„Godesberger Programm“ – Versionsunterschied

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Das so genannte '''Godesberger Programm''' war das [[Parteiprogramm]] der [[SPD]] von [[1959]] bis [[1989]]. Es wurde am [[15. November]] [[1959]] von einem außerordentlichen SPD-[[Parteitag]] in der [[Stadthalle Bad Godesberg|Stadthalle]] in [[Bad Godesberg]] (heute Stadtbezirk von [[Bonn]]) mit 324 zu 16 Stimmen verabschiedet.
Das '''Godesberger Programm''' war von 1959 bis 1989 das [[Parteiprogramm]] der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands| Sozialdemokratischen Partei Deutschlands]] (SPD). Ein außerordentlicher SPD-[[Parteitag]] in der [[Stadthalle Bad Godesberg|Stadthalle]] von [[Bad Godesberg]], heute ein Stadtbezirk [[Bonn]]s, verabschiedete es mit großer Mehrheit am 15. November 1959. Der Wandel der SPD von einer [[Sozialismus|sozialistischen]] [[Arbeiterpartei]] hin zu einer [[Volkspartei]] kam mit diesem Grundsatzprogramm zum Ausdruck. Zentrale Elemente des Godesberger Programms gelten bis heute.
[[Bild:Broschuere Godesberger Programm 1959.jpg|thumb|Deckblatt der Broschüre, die das Parteiprogramm enthält]]


==Vorgeschichte ==
Es markierte nun auch programmatisch den praktisch schon längst vollzogenen Wandel der SPD von einer [[Sozialismus|sozialistischen]] [[Arbeiterpartei]] hin zu einer [[Volkspartei]]. Es hat in seinen Grundzügen bis heute Geltung. Vorgänger des Godesberger Programms war seit 1925 das [[Heidelberger Programm]], das 1946 durch die [[Politische Grundsätze der SPD|Politischen Grundsätze der SPD]] abgeändert wurde. Das Godesberger Programm wurde 1989 durch das [[Berliner Programm]] abgelöst.
=== Umbrüche seit 1925 ===
Das [[Heidelberger Programm]] der SPD von 1925 war für die SPD bis zum Ende der 1950er Jahre als parteipolitisches Grundsatzprogramm verbindlich. Seit seiner Verabschiedung in der Mittelphase der [[Weimarer Republik]] hatten in Deutschland und Europa gravierende politische Umbrüche stattgefunden: Scheitern der ersten deutschen Republik, [[Zeit_des_Nationalsozialismus|Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus]], [[Zweiter Weltkrieg]], [[Deutsche Teilung|Teilung Deutschlands]] und Europas, [[Kalter Krieg]], [[Stalinismus]] und Expansion des [[Realsozialismus]]. Die Verfasser des Heidelberger Programms konnten diese Erschütterungen nicht vorhersehen, sie erwarteten eine sozialistische Zukunft. Mehr noch: In vielen Punkten war dieses Programm kaum etwas anderes als eine Neuauflage des [[Erfurter Programm]]s, das nach Ende des [[Sozialistengesetz]]es 1891 verfasst worden war. Die Formulierung einer [[Revolution|revolutionären]] Perspektive stand neben gegenwartsbezogenen [[Reform]]forderungen.


=== Politik der SPD unter Kurt Schumacher ===
== Entstehung ==
[[Kurt Schumacher]], bis zu seinem Tod im August 1952 unumstrittener Führer der SPD in den [[Westzone]]n und in den Anfangsjahren der Bundesrepublik, lehnte Diskussionen um ein neues Grundsatzprogramm stets als unzeitgemäß ab. Was die Sozialdemokratie im Grundsatz wolle, „''ist uns allen klar''“ – so Schumacher.<ref>Zitiert nach Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2047.</ref> Wichtiger war ihm die Formulierung einer klaren Alternative zur Regierungspolitik, insbesondere auf den Feldern der [[Deutschlandpolitik|Deutschland-]] und [[Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland |Außenpolitik]].


Schumacher war ein scharfer Gegner von Bündnissen mit Kommunisten. Seine Weimarer Erfahrungen mit dem Antiparlamentarismus der [[Kommunistische Partei Deutschlands|Kommunistischen Partei Deutschlands]] (KPD) und die [[Zwangsvereinigung]] von SPD und KPD zur [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands]] (SED) in der [[Sowjetische Besatzungszone|Sowjetischen Besatzungszone]] motivierten ihn zu dieser Haltung. Dennoch war Schumachers Denken und Reden von Begriffen des [[Marxismus]] geprägt, dem er als Instrument zur Analyse der Gesellschaft große Bedeutung zumaß. Auch standen für ihn – wie für viele Sozialdemokraten – der [[Sozialismus]] als Gesellschaftsform und Sozialisierungen als Weg zu ihrer Durchsetzung nach den Erfahrungen des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs auf der Tagesordnung. Gleichzeitig betonte er nach 1945 die [[Weltanschauung|weltanschauliche]] Offenheit seiner Partei. Insbesondere Menschen, die aus christlichen Überzeugungen heraus den Sozialismus bejahten, forderte er auf, in der SPD ihr politisches Wirkungsfeld zu sehen. Der SPD kam in Schumachers Augen die führende Rolle beim wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau zu, dies umso mehr, wenn es ihr gelingen würde, neben der Arbeiterschaft auch Angestellte, Beamte, Kleinhändler, Handwerker und Bauern anzuziehen.<ref>Zur beanspruchten Führungsrolle und der angestrebten Attraktivität der SPD für soziale Kreise über die Arbeiterschaft hinaus siehe Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2048.</ref>
Die Sozialdemokratie befand sich nach der [[Weimarer Republik]] und der [[Zeit des Nationalsozialismus]] in einem Umbruch. Die Erfahrungen aus Jahren der Regierungsverantwortung und dem Scheitern der Republik sowie über ein Jahrzehnt in Verfolgung und Exil sollten sich auch programmatisch niederschlagen. Nach heftigen, mehrere Jahre andauernden Kontroversen legte der Vorsitzende der Programmkommission [[Willi Eichler]] einen Entwurf vor.


