Museum#Lebendiges Museum Online (LeMO)|LeMO]] ([[Deutsches Historisches Museum]] und [[Haus der Geschichte]])
* [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/1434487/ Konstantin Sakkas: ''Der Panthersprung nach Agadir'']. ''Kalenderblatt'' des [[Deutschlandfunk]] vom 19. April 2011.
* [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/1434487/ Konstantin Sakkas: ''Der Panthersprung nach Agadir'']. ''Kalenderblatt'' des [[Deutschlandfunk]] vom 19. April 2011.
* [[Gerd Fesser]]: ''[http://www.zeit.de/2011/27/Panthersprung/komplettansicht Der Panthersprung nach Agadir]''. In: [[Die Zeit|Zeit Online]], 1. Juli 2011.
* [[Gerd Fesser]]: ''[http://www.zeit.de/2011/27/Panthersprung/komplettansicht Der Panthersprung nach Agadir]''. In: [[Die Zeit|Zeit Online]], 1. Juli 2011.
Zeile 69: Zeile 69:
[[Kategorie:Agadir]]
[[Kategorie:Agadir]]
[[Kategorie:Deutsche Kolonialgeschichte (Afrika)]]
[[Kategorie:Deutsche Kolonialgeschichte (Afrika)]]
[[Kategorie:Kolonialgeschichte (Marokko)]]
[[Kategorie:Deutsche Kolonialgeschichte (Kaiserreich)]]

Aktuelle Version vom 4. Dezember 2023, 18:28 Uhr

Das Kanonenboot Panther

Die zweite Marokkokrise, auch als Panthersprung nach Agadir bekannt, wurde 1911 durch die auf persönlichen Befehl Wilhelms II.[1] erfolgte Entsendung[2] des deutschen Kanonenboots Panther nach Agadir ausgelöst, nachdem französische Truppen Fès und Rabat besetzt hatten. Die am 1. Juli 1911 eingetroffene Panther wurde nach wenigen Tagen durch zwei andere deutsche Kriegsschiffe, den Kleinen Kreuzer Berlin und das Kanonenboot Eber, abgelöst.[3] Ziel der deutschen Aktion war die Abtretung von Kolonialgebieten Frankreichs an das Deutsche Reich als Gegenleistung für die Akzeptanz der französischen Herrschaft über Marokko infolge der Ersten Marokkokrise. Drohgebärden wie die Entsendung der Panther sollten dieser Forderung Nachdruck verleihen.

Vorgeschichte

Zwischen etwa 1880 und 1914 kam es zu einem Wettlauf um Afrika: Ab dem Jahr 1880 änderte sich der europäische Imperialismus. Wurde zuvor ein „informeller“ Imperialismus, geprägt durch militärische und wirtschaftliche Überlegenheit, angewandt, kristallisierte sich um das Jahr 1880 immer mehr ein direkter Imperialismus heraus. Sein Merkmal war die direkte Einflussnahme europäischer Staaten in Angelegenheiten afrikanischer Stämme und Länder.

Alle Versuche, den imperialistischen Wettbewerb in geregelte Bahnen zu bringen, zum Beispiel durch die Kongokonferenz in den Jahren 1884 und 1885, scheiterten. Die Konflikte um die afrikanischen Kolonien waren Teil des weltpolitischen Machtstrebens europäischer Regierungen und Regenten, das zum Ersten Weltkrieg führte.

Ausbruch der Krise

Am 21. Mai 1911 marschierten französische Truppen unter General Charles Moinier nach Marokko ein und besetzten Fès und Rabat. Aus Paris wurde der Schritt damit begründet, es habe einen Hilferuf des Sultans Mulai Abd al-Hafiz gegeben. Dieser war in derselben Zeit in Auseinandersetzungen mit aufständischen Stämmen verwickelt. Frankreich führte an, dass es durch die Intervention einen Bürgerkrieg habe verhindern und die Autorität des Sultans stärken wollen. Nach dem Einmarsch der französischen Truppen dementierte der Sultan jedoch, um Hilfe gebeten zu haben, und betonte, dass er sich weiterhin an die Algeciras-Akte halte. Trotzdem zeigte er sich dankbar für die Niederschlagung der gegen ihn gerichteten Aufstände. Das Sultanat Marokko war bei der Aufteilung des Osmanischen Reiches bis dahin unabhängig geblieben; es sah sich seit der Kolonisierung Algeriens aber immer stärker unter Druck aus Frankreich. Außerdem rangen deutsche und französische Rüstungskonzerne um die reichen Erzvorkommen des Landes und den damit verbundenen Waffenhandel.[4]

Während der französischen Aktion begann auch Spanien, seine Truppen in Alarmbereitschaft zu versetzen, da sich das Königreich durch die militärische Präsenz Frankreichs im direkten Nachbarland in seinen Interessen bedroht sah.

