Parlamentswahl im Libanon 2018

Die Parlamentswahl im Libanon 2018 war die 21. Wahl zur Nationalversammlung im Libanon seit Erlangung der Unabhängigkeit. Sie fand am 6. Mai 2018 in einem Wahlgang statt.

Hintergrund

Es war die erste Parlamentswahl seit 2009, obwohl diese im Libanon laut gesetzlicher Vorgabe alle vier Jahre stattfinden soll. Die Wahl 2013 wurde wegen Problemen, einen neuen Präsidenten zu wählen, und des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien mehrmals verschoben.[1] Als Favoriten gelten das von Saudi-Arabien und den USA unterstützte Lager von Ministerpräsident Saad Hariri und die dem Iran nahestehende Hisbollah-Bewegung. Dank eines neuen Wahlgesetzes haben unabhängige Kandidaten größere Chancen als zuvor.[2]

Wahlrecht

Rechtliche Grundlage ist das Wahlgesetz Nr. 44/2017 vom 17. Juni 2017. Auch libanesische Bürger mit Wohnsitz im Ausland konnten ihre Stimme bei der für sie zuständigen libanesischen Vertretung abgeben, falls sie sich vorher für die Wahl registriert hatten.[3] Mit dem neuen Wahlgesetz wurde der Übergang von der Mehrheitswahl zur Verhältniswahl vollzogen. Der Wähler hat eine Stimme zur Wahl einer Liste und kann einem Bewerber der gewählten Liste eine Präferenzstimme geben. Besteht ein Wahlkreis aus mehreren Distrikten, so hat die Liste für jeden Distrikt unterschiedliche Bewerber.

Eine Besonderheit des Libanon ist, dass die Religionsgemeischaften eine feste Zahl von Sitzen im Parlament haben, deren heutige Zahl durch das Abkommen von Taif festgelegt wurde.

Die Sitzverteilung erfolgt auf Wahlkreisebene nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren, jedoch sind Listen von der Sitzverteilung ausgeschlossen, wenn ihre Stimmenzahl weniger als eine volle Hare-Quote beträgt. Die Sitze werden den Bewerbern in absteigender Reihenfolge ihres Stimmenanteils in ihrem Distrikt zugeteilt. Hat eine Liste oder Religionsgemeinschaft die ihr zustehende Sitzzahl erreicht, bleiben die übrigen Bewerber dieser Liste bzw. Religionsgemeinschaft bei der weiteren Sitzzuteilung außer Betracht.[4]

Kandidaten und Religionenproporz nach Wahlkreis

Verteilung der Sitze auf die Wahlkreise

Nach dem Bewerbungsschluss am 26. März gab das Ministerium für Inneres und Munizipalitäten bekannt, dass für die Wahl insgesamt 77 Listen mit 583 Kandidaten registiert wurden.[5] Die meisten davon wurden für den Wahlkreis Beirut II mit neun Listen registriert, während im Wahlkreis Zahrani-Tyros zwei Listen registriert wurden.[6] Dabei ist auffällig, dass die Blöcke des 8. März und des 14. März, die die Wahlen 2009 dominiert haben, nicht mehr funktional sind, sodass die Parteien bei der Listenaufstellung anhand lokaler Dynamiken andere Allianzen gebildet haben.[7]