Als Vorsitzender der Partei prägte Schumacher die Bejahung des Parlamentarismus und des Staates innerhalb der Partei sowie das unbedingte Bestehen auf inneren und äußeren Freiheiten der Deutschen. Letzteres brachte ihn und die SPD in Gegensatz zur Bundesregierung. Er warf ihr vor, das Politikziel der nationalen Einheit der Deutschen zugunsten einer [[Westintegration|Westbindung]] Westdeutschlands aufzugeben. Gemeinsame politische Institutionen Westeuropas wie den [[Europarat]] lehnte er als „''konservativ, klerikal, kapitalistisch und kartellistisch''“ ab. Insgesamt prägte er das Bild einer scharfen Opposition der SPD gegenüber wichtigen politischen Weichenstellungen im Nachkriegsdeutland.<ref>Zur Bedeutung Schumachers für die Politik und das Programm der Nachkriegs-SPD siehe Miller, ''Die SPD vor und nach Godesberg'', S. 9 – 30. Zitat „konservativ, klerikal …“ bei Lehnert, ''Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983'', S. 177.</ref>
Im Programm kommen vor allem der Einfluss von Willi Eichler, sodann von [[Carlo Schmid]], [[Waldemar von Knoeringen]] und [[Fritz Erler]] zum Ausdruck. Als entscheidend für die erfolgreiche Annahme gilt der Schwenk [[Herbert Wehner]]s zur Befürwortung liberal-demokratischer Grundsätze im Parteiprogramm. Mit dem Programm verabschiedete sich die SPD von marxistischen Begriffen wie [[Klassenkampf]], [[Vergesellschaftung]] von wichtigen Industriezweigen oder [[Planwirtschaft]].


=== Opposition auf Bundesebene ===
1960 verkündete Wehner auch eine Wende in der [[Außenpolitik]] der SPD, weg von einem anvisierten gesamtdeutschen Neutralitätskonzept zur [[Westbindung]] der Bundesrepublik.
Die im Mai 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland erlebte in den 50er Jahren eine Zeit des raschen wirtschaftlichen Wiederaufbaus, [[Wirtschaftswunder]] genannt, und eine Politik der zunehmenden Westbindung, die von den Regierungen unter [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]] [[Konrad Adenauer]] vorangetrieben wurde. Auf Bundesebene dominierten die [[Unionspartei]]en, also [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|Christlich Demokratische Union]] (CDU) und [[Christlich-Soziale Union in Bayern|Christlich Soziale Union]] (CSU).


Die SPD war seit der [[Bundestagswahl 1949|ersten Bundestagswahl]], bei der sie einen Sieg erwartet hatte, im [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] auf die Oppositionsbank verwiesen, während sie in den [[Stadtstaat]]en [[Berlin]], [[Hamburg]] und [[Bremen]] und einigen [[Flächenstaat]]en die Regierung stellte. Auch die [[Bundestagswahl 1953|zweite Bundestagswahl]], durchgeführt im September 1953, ging aus Sicht der Sozialdemokraten enttäuschend aus – die SPD musste leichte prozentuale Verluste hinnehmen und blieb Oppositionspartei, während CDU und CSU erhebliche Wählerzugewinne verbuchen konnten. Als Reaktion auf diese Umstände intensivierten sich Überlegungen zur Formulierung und Verabschiedung eines neuen Grundsatzparteiprogramms.
Der [[Orientierungsrahmen 85]] von 1975 galt als Fortschreibung und Überarbeitung des Programms. Endgültig abgelöst als Grundsatzprogramm der SPD wurde das Godesberger Programm am 20. Dezember 1989 durch das ''[[Berliner Programm]]''.

== Programmatische Vorarbeiten ==
=== Prinzipienerklärung der Sozialistische Internationale ===
In kleineren Zirkeln und von der Gesamtpartei wenig beachtet begannen Programmdiskussionen bereits Anfang der 1950er Jahre. Vielfach bezogen sich die Teilnehmer dabei auf die Prinzipienerklärung der [[Sozialistische Internationale|Sozialistischen Internationale]], die 1951 in [[Frankfurt am Main]] gegründet worden war und den europäischen Sozialisten nach 1945 erstmals eine programmatische Orientierung angeboten hatte. Die [[Präambel]] der [[Resolution]] über die „''Ziele und Aufgaben des [[Demokratischer Sozialismus|Demokratischen Sozialismus]]''“ äußerte deutliche Kritik am [[Kapitalismus]] und grenzte die Sozialisten von den [[Kommunismus|Kommunisten]] ab. Ferner hob sie die unterschiedlichen Motivationen des Einzelnen für die Unterstützung der sozialistischen Ideen hervor – marxistische oder anders begründete Gesellschaftsanalysen, religiöse Werthaltungen und humanistische Überlegungen standen hier gleichrangig nebeneinander. Schließlich behauptete sie, dass die Demokratie im Sozialismus ihre höchste Form entfalten werde, der Sozialismus zugleich aber nur durch die Demokratie verwirklicht werden könne. Ein größeres gesamtparteiliches Echo in der SPD blieb jedoch auch dieser Grundsatzerklärung versagt.<ref>Zur Prinzipienerklärung der Sozialistischen Internationale siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 438 und Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 259 f.</ref>

