Kulturflatrate

Die Kulturflatrate ist das Konzept einer gesetzlich geregelten Pauschalabgabe, die an die Rechteinhaber digitaler Inhalte verteilt werden soll. Im Gegenzug soll dafür die öffentliche Verbreitung digitaler Kopien, beispielsweise in Filesharing-Netzwerken, legalisiert werden. Zur Umsetzung müsste das (deutsche) Urheberrechtsgesetz geändert werden.

Hintergrund

Durch die Verfügbarkeit des Internets für Privatpersonen und der Möglichkeit der verlustfreien Datenkompression ist es üblich geworden, dass digitale Inhalte – wie Musik, Filme, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Bilder – zwischen den Nutzern kopiert werden, die zumeist in keinem persönlichen Verhältnis zueinander stehen. Hierbei handelt es sich jedoch nach dem Urheberrecht um eine Handlung, welche die Zustimmung des Rechteinhabers erfordert, und ohne diese Zustimmung illegal ist. Hierdurch machen sich die Nutzern strafbar und verursachen Einnahmeeinbußen der Rechteinhaber.

Die Idee der Kulturflatrate ist nun, einerseits diese alltäglich gewordenen Kopierhandlungen zu legalisieren und zweitens eine Gebühr zu erheben, die an die Rechteinhaber ausgeschüttet wird – als Kompensation für die Nutzung ihrer Werke.

Dies ist angelehnt an dem Prinzip der Privatkopie und der damit verbundenen Pauschalabgabe. Die in Deutschland bereits seit den 1960er Jahren erhoben wird: So ist auf Leerkassetten, CD- und DVD-Rohlinge, sowie auf die entsprechenden Rekorder eine festgesetzte Abgabe zu leisten.

Entstanden ist die Idee der Kulturflatrate auch auf Grund von Kritik an der momentan gängigen DRM-Praxis und der damit verbundenen Zwangskontrolle der Nutzer. Bei dieser kann sich der Konsument Werke von einem legalen Anbieter herunterladen, wird aber durch technische Maßnahmen an der vom Rechteinhaber nicht erwünschten Weiterverbreitung, aber auch an der legitimen Nutzungen und Erstellung einer Privatkopie gehindert. Überlegungen von Organisationen wie der TCPA oder deren Nachfolger der Trusted Computing Group gingen auch dahin, Computer gegen Kopierschutzumgehungen immun zu machen, was die Freiheit des Nutzers stark beschränken würde.

Konzept der Durchführung

Die Summe aller Beträge aus der Pauschalabgabe der Kulturflatrate wird dann an die Rechteinhaber verteilt. Grundlage der Verteilung könnte dabei sein, wie oft das jeweilige Werk genutzt wird. Dies könnte näherungsweise über Download-Zahlen oder die Beobachtung einer Stichprobe der Bevölkerung erfasst werden. Befürworter der Kultur-Flatrate erwarten, dass durch diese einfachere und detailliertere Erfassung eine, im Vergleich zur aktuellen Datenerhebung durch die GEMA, exaktere und damit gerechtere Verteilung ermöglicht wird. Um das System auch für die andere Seite, die Benutzer, gerechter zu gestalten, gibt es die Idee, eine Staffelung des Beitrags je nach Geschwindigkeit des Onlinezugangs und Art der Abrechnung (Zeittarif/Volumentarif/Flatrate) einzuteilen.

Zwangsabgabe

Hauptkritikpunkt an diesem Modell ist die Verpflichtung aller Benutzer von Breitbandzugängen, diese Abgabe zu zahlen, selbst wenn sie keine geschützten Inhalte beziehen wollen. Teilweise existieren allerdings auch heute schon Pauschalabgaben zu Gunsten der GEMA, etwa beim Kauf von Leermedien wie CDs, die mit Einführung einer Kulturflatrate entfallen könnten.