Der „Panthersprung nach Agadir“

Die Berlin vor Agadir (1911)

Nun trat das deutsche Auswärtige Amt unter Staatssekretär Alfred von Kiderlen-Waechter auf den Plan. Hinter dem aggressiven Vorgehen in Marokko standen kolonial- und bündnispolitische Überlegungen des Auswärtigen Amtes. Zum einen sollte die Agadir-Aktion (ähnlich wie die Erste Marokkokrise) einen Keil zwischen die Bündnispartner Großbritannien und Frankreich treiben. Zum anderen schwebten dem Staatssekretär mittelafrikanische Kompensationen durch die Abtretung Französisch-Kongos vor,[5] welche längerfristig eine Verbindung zwischen Kamerun und Deutsch-Ostafrika herstellen sollten.[6] Im Laufe der Verhandlungen zwischen Kiderlen-Waechter und dem französischen Botschafter Jules Cambon, bei denen von Anfang an Kompensationsgedanken im Vordergrund standen, sah sich die deutsche Außenpolitik zunehmend in dem Zwiespalt, sich durch tatkräftige Rhetorik Vorteile in den Verhandlungsgesprächen zu verschaffen, ohne einen Krieg, bei dem man Großbritannien an der Seite Frankreichs sah, zu provozieren.

So verlangte das Auswärtige Amt von der SMS Panther, die von Kamerun aus gerade auf dem Weg zur Grundüberholung nach Deutschland war, Agadir anzulaufen, wo sie am 1. Juli 1911 erschien.

In deutschen Zeitungen wurde dieses Eingreifen mit Schlagzeilen wie „Westmarokko deutsch!“, „Hurra, eine Tat!“ und „Wann werden wir marschieren?“ enthusiastisch gefeiert.[7] Der SPD-Parteivorstand dagegen rief zum Protest gegen den Imperialismus, gegen „das Treiben der Chauvinisten“ und zu Friedensdemonstrationen auf.[8] Im September beschloss der SPD-Parteitag eine Resolution, die die Erwartung aufstellte, dass insbesondere die deutsche Arbeiterklasse jedes mögliche Mittel anwende, um einen Weltkrieg zu verhindern.[9]

Die britische Regierung fragte nach dem Grund für die Anwesenheit der Panther, und da eine Antwort zunächst ausblieb, erklärte Schatzkanzler David Lloyd George nach Verabredung mit dem Premierminister H. H. Asquith und dem Außenminister Edward Grey am 21. Juli in einer Rede, sein Land werde im Falle einer deutschen Herausforderung an der Seite Frankreichs stehen. Es folgten eine Probemobilmachung und die Verhängung einer Urlaubssperre für das Militär, ferner zusätzliche Kohlekäufe und die Beobachtung deutscher Kriegsschiffbewegungen in der Nordsee.[10]

Großbritannien befürchtete, wie schon während der Ersten Marokkokrise, das Ziel des Deutschen Reiches sei die Errichtung einer Flottenbasis in Agadir, um von dort aus die äußerst wichtigen britischen Seewege nach Ägypten, zum Sueskanal und nach Indien (damals Britisch-Indien) zu beherrschen. Zu dieser Zeit war das deutsch-britische Wettrüsten in vollem Gange; die Beziehungen zwischen beiden Ländern waren sehr angespannt. Die deutsche Regierung unter Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg hielt es jedoch nicht für nötig, andere Mächte dabei zu konsultieren, was zu dem Missverständnis beitrug. Zudem wollte Großbritannien nicht dabei zusehen, wie Frankreich von Deutschland im Fall einer militärischen Auseinandersetzung als eigenständige Großmacht ausgeschaltet wird. Als Folge dessen schlug sich Großbritannien auf die Seite Frankreichs, das daraufhin nicht zu den erhofften Zugeständnissen gegenüber Deutschland bereit war.

Als offizielle Begründung für die Entsendung der Panther wurde nun eine Bedrohung deutscher Firmenhäuser im Süden Marokkos („des maisons allemandes, établies au Sud du Maroc et notamment à Agadir et dans ses environs“[11]) geltend gemacht. Ein entsprechender Hilferuf wurde auf Bestellung des Auswärtigen Amtes von der Hamburg-Marokko-Gesellschaft unter der Leitung von Wilhelm Regendanz veranlasst und lag unterzeichnet erst nach dem 1. Juli in der Wilhelmstraße vor.[12]

Weil die deutsche Antwort erst nach der Rede von Lloyd George eintraf und wenig überzeugend wirkte, entstand auf der ganzen Welt der Eindruck des Zurückweichens vor der britischen Drohung. Auch in Deutschland selbst wurde dieser Vorgang von vielen als Schlappe empfunden. Das seitdem isolierte Deutsche Reich drohte daraufhin immer offener mit Krieg, wollte ihn zugleich aber nicht riskieren. Darauf begann ein Teil der deutschen Öffentlichkeit, Kaiser Wilhelm II. Feigheit vorzuwerfen. Politiker, die einen Präventivkrieg forderten, gewannen an Einfluss.