KonfessionSitzzahlKandidatenzahlKandidatenzahl
pro Sitz
Anteil der Konfessionsangehörigen
an den Wahlberechtigten
nach Wahlkreis[8]
Alawiten2115.5
Nord I (Akkar)1444,97 %
Nord II (Tripoli)1776,04 %
Armenisch-Katholische155
Beirut I1555.57%
Armenisch-Orthodoxe5142,8
Beirut I372,328,3 %
Bekaa I (Zahle)1444,99 %
Libanonberg II (Metn)13314,3 %
Drusen8374,6
Beirut II1881,55 %
Bekaa II (West Bekaa-Rachaya)12214,8 %
Libanonberg III (Baabda)14417,6 %
Libanonberg IV (Aley)28440,5 %
Libanonberg IV (Chouf)2105
Süd III (Mardsch Uyun-Hasbayya)1553,65 %
Evangelische166
Beirut II1660,81 %
Griechisch-Katholische8334,1
Beirut I1449,8 %
Bekaa I (Zahle)28428,3 %
Bekaa III (Baalbek-Hermel)1555,36 %
Libanonberg II (Metn)1559,83 %
Libanonberg IV (Chouf)1555,18 %
Süd I (Jezzine)1448,69 %
Süd II (Zahrany)1226,81 %
Griechisch-Orthodoxe14654,6
Beirut I15519,2 %
Beirut II1775 %
Bekaa I (Zahle)1559,54 %
Bekaa II (West Bekaa-Rachaya)1337,16 %
Libanonberg II (Metn)28414,6 %
Libanonberg IV (Aley)1445,14 %
Nord I (Akkar)294,514,7 %
Nord II (Tripoli)1776,24 %
Nord III (Koura)3113,720,7 %
Süd III (Mardsch Uyun-Hasbayya)1662,45 %
Maroniten341514,4
Beirut I15513,2 %
Bekaa I (Zahle)15515,7 %
Bekaa II (West Bekaa-Rachaya)1337,22 %
Bekaa III (Baalbek-Hermel)1557,35 %
Libanonberg I (Dschbeil)210582,1 %
Libanonberg I (Kesrwan)5234,6
Libanonberg II (Metn)4194,844,8 %
Libanonberg III (Baabda)312436,8 %
Libanonberg IV (Aley)294,527 %
Libanonberg IV (Chouf)3165,3
Nord I (Akkar)16610,9 %
Nord II (Tripolis)1553,5 %
Nord III (Batrun)273,568,1 %
Nord III (Bischarri)284
Nord III (Zgharta)3124
Süd I (Jezzine)26330,8 %
Minderheiten155
Beirut I15511,8 %
Schiiten271023,8
Beirut II2136,520,6%
Bekaa I (Zahle)15516 %
Bekaa II (West Bekaa-Rachaya)13314,7 %
Bekaa III (Baalbek-Hermel)6274.573,3 %
Libanonberg I (Dschbeil)15510,7%
Libanonberg III (Baabda)273,525,2 %
Süd II (Tyrs)48281,4%
Süd II (Zahrany)231,5
Süd III (Bint Dschbeil)3134,380,1 %
Süd III (Mardsch Uyun-Hasbayya)273,5
Süd III (Nabatäa)3113,7
Sunniten271545,7
Beirut II6477,862,1 %
Bekaa I (Zahle)15518.7%
Bekaa II (West Bekaa-Rachaya)252,548,8 %
Bekaa III (Baalbek-Hermel)210513 3 %
Libanonberg IV (Chouf)2115,518,7 %
Nord I (Akkar)318667,5 %
Nord II (Dennieh)2136,582,91 %
Nord II (Minnieh)177
Nord II (Tripoli)5275,4
Süd I (Saida)273,544,2 %
Süd III (Mardsch Uyun-Hasbayya)1446,35 %

Kandidatenlisten und Wahlbezirke

Die Amtsinhaber sind jeweils fett und kursiv dargestellt.

Beirut I (Ost-Beirut)

Wahlbezirk Beirut I

Der erste Beiruter Wahlbezirk deckt vier Viertel im Osten der libanesischen Hauptstadt ab: Achrafieh, Saifi, Rmeil und Medawar.[9] Das Gebiet ist überwiegend bewohnt von Christen, von denen Armenisch-Orthodoxe mit einem Anteil von 28,33 % aller Wahlberechtigten die größte Gruppe stellen.[10][11] 19,2 % sind Griechisch-Orthodoxe, 13,19 % Maronite, 9,8 % Griechisch-Katholische, 9,76 % Sunniten, 5,57 % Armenisch-Katholische, 3,95 % Syrisch-Katholische, 3 % Römisch-Katholische, 2,88 % Evangelische, 1,99 % Schiiten, 0,37 % Drusen oder Alawiten und 1,97 % sind andere Minderheiten.[10][11]

In dem Wahlbezirk wurden fünf Kandidatenlisten für die Wahl registriert.[5] Nachdem sich Zukunftsbewegung und Lebanese Forces zerstritten hatten, wurde eine gemeinsame Liste von Free Patriotic Movement, der Armenischen Revolutionären Föderation (Taschnag) und Huntschak aufgestellt („Starkes Beirut I“), unterstützt von der Zukunftsbewegung.[12] Die Zukunftsbewegung selbst verzichtete auf die Aufstellung eigener Kandidaten.[13] Die Lebanese Forces reichten ihren Kandidatenliste gemeinsam mit der Kata’ib, Ramkavars und Michel Pharaon ein. Die von Antoun Sehnaoui unterstützte Liste lief unter dem Titel „Beirut I“.[12][14] Michelle Tueni reichte gemeinsam mit dem Abgeordneten Serge Torsarkissian von der Zukunftspartei die Liste „Wir sind Beirut“ ein.[13]

