„Lipka-Tataren“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Bohoniki cmentarz muzulmanski 03.jpg|mini|Friedhof im [[Powiat Sokólski]] (2006)]]
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Die '''Lipka-Tataren''' (''Lipka'' ist [[Krimtatarische Sprache|krimtatarisch]] für [[Litauen]]), auch bekannt als '''weißrussische Tataren''', '''litauische Tataren''' oder '''polnische Tataren''' sind eine Gruppe von [[Tataren]], welche sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf dem Gebiet des damaligen [[Großfürstentum Litauen|Großfürstentums Litauen]] ansiedelten.
Die '''Lipka-Tataren''' (''Lipka'' ist [[Krimtatarische Sprache|krimtatarisch]] für [[Litauen]]), auch bekannt als '''weißrussische Tataren''', '''litauische Tataren''' oder '''polnische Tataren''', sind eine Gruppe von [[Tataren]], die sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf dem Gebiet des damaligen [[Großfürstentum Litauen|Großfürstentums Litauen]] ansiedelten.


== Geschichte ==
== Geschichte ==
{{Hauptartikel|Islam in Polen, Litauen und Belarus}}

Die ersten Tataren kamen als Flüchtlinge, die entgegen der fortschreitenden [[Islamisierung]] weiter dem ursprünglichen [[Schamanismus]] anhingen und bei den noch nicht [[Christianisierung|christianisierten]] [[Litauer]]n Zuflucht suchten. Zum Ende des 14. Jahrhunderts wanderte eine weitere Welle von Tataren, diesmal muslimischen Glaubens, auf Einladung von Großfürst [[Vytautas]] in das Großfürstentum ein. Diese zweite Welle siedelte sich anfangs im Gebiet um die Städte [[Vilnius]], [[Trakai]], [[Hrodna]] und [[Kaunas]] an und verteilte sich in den folgenden Jahrhunderten von dort über das gesamte Gebiet des Großfürstentums und später des vereinigten [[Polen-Litauen]]s. Dieses Gebiet wird heute etwa von den Staaten Litauen, [[Polen]], Ukraine und [[Belarus]] eingenommen. Von Anfang an waren die Tataren in Litauen als Lipka-Tataren bekannt. Während sie ihren muslimischen Glauben beibehielten, verhielten die Lipka-Tataren sich ihrem später christlichen Heimatland Polen-Litauen gegenüber loyal und stellten im Kriegsfall häufig Truppen. So kämpften spätestens seit der [[Schlacht bei Tannenberg (1410)|Schlacht bei Tannenberg]] Einheiten leichter tatarischer Kavallerie in annähernd allen größeren militärischen Konflikten Litauens und Polens.
{{Hauptartikel|Islam in Polen}}
Die ersten Tataren kamen als Flüchtlinge, die entgegen der fortschreitenden [[Islamisierung]] weiter dem ursprünglichen [[Schamanismus]] anhingen und bei den noch nicht [[Christianisierung|christianisierten]] [[Litauer]]n Zuflucht suchten. Zum Ende des 14. Jahrhunderts wanderte eine weitere Welle von Tataren, dieses mal muslimischen Glaubens, auf Einladung von Großfürst [[Vytautas]] in das Großfürstentum ein. Diese zweite Welle siedelte sich anfangs im Gebiet um die Städte [[Vilnius]], [[Trakai]], [[Hrodna]] und [[Kaunas]] an und verteilte sich in den folgenden Jahrhunderten von dort über das gesamte Gebiet des Großfürstentums und später des vereinigten [[Polen-Litauen]]. Dieses Gebiet wird heute in etwa von den Staaten Litauen, [[Polen]] und [[Weißrussland]] eingenommen. Von Anfang an waren die Tataren in Litauen als Lipka-Tataren bekannt. Während sie ihren muslimischen Glauben beibehielten, verhielten die Lipka-Tataren sich ihrem später christlichen Heimatland Polen-Litauen gegenüber loyal und stellten im Kriegsfall häufig Truppen. So kämpften spätestens seit der [[Schlacht bei Tannenberg (1410)|Schlacht bei Tannenberg]] Einheiten leichter tatarischer Kavallerie in annähernd allen größeren militärischen Konflikten Litauens und Polens.