Die Panther lag, kurz unterbrochen durch eine Kohleaufnahme in Santa Cruz, bis zum 25. Juli vor Agadir, ohne irgendwelche Handlungen an Land zu unternehmen. Am 4. Juli wurde sie durch den Kreuzer SMS Berlin verstärkt. Ende Juli erschien eine als Handelskarawane getarnte französische Heereseinheit und hisste die französische Flagge auf der Kaspha von Agadir. Der Kommandant der Berlin, Fregattenkapitän Löhlein, bat telegraphisch um Anweisungen, die dann mit „abwarten“ beantwortet wurden. Die Angelegenheit wurde auf diplomatischem Wege geregelt und die französische Flagge wieder niedergeholt. Der Kreuzer Berlin verließ Agadir am 28. November 1911. Auch das Kanonenboot Eber, das in der Zwischenzeit die Panther ersetzt hatte, wurde abgezogen.[13]

Beilegung der Krise

Die Krise wurde schließlich am 4. November 1911 mit dem Marokko-Kongo-Vertrag beigelegt, in dem das Deutsche Reich auf seine Ansprüche in Marokko und auf den Entenschnabel verzichtete und dafür mit einem Teil der französischen Kolonie Französisch-Äquatorialafrika (Neukamerun) entschädigt wurde.

Die Gebietsgewinne waren nur ein Bruchteil dessen, was die deutsche Regierung angestrebt hatte. Durch diese Krise wurde die außenpolitische Isolation des Deutschen Reichs in Europa weiter verschärft. Das im Marokko-Kongo-Abkommen erreichte Resultat wurde in der deutschen Presse und Öffentlichkeit enttäuscht als „neues Olmütz“ aufgenommen, was sich auf die diplomatische Niederlage Preußens in der Olmützer Punktation von 1850 bezog.[14] Die Reichstagsdebatte mit der verteidigenden Rede Bethmann Hollwegs stand unter diesem Vorzeichen. Der Reichskanzler musste sein Zurückweichen gegen eine Mehrheit verteidigen, die es auf das Äußerste hätte ankommen lassen und der Regierung Schlappheit vorwarf. Lediglich August Bebel als Vertreter einer Partei, auf die er seine Politik nicht stützen wollte, stand ihm bei. Somit offenbarte die zweite Marokkokrise nicht nur die außenpolitische Isolation Deutschlands, sondern auch den Autoritätsschwund der kaiserlichen Obrigkeit im Inneren.[15] Die innenpolitischen Rückwirkungen, die von einer erfolgreichen Marokkopolitik erhofft worden waren, blieben aus, verschlechterten gar das politische Klima, sodass der „schwarz-blaue Block“ in der Reichstagswahl 1912 eine herbe Niederlage erfahren musste.

1912 verlor Marokko im Vertrag von Fès seine Souveränität an Frankreich und ging im Protektorat Französisch-Marokko auf. Spanien erhielt mit Abschluss des französisch-spanischen Vertrags vom 27. November 1912 eine eigene Einflusszone (Zone d’influence espagnole) zugesprochen: im Norden das Küstengebiet am Mittelmeer und dem Rifgebirge sowie im Süden einen Streifen mit der Provinz Tarfaya. Spanien errichtete auf diesen Gebieten das Protektorat Spanisch-Marokko mit Tétouan als Hauptstadt.

Protestkundgebungen in Europa

Die Zweite Marokkokrise war der bis dahin gefährlichste Konflikt zwischen den europäischen Mächten. Vielen Menschen war die Gefahr eines großen Krieges bewusst und entsprechend regte sich vielfältiger Protest. In den meisten europäischen Ländern gingen massenhaft Menschen auf die Straßen oder versammelten sich in großen Sälen, um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Neben bürgerlichen Pazifisten und liberalen Rüstungsgegnern waren die wichtigste Akteure dieser Proteste die europäische Sozialdemokratie und in vielen Ländern auch die Gewerkschaftsbewegung. In Paris und anderen französischen Städten fanden regelmäßig Kundgebungen, Demonstrationen und Versammlungen statt. Demonstrativ wurden Gewerkschafter oder Vertreter der jeweiligen sozialdemokratischen oder Arbeiterparteien aus den in den Konflikt involvierten Ländern eingeladen. Auch im Vereinigten Königreich versammelten sich in zahlreichen Städten Menschen, um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Hier fiel die Marokkokrise allerdings in eine für das Land ungekannte Phase radikalisierter Arbeitskämpfe, die sogar den Einsatz des Militärs zur Folge hatten. Am 13. August kamen mehrere Tausend Menschen auf dem Londoner Trafalgar Square zusammen und hielten gemeinsam mit gerade anwesenden französischen Arbeitern eine Kundgebung ab.