Für den Sitz der Minderheiten stellte die Freie Patriotische Bewegung einen syrisch-orthodoxen Kandidaten auf, den früheren Brigadegeneral Antoine Pano, während die Liste Tuenis den unabhängigen römisch-katholishen Kandidaten Rafic Bazerji aufstellte, der einer Familie angehört, die historisch der National-Liberalen Partei nahestand.[15][16]

ListeArmenisch-Orthodoxe, 3 SitzeMaroniten, 1 SitzGriechisch-Orthodoxe, 1 SitzGriechisch-Katholische, 1 SitzArmenisch-Katholische, 1 SitzMinderheiten, 1 Sitz
„Starkes Beirut I“OrangeHakop Terzian
(Taschnaq)[13]
Alexander Matossian
(Taschnag)[13]
Sebouh Kalpakian
(Huntschak)[17]
Massoud Achkar
(Union für Libanon)[18]
Nicolas ChammasNicolas Sehnaoui
(FPM)[19]
Serg Gukhadarian
(Taschnag)[13]
Antoine Pano
(FPM)[19]
„Beirut I“RotCarole BabikianAvedis Dakessian
(Ramkavar)[13]
Elena Cloxian
(Ramkavar)[13]
Nadim Gemayel
(Kata’ib)[20]
Emad Wakim
(Lebanese Forces)[21]
Michel PharaonJean TalouzianRiad Akel
(Libanesische Kräfte)[21]
„Wir sind All-National“TürkisPaula Yacoubian
(Saaba)[12]
Laury Haytayan
(LiBaladi)[12]
Leon Talfazian
(LiBaladi)[12]
Gilbert Doumit
(LiBaladi)[12]
Ziad Abs
(Sah)[12]
Lucien Bourjeily
(Talaat Ritkm)[12]
Yorgui Teyrouz
(LiBaladi)[12]
Joumana Haddad
(LiBaladi)[12]
„Wir sind Beirut“MarineblauSeybou MakhjianGeorges SfeirMichelle TueniNajib LianSerge TorsarkissianRafic Bazerji
„Loyalität für Beirut“GrünRojah ShuiriRobert ObeidAntoune QalaijianGina Chammas
ACE Project,[9] Ministerium für Inneres und Munizipalitäten[22]

Beirut II (West-Beirut)

Wahlbezirk Beirut II

Der Wahlbezirk Beirut II umfasst 8 Stadtviertel in West-Beirut: Ain El Mreisseh, Bachoura, Mazraa, Minet El Hosn, Moussaitbeh, Port, Ras Beirut und Zuqaq al-Blat.[9] Die Wählerschaft besteht überwiegend aus Sunniten (62,1 %). 20,6 % sind Schiiten, 5 % Griechisch-Orthodoxe, 3,41 % gehören Minderheiten an, 1,86 % sind Maroniten, 1,65 % Armenisch-Orthodoxe, 1,63 % Griechisch-Katholische, 1,55 % Drusen, 1,31 % Juden, 0,81% Evangelische und 0,03 % Alawiten.[23]

In diesem Wahlbezirk wurden neun Kandidatenlisten registriert.[5] Bei den Wahlen 2009 hatte die Zukunftsbewegung in West-Beirut gewonnen. 2018 traten eine Reihe von Listen an, diese Dominanz über die sunnitische Wählerschaft zu brechen: „Beirut al-Watan“ (eine Allianz von al-Jamaa al-Islamiah und Al-Liwaa-Herausgeber Salah Salam), „Beiruti Opposition“ (vob Aschraf Rifi), „Lebnan Herzen“, „We are All Beirut“ und „Dignity of Beirut“ (geführt von dem ehemaligen Richter Khaled Hammoud).[24][25][26]