=== Dortmunder Aktionsprogramm von 1952 ===
Unter der Federführung von [[Willi Eichler]], der sich innerparteilich bereits seit längerem für eine programmatische Erneuerung der SPD stark machte, erarbeitete ab April 1952 ein von der Parteiführung eingesetzter zehnköpfiger Ausschuss den Entwurf eines so genannten Aktionsprogramms. Im September des gleichen Jahres verabschiedete der Dortmunder Parteitag der SPD diesen Entwurf als ''Dortmunder Aktionsprogramm'' einstimmig. Hintergrund war der sich bereits ankündigende [[Wahlkampf]] für die Bundestagswahlen, die ein Jahr später stattfinden sollte. Der erste Entwurf hatte aus der Sicht der [[Funktionär|Parteifunktionäre]] den Erfordernissen der Wahlagitation kaum Genüge getan und wurde daher vor dem Parteitag formal und inhaltlich erheblich modifiziert. Aber auch die verabschiedete Fassung hatte – so der Historiker [[Kurt Klotzbach]] – nur den „''Charakter eines achtbaren Zeugnisses penibler praktischer Selbstverständigung''“.<ref>Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 262.</ref> Außenwirkung und Interesse in der Öffentlichkeit weckte es nicht. Die gemäßigten Reformforderungen der Partei im eigentlichen Aktionsprogramm standen zudem unverbunden neben der [[Apodiktische Aussage|apodiktisch]]-kritischen Gegenwartsbeschreibung des Vorworts, das noch Kurt Schumacher verfasst hatte, der im August 1952 verstorben war. Alle Versuche, die die Partei nach 1952 unternahm, um das Dortmunder Aktionsprogramm bekannt und populär zu machen – hierzu gehörten Fachkonferenzen, eine eigene [[Schriftenreihe]] und ein [[Handbuch]] sozialdemokratischer Politik, das das Programm umfangreich kommentierte – blieben ohne den gewünschten Erfolg. Das Dortmunder Aktionsprogramm erreichte allein jene Funktionäre, die auch ohne ein solches Papier fest zur Partei standen.<ref>Zum Dortmunder Aktionsprogramm siehe Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 260 – 264 sowie Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 438 f.</ref>

=== Berliner Fassung des Aktionsprogramms von 1954 ===
Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl von 1953 intensivierte die Parteiführung um den neuen Vorsitzenden [[Erich Ollenhauer]] das Streben, ein neues Parteiprogramm zu formulieren. Zunächst erarbeitete eine Studienkommission bis April 1954 die so genannten ''Mehlemer Thesen''.<ref>Hierzu Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 320 f.</ref> Diese wurden anschließend durch eine Kommission aus 60 Personen, wiederum unter Vorsitz von Willi Eichler, genutzt, um für den Berliner Parteitag von Juli 1954 das Dortmunder Aktionsprogramm zu überarbeiten und ihm eine Präambel mitzugeben. Der Parteitag verabschiedete diese Aktualisierung und Ergänzung. Der Sozialismus wurde dabei als „''Menschheitsziel''“ bezeichnet. Er sei allerdings kein Endziel, sondern eine Daueraufgabe. Sozialistische Ideen seien ferner keine „''Ersatzreligion''“. [[Christentum]], [[Philosophie_der_Antike#Die_klassische_Philosophie_des_5._und_4._Jahrhunderts_v._Chr.|klassische Philosophie]] und [[Humanismus]] galten als Wurzeln der sozialistischen Gedankenwelt. Die Abkehr der SPD von der reinen Arbeiterpartei hin zur Volkspartei wurde bereits in diesem Parteitagsbeschluss von 1954 ausgeführt: „''Die Sozialdemokratie ist aus einer Partei der [[Arbeiterklasse]], als die sie erstand, zur Partei des Volkes geworden. Die Arbeiterschaft bildet dabei den Kern ihrer Mitglieder und Wähler.''“<ref>Zitiert nach Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 440.</ref> Den wirtschaftspolitischen Abschnitt des Programms hatte [[Karl Schiller]] maßgeblich beeinflusst. Seine bereits ein Jahr zuvor geprägte griffige Formel „''Soviel Markt wie möglich, soviel Planung wie nötig''“<ref>Karl Schiller auf der Wirtschaftspolitischen Tagung der SPD im Februar 1953, zitiert nach Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2056.</ref> leitete den Unterabschnitt über „Planung und Wettbewerb“ ein. Die SPD kehrte damit ihre Wertschätzung von [[Planwirtschaft|plan-]] und [[marktwirtschaft]]lichen Prinzipien um; von nun an genoss der Markt die Priorität vor der Planung. Über Sozialisierungen wurde im Aktionsprogramm nicht mehr gesprochen. Es forderte allein die Überführung der Grundstoffindustrie in Gemeineigentum mit dem Ziel der [[Vollbeschäftigung]].<ref>Zur Berliner Fassung des Aktionsprogramms siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 439 f und Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 319 – 324.</ref>

=== Entwurf des Grundsatzprogramms und Organisationsreform ===
Zu den Ergebnissen des Berliner Parteitags der SPD von 1954 gehörte der Beschluss, eine Kommission einzusetzen, die das neue Parteiprogramm entwerfen sollte. Diese „''Große Programmkommission''“ aus 34 Personen nahm ihre Arbeit, die in fünf Unterausschüssen stattfand und ebenfalls von Willi Eicher gesteuert wurde, im März 1955 auf. Die Progammarbeit kam dabei anfangs nur schleppend voran. Ein erster Streitpunkt war die Frage, ob das Grundsatzprogramm durch eine so genannte „Zeitanalyse“ eingeleitet werden sollte oder nicht. Die Aufgabe einer solchen Analyse wäre die wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Beschreibung der Gesellschaft und der Gegenwart aus Sicht der Partei gewesen sowie eine [[Geschichtsphilosophie|geschichtsphilosophisch]] belastbare Zukunftsprognose. Die Diskussion darüber verlief zäh und wirkte auch auf Beteiligte gelegentlich ermüdend. Aufstrebende Parteipolitiker wie [[Herbert Wehner]], [[Fritz Erler]] oder [[Willy Brandt]] hielten sich in dieser Phase der Programmentwicklung zurück. Sie konzentrierten sich stattdessen darauf, wichtige organisatorische und personelle Veränderungen vorzubereiten. Das Ziel dieser Pläne war die Beseitigung der Einflüsse des „Büros“, also des Parteiapparats der hauptamtlichen Funktionäre des Parteivorstands. Die Reformer in der Partei streben danach, dem „Apparat“ allein die notwendigen Verwaltungsaufgaben zuzuweisen. Die Parteispitze selbst sollte die politische Richtung formulieren. Diese Veränderung gelang auf dem Stuttgarter Parteitag von Mai 1958. Der Einfluss der hauptamtlich Besoldeten ging zurück durch den Beschluss, als Zentrum der Parteiführung aus der Mitte des Parteivorstands das so genannte Präsidium zu wählen. Zu Stellvertretern Ollenhauers wurden überdies Wehner und [[Waldemar von Knoeringen]] gewählt. Bereits im Oktober 1957 hatten die Reformer in der SPD einen Etappensieg verzeichnet. Bei der Neuwahl des Vorstands der [[SPD-Fraktion]] im [[Deutscher Bundestag|Bundestag]] setzen sich drei ihrer profiliertesten Vorderleute durch: Wehner, Erler und [[Carlo Schmid]] lösten die als Traditionalisten geltenden [[Erwin Schoettle]] und [[Wilhelm Mellies]] im Amt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden ab und bestimmten fortan die Grundlinien der Fraktionsarbeit.

