Karmann

Wilhelm Karmann GmbH

Logo der Wilhelm Karmann GmbH
Rechtsform GmbH
Gründung 1901
Sitz Osnabrück, Deutschland
Leitung Ottmar Hermann, Insolvenzverwalter
Mitarbeiterzahl ca. 1.255 (2010) [1]
Umsatz 1.300 Mio (2008) [2]
Branche Fahrzeugbau
Website www.karmann.de
Karmann-Firmengebäude in Osnabrück

Die Wilhelm Karmann GmbH war ein Automobil- und Karosseriebauunternehmen mit Hauptsitz im niedersächsischen Osnabrück. Neben dem Hauptsitz in Osnabrück exisitierte auch in Rheine eine Fertigungsstätte für Automobile. Weitere Produktionsstandorte für Fahrzeugkomponenten wurden in Plymouth (Michigan, USA), Cuautlancingo (Mexiko), Vendas Novas (Portugal), Żary und Chorzów (Polen), Yokohama (Japan) und Sunderland (England) aufgebaut.

Neben der Fertigung und Entwicklung von Gesamtfahrzeugen, insbesondere von Cabriolets und Coupés auf Basis von Fahrzeugen anderer Hersteller, erstellte das Unternehmen hauptsächlich Dachsysteme und Großwerkzeuge für andere Fahrzeughersteller.

Zwischen 1949 und Mitte 2009 wurden bei Karmann etwa drei Millionen Fahrzeuge gefertigt. Nach Übernahme der Fahrzeugproduktion durch die Volkswagen Osnabrück GmbH ist ein Neuanlauf der Fahrzeugproduktion für 2011 vorgesehen. [1]

Zu Beginn des Jahres 2010 hatte die insolvente Karmann-Gruppe ca. 1.255 Mitarbeiter[1].

Geschichte

Die Anfänge 1901 bis 1945

Wilhelm Karmann sen. übernimmt zum 1. August 1901 den renommierten Osnabrücker Wagenbaubetrieb von Christian Klages und startet mit insgesamt 10 erfahrenen Mitarbeitern in seine Selbstständigkeit. Wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch üblich, liegen die Prioritäten noch immer im Kutschenbau, doch bereits 1902 lieferte er seine ersten Karosseriebauten an die Dürkopp-Werke in Bielefeld. Weitere Einzelaufträge von Privatkunden und den Automobilfabrikanten Adler, DKW, Opel und Minerva folgten. 1921 erhielt Karmann von der AG für Automobilbau Berlin seinen ersten Großauftrag.

1924 reiste Karmann in die USA, um die dortigen Fertigungsmethoden zu studieren und für seine Fahrzeugfertigung umzusetzen. Nach Rückkehr aus den USA gab er seine bisherige Holzbauweise der Karosserie auf und stellte zunächst auf Halbstahlbauweise um. Seit 1926 arbeitete er mit den Adlerwerken in Frankfurt am Main zusammen und wurde zum Pionier des deutschen Großserien-Cabriolets und der Cabriolimousine. 1940 musste Karmann diese Fertigung einstellen, produzierte während des Zweiten Weltkriegs Heeres-Kraftfahrzeug-Aufbauten.

Der Aufstieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg fokussierte sich Karmann hauptsächlich als Auftragsfertiger und Entwickler auf die Volkswagen AG. Bereits 1949 startete Karmann seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Volkswagenwerk, für das er ein viersitziges Cabriolet, das VW Käfer-Cabriolet entwarf.

Letztes VW 1303 Cabriolet

Neben dem Karmann Ghia wurden für Volkswagen sämtliche Cabriolets der Fahrzeugmodelle VW Käfer und Golf sowie der VW Scirocco und Corrado gefertigt. Karmann expandierte und baute in den 1960er Jahren weitere Fahrzeugwerke in São Bernardo do Campo (Brasilien) und Rheine auf. In den späten 1970er und den 1980er Jahren fertigte Karmann die Coupés der 6er-Reihe von BMW. Ab Anfang der 1990er Jahre wurden das Mercedes CLK Cabriolet und ab 1997 das Audi Cabriolet (Typ 89) bzw. das A4-Cabriolet (ab 2002) als Gesamtfahrzeuge gefertigt.

