Uniter

„Uniter e. V.“ (lat. „Uniter“: „in eins verbunden“) ist ein 2016 in Stuttgart gegründeter Verein, der sich nach eigenen Angaben um die Kontaktpflege unter ehemaligen und aktiven Angehörigen von Sicherheitskräften sowie um deren Weiterbildung kümmert. Er steht im Verdacht, Teil des rechtsextremen „Hannibal“-Netzwerks zu sein. Zudem soll Uniter die Ausbildung der Nationalpolizei auf den autokratisch regierten Philippinen unterstützen.

Der Verein bestreitet Bezüge zu Rechtsextremisten und bezeichnet sich als überparteiliches und unpolitisches Netzwerk, dessen Mitglieder sich alle dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet fühlten.[1]

Erstgründung 2012

Laut rund einjähriger Recherchen der taz gründete der Bundeswehrsoldat Andre S. (Pseudonym „Hannibal“) erstmals 2012 in Halle (Saale) einen Verein namens Uniter. Der Zweck war, Elitesoldaten, Polizisten und Personenschützer verschiedener Bundesländer miteinander zu vernetzen. Zudem sollte der Verein Soldaten der Bundeswehreliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) eine Berufsversicherung ermöglichen. Dazu hatte sich der Gründer zuvor mit einem Versicherungsfachmann aus Halle beraten.

Weil ein Mitgründer sich als früheres Mitglied der DDR-Staatssicherheit herausstellte, zerstritt sich die Gründungsgruppe und löste den Verein wieder auf. Dieser blieb aus unbekanntem Grund jedoch regis­triert.[2]

Bis zu seiner Auflösung hatte der erste Verein etwa 40 Mitglieder. Darunter waren einige Bekannte von André S. aus einer Freimaurerloge, die sich mit Versicherungsbürokratie auskannten. Sie sollten KSK-Soldaten über den Verein eine billigere Versicherung ermöglichen. Formal blieb der Verein noch bis in das Jahr 2019 hinein eingetragen.[3]

Zweitgründung 2016

Ab 2015 gründete André S. mehrere Chatgruppen im Messengerdienst Telegram für Prepper, die Vorräte anlegen, um einen erwarteten Zusammenbruch der staatlichen Ordnung an einem „Tag X“ zu überleben. Diesen nach Regionen (Nord, Süd, Ost, West, Österreich, Schweiz) gegliederten Gruppen, dem „Hannibal“-Netzwerk, gehörten aktive Soldaten, Reservisten, Kriminalpolizisten, SEK-Beamte, Anwälte, Feuerwehrleute und andere an. In ihren Chats besprachen sie auch rechtsextreme Pläne, als Gegner eingestufte linksgerichtete Politiker, Aktivisten und Personen festzusetzen und zu töten. Zur Chatgruppe Süd gehörte Franco A., dessen Festnahme die Terrorermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten 2017 auslöste. Danach schloss André S. seine Chatgruppen.

Im Sommer 2016 hatte er in Stuttgart Uniter e.V. erneut gegründet. Der Verein erhielt einen neuen Vorstand und ist ebenso gegliedert wie das Hannibal-Netz.[2] Er ist nach eigenen Angaben gemeinnützig.

Mitglieder

Der Verein gab bis Ende 2019 eine Gesamtzahl von rund 2000 Mitgliedern an. Die tatsächliche Zahl wird weit niedriger eingeschätzt, etwa weil bei der Jahreshauptversammlung 2018 laut Protokoll nur sechs von sieben ordentlichen Mitgliedern als anwesend vermerkt wurden.[3]