Eine Ursache für diese Entscheidungen des Stuttgarter Parteitags waren die Vorarbeiten der Reformer. Wichtiger war dafür allerdings der Schock, den das Ergebnis der [[Bundestagswahl 1957|Bundestagswahl von 1957]] auslöste. Die Unionsparteien holten die absolute Mehrzeit. Adenauers Popularität war ungebrochen. Ihm war kurz zuvor die Wiedereingliederung des [[Saarland]]es in die Bundesrepublik gelungen. Zudem erwies sich die [[Rentenreform 1957|Rentenreform]] als wahlwirksamer Schachzug. Die Niederschlagung des [[Ungarischer Volksaufstand|Ungarnaufstandes]] wusste der Bundeskanzler zudem gegen die SPD auszulegen. All diese Faktoren wirkten aus der Sicht der SPD negativ und bescherten ihr ein Ergebnis von knapp 31,8 Prozent der Wählerstimmen.

Eichler hatte aus den Entwürfen der Unterkommissionen im April 1958 einen ersten Gesamtentwurf zusammengestellt und dem Parteitag vorlegt. Im Sommer wurde dieser in Stuttgart in erster Lesung diskutierte Entwurf an alle Parteimitglieder verschickt. Anschließend begann ein breiter innerparteilicher Diskussionsprozess mit einer Intensität, die viele in der Parteiführung überraschte. Das Interesse griff erstmals über die Zirkel der Wenigen aus, die sich bereits seit Jahren mit Programmfragen befasst hatten. Insbesondere Eichler und [[Heinrich Deist]], ein Vordenker aktualisierter wirtschaftpolitischer Grundsätze der SPD, diskutierten den Entwurf auf mehreren hundert Parteiveranstaltungen mit den Mitgliedern. Viele Genossen äußerten auf diesen Treffen ihre Unzufriedenheit mit der Textlänge. Aus diesem Grund setzte der Parteivorstand, der nun die Zügel der Programmdiskussion in die Hand nahm, im Februar eine so genannte Redaktionskommission ein, der der Journalist [[Fritz Sänger]] vorstand. Diese kürzte den von Eichler vorlegten Entwurf deutlich. Zugleich entfernten sie – wie es hieß – „verbalradikale Restbestände“. Außerdem wurde die umstrittene „Zeitanalyse“ fallengelassen. Im Juni 1959 legte Sänger dem Parteivorstand die Überarbeitung vor. Vier Personen – Eichler, Sänger, Ollenhauer und [[Benedikt Kautsky]], Sohn von [[Karl Kautsky]] – feilten anschließend erneut am Entwurf. Der Rechtsexperte [[Adolf Arndt]] integrierte ein deutlicheres Bekenntnis der Partei zum [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]], während Erler, Fachmann für Wehrfragen, eine Stellungnahme zur Landesverteidigung einfügte. Die gestrichene Zeitanalyse wurde durch eine Präambel, die Sänger und [[Heinrich Braune]] verfassten, ersetzt. Der Parteivorstand beschloss am 3. September 1959, die nun vorliegende Fassung auf dem Godesberger außerordentlichen Parteitag von November 1959 einzubringen.<ref>Informationen zur Programmentwicklung vom Berliner Parteitag 1954 bis zum Godesberger Parteitag 1959 bei Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 440 f und Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2058 f. Gründlich hierzu Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'': Arbeit der Großen Programmkommission bis zum Stuttgarter Parteitag (S. 433 – 440); organisatorische und personelle Entscheidungen des Stuttgarter Parteitags (S. 421 – 431); Programmdiskussion auf dem Stuttgarter Parteitag (S. 440 – 442); Programmarbeit vom Stuttgarter Parteitag bis zum Parteitag in Godesberg (S. 442 – 447). Zum Wechel an der Fraktionsspitze im Oktober siehe Meyer, ''Herbert Wehner'', S. 208 f und Hartmut Soell, Fritz Erler, S. 300 – 302.</ref>

=== Godesberger Parteitag 1959 ===
Der in der Stadthalle von Bad Godesberg vom 13. bis 15. November 1959 tagende außerordentliche Parteitag der SPD befasste sich ausschließlich mit der Frage eines neuen Grundsatzprogramms. Ollenhauer eröffnete den Parteitag und stellte dabei klar, dass das neue Programm keinen wissenschaftlichen Anspruch erhebe, sondern als politisches Programm einer politischen Partei zu verstehen sei.

Zu Beginn der Aussprache stand die Frage an, ob die Beschlussfassung über den Programmentwurf zu vertagen sei. Ein Antrag von Parteitagsdelegierten aus Bremen forderte eine solche Verschiebung, weil die Zeit bis zum Parteitag nicht gereicht habe, um den letzten, den nun vorliegenden Entwurf des Parteivorstands ausführlich zu diskutieren. Dieser Antrag fand keine Mehrheit.