Erste Krisen

Spätestens 2007 zeigten sich erste Probleme mit dem Karmann Konzept als Auftragsfertiger für Nischenfahrzeuge. Zusätzliche Liquidität wurde benötigt, um die sich abzeichnende Krise bewältigen zu können. Es erfolgte der Verkauf der nicht zum Kerngeschäft gehörenden Geschäftsfelder.

Nach dem bereits 2002 erfolgten Verkauf der Reisemobilsparte an Eura Mobil[3] wurde die 100% Karmanntochtergesellschaft Heywinkel GmbH an den Finanzinvestor Nord Holding Unternehmensbeteiligungsgesellschaft mbH aus Hannover veräußert. Weiterhin erfolgte zum 31. März 2008 der Verkauf der brasilianischen Tochtergesellschaft an die Grupo Brasil, einen bedeutenden brasilianischen Autozulieferer. Somit beendet Karmann nach fast 48 Jahren sein Engagement in Brasilien. Wie an den deutschen Standorten in Osnabrück und Rheine wurden nahe Sao Paulo seit den 1960er Jahren komplette Fahrzeuge gefertigt. Neben Abwandlungen des Karmann Ghia lief zuletzt der in Lizenz gebaute Land Rover Defender vom Band.

Der Weg in die Insolvenz

Da Audi die Produktion des neuen und vom A5 abgeleiteten Cabrios wieder in Audi-eigene Fertigung nehmen wollte,[4] suchte Karmann in der Autoindustrie seit 2007 erfolglos nach Anschlussaufträgen für die Fahrzeugwerke in Osnabrück und Rheine.[5] Noch bevor die Fahrzeugproduktion eingestellt wurde, meldete Karmann am 8. April 2009 die vorläufige Insolvenz an [6]. Von dieser Insolvenz waren auch die mit der Wilhelm Karmann GmbH verbundenen inländischen Tochterunternehmen in Rheine (Kreis Steinfurt) und Bissendorf (Landkreis Osnabrück) betroffen.[6] Als Insolvenzverwalter wurde Ottmar Hermann bestellt, der parallel zum vorläufigen Insolvenzverwalter von Woolworth bestellt wurde und bereits den Baukonzern Philipp Holzmann abwickelte.[7] Als letztes Fahrzeug rollte am 23. Juni 2009 um 11:35 Uhr ein schwarzes Mercedes CLK-Cabriolet vom Band.[8].

Die Auflösung der Karmanngruppe

Sechs Monate nach Eröffnung der vorläufigen Insolvenz konnte der Insolvenzverwalter erste Erfolge bei der Restrukturierung der insolventen Karmanngruppe verzeichnen. Am 20. November 2009 wurde vermeldet, dass Volkswagen Teile von Karmann übernehmen wird und in den folgenden Wochen eine neue Volkswagen-Tochtergesellschaft gegründet werden soll, um ab 2011 wieder in Osnabrück Fahrzeuge zu produzieren. Volkswagen erwirbt aus der Karmann Insolvenzmasse vor allem Maschinen, Anlagen und Grundstücke. Die Volkswagen Osnabrück GmbH soll die ehemaligen Karmannsparten Werkzeugbau, Presswerk, Lackiererei, Montage und weitere Bereiche umfassen. [9]

Mit Wirkung zum 25. Februar 2010 wurde der japanische Produktionsstandort der Karmann Japan Co. Ltd. von dem Wettbewerber Magna International erworben. Somit fertigt Magna Steyr neben dem Dachsystem für den Nissan 370Z Roadster nun auch das Dachsystem des Infiniti G Convertible.[10]