Betrugsgefahr

Kritiker sehen bei der Bestimmung des Verteilungsschlüssels zudem eine Betrugsgefahr durch manipulierte Statistiken – gerade anonyme Verfahren sind anfällig für eine Verzerrung des Bildes des Konsumverhaltens, beispielsweise durch massenhafte Downloads der eigenen Inhalte, oder starkes Bewerben von Dateien, die dann offensichtlich unbrauchbares Material enthalten, nur um durch die Klicks an Geld zu kommen. Es existiert keine technische Lösung, die Anonymität und Betrugssicherheit gewährleisten könnte.

Allerdings existiert das Problem der Manipulierbarkeit auch beim althergebrachten Modell zum Beispiel durch fingierte CD-Massenkäufe.[1]

Verwaltungsaufwand

Ein weiterer Aspekt ist der große Verwaltungsaufwand: Damit eine einigermaßen gerechte Verteilung möglich wäre, müsste eine sehr große Datenbasis erfasst werden, um dann anteilig das Geld an die Künstler weiterzugeben. Ansätze zur Erstellung derartiger Statistiken bieten derzeit Dienste wie BigChampagne. Vorgeschlagen wird auch, auf die bestehende Infrastruktur der GEMA aufzusetzen.

Datenschutz

Da die Festlegung der Anteile der einzelnen Künstler eine Erfassung des Nutzungsverhaltens erfordert, bestehen darüber hinaus datenschutzrechtliche Bedenken. So könnten die gesammelten personen- bzw. gruppenbezogenen Daten missbräuchlich verwendet werden, falls die Daten an zentraler Stelle erfasst würden.

Kritik

Preisgestaltung der Künstler wird unterlaufen

Falls nur die Anzahl der Downloads gemessen wird, würden die Künstler benachteiligt, die z. B. wegen höherer Qualitätsansprüche mehr Zeit und Geld in die Produktion ihrer Werke investieren und dies durch höhere Verkaufspreise wieder ausgleichen. Bei Gleichbehandlung aller Künstler und Verteilung der Einnahmen über die Downloadzahlen würde die Ausschüttung aus der Kulturflatrate ungerecht verteilt.

Gefährdung der kulturellen Vielfalt

Die Einführung einer Kulturflatrate würde vermutlich zu hohen Kannibalisierungseffekten führen, also einen starken Nachfragerückgang in traditionellen Vertriebskanälen mit sich bringen. Kritiker befürchten, dass die Vergütung für Künstler aus den Einnahmen der Kulturflatrate nicht annähernd diese Verluste ausgleichen kann und somit auch der Anreiz zur Schaffung neuer Werke in vielen Fällen nicht mehr gegeben ist. Peter Mühlbauer führt auf Telepolis dagege an, dass die Einnahmen der Kulturflatrate auch zum Ausbau der Künstlersozialversicherung verwendet werden kann. Womit sie direkt den schöpferisch Tätigen zugute kommen die aufgrund der Technischen Entwicklung selbständig für die Verbreitung ihrer Inhalte sorgen können, ohne die seiner Meinung nach teilweise überflüssigen Rechteverwerter. Seiner Meinung nach würde dies auch mit Ergebnissen der Motivationsforschung konform gehen, nach der eine grundlegende soziale Absicherung vieler schöpferisch Tätiger einen höheren Anreiz für kreative Leistungen bietet als hohe Profite für einige Wenige.[2]

Beispiele

Die Regierung der Isle of Man will eine Kulturflatrate erproben.[3] Die Gema ist der Kulturflatrate sehr ähnlich. Die Gema bezieht sich auf Verbreitung von Musik im Radio, Fernsehen, Konzerten, öffentlichen Orten usw.

Belege

  1. Artikel in RP Online zu manipulierte CD-Verkäufen
  2. Peter Mühlbauer: FAZ gegen Marktwirtschaft. Telepolis 30.04.2009 Abgerufen am 30.09.2010
  3. heise.de: „Isle of Man will Kulturflatrate erproben“

Literatur

  • Marina Artino u. a.: Kulturen der Kopie. Ein studentisches Projekt. Siegen Universitätsverlag, Siegen 2007.
  • Alexander Roßnagel / Silke Jandt / Christoph Schnabel: Kulturflatrate. Ein verfassungsrechtlich zulässiges alternatives Modell zur Künstlervergütung?, in: MMR 2010, S. 8 bis 12.