Im Verlauf des Parteitags zeigte sich, dass die Kritiker des Entwurfs, die sich auf dem linken Parteiflügel fanden, deutlich in der Minderheit und zudem in sich zerstritten waren. Zwei Gegenstände des neuen Programms erzeugten intensivere Debatten. Zum einen verlangte eine Reihe von Delegierten Änderungen im Abschnitt über „Eigentum und Macht“. Der Ortverein [[Backnang]] forderte die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum – diesem Antrag stimmten immerhin 69 Delegierte des Parteitags zu. 89 Delegierte votierten für den Antrag des Bezirks Hessen-Süd, der die Schutzwürdigkeit des Privateigentums nur dann festgeschrieben sehen wollte, wenn dieser Schutz eine gerechtere Sozialordnung nicht behindere. Zum anderen entfachte die Neufassung des Verhältnisses zu den Kirchen eine größere Kontroverse. Das neue Programm sprach hier von einer „freien Partnerschaft“. Das ging vielen Delegierten zu weit, allein der Appell an die Geschlossenheit der Partei bewahrte den Parteivorstand in dieser Frage vor einer Niederlage.

Veränderungen gegenüber dem Entwurf des Parteivorstands gab es nur in Details. Eine Redaktionskommission um Fritz Sänger arbeitete diese Details ein. Am 15. November verabschiedete der Parteitag den Programmentwurf mit 324 gegen 16 Stimmen. Dem Engagement von zwei Personen ist dieses Ergebnis in besonderem Maße zu verdanken. Herbert Wehner setzte vehement für die Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms ein. Von marxistischem Gedankengut solle man sich verabschieden. Mehrfach gebrauchte er in diesem Zusammenhang seine berühmt gewordene [[Beschwörungsformel]] „Glaubt einem Gebrannten!“.<ref>Zitiert nach [[Gunter Hofmann]]: [http://www.zeit.de/1999/39/Frei_aber_links?page=all ''Frei, aber links''], in [[Die Zeit]], 39/1999.</ref> Die Parteilinke überraschte Wehners Position, wähnte sie ihn doch vor dem Parteitag in den Reihen der Kritiker des Programmentwurfs. Auch Ollenhauer kamen große Verdienste zu. Aus Loyalität zum Parteivorsitzenden stimmten viele Delegierte dem Programm zu, selbst wenn sie nicht mit allen Punkten einverstanden waren.<ref>Zum Parteitag siehe Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 448 f sowie Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2061.</ref>


== Inhalt ==
== Inhalt ==
=== Einleitung ===
Das Godesberger Programm<ref> [http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/DieZuspitzungDesKaltenKrieges_programmGodesbergerProgramm/ Online] einsehbar auf der Internetseite des [[Deutsches Historisches Museum|Deutschen Historischen Museums]] sowie [http://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/retro-scans/fa-57721.pdf als PDF-Datei] auf der Webpräsenz der [[Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn]].</ref> gliedert sich in sieben Teile, denen eine Einleitung vorangestellt ist.<ref>Die Übersicht über die wesentliche Aspekte des Godesberger Programms stützt sich auf Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2061–2063.</ref> Diese thematisiert den „''Widerspruch unserer Zeit''“, der darin bestünde, die zivile Nutzung der [[Kernenergie|Atomkraft]] zu ermöglichen, zugleich aber dem Risiko eines [[Atomkrieg]]es ausgesetzt zu sein. Der demokratische Sozialismus erstrebe eine „neue und bessere Ordnung“. Sie solle allen in friedlichen Verhältnissen einen gerechteren Anteil am gemeinsam geschaffenen Reichtum verschaffen.


=== Grundwerte ===
Das Programm ersetzt viele Forderungen durch eine Befürwortung des freiheitlichen Sozialismus und einer liberalen aber verantwortungsvollen [[Demokratie]]. Die Forderung nach Planwirtschaft wurde durch ein allgemeines Bekenntnis zur [[Marktwirtschaft]] abgelöst. Anstelle der Forderung nach „''Ablösung bürgerlicher Klassenherrschaft''“ steht die Akzeptanz privaten, jedoch am [[Gemeinwohl]] zu orientierenden [[Eigentum]]s an Produktionsmitteln.
Er erste Abschnitt widmet sich den so genannten „''Grundwerten des Sozialismus''“ – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Der demokratische Sozialismus habe drei [[Ideengeschichte|ideengeschichtliche]] Wurzeln: die [[christliche Ethik]], den Humanismus und die klassische Philosophie. Der Hinweis auf eine weitere Wurzel, den Marxismus, fehlt, obwohl diese Wurzel in allen vorangegangenen Grundsatzprogrammen die entscheidende Rolle gespielt hatte. Die SPD, so das Godesberger Programm, wolle keine „letzten Wahrheiten“ verkünden, das die Partei einigende Band seien die Grundwerte und das gemeinsame Ziel des demokratischen Sozialismus. Sozialismus sei dabei nicht das Endziel historischer Entwicklungen, sondern die dauernde Aufgabe, „''Freiheit und Gerechtigkeit zu erkämpfen, sie zu bewahren und sich in ihnen zu bewähren''“.


=== Grundforderungen ===
Zentrale Forderungen des Programms sind der [[Rechtsstaat]], die [[soziale Marktwirtschaft]] und die „''freie Entfaltung des Menschen''“.
Der zweite Abschnitt stellt „''Grundforderungen''“ vor. [[Krieg]] wird als Mittel der Politik abgelehnt. Eine „''internationale Rechtsordnung„'' solle das Zusammenleben der Völker regeln. Kommunistische Regime werden abgelehnt, weil der Sozialismus nur durch Demokratie verwirklicht werden könne. Die Demokratie sei nicht nur durch Kommunisten gefährdet. Jede Macht, auch wirtschaftliche Macht, müsse öffentlich kontrolliert werden, geschehe dies nicht, sei Demokratie ebenfalls gefährdet. Aus diesem Grund erstrebe der demokratische Sozialismus eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung.