Vom Haller Vorläuferverein blieb nur ein Bundeswehrkamerad von André S. dabei. Für die Stuttgarter Neugründung gewann er wieder Soldaten, Polizisten und Freimaurer. Vorstandsvorsitzender wurde Ringo M., damals Mitarbeiter im Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg.[3] Ringo M. stammt aus Eisenach und war der Vorgesetzte der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter. Sie soll sich mehrfach über ihren Truppführer beschwert haben. Am 25. April 2007 wurde sie beim Polizistenmord von Heilbronn getötet. Die unbekannten Täter werden der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund zugerechnet. Im März 2019 wollte der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag Thüringens Ringo M. zu seinem Verhältnis zu Kiesewetter vernehmen.[1]

Zum Uniter-Vorstand gehörte bis 2017 auch ein CDU-Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg. Bis Ende 2018 waren nach Mitgliederlisten, Ermittlungsunterlagen und taz-Recherchen mindestens zwölf Mitglieder des „Hannibal“-Netzes auch bei Uniter aktiv. In ihren Gesprächen setzten sie die Uniter-Strukturen mit den Chatgruppen gleich. Gegen sechs davon wurde im Zuge der Terrorermittlungen zu Rechtsextremisten in der Bundeswehr 2017 ermittelt. Zu den Vereinsmitgliedern gehörten ein Personenschützer des Deutschen Fußballbundes für die Deutsche Fußballnationalmannschaft, der Sicherheitschef des Autovermieters Sixt und ein leitender Mitarbeiter des Rüstungsunternehmens Diehl Defence zum Verein. Dieser soll an einem Sicherheitskonzept für eine Reise von Mitarbeitern des Unternehmens nach Saudi-Arabien mitgewirkt haben. Das Unternehmen bestritt jedoch jede aktuelle Zusammenarbeit mit Uniter.[2]

Nach einem Bericht der Zeitung derStandard.at vom 15. März 2019 verlinkte auch Brenton Tarrant, der beim Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch 51 Menschen ermordet hatte, auf das Umfeld von Uniter.[4]

Im Dezember 2019 stellte sich heraus, dass auch drei CDU-Politiker aus Sachsen-Anhalt Vereinsmitglieder waren oder sind. Der CDU-Kommunalpolitiker Robert Möritz trug das Vereinssymbol auf einem Profilfoto. Daraufhin wurde auch seine frühere Nähe zum Neonazismus aufgedeckt. Er gab an, er sei bis zum 15. Dezember 2019 aus Uniter ausgetreten, gehört aber weiterhin zum „konservativem Kreis“ in der Landes-CDU. Diese lehnte es ab, ihn auszuschließen, und löste damit eine Krise in der regierenden Kenia-Koalition im Landtag aus.[5]

Nach Presseberichten gehörte bis Mitte Dezember 2019 auch Kai Mehliß zu Uniter. Er ist Beisitzer im CDU-Kreisvorstand in Anhalt-Bitterfeld und wie Robert Möritz aktives Mitglied des „Konservativen Kreises“. Ferner ist er Oberstleutnant der Reserve und Vorsitzender einer Freimaurerloge in Bernburg (Saale). Er besaß eine Uniter-Mailadresse für Vereinsfunktionäre. In seinem Wohnsitz in Bernburg fand Anfang Dezember ein Regionaltreffen des Vereins statt, genannt „Security Round Table Sachsen-Anhalt“. Dort sollen Aktivitäten für 2020 geplant worden sein. Nach Angaben der CDU Sachsen-Anhalt trat Mehliß infolge der Berichte und auf internen Druck hin aus Uniter aus. Dabei gab der Verein nach Eigenangaben einer „außerordentlichen Kündigung“ statt. Laut taz benutzt Mehliß jedoch weiter seine Uniter-Mailadresse.[3]

