Messerattacke in Southport

Bei einer Messerattacke am 29. Juli 2024 in der nordwestenglischen Stadt Southport wurden drei Mädchen im Alter von 6 bis 9 Jahren getötet und zehn weitere Personen, darunter acht Mädchen, zum Teil schwer verletzt. Als Täter wurde ein siebzehnjähriger Jugendlicher festgenommen, ihm wird dreifacher Mord und zehnfacher Mordversuch vorgeworfen. Die Polizei schloss nach dem ersten Ermittlungen einen terroristischen Hintergrund aus.

Infolge des Verbrechens kam es zuerst in Southport und in den folgenden Tagen auch an anderen Orten in Vereinigten Königreich zu teilweise gewaltsamen Demonstrationen durch Angänger der der rechtsextremistischen Gruppierungen Patriotic Alternative und English Defence League, bei denen zahlreiche Polizisten verletzt und mehr als 190 Menschen festgenommen wurden. Auslöser der Unruhen waren Falschmeldungen in sozialen Netzwerken über die Identität und den angeblichen islamistischen Hintergrund des mutmasslichen Täters.

Tathergang

Die Messerattacke ereignete sich am 29. Juli 2024 gegen Mittag in einen Gemeindezentrum im Vorort Blowick am östlichen Rand von Southport. In dem Gemeindezentrum wurde zu Beginn der Sommerferien ein Tanz- und Yoga-Workshop mit dem Thema Taylor Swift für Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren angeboten. An dem Kurs nahmen insgesamt 25 Kinder teil.[1]

Der Täter fuhr um 11:45 Uhr mit einem Taxi vor dem Gemeindezentrum vor. Er begann bei Betreten des Gebäude wahllos auf die Anwesenden einzustechen. Einigen Betreuern gelang es, Kinder aus dem Gebäude zu retten, es wurden aber insgesamt elf Kinder und zwei Erwachsene durch Messerstiche verletzt. Zwei Kinder, die Sechsjährige Bebe King und die Siebenjährige Elsie Dot Stancombe, starben noch am Tatort. Ein drittes Mädchen, die Neunjährige Alice Dasilva Aguiar, erlag am 30. Juli 2024 ihren Verletzungen.[1] Fünf der acht verletzten Kinder und die beiden Erwachsenen wurden in einem kritischen Zustand in umliegende Krankenhäuser eingeliefert.[2]

Der mutmaßliche Täter wurde noch am Tatort von der herbeigerufenen Polizei festgenommen. Da er minderjährig war, gab die Polizei zunächst nur wenige Details zur Person bekannt. Demnach handelte es bei dem Festgenommen um einen siebzehnjährigen Jugendlichen aus Banks, Lancashire, einer an Southport grenzenden Gemeinde.[2] Erst nachdem in den sozialen Netzwerken Gerüchte über einen islamistischen Hintergrund kursierten und dass der Täter 2023 als illegaler Einwanderer in das Vereinigte Königreich sei, bestätigte die Polizei, dass der mutmaßliche Täter der Sohn ruandischer Einwanderer ist. Er wurde im August 2006 in Cardiff, Wales, geboren; die Familie zog 2013 nach Nordwestengland. Die Familie sei christlich geprägt und in der lokalen Kirchengemeinde aktiv.[3]

Am 1. August 2024 wurde der mutmaßliche Täter formell vor dem Crown Court in Liverpool angeklagt wegen dreifachen Mordes, zehnfachen versuchten Mordes und wegen des Besitzes einer Stichwaffe. Die Gerichtsverhandlung wurde auf den 20. Junuar 2025 terminiert.[3] Das Tatmotiv sei unklar, die Polizei schließe aber einen terroristischen Hintergrund aus.[4] Nach Angaben der Anklage sei bei dem Tatverdächtigen Autismus diagnostiziert worden.[5]

Reaktionen zum Verbrechen

Der britische Premierminister Keir Starmer zeigte sich betroffen von den „grausamen Nachrichten“.[2] Bei einem Besuch in Southport am 30. Juli sagte Starmer, dass das ganze Land unter Schock stehe. Zuvor hatte bereits die britische Innenministerin Yvette Cooper den Tatort besucht und Blumen niedergelegt.[1] Auch König Charles III. und Queen Camilla zeigten sich von dem „absolut grausamen Messerangriff zutiefst geschockt“, ähnlich reagierten William, Prince of Wales und seine Ehefrau Catherine, Princess of Wales in einem Beitrag im sozialen Netzwerk X.[6] Auch die portugiesische Regierung kondulierte, da die Familie von Alice Dasilva Aguiar von Madeira stammt.[7]