=== Aussagen zur staatlichen Ordnung ===
Der erste Satz des Programms lautet: „''Die Sozialisten erstreben eine Gemeinschaft, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit entfalten und als dienendes Glied der Gemeinschaft verantwortlich am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Menschheit mitwirken kann.''“
Ausdrücklich bekannte sich die SPD mit dem dritten Abschnitt des Godesberger Programms zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Daraus leite sich das Eintreten für die nationale Einheit der Deutschen ab und zugleich das Bekenntnis zur Landesverteidigung. In diesem Zusammenhang wurden eine [[atomwaffenfreie Zone]] in Europa und Schritte der [[Abrüstung]] gefordert.

=== Wirtschafts- und Sozialordnung ===
Der vierte Abschnitt, der sich mit der „''Wirtschafts- und Sozialordnung''“ befasst, ist der längste. Die Schillersche Formel „''Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig!''“ ging in das Programm ein und prägte die Aussagen zur Wirtschafts- und Sozialordnung. Ein stetiger wirtschaftlicher Aufschwung und die Chance auf allgemeinen Wohlstand für alle würden durch die [[zweite industrielle Revolution]] sichergestellt werden. Aufgabe der staatlichen Wirtschaftspolitik sei es, diese Wohlstandsmöglichkeiten durch vorausschauende [[Konjunkturpolitik]] auf Basis einer [[Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung|volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung]] und eines Nationalbudgets zu verwirklichen. Weitere Beeinflussungen des Marktgeschehens hätten jedoch zu unterbleiben, denn „''freier Wettbewerb und freie Unternehmerinitiative sind wichtige Elemente sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik''“. Wenn private wirtschaftliche Macht zur Gefahr für die Demokratie zu werden drohe, sei öffentliche Kontrolle durch Investitionskontrollen, durch [[Kartellrecht|Kartellgesetze]] und durch den Wettbewerb von privaten und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen geboten. Allein wenn eine „''gesunde Ordnung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse''“ nicht gewährleistet werden könne, habe Gemeineigentum Berechtigung. Von Sozialisierungen spricht das Godesberger Programm nicht. Innerhalb der Betriebe müsse es eine wirksame [[Mitbestimmung]] geben. Für die freie und eigenverantwortliche Entfaltung des Einzelnen habe die [[Sozialpolitik]] die Grundlagen zu schaffen.

=== Kulturelles Leben ===
Der fünfte Abschnitt thematisiert „''das kulturelle Leben''“. Die Aussagen dieses Programmteils dienten vor allem einer Veränderung des Verhältnisses von Partei und Kirchen. In der [[Interaktion]] dieser Institutionen sei die „''gegenseitige Toleranz''“ aus der Position einer „''freien Partnerschaft''“ geboten. Ferner formuliert das Programm knapp: „''Der Sozialismus ist kein Religionsersatz.''“

=== Internationale Gemeinschaft ===
Im sechsten Abschnitt präsentierte die Partei ihre Vorstellungen über die „''internationale Gemeinschaft''“. Dabei griff sie Forderungen auf, die sie bereits seit Jahrzehnten vortrug. Die Sicherung der Freiheit und die Bewahrung des Friedens seien hier die vorrangigen Ziele. Hierzu zählten die Forderung nach allgemeiner Abrüstung und internationalen Schiedsgerichten. Die [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] sollen zu einem wirksamen Garanten des Friedens werden. Überdies hätten [[Entwicklungsland|Entwicklungsländer]] Anspruch auf Solidarität und uneigennützige Hilfe der reicheren Völker.

=== Rückblick und Perspektive ===
Im Schlussabschnitt mit der Überschrift „''Unser Weg''“ wird der Blick zunächst zurückgeworfen auf die Geschichte der [[Arbeiterbewegung]]. Früher „''Ausbeutungsobjekt der herrschenden Klasse''“ habe der Arbeiter in Jahrzehnten dabei seinen anerkannten Platz als gleichberechtigter Staatsbürger erstritten. Der Kampf der Arbeitbewegung sei ein Kampf für die Freiheit Aller gewesen. Aus diesem Grund sei die Sozialdemokratie „''aus einer Partei der Arbeiterklasse zu einer Partei des Volkes geworden''“. Die Aufgabe des demokratischen Sozialismus sei damit aber noch nicht erfüllt, denn die kapitalistische Welt sei nicht in der Lage, „''der brutalen kommunistischen Herausforderung das überlegene Programm einer neuen Ordnung politischer und persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung, wirtschaftlicher Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit entgegenzustellen''“ und zugleich die [[Emanzipation]]sbestrebungen der Entwicklungsländer zu berücksichtigen. Die „''Hoffnung der Welt''“ sei hier der demokratische Sozialismus, der eine „''menschenwürdige Gesellschaft''“ anstrebe, „''frei von Not und Furcht, frei von Krieg und Unterdrückung''“.

== Gegenentwürfe ==
=== Entwurf von Wolfgang Abendroth ===
[[Wolfgang Abendroth]], in den Nachkriegsjahren einer der wenigen westdeutschen Marxisten mit Lehrstuhl an einer Universität, bemühte sich in der SPD darum, die Partei auf Beibehaltung marxistischer Grundpositionen zu verpflichten.<ref>Zu Abendroths Gegenentwurf siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 447–449, dort auch alle Zitate Abendroths.</ref> Aus diesem Grund beteiligte er sich intensiv an den Debatten über eine Neufassung des Grundsatzprogramms. Nach sechsjähriger Mitarbeit in den Programmkommissionen schickte er Eichler am 15. April 1959 einen Gegenentwurf zu. Dieser orientierte sich grundlegend an den Positionen von [[Karl Marx]] und [[Friedrich Engels]].