== Herkunft ==
== Herkunft ==

Der Ursprung der Lipka-Tataren kann auf die Nachfolgereiche des [[Mongolisches Reich|Mongolischen Reiches]], die [[Blaue Horde|Blaue]] und [[Goldene Horde]] sowie das [[Khanat der Krim|Krimkhanat]] und das [[Khanat Kasan]] zurückgeführt werden. Sie nahmen kurz nach ihrer Ansiedelung die Rolle einer höheren Militärkaste ein, machten sich später jedoch auch einen Ruf als fähige Handwerker, Bauern und Pferdezüchter.
Der Ursprung der Lipka-Tataren kann auf die Nachfolgereiche des [[Mongolisches Reich|Mongolischen Reiches]], die [[Blaue Horde|Blaue]] und [[Goldene Horde]] sowie das [[Khanat der Krim|Krimkhanat]] und das [[Khanat Kasan]] zurückgeführt werden. Sie nahmen kurz nach ihrer Ansiedelung die Rolle einer höheren Militärkaste ein, machten sich später jedoch auch einen Ruf als fähige Handwerker, Bauern und Pferdezüchter.


Die ersten Tataren ließen sich im 14. Jahrhundert in der Region um [[Vilnius]] nieder. Im 17. Jahrhundert kämpften Tataren von der Halbinsel [[Krim]] ([[Krimtataren]]) auf Seiten der [[Polen-Litauen|Adelsrepublik Polen-Litauen]] gegen die [[osmanisches Reich|Osmanen]]. [[König]] [[Jan Sobieski]] verfügte nicht über ausreichend finanzielle Mittel, um Kriegssold an die Tataren für ihre Dienste zu bezahlen. Also entschädigte er diese, indem er ihnen Land im heutigen Nordosten Polens zugestand. Daraufhin wanderten 1679 die ersten 45 tatarischen Familien in diese Region ein. Tataren bezahlten keine Steuern, allerdings musste jede Familie einen berittenen Soldaten für die Armee stellen. Den Männern war es gestattet, sich eine Einheimische zur Frau nehmen und ihre Kinder muslimisch erziehen. Dazu erhielten die Tataren die Namen und die Rechte von Adligen, weshalb viele heute slawische Nachnamen tragen. <ref>[http://www.deutschlandfunk.de/islam-wir-sind-zuerst-polen-dann-muslime.886.de.html?dram%3Aarticle_id=347262 Deutschlandfunk: Islam "Wir sind zuerst Polen, dann Muslime"]</ref>
Die ersten Tataren ließen sich im 14. Jahrhundert in der Region um [[Vilnius]] nieder. Im 17. Jahrhundert kämpften Tataren von der Halbinsel [[Krim]] ([[Krimtataren]]) auf Seiten der [[Polen-Litauen|Adelsrepublik Polen-Litauen]] gegen die [[osmanisches Reich|Osmanen]]. [[König]] [[Jan Sobieski]] verfügte nicht über ausreichend finanzielle Mittel, um Kriegssold an die Tataren für ihre Dienste zu bezahlen. Also entschädigte er diese, indem er ihnen Land in [[Podlachien]], genauer die Orte [[Kruszyniany]], [[Krynki|Nietupa]], Łużany und [[Sokółka|Poniatowicze]] übereignete. Daraufhin wanderten 1679 die ersten 45 tatarischen Familien in diese Region ein. Tataren bezahlten keine Steuern, allerdings musste jede Familie einen berittenen Soldaten für die Armee stellen. Den Männern war es gestattet, sich eine Einheimische zur Frau zu nehmen und ihre Kinder muslimisch zu erziehen. Dazu erhielten die Tataren die Namen und die Rechte von [[Szlachta|Adligen]], weshalb viele heute [[Slawische Sprachen|slawische]] Nachnamen tragen.<ref name="Funk">Alexander Hertel: [https://www.deutschlandfunk.de/islam-wir-sind-zuerst-polen-dann-muslime.886.de.html?dram%3Aarticle_id=347262 ''Islam: „Wir sind zuerst Polen, dann Muslime“.''] In: ''Deutschlandfunk.'' 3. März 2016, abgerufen am 7. Juli 2018.</ref>


