Großisrael

Eretz Israel
nach Gen 15,18-21 LUT
Eretz Israel:
rote Linie: Num 34,2-12 LUT,
blaue Linie: Ez 47,15-20 LUT
Das Reich König Davids in unterschiedlicher Interpretation

Großisrael (hebräisch: ארץ ישראל השלמה, Eretz Israel HaSchlema „Vollständiges Land Israel“, oft nur „Eretz Israel“) ist eine politische Forderung nationalistischer jüdischer, vereinzelt auch christlicher Gruppierungen in und außerhalb Israels. Sie postuliert die Unteilbarkeit des als Eretz Israel bezeichneten Gebietes und beinhaltet die Befürwortung der Ausdehnung des israelischen Staatsgebietes auf das gesamte Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, manchmal auch auf Teile Jordaniens und in ihrer extremeren Form auf Gebiete des Libanons, Syriens und Ägyptens.

Geschichte

Biblischer Hintergrund

Der Ausdruck Eretz Israel und Eretz Israel HaSchlema bezieht sich auf das in der hebräischen Bibel als dem jüdischen Volk von Gott verheißene Land, dessen Ausdehnung in der Bibel mehrmals unterschiedlich beschrieben wird, erstmals in Gen 15,18-21 LUT: „An dem Tage schloss der Herr einen Bund mit Abram und sprach: Deinen Nachkommen will ich dies Land geben von dem Strom Ägyptens an bis an den großen Strom Euphrat: die Keniter, die Kenasiter, die Kadmoniter, die Hetiter, die Perisiter, die Refaïter, die Amoriter, die Kanaaniter, die Girgaschiter, die Jebusiter.“ Über die Bedeutung der einzelnen in der Bibel verwendeten geographischen Bezeichnungen herrscht Unklarheit, das Gebiet ist lediglich diffus definiert und bildete eine in verschiedenen Grenzen politisch realisierte zeitlich beschränkte staatliche Einheit.[1] Als „Strom Ägyptens“ drängt sich der Nil auf, in der jüdischen Tradition, so insbesondere bei Raschi, ist jedoch das Wadi al-Arisch an der Nordküste der Sinaihalbinsel gemeint.[2] In Num 34,2-12 LUT umfasst das Gebiet die ägyptische Provinz Kanaan, die sich vom Negev bis zum Südlibanon erstreckt mit dem Jordan als Ostgrenze,[3] von dem sich das in Ez 47,15-20 LUT umschriebenen Gebiet leicht unterscheidet.

Entwicklung vor und nach der Gründung des Staates Israel

Historisch wurde die Großisrael-Ideologie hauptsächlich von der als revisionistisch bezeichneten Strömung innerhalb der zionistischen Bewegung vertreten, aus der die heutige Likud-Partei hervorgegangen ist. Seit der israelischen Besetzung des Westjordanlands im Sechstagekrieg im Juni 1967 erhielt die Großisrael-Idee Zuspruch auch außerhalb des rechts-nationalistischen und nationalreligiösen Lagers.[4] Im August 1967 wurde die Großisrael-Bewegung gegründet, die die Beibehaltung der eroberten Gebiete verlangte. In den Wahlen von 1969 wurden mehrere ihrer Mitglieder ins israelische Parlament gewählt. Die Großisrael-Bewegung wurde später von der Gusch Emunim Bewegung abgelöst.[5]

Nach dem Wahlsieg des Likud von 1977 hat die Siedlungstätigkeit der jüdischen Israelis, besonders des nationalreligiösen Gusch Emunim, in den israelisch besetzten Gebieten beträchtlichen Auftrieb erhalten.[1] Im Herbst 2008 erklärte der damalige israelische Premierminister Ehud Olmert, ein ehemaliges Mitglied der revisionistisch zionistischen Betar Jugendorganisation, den Traum von einem Großisrael für unrealistisch und erklärte: „Groß-Israel ist am Ende“.[6]

Verschwörungstheorien

NIS 10-Agorot-Münze, rechts die angebliche Großisrael-Karte als Hintergrund der Menorah

Die Eretz Israel HaSchlema-Ideologie, die ein Großisrael vom Euphrat bis zum Nil postuliert, wird von vielen ernst genommen und führt teilweise zu Verschwörungstheorien. In einem friedenspädagogischen Studienprojekt evangelischer Hochschulen zum interreligiösen und interkulturellen Lernen in Jordanien und Israel wird die Grenzziehung nach Gen 15,18-21 „als Ideal der Grenzziehung Israels zu den Nachbarvölkern“ bezeichnet, die sich „bis heute auf der Karte der israelischen Botschaft“ befindet.[3] Viele arabische Politiker sind oder waren davon überzeugt, dass im israelischen Parlament eine entsprechende Karte hängt, die ein Großisrael vom Euphrat bis zum Nil zeigt.[7] Ebenso ist die Auffassung, die blauen Streifen der Flagge Israels symbolisierten Nil und Euphrat in der arabischen Welt weit verbreitet und wurde auch vom verstorbenen palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat vertreten,[8] der zudem in den 1980er Jahren auf einer israelischen 10-Agorot-Münze eine Abbildung einer Karte Großisraels erkannt haben wollte.[7]

Einzelnachweise

  1. a b Arnon Medsini: Gebiete, Grenzen und Siedlungen seit 1967. Anti Defamation (ADL) Kommission von Bnai Brith Zürich, 15. Dezember 2003, abgerufen am 3. Januar 2012.
  2. Daniel Pipes: Imperial Israel: The Nile-to-Euphrates Calumny. In: Middle East Quarterly. März 1994, abgerufen am 13. Dezember 2011 (englisch).
  3. a b Katja Baur: Die Bedeutung des Landes im Friedensprozess. In: Abraham - Impulsgeber für Frieden im Nahen Osten?! LIT Verlag, Münster 2009, ISBN 3-03735-922-6, S. 74–77 (online [abgerufen am 13. Dezember 2011]).
  4. Julia Brauch: Nationale Integration nach dem Holocaust: Israel und Deutschland im Vergleich. Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2004, ISBN 3-593-37622-9, S. 147 ff. (online [abgerufen am 13. Dezember 2011]).
  5. Stephan Maul: Israel auf Friedenskurs? Politischer und religiöser Fundamentalismus in Israel. Wirkungen auf den Friedensprozess im Nahen Osten. LIT Verlag, Münster 2000, ISBN 3-8258-4535-4, S. 90 (online [abgerufen am 3. Januar 2012]).
  6. Olmert realistisch "Groß-Israel am Ende". In: n-tv.de. 14. September 2008, abgerufen am 3. Januar 2012.
  7. a b Danny Rubinstein: Inflammatory legends. In: Haaretz. 15. November 2004, abgerufen am 28. Dezember 2011 (englisch).
  8. Danny Rubinstein: Yassir Arafat. Vom Guerillakämpfer zum Staatsmann. Palmyra Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-930378-09-4, S. 12ff.