Bereits mit dem ersten Kapitel seines Gegenentwurfs markierte Abendroth den wesentlichen Unterschied zum späteren Godesberger Programm. Dieses Kapitel – „''Die gesellschaftliche Lage im kapitalistisch organisierten Teil der Welt''“ genannt – ging von der anhaltenden Monopolisierung und Konzentration des [[Kapital#Kapital im Marxismus|Kapitals]] aus. Eine kleine Gruppe von [[Kapitalist]]en und von ihnen bestelle [[Manager (Wirtschaft)|Manager]] dirigiere die körperliche und geistige Arbeit der Bevölkerungsmehrheit. Ansprüche dieser Mehrheit nach gleichberechtigter Mitwirkung an der Steuerung des „''gesellschaftlichen Arbeitsprozesses''“ würden von dieser Machtgruppe erfolgreich abgewehrt, ebenso wie alle Forderungen nach vollem Anteil am materiellen und kulturellen Fortschritt. Der Zusammenschluss zu [[Finanzkapital|finanzkapitalistischen Blöcken]] sowie die Monopolisierungstendenz insgesamt verhindere demokratische Kontrollversuche. Der Staat verschmelze vielmehr mit den Interessen dieser übermächtigen Kapitalistengruppe. Öffentliche Gewalt könne daher stets in den Dienst ihrer Sonderinteressen gestellt werden.

Auf Änderung dieses Zustands sei nur zu hoffen, wenn der „''Kampf der Arbeitnehmer''“ um die Verteidigung und Verbesserung ihrer Lebenslage sowie um die Einführung der sozialistischen Produktionsweise erweitert werde zum „''Kampf um die Staatsmacht''“. Nach Abendroth schließe das Grundgesetz den friedlichen Übergang zum Sozialismus keineswegs aus. Notwendig sei dafür die „''Mobilisierung der Arbeiterklasse''“. Ein solches Vorgehen habe Aussichten, wenn die Klassenverhältnisse in der Gesellschaft und im politischen System der Bundesrepublik analytisch herausgearbeitet und den Massen vermittelt werden würden. Die Aufklärung der Massen über die wirklichen [[Klassengesellschaft|Klassenstrukturen]] werde durch [[Manipulation|manipulativ]] agierende Parteiführungsschichten in der SPD allerdings sabotiert.

Abendroth erzielte mit seinem Gegenentwurf parteiintern kaum ein Echo. Nur der Unterbezirk [[Marburg]] und der Ortsverein aus [[Senne]] bezogen sich auf ihn. Der Parteitag diskutierte nicht über die entsprechenden Anträge. Abendroth selbst war es nicht gelungen, ein Mandat für den Godesberger Parteitag zu erhalten.

=== Gegenentwurf von Peter von Oertzen ===
Ein weiterer Gegenentwurf kam von [[Peter von Oertzen]], auch er ein Vertreter des linken Parteiflügels.<ref>Zum Gegenentwurf v. Oertzens siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 449–451, dort auch die Zitate v. Oertzens.</ref> Am 8. November 1959 unterrichtete v. Oertzen einige Parteifreunde davon, dass er einen Alternativentwurf konzipiert habe. Diesen legte er bewußt als Kompromiss an, „''die schlimmsten Ecken''“ des Vorstandsentwurfs wollte er damit ausbügeln. Abendroths Gegenentwurf war ihm bekannt, er lehnte ihn jedoch ab. Inhaltlich sei der Abendroth-Entwurf zwar richtig. Form, Gedankengang und Argumentationsweise waren ihm allerdings zu dogmatisch.

Peter von Oertzen beharrte auf der traditionellen Trias [[Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit]]. Diese sei dem neuen Grundwerte-Dreiklang „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“ vorzuziehen. Die Schillersche Formel vom Primat des Marktes gegenüber der Planung strich v. Oertzen nicht. Er stellte allerdings einen Sozialisierungskatalog für eine Reihe von Industriezweigen auf. Energieerzeugende Unternehmen vor allem der Atomwirtschaft, die [[Montanindustrie]], Unternehmen der Großchemie, [[Großbank]]en, [[Versicherer|Versicherungsgesellschaften]] sowie marktbeherrschende Unternehmen anderer Branchen seien reif für entsprechende Maßnahmen. Außerdem formulierte v. Oertzen einen Abschnitt über die [[Wirtschaftsdemokratie|Demokratisierung der Wirtschaft]].

Die Initiative v. Oertzens kam zu spät, um in den Beratungen des Parteitags Beachtung zu finden. Sein Redebeitrag<ref>In Auszügen zitiert bei Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 448 f, Anm. 460.</ref> erzeugte keinen Meinungswandel der Delegiertenmehrheit. v. Oertzen blieb einer der 16 Delegierten, die dem Godesberger Programm ihre Stimme versagten.

== Wirkungen ==
=== Reaktionen führender SPD-Politiker ===
Viele führende Politiker in der SPD begrüßten das neue Grundsatzprogramm ausdrücklich. Willy Brandt etwa hielt es für eine „''zeitgemäße Aussage''“, die die praktische Arbeit der Partei fördere. Den Gegnern der SPD werde es erschwert, sie mit verzerrenden Aussagen anzugreifen, anstatt sich ernsthaft mit der Sozialdemokratie auseinanderzusetzen. Das Grundsatzprogramm portraitiere die SPD zudem als „''kämpferisch demokratische Freiheitsbewegung''“. Außerdem seien in einer Reihe wichtiger Punkten Klärungen erfolgt, so im Verhältnis zu den Kirchen, zum Staat und zur Landesverteidigung.<ref>Brandts Einschätzung bei Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 449.</ref> Willi Eichler betonte und begrüßte, dass Grundwerte ausdrücklich formuliert worden seien und unter ihnen die Freiheit die zentrale Rolle spiele. Carlo Schmid stellte heraus, der Sozialismus sei gemäß dem Godesberger Programm keine Weltanschauung und schon gar keine Ersatzreligion mehr. Obwohl es noch Klassen gebe, sei [[Klassenkampf]] nicht mehr nötig, denn der Staat bewirke den Ausgleich der Klasseninteressen. Erler begrüßte insbesondere das veränderte Verhältnis zu den Kirchen und dass Manches aus dem 19. Jahrhundert „''aufgeräumt''“ worden sei.<ref>Belege für Stellungnahmen von Eichler, Schmid und Erler bei Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 445.</ref>