Ergebnisse

Die Wahlbeteilung lag bei 49,2 Prozent. Laut ersten Ergebnissen zeichnet sich eine Mehrheit für die islamische Hisbollah und ihre Verbündeten ab.[27]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Lebanon’s deadlocked parliament postpones June election. Bei: Reuters.com. 31. Mai 2013. Abgerufen am 3. Mai 2018.
  2. Björn Blaschke: Parlamentswahlen im Libanon. Zwischen Verkrustung und Aufbruch. Bei: Deutschlandfunk.de. 4. Mai 2018. Abgerufen am 4. Mai 2018.
  3. Registrierung zur Teilnahme an den Wahlen im Libanon. Bei: Libanesische-Botschaft.info. Botschaft des Libanon – Berlin, 2018. Abgerufen am 5. Mai 2018.
  4. Lebanese electoral law 2017. Wahlgesetz in englischer Übersetzung (PDF; 321 kB), Art. 97 und 98. Abgerufen am 8. Mai 2018.
  5. a b c 77 لائحة تُقصي 334 مرشحاً: لبنان إلى الانتخابات, Al-Akhbar, 27. März 2018. Abgerufen am 7. Mai 2018 (arabisch). 
  6. 77 لائحة انتخابية من بين 917 مرشحا... وهذه الالوان المعتمدة, An-Nahar, 27. März 2018. Abgerufen am 7. Mai 2018 (arabisch). 
  7. 2 Blocs Begin to Emerge ahead of Lebanese Parliamentary Elections, Ya Libnan, 31. Dezember 2017. Abgerufen am 7. Mai 2018 (englisch). 
  8. Die Prozentzahlen sind auf der Ebene der Wahlkreise angegeben, nicht für die Teilwahlkreise.
  9. a b c Table Attached to Law 44 dated 17/6/2017 (Official Gazette no. 27 dated 17 June 2017) – Distribution of Seats to the Confessions and Districts. ACE Project, abgerufen am 7. Mai 2018.
  10. a b دائرة بيروت الاولى, An-Nahar. Abgerufen am 7. Mai 2018 (arabisch). 
  11. a b Beyrut seçim bölgesinde sonuçları Ermeniler belirleyecek, Ermeni Haber. Abgerufen am 7. Mai 2018 (türkish). 
  12. a b c d e f g h i j بيروت الأولى: هل يخرق المجتمع المدني بمقعدين؟, Al-Modon. Abgerufen am 7. Mai 2018 (arabisch). 
  13. a b c d e f g East Beirut electoral field takes shape, Daily Star. Abgerufen am 7. Mai 2018 (englisch). 
  14. Weekend electoral list announcements, Daily Star. Abgerufen am 7. Mai 2018 (englisch). 
  15. Rafic Bazerji : Je veux œuvrer pour les jeunes… alors que la classe politique fait le contraire, L’Orient Le Jour. Abgerufen am 7. Mai 2018 (französisch). 
  16. Antoine Pano, du champ de bataille à l’arène politique, L’Orient Le Jour. Abgerufen am 7. Mai 2018 (französisch). 
  17. «الهنشاك»: ثابتون في تحالفنا مع «المستقبل», Al-Mustaqbal. Abgerufen am 7. Mai 2018 (arabisch). 
  18. Massoud Achkar : L’armée est capable d’assurer la sécurité sur tout le territoire, L’Orient Le Jour. Abgerufen am 7. Mai 2018 (französisch). 
  19. a b FPM announces 46 candidates for elections. Bei: DailyStar.com. 16. März 2018.
  20. Kataeb Party Announces Candidates for Parliamentary Polls. Bei: kataeb.org. 11. März 2018.
  21. a b REPORT: Who are LF candidates for upcoming elections?, LBCI. Abgerufen am 7. Mai 2018 (englisch). 
  22. اللوائح المسجلَّة في دائرة بيروت الأولى كما نشرتها المديرية العامة للشؤون السياسية واللاجئين. Ministry of Interior and Municipalities, abgerufen am 7. Mai 2018 (arabisch).
  23. دائرة بيروت الثانية, An-Nahar. Abgerufen am 8. Mai 2018 (arabisch). 
  24. زحمة لوائح في بيروت: 14 وخروقات كثيرة, Al-Modon. Abgerufen am 8. Mai 2018 (arabisch). 
  25. «الحركات الإسلامية» تحشد لدخول البرلمان اللبناني. Bei: ElMarada.org. 7. April 2018.
  26. Supporters of Mustaqbal, Rival Candidate in Beirut Brawl. Naharanet, abgerufen am 8. Mai 2018 (englisch).
  27. Hizbullah und Verbündete stärkste Kraft in Libanon. Bei: NZZ.ch. 7. Mai 2018. Abgerufen am 8. Mai 2018.