== Sprache ==
== Sprache ==
Die Lipka-Tataren nahmen die [[ruthenische Sprache]], später die [[Belarussische Sprache|belarussische]] Sprache an.<ref name="Harvard">Harvard Encyclopedia of American Ethnic Groups: ''Polish or Lithuanian Tartars.'' Harvard University Press, S. 990.</ref><ref name="Selim">Selim Mirza-Juszeński Chazbijewicz: [http://web.archive.org/web/20090102055407/http://www.szlachta.org/selim.htm ''Szlachta tatarska w Rzeczypospolitej.''] ''(Tartar Nobility in the Polish-Lithuanian Commonwealth)'' Verbum Nobile Nr. 2, 1993, Sopot, Polen.</ref> Sie nutzten jedoch bis in die 1930er Jahre die arabische Schrift für ihr [[weißrussisches arabisches Alphabet]]. Neben der Annahme slawischer Nachnamen wurden andere tatarische Namen nur [[Polonisierung|polonisiert]] und lassen heute noch die ursprüngliche Herkunft erkennen, beispielsweise: Abakanowicz, Achmatowicz, Chazbijewicz und Musatowicz.

Die Lipka-Tataren nahmen die [[ruthenische Sprache]], später die [[Weißrussische Sprache|weißrussische]] an.<ref name="Harvard">Harvard Encyclopedia of American Ethnic Groups, ''Polish or Lithuanian Tartars'', Harvard University Press, S. 990</ref><ref name="Selim">Selim Mirza-Juszeński Chazbijewicz, ''Szlachta tatarska w Rzeczypospolitej'' (Tartar Nobility in the Polish-Lithuanian Commonwealth), Verbum Nobile no 2 (1993), Sopot, Poland, [http://www.szlachta.org/selim.htm]</ref> Sie nutzten jedoch bis in die 1930er Jahre die arabische Schrift ([[weißrussisches arabisches Alphabet]]).


== Aktuelle Situation ==
== Aktuelle Situation ==
In der [[Woiwodschaft]] [[Podlachien]] leben etwa 3000 Tataren. Vor allem auf dem Land gibt es einige muslimische Gemeinden, zum Beispiel in [[Kruszyniany]], wo eine Moschee existiert. Dort berichten Anhänger, dass es hin und wieder zu Ausschreitungen gegen Institutionen der Gemeinden kommt, man sich aber insgesamt mit den katholischen Nachbarn gut verstehe. In [[Weißrussland]] leben ca. 6000 und in [[Litauen]] (vor allem um die Region der Hauptstadt [[Vilnius]]) 4000 Lipka-Tataren.
In der [[Woiwodschaft Podlachien]] leben etwa 3000 Tataren. Vor allem auf dem Land gibt es einige muslimische Gemeinden, zum Beispiel in Kruszyniany, wo eine [[Moschee]] existiert. Dort berichten Anhänger, dass es hin und wieder zu Ausschreitungen gegen Institutionen der Gemeinden kommt, man sich aber insgesamt mit den katholischen Nachbarn gut verstehe. In [[Belarus]] leben ca. 6000 und in [[Litauen]] (vor allem um die Region der Hauptstadt [[Vilnius]]) ca. 4000 Lipka-Tataren.


Nach Angaben des [[Deutschlandfunk]]s sollen sich die meisten Lipka-Tataren in erster Linie als [[Polen (Ethnie)|Polen]] bezeichnen und erst dann als Muslime. Sie tragen zudem oft westslawische Nachnamen. In der [[Flüchtlingskrise in Europa ab 2015| Flüchtlingsproblematik]] lehnen die meisten Lipka-Tataren ähnlich wie die meisten anderen Polen den Zuzug muslimischer Flüchtlinge ab.<ref>[http://www.deutschlandfunk.de/islam-wir-sind-zuerst-polen-dann-muslime.886.de.html?dram%3Aarticle_id=347262 Deutschlandfunk: Islam "Wir sind zuerst Polen, dann Muslime"]</ref>
Nach Angaben des [[Deutschlandfunk]]s sollen sich die meisten Lipka-Tataren in erster Linie als [[Polen (Ethnie)|Polen]] bezeichnen und erst dann als Muslime.<ref name="Funk" /> Nur 500 betrachten sich noch heute als „reine“ Tataren statt als Polen und sprechen einen [[Belarussische Sprache|belarussischen Dialekt]].