Laut dem Registereintrag des Amtsgerichts Stendal gründete Theodor Schöpfel, bis 2019 CDU-Stadtrat in Sandersdorf-Brehna, im Juni 2012 den ersten Uniter-Verein in Halle mit und wurde einstimmig zum zweiten Vorsitzenden gewählt. Der Vorsitzende kam aus Gerbstedt im Südharz, der dritte Vorsitzender wurde André S. („Hannibal“) aus Halle. Weil damit drei von fünf Vorstandsmitgliedern aus Sachsen-Anhalt kamen, entstand der Verdacht einer organisierten Zusammenarbeit zwischen Uniter und der regionalen CDU. Schöpfel gab die Mitgliedschaft zu, betonte aber, der frühere Uniter-Verein habe nichts mit dem neuen Verein zu tun und sei nur eine Reservistenkameradschaft gewesen. Mit André S. habe er seit vier Jahren keinen Kontakt mehr, Möritz kenne er auch nicht.[6] Schöpfel trat am 18. Dezember 2019 aus dem Verein aus,[7] verteidigte aber die Vereinsgründung.[8]

Aktivitäten

2017 wurde Uniter Mitglied in der Lazarus-Union in Österreich und erhielt Merkmale einer Sekte: Mitglieder, die Fechten oder Reiten lernten, konnten in sogenannte Grade aufsteigen. Nach Berichten von Aussteigern sollen Neulinge mit Kapuzen über dem Kopf in Freimaurertempel geführt worden sein, wo Rituale mit Fackeln stattgefunden hätten. Es gab Workshops etwa für Messerkampf. Die Teilnehmer sollten sich immer als Einheit gegen einen äußeren Feind begreifen lernen.[2]

Ringo M., einige Polizisten und KSK-Mitglieder bei Uniter ließen sich in der Lazarus-Union zum Ritter schlagen. Einige Freimaurer unter den Uniter-Mitgliedern nahmen 2018 an einem Ball der von Soldaten geführten American Canadian Grand Lodge teil und ließen sich dort mit Schärpen und Ansteckern mit dem Vereinslogo fotografieren.[3]

Bei einem Fußballspiel in Hamburg im Juni 2018 trat erstmals eine Sanitätergruppe des Vereins (Medical Response Unit, MRU) auf. Mit solchen Tätigkeiten versucht der Verein Spezialisten anzuwerben und Einnahmequellen zu erschließen. Die Gruppe traf sich bald darauf erneut zu Schießübungen auf einem Übungsplatz in Mosbach und in Ulm. Die Teilnehmer vermummten sich und trugen militärische Ausrüstung und Uniformen. Sie trainierten Schießen und gleichzeitig Versorgen von Verwundeten, laut Einladung angeleitet von einem ehemaligen KSK-Soldaten.

Angeleitet von André S. trainierte im Juni 2018 auch eine bewaffnete Kampfeinheit des Vereins namens Defence in Mosbach. Experten halten die auf einer Fotografie sichtbaren Gewehre der Einheit für wahrscheinlich echt, die Teilnehmer hätten einen professionellem Hintergrund. Der Verein bestritt dies und teilte mit, in Mosbach habe ein Selbstverteidigungskurs mit Waffenattrappen stattgefunden. Die auch dazu erforderliche Genehmigung auf dem Übungsgelände holte der Verein jedoch nicht ein. Der Zweck der Defence-Gruppe ist unklar; falls der Verein eigene Kampftrainings anbietet und diese Gruppe als eigene Kampfeinheit unterhält, wäre sie sein paramilitärischer Arm.

Im Oktober 2018 sprachen Mitglieder auf einer Facebookseite des Vereins von einer „Kommandopipeline“. Alle hätten das erste Training bestanden, die Kommandoausbildung könne beginnen. Den Ausdruck Pipeline verwendet man in der KSK bei der Ausbildung von Kommandosoldaten. Wozu ein ziviler Verein eigene Kommandosoldaten ausbildet, ist unklar. Das Innenministerium in Baden-Württemberg fand bei den Ermittlungen gegen Franco A. keine rechtsextremen Bezüge des Vereins. Dennoch kündigte das Übungszentrum in Mosbach die Zusammenarbeit mit Uniter e.V. auf.[2]