Anfang August 2010 wurde die Standorte in den USA und Mexico an den Autozulieferer Webasto veräussert. Mit Übernahme dieser beiden Produktionsstätten erweitert Webasto sein Produktionsportfolio um die Dachsysteme für den Ford Mustang, den Chrysler Sebring sowie um die Auslaufproduktion des Volkswagen Beetle Cabriodaches. Ein Kaufpreis für die beiden ehemaligen amerikanischen Karmannwerke wurde nicht veröffentlicht. [11]

Fahrzeuge

Karmann Ghia

Ghia Cabriolet

Der Karmann-Ghia (Typ 14) ist das bekannteste eigenständige Fahrzeugmodell von Karmann. Die zündende Idee hatte Wilhelm Karmann 1953, ein Jahr nach der Übernahme der väterlichen Karosseriefirma in Osnabrück: Karmann wollte einen sportlichen Zweisitzer auf der technischen Basis des VW Käfers herstellen. Luigi Segre, der Chef von Carrozzeria Ghia in Turin, wird in den Plan eingeweiht. Heimlich kaufte er einen Käfer und setzte eine selbst gestaltete Karosserie auf das Fahrgestell. VW-Chef Heinrich Nordhoff ist von dem Coupé mit den fließenden Linien und den rundlichen Formen so begeistert, dass er dem Bau des Wagens spontan zustimmt. Der VW-Karmann-Ghia wird zum Verkaufsschlager, über 360.000 Exemplare werden gebaut - auch wenn er als „Hausfrauen-Porsche“ und „Sekretärinnen-Ferrari“ tituliert wird: Das Auto sieht zwar aus wie ein Sportwagen, ist aber mit 30 PS und 115 km/h Spitzengeschwindigkeit weit entfernt von sportlichen Rekorden. Die weitere Arbeit an diesem wie auch an vielen anderen Fahrzeugen bei Karmann leistete Johannes Beeskow, der von 1956 bis 1976 die technische Entwicklung leitete. In den bei Karmann produzierten Stückzahlen wurden die Karmann-Ghia Coupés und Cabrios später sowohl vom Golf Cabriolet als auch vom Scirocco leicht übertroffen; nur wenn man die ersten Karmann-Typen über Coupé und Cabrio zusammenrechnet, war der Karmann Ghia das erfolgreichste Fahrzeug von Karmann.

Fahrzeugentwicklung

Neben der Fahrzeugentwicklung des Audi A3 Cabriolet war die Firma Karmann an der Entwicklung des Mercedes-Benz Vaneo sowie weiterer Entwicklungen im Nutzfahrzeugbereich (MAN) beteiligt.

Zur IAA 2005 stellte das Unternehmen eine Studie vor, die ein neues Marktsegment begründen sollte, das Sports Utility Cabrio.

Weitere Fahrzeugmodelle

Karmann Transformer Concept (IAA 2001)
Studie eines Polo GTI Cabrios (2007)

Für folgende Fahrzeughersteller wurden bei Karmann Fahrzeuge bzw. Karosserien produziert.

Außerdem überrascht Karmann immer wieder mit Designstudien, wie auf der IAA in Frankfurt 2005. Hier präsentierte Karmann einen Geländewagen mit Cabriodach und gegenläufig zu öffnenden Türen.

Als Partner bei Entwicklung, Design und Produktion beteiligt sich die Wilhelm Karmann GmbH am neuerlichen Marktauftritt eines traditionsreichen Sportwagen-Herstellers: In einer exklusiven Kleinserie wird seit Herbst 2005 der Supersportwagen Spyker C8 Spyder der niederländischen Marke Spyker gefertigt. Innerhalb von drei Jahren sollen 350 Exemplare des extravaganten Zweisitzers produziert werden.

Produktion

Gesamtproduktion

Insgesamt produzierte Karmann in seiner Firmengeschichte über drei Millionen Fahrzeuge der nachstehenden Modelle.