Die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift, der der Kinder-Workshop in Southport gewidmet war, schrieb auf Instagram: „Das Grauen des gestrigen Anschlags in Southport spült unaufhörlich über mich hinweg, und ich stehe völlig unter Schock.“[6] Fans von Taylor Swift, sogenannte Swifties, sammelten mehrere hundertausend Pfund an Spenden für die Opfer der Attacke.[8]

Am Abend des 30. Juli kamen mehrere hundert Menschen zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer an der Atkinson Art Gallery and Library im Zentrum von Southport zusammen.[9] Viele hatten zahlreiche Blumen, Stofftiere und Beileidsbekundungen am Tatort als Zeichen ihrer Anteilnahme hinterlegt.

Nur wenige Stunden nach der Mahnwache kam es in Southport zu schweren Ausschreitungen. Die Krawalle richtete sich zuerst gegen eine Moschee, das Gebäude wurde mit Gegenständen, darunter Ziegelsteinen beworfen. Als die Polizei die Ansammlung auflösen wollte, wurde sie von den Randalierern angegriffen. Ein Einsatzfahrzeug wurde in Brand gesetzt, 39 Polizisten mussten ärztlich versorgt werden.[10] Bei den Gewalttätern handelte es sich hauptsächlich um rechtsradikale Hooligans der English Defence League, die vermutlich durch Fake News im Internet zu den islamfeindlichen Ausschreitungen hingerissen wurden. Auf dem Netzwerk X wurde zuvor ein Migrant mit arabisch klingendem Namen als Täter bezeichnet. Diese Meldung ging von einem Fakeaccount aus und wurde unter anderem von der rechtsextremen Gruppe Patriotic Alternative verbreitet.[11] Mehrere Experten halten dabei eine russische Einflussnahme für möglich.[12] Die Krawalle in Southport wurde von der britischen Regierung heftig kritisiert. Keir Starmer erklärte, die Randalierer hätten das Gedenken an die Opfer des Messerangriffs mit Gewalt und Ausschreitungen gekapert; sie werde die volle Härte des Gesetzes treffen.[13]

Weitere Unruhen

In den Tagen nach der Messerattacke kam es in weiteren britischen Städten zu teils gewaltsamen Protesten von islamfeindlichen und rechtsradikalen Gruppen. Ungeachtet der Offenlegung der Identität des mutmaßlichen Täters durch das Liverpooler Gericht, wurde weiterhin das Verbrechen zum Anlass für Demonstrationen gegen die Migrationspolitik der britischen Regierung genommen, teilweise fanden Kundgebungen vor Asylunterkünften statt.[14] Organisiert wurden die Demonstrationen nicht nur von der Patriotic Alternative, sondern auch von der rechtsextremen Partei British National Front und zahlreichen kleineren rechtsradikalen Gruppierungen. Auch der verurteilte Rechtsradikale Tommy Robinson rief über X und Telegram zu weiteren Protesten auf.[15]

Am 31. Juli 2024 kam es bei einer Demonstration unter dem Motto „Enough is enough“ („Genug ist genug“) nahe der Downing Street, dem Sitz des britischen Premierministers in London, zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Rechtsradikalen und der Polizei, bei denen mehr als 100 Demonstranten vorübergehend festgenommen wurden.[16] Weitere Kundgebungen wurden an diesem Tag unter anderem aus Manchester, Hartlepool und Aldershot gemeldet.[17]

In den folgenden Tagen wurden aus zahlreichen Städten im Vereinigten Königreich anti-islamische Demonstration vermeldet, die unter anderem in Hull und Belfast zu Randalen geführt hatten.[18] Dabei kam es auch zunehmend zu Gegendemonstration antifaschistischer und antirassistischer Gruppen. Alleine am 3. August 2024 wurden landesweit 147 Personen wegen der Beteiligung an Ausschreitungen festgenommen.[19]