Die größten Kundgebungen fanden derweil in Deutschland statt, wo mit der SPD die mitgliederstärkste sozialistische Arbeiterpartei der Welt existierte. Allerdings tat sich der Parteivorstand lange Zeit schwer, überhaupt eine Stellungnahme zum Konflikt zu veröffentlichen oder zu Protesten aufzurufen. So weigerte sich die SPD-Führung, eine Sondersitzung des ISB (Internationales Sozialistisches Büro, Einrichtung der sozialistischen Zweiten Internationale) einzuberufen. Dieses Verhalten wurde vor allem von Rosa Luxemburg und vom linken Parteiflügel mit Hilfe der Leipziger Volkszeitung äußerst scharf kritisiert, was den Vorstand, nach heftigen Angriffen auf die Parteilinke um Luxemburg, schließlich dazu bewog, massenhaft zu Protestveranstaltungen zu mobilisieren.[16] Im gesamten August fanden praktisch täglich in vielen Orten massenhaft besuchte Protestversammlungen statt – die größte von ihnen am 3. September in Berlin. Hier versammelten sich mehr als 200.000 Menschen im Treptower Park, um gegen die Kriegsgefahr zu protestieren. Diese Demonstration war damit wohl die größte, die bis dahin weltweit stattgefunden hatte.[17]

Literatur

  • Thomas Meyer: Endlich eine Tat, eine befreiende Tat...: Alfred von Kiderlen-Wächters „Panthersprung nach Agadir“ unter dem Druck der öffentlichen Meinung. (Historische Studien) Matthiesen-Verlag, Husum 1996 (Dissertation, HHU Düsseldorf).[18]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Luciano Canfora: August 1914. Oder: Macht man Krieg wegen eines Attentats? Köln 2010, S. 36.
  2. Telegramm der Admiralität vom 26. Juni 1911
  3. Telegramm der Admiralität vom 28. Juni 1911
  4. Gerd Fesser: Der Panthersprung nach Agadir. Mit dem deutschen Marineabenteuer vor Marokkos Küste begann am 1. Juli 1911 der Weg in den Ersten Weltkrieg. In: Die Zeit, Nr. 27, 30. Juni 2011, S. 24.
  5. Gernot Dallinger, Hans-Georg Golz, Heike Krüger, Mathias Münter-Elfner (Hrsg.): Schlaglichter der Weltgeschichte. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, ISBN 3-89331-146-7, S. 351.
  6. Emily Oncken: Panthersprung nach Agadir. Die deutsche Politik während der Zweiten Marokkokrise 1911, Düsseldorf 1981, S. 234.
  7. Golo Mann: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 1958, S. 542.
  8. Vorwärts: 4.7.1911, Nr. 153, Jahrgang: 28
  9. Osterroth, Franz / Schuster, Dieter: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Band 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975. Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
  10. Hans H. Hildebrand, Albert Röhr, Hans-Otto Steinmetz: Die deutschen Kriegsschiffe, 5. Band, S. 40.
  11. Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871–1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, hrsg. v. Johannes Lepsius, Albrecht Mendelssohn Bartholdy, Friedrich Thimme, 29. Bd., Berlin 1927, Nr. 10578.
  12. Willibald Gutsche: Monopole, Staat und Expansion vor 1914. Zum Funktionsmechanismus zwischen Industriemonopolen, Großbanken und Staatsorganen in der Außenpolitik des Deutschen Reiches 1897 bis Sommer 1914, Berlin 1986, S. 145.
  13. Hans H. Hildebrand, Albert Röhr, Hans-Otto Steinmetz: Die deutschen Kriegsschiffe
  14. Klaus Wernecke: Der Wille zur Weltgeltung. Außenpolitik und Öffentlichkeit im Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Düsseldorf 1970, S. 62.
  15. Golo Mann: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 1958, S. 542/543.
  16. Kleinbürgerliche oder proletarische Weltpolitik? In: dies: Gesammelte Werke (RLGW), Bd. 3, S. 26–31; Unser Marokkoflugblatt. In: RLGW, Bd. 3, S. 32–36.
  17. Vorwärts, 4. September 1911.
  18. Rezension (PDF; 561 kB) von Rolf-Ulrich Kunze