Gesamtproduktion
Modell Baujahr von Baujahr bis produzierte Einheiten Anmerkungen
AMC Javelin 1969 1969 281 Montage, Lackierung, Ausstattung. Ausführungen mit 6- & V8 Zyl. Motoren. Total 13 mit Handschaltung
Audi 80 Cabrio 1997 2000 12112
Audi A4 Cabrio 2002 2009 160000 (Stand ca. Einheiten: Anfang 2008)
BMW 2000 C/CS 1965 1970 13696 Rohkarosserien
BMW 3,0 CS 1971 1975 21147
BMW 635 CSI 1976 1989 86314
Chrysler Crossfire Coupé 2003 2007 45506
Chrysler Crossfire Cabrio 2003 2007 30539
Ford Escort RS Cosworth 1992 1996 8082
Ford Escort FEC Cabrio 1983 1990 104237
Ford Escort Cabrio 1990 1997 80620
Ford Merkur XR4Ti (US-Version) des Ford Sierra XR4i
Karmann GF
VW Karmann-Ghia Typ 14 Coupé 1955 1974 362601
VW Karmann-Ghia Typ 14 Cabriolet 1957 1974 80881
VW Karmann-Ghia Typ 34 1961 1969 42505
Kia Sportage Geländewagen 1995 1998 25984
Land Rover Defender 2002 2005 2777 (in Brasilien)
Mercedes-Benz CLK A208 Cabrio 1998 2003 115264
Mercedes-Benz CLK C208 Coupé 2000 2002 28706
Mercedes-Benz CLK A209 Cabrio 2003 2009
Opel Diplomat A Coupe 1967 1968 347
Porsche 914 1969 1976 118949
Porsche 968 1991 1994 11803
Renault 19 Cabrio 1990 1996 29222 Rohkarosserien und Verdecksysteme
Renault Mégane I Cabrio 1996 2003 74096 komplette Rohkarosserien und Verdecke
Renault Mégane CC Cabrio 2004
Triumph TR6 1969 1976
VW Corrado 1988 1995 97521
VW Golf Cabrio MK I 1979 1993 388522
VW Golf Cabrio Mk III 1993 1998 129475
VW Golf Cabrio Mk IV (Basis Golf III) 1998 2001 82588
VW Golf Variant MK III 1997 1999 80928
VW Käfer Cabrio 1949 1980 331847
VW Scirocco I 1974 1980 504153
VW Scirocco II 1980 1992 291497
VW Bus mit Karmann Gipsy Wohnmobil-Aufbau 1980 1992 891
VW LT mit Karmann Wohnmobil-Aufbau

Aktuelle Produktion von Karosseriemodulen

Karosserie eines Spyker C8

Karmann fertigt weiterhin Karosseriemodule für folgende Fahrzeuge:

Werkzeugbau

Ferner ist Karmann ein Hersteller von Werkzeugen für Tiefziehpressen (Sparte Karmann Werkzeug- und Produktionsmittelbau).

Literatur

Commons: Karmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Karmann macht sich fit für den Neustart. In: Neue Osnabrücker Zeitung. 23. Januar 2010.
  2. Presseinformation zum Genfer Automobilsalon 3. März 2009
  3. Internationaler Reisemobilkonzern Trigano übernimmt Eura Mobil Gruppe. 10. Januar 2005.
  4. Marion Feldkamp: Autobauer Karmann schließt Fahrzeugbau in Rheine: Das letzte Cabrio aus Rheine. auf: WDR.de, 20. Februar 2009.
  5. Kahlschlag bei Karmann. auf sueddeutsche.de, 7. Januar 2008.
  6. a b Karmann meldet Insolvenz an. auf handelsblatt.com, 8. April 2009.
  7. Ottmar Hermann: Bestatter und doch Retter. auf handelsblatt.com, 16. April 2009.
  8. Karmann in der Krise - Cabrio-Spezialist fertigt letztes Fahrzeug. auf spiegel online, 22. Juni 2009.
  9. VW-Einstieg rettet Karmann-Standort Osnabrück. auf ndr.de, 20. November 2009.
  10. Magna Steyr übernimmt Sparte von Karmann. auf derStandard.at, 25. Februar 2010.
  11. Webasto übernimmt Karmann-Dachsparte. auf handelsblatt.com, 5. August 2010.

Koordinaten: 52° 15′ 57″ N, 8° 4′ 40″ O