Premierminister Starmer verurteilte die Ausschreitungen als „rechtsextremes Rowdytum“ und kündigte an, die Gewalttäter zur Rechenschaft zu ziehen.[20] Bereits nach der Eskalation der Proteste in London haben Starmer, Innerministerin Cooper und Justizministerin Shabana Mahmood Maßnahmen mit den Polizeibehörden diskutiert, um eine weitere Ausbreitung der Randalen zu unterbinden. Kritisiert wurde dabei die Rolle sozialer Netzwerke wie X, die ungeprüft Fake News verbreiten und den Rechtsradikalen die Organisation weiterer Kundgebunden erleichtern.[21] Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang von verschiedenen Medien und Politikern bei Rolle des rechtspopulistischen Politikers Nigel Farage bei der Verbreitung von Unwahrheiten und Verschwörungstheorien.[22]

Die rechtsradikalen Proteste gelten als die schwersten Unruhen im Vereinigten Königreich seit 2011 und stellen eine erste Bewährungsprobe für die Anfang Juli 2024 gewählte Regierung von Keir Starmer dar.[14]

Einzelnachweise

  1. a b c Jeremy Culley, Hafsa Khalil: Southport stabbings - what we know about attack. BBC News, 31. Juli 2024.
  2. a b c Zwei Kinder in England erstochen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Juli 2024.
  3. a b Andy Gregory: Southport stabbings: What we know about suspect Axel Rudakubana as identity revealed. The Independent, 1. August 2024.
  4. 17-Jähriger wegen dreifachen Mordes angeklagt. Süddeutsche Zeitung, 1. August 2024.
  5. Daniel Sandford, Gemma Sherlock, Tom Mullen: Teen, 17, accused of Southport murders named. BBC News, 1. August 2024.
  6. a b Alexander Menden: „Wie etwas aus Amerika, nicht wie das sonnige Southport“. Süddeutsche Zeitung, 30. Juli 2024.
  7. Attaque au couteau à Southport: une des victimes est portugaise. ]Le Matin, 30. Juli 2024.
  8. Emma Guinness: Taylor Swift fans raise over £275,000 on JustGiving for Southport stabbing victims. The Independent, 31. Juli 2024.
  9. Ausschreitungen nach Messerangriff in Southport – Dutzende Polizisten verletzt. Der Spiegel, 31. Juli 2024.
  10. Helen Regan, Niamh Kennedy, Maija Ehlinger, Duarte Mendonca, Radina Gigova: Violent scenes as far-right protesters ‘hijack’ vigil for 3 girls killed in Southport knife attack. CNN, 1. August 2024.
  11. Emily Pennink: Call for urgent action to tackle ‘tsunami of lies’ behind Southport protest. The Independent, 2. August 2024.
  12. Amy-Clare Martin, Barney Davis, Tara Cobham: Fears of more far-right riots after thugs hijack horrific Southport stabbing. The Independent, 1. August 2024.
  13. Johannes Leithäuser: Randale nahe Downing Street nach Messerattacke. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. Juli 2024.
  14. a b Radina Gigova, Duarte Mendonca, Mia Alberti, Sophie Tanno: Rioters target hotel used to house asylum seekers amid worst UK disorder in years. CNN, 4. August 2024.
  15. Dominic Casciani und BBC Verify: Violent Southport protests reveal organising tactics of the far-right. BBC News, 2. August 2024.
  16. 17-Jähriger wegen dreifachen Mordes angeklagt. tagesschau.de, 1. August 2024.
  17. Josh Halliday: The areas in England where riots have broken out since Southport attack. The Guardian, 1. August 2024.
  18. Neue Gewalt in britischen Städten. tagesschau.de, 4. August 2024.
  19. Jabed Ahmed, Athena Stavrou: UK riots live: Far-right torch Rotherham Holiday Inn migrant hotel as Starmer warns thugs will regret violence. The Independent, 4. August 2024.
  20. Vermummte greifen Hotel in Nordengland an. tagesschau.de, 4. August 2024.
  21. David Maddox: Starmer puts police on a national emergency footing to deal with summer of far-right violence. The Independent, 1. August 2024.
  22. Aletha Adu, Rowena Mason: Watchdog should investigate Farage’s ‘dangerous comments’, says Liverpool MP. The Guardian, 4. August 2024.