== Persönlichkeiten ==
== Persönlichkeiten ==

* [[Charles Bronson]]s Vater war US-amerikanischer Einwanderer lipka-tatarischer Abstammung.
* [[Jerzy Edigey]] (1912–1983), polnischer Schriftsteller
* [[Jerzy Edigey]] (1912–1983), polnischer Schriftsteller
* [[Henryk Sienkiewicz]] (1846–1916), polnischer Literaturnobelpreisträger
* [[Jakub Szynkiewicz]] (1884–1966), polnischer Mufti
* [[Jakub Szynkiewicz]] (1884–1966), polnischer Mufti
* [[Magdalena Abakanowicz]] (* 1930), polnische Bildhauerin und Textilkünstlerin
* [[Magdalena Abakanowicz]] (1930–2017), polnische Bildhauerin und Textilkünstlerin
* [[Osman Achmatowicz]] (1899–1988), polnischer Chemiker
* [[Osman Achmatowicz]] (1899–1988), polnischer Chemiker

== Siehe auch ==

* [[Islam in Polen, Litauen und Weißrussland]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* Jurgita Šiaučiūnaitė-Verbickienė: ''The Tatars.'' In: Grigorijus Potašenko (Hrsg.): ''The Peoples of the Grand Duchy of Lithuania.'' Vilnius 2002, S. 73–82.

* Jurgita Šiaučiūnaitė-Verbickienė: ''The Tatars.'' In: Grigorijus Potašenko (Hrsg.): ''The Peoples of the Grand Duchy of Lithuania.'' Vilnius 2002, 73–82.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* Eintrag: [http://www.eki.ee/books/redbook/lithuanian_tatars.shtml ''The Lithuanian Tatars.''] In: ''The Peoples of the Red Book.'' 1993, abgerufen am 7. Juli 2018.

* [http://www.eki.ee/books/redbook/lithuanian_tatars.shtml The Lithuanian Tatars]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

<references />
<references />


[[Kategorie:Tataren]]
[[Kategorie:Ethnie in Europa]]
[[Kategorie:Islam in Polen]]
[[Kategorie:Polnische Geschichte]]
[[Kategorie:Litauische Geschichte]]
[[Kategorie:Litauische Geschichte]]
[[Kategorie:Weißrussische Geschichte]]
[[Kategorie:Belarussische Geschichte]]
[[Kategorie:Gesellschaft (Litauen)]]
[[Kategorie:Ethnische Minderheit in Belarus]]
[[Kategorie:Islam in Polen]]
[[Kategorie:Tataren]]

Aktuelle Version vom 27. Februar 2024, 12:31 Uhr

Moschee bei Vilnius (1830)
Tataren in der polnischen Armee (1919)
Dörfliche Moschee in Kruszyniany
Friedhof im Powiat Sokólski (2006)

Die Lipka-Tataren (Lipka ist krimtatarisch für Litauen), auch bekannt als weißrussische Tataren, litauische Tataren oder polnische Tataren, sind eine Gruppe von Tataren, die sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf dem Gebiet des damaligen Großfürstentums Litauen ansiedelten.

Geschichte

Die ersten Tataren kamen als Flüchtlinge, die entgegen der fortschreitenden Islamisierung weiter dem ursprünglichen Schamanismus anhingen und bei den noch nicht christianisierten Litauern Zuflucht suchten. Zum Ende des 14. Jahrhunderts wanderte eine weitere Welle von Tataren, diesmal muslimischen Glaubens, auf Einladung von Großfürst Vytautas in das Großfürstentum ein. Diese zweite Welle siedelte sich anfangs im Gebiet um die Städte Vilnius, Trakai, Hrodna und Kaunas an und verteilte sich in den folgenden Jahrhunderten von dort über das gesamte Gebiet des Großfürstentums und später des vereinigten Polen-Litauens. Dieses Gebiet wird heute etwa von den Staaten Litauen, Polen, Ukraine und Belarus eingenommen. Von Anfang an waren die Tataren in Litauen als Lipka-Tataren bekannt. Während sie ihren muslimischen Glauben beibehielten, verhielten die Lipka-Tataren sich ihrem später christlichen Heimatland Polen-Litauen gegenüber loyal und stellten im Kriegsfall häufig Truppen. So kämpften spätestens seit der Schlacht bei Tannenberg Einheiten leichter tatarischer Kavallerie in annähernd allen größeren militärischen Konflikten Litauens und Polens.