Im Februar 2019 boten Uniter-Mitglieder Polizisten und Soldaten der Philippinen in Manila ein privat organisiertes, auf zwei bis vier Jahre angelegtes militärtaktisches Training an. Zu den rund 36 ersten Teilnehmern gehörte ein früherer Provinzgouverneur. Sie zeigten sich auf Fotografien mit ausgestreckter rechter Faust als Anhänger des Diktators Rodrigo Duterte. Einige trugen Camouflage oder Schutzwesten und Gewehre im Anschlag. Als Trainingsziel gab Uniter an, die Teilnehmer auf Extremsituationen vorzubereiten; sie bräuchten dazu keine Vorkenntnisse an Waffen. Teilgenommen hätten „hochrangige Mitglieder der Polizei, von Heer, Luftwaffe und der Navy, aber auch Mitarbeiter staatlicher Dienste und freier Sicherheitsfirmen, der Berufsfeuerwehr sowie einige Di­plo­maten und Anwälte“. Das Land nannte der Bericht nicht. Der Kurs sollte auch neue Mitglieder für das interna­tio­nale Netzwerk gewinnen. Absolventen erhielten ein Abzeichen mit einem Wolfskopf mit gefletschten Zähnen und der Inschrift „Semper Fidelis“ (lat.: „für immer treu“).[9]

Reaktionen

Nachdem ein KSK-Mitglied sich bei den Terrorermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten 2017 als Uniter-Mitglied herausstellte, beobachtete die Generalbundesanwaltschaft den Verein. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg versetzte Ringo M. Mitte 2019, nachdem dessen Vereinsmitgliedschaft bekannt geworden war.[10]

Das Bundesverteidigungsministerium schätzte den Verein im Februar 2019 als ungefährlichen Unterstützerverein für aktive und ehemaliger Angehörige von Bundeswehr, Polizei und anderen Sicherheitsorganen ein. Uniter werde nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.[1]

Nach Angaben der Bundesregierung vom Dezember 2019 beobachtet der Verfassungsschutz den Verein derzeit nicht, geht aber Hinweisen auf extremistische Bestrebungen weiter nach.[6]

Die Vereinigten Großlogen von Deutschland e.V. distanzierten sich 2019 von Uniter und veröffentlichten eine Unvereinbarkeitserklärung. Über den Umgang mit Unitermitgliedern entscheiden jedoch die einzelnen Großlogen.[3]

Einzelnachweise

  1. a b c Mitbegründer von Uniter: NSU-Ausschuss lädt Vorgesetzten von Kiesewetter vor. MDR, 13. März 2019
  2. a b c d e Hannibals Verein. taz, 21. Dezember 2018; Martin Kaul, Christina Schmidt: Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr: Hannibals Schattenarmee. taz, 16. November 2018
  3. a b c d e f Uniter-Mitgliedschaft von Robert Möritz: Ein obskurer Verein. taz, 18. Dezember 2019
  4. Christchurch-Attentäter bezog sich auf rechte Soldaten in Bundeswehr – deren Netzwerk führt nach Österreich. Standard.at, 15. März 2019
  5. Timo Lehmann: CDU-Mann mit rechtsextremer Vergangenheit: Sachsen-Anhalts Sündenfall. Der Spiegel, 15. Dezember 2019
  6. a b Markus Decker: Rechtsextremismus-Verdacht: Ex-CDU-Stadtrat war Vizechef von Uniter. RND, 17. Dezember 2019
  7. Weiteres CDU-Mitglied aus umstrittenem Verein Uniter ausgetreten. MDR, 18. Dezember 2019
  8. CDU-Politiker verteidigt ursprüngliche „Uniter“-Gründung. MDR, 18. Dezember 2019
  9. Sebastian Erb, Martin Kaul, Alexander Nabert, Sabine Schmidt: taz-Recherche zu rechtem Netzwerk: Hannibals Reisen. taz, 15. März 2019
  10. Der Spiegel Nr. 14/2019, S. 21