Herkunft

Der Ursprung der Lipka-Tataren kann auf die Nachfolgereiche des Mongolischen Reiches, die Blaue und Goldene Horde sowie das Krimkhanat und das Khanat Kasan zurückgeführt werden. Sie nahmen kurz nach ihrer Ansiedelung die Rolle einer höheren Militärkaste ein, machten sich später jedoch auch einen Ruf als fähige Handwerker, Bauern und Pferdezüchter.

Die ersten Tataren ließen sich im 14. Jahrhundert in der Region um Vilnius nieder. Im 17. Jahrhundert kämpften Tataren von der Halbinsel Krim (Krimtataren) auf Seiten der Adelsrepublik Polen-Litauen gegen die Osmanen. König Jan Sobieski verfügte nicht über ausreichend finanzielle Mittel, um Kriegssold an die Tataren für ihre Dienste zu bezahlen. Also entschädigte er diese, indem er ihnen Land in Podlachien, genauer die Orte Kruszyniany, Nietupa, Łużany und Poniatowicze übereignete. Daraufhin wanderten 1679 die ersten 45 tatarischen Familien in diese Region ein. Tataren bezahlten keine Steuern, allerdings musste jede Familie einen berittenen Soldaten für die Armee stellen. Den Männern war es gestattet, sich eine Einheimische zur Frau zu nehmen und ihre Kinder muslimisch zu erziehen. Dazu erhielten die Tataren die Namen und die Rechte von Adligen, weshalb viele heute slawische Nachnamen tragen.[1]

Sprache

Die Lipka-Tataren nahmen die ruthenische Sprache, später die belarussische Sprache an.[2][3] Sie nutzten jedoch bis in die 1930er Jahre die arabische Schrift für ihr weißrussisches arabisches Alphabet. Neben der Annahme slawischer Nachnamen wurden andere tatarische Namen nur polonisiert und lassen heute noch die ursprüngliche Herkunft erkennen, beispielsweise: Abakanowicz, Achmatowicz, Chazbijewicz und Musatowicz.

Aktuelle Situation

In der Woiwodschaft Podlachien leben etwa 3000 Tataren. Vor allem auf dem Land gibt es einige muslimische Gemeinden, zum Beispiel in Kruszyniany, wo eine Moschee existiert. Dort berichten Anhänger, dass es hin und wieder zu Ausschreitungen gegen Institutionen der Gemeinden kommt, man sich aber insgesamt mit den katholischen Nachbarn gut verstehe. In Belarus leben ca. 6000 und in Litauen (vor allem um die Region der Hauptstadt Vilnius) ca. 4000 Lipka-Tataren.

Nach Angaben des Deutschlandfunks sollen sich die meisten Lipka-Tataren in erster Linie als Polen bezeichnen und erst dann als Muslime.[1] Nur 500 betrachten sich noch heute als „reine“ Tataren statt als Polen und sprechen einen belarussischen Dialekt.

Persönlichkeiten

Literatur

  • Jurgita Šiaučiūnaitė-Verbickienė: The Tatars. In: Grigorijus Potašenko (Hrsg.): The Peoples of the Grand Duchy of Lithuania. Vilnius 2002, S. 73–82.

Einzelnachweise

  1. a b Alexander Hertel: Islam: „Wir sind zuerst Polen, dann Muslime“. In: Deutschlandfunk. 3. März 2016, abgerufen am 7. Juli 2018.
  2. Harvard Encyclopedia of American Ethnic Groups: Polish or Lithuanian Tartars. Harvard University Press, S. 990.
  3. Selim Mirza-Juszeński Chazbijewicz: Szlachta tatarska w Rzeczypospolitej. (Tartar Nobility in the Polish-Lithuanian Commonwealth) Verbum Nobile Nr. 2, 1993, Sopot, Polen.