=== Innerparteiliche Kritik ===
Innerparteiliche Kritik blieb die Ausnahme und war auf den kleinen Kreis traditionell argumentierender Marxisten begrenzt. Abendroth missfiel beispielsweise die Loslösung von den traditionell marxistischen Grundvorstellungen. Auf eine kritische Analyse von Gesellschaft und Staat werde im neuen Programm gänzlich verzichtet. Zentrale „''Bewegungsgesetze und Widersprüche''“ blieben darum verborgen und damit auch die Ansatzpunkte für die „''Zielsetzung, Strategie und Taktik der Partei''“. Von ihrer Erziehungsaufgabe, ihrer Pflicht zur Förderung des Klassenbewusstseins wende sich die SPD ab.<ref>Zu dieser Kritik von Wolfgang Abendroth siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 447, dort auch die Abendroth-Zitate.</ref>

Peter von Oertzen blieb gleichfalls auf Distanz zum neuen Programm. Es richte die Partei „''einseitig auf die parlamentarische Auseinandersetzung aus''“. Es verwische „''die Klassenlage und die Klasseninteressen der Arbeitnehmerschaft''“, in diesem Zusammenhang seien auch die Angebote an den selbständigen [[Mittelstand]] „''fragwürdig''“. Zudem wies v. Oertzen darauf hin, dass das Programm insgesamt von einem kaum gerechtfertigten wirtschaftlichen Optimismus getragen sei. „''Die Verfasser glauben im Grunde nicht an die Möglichkeit ernsthafter konjunktureller Rückschläge''“ – so v. Oertzen.<ref>Zu dieser Kritik von Oertzens siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 450, dort auch die Zitate von Oertzens.</ref>

=== Die SPD auf dem Weg zur Macht ===
Die programmatische Neuorientierung der Partei war ein Faktor, der zur veränderten öffentlichen Wahrnehmung der SPD beitrug. Sie wurde immer weniger als [[Intransigenz|intransigente]] Oppositionspartei angesehen. Das landesväterliche, repräsentative, populäre und gelegentlich auch überparteiliche Auftreten führender Sozialdemokraten in den Ländern, zu denen etwa [[Max Brauer]], [[Wilhelm Kaisen]], [[Hinrich Wilhelm Kopf]], [[Georg August Zinn]] und Willy Brandt gehörten, tat hier ein Übriges.<ref>Siehe Miller, ''Die SPD vor und nach Godesberg'', S. 39.</ref>

Die Annäherung an [[Gesinnungsethik|gesinnungsethische]] Protestanten gelang bereits im gemeinsamen Engagement gegen die [[Wiederbewaffnung]] und in der Bewegung ''[[Kampf dem Atomtod]]''. Dass evangelische Christen aus dem Bürgertum die SPD als ihr Wirkungsfeld betrachten konnten, demonstrierten die Parteieintritte von [[Gustav Heinemann]], [[Johannes Rau]] oder [[Erhard Eppler]].<ref>Vgl. Lehnert, ''Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983'', S. 182 f.</ref> Der lang ersehnte Einbruch in das Milieu der katholischen Arbeitnehmerschaft erfolgte allerdings nur nach und nach. Im Ruhrgebiet brauchte es hierfür die Krise der Eisen- und Stahlindustrie, die Mitte 1960er Jahre einsetzte.<ref>Vgl. Lehnert, ''Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983'', S. 194.</ref>

Auf Bundesebene entschied die SPD, sich nicht als kompromissloser Widerpart der Regierungsparteien darzustellen, sondern als „bessere Partei“. Sie legte Wert darauf, Gemeinsamkeiten mit der Regierung herauszustellen und sprach von ihrer Gemeinsamkeits-Politik.<ref>Zur Gemeinsamkeits-Politik siehe Klotzbach, ''Der Weg zur Staatspartei'', S. 497–532.</ref> Nach links zog die Partei deutliche Grenzen, indem sie sich 1961 vom [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund|Sozialistischen Deutschen Studentenbund]] trennte. Auch Ausschlüsse prominenter Linker aus der SPD signalisierten den Trennungsstrich zum Marxismus. Von entsprechenden Beschlüssen waren zum Beispiel Wolfgang Abendroth, sein akademischer Kollege [[Ossip K. Flechtheim]] und [[Viktor Agartz]], ein lange Jahre einflussreicher Gewerkschafter, betroffen.<ref>Zur Abgrenzung nach links siehe Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2110 f und S. 2166 f. Information zum Ausschluss von Flechtheim bei Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 470.</ref>

In den 1960er Jahren wuchs der Stimmenanteil der SPD bei Bundestagswahlen stetig. Die Wählerschaft setzte sich im Kern weiterhin aus Arbeitern zusammen. Die Partei erreichte aber auch weitere Bevölkerungskreise nachhaltig. Die Behauptung des Godesberger Programms, die SPD sei eine Volkspartei geworden, fand nun ihre materielle Basis. Das politische Gewicht der SPD verstärkte sich damit. 1966 gelang ihr der mit der Bildung der [[Kabinett Kiesinger|Großen Koalition]] unter [[Kurt Georg Kiesinger]] der Eintritt in die Regierung. 1969 verweis sie mit der Bildung der [[Kabinett Brandt I|sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt]] die Unionsparteien auf die Oppositionsbank und bei der [[Bundestagswahl 1972| Bundestagswahl von 1972]] zog sie schließlich mehr Wählerstimmen auf sich als die Union.

== Programmatische Ergänzungen und Erneuerungen ==
=== Diskussionen bis Ende der 1960er Jahre ===
In den 1960er Jahren hatten Programmdiskussionen insgesamt eine nur geringe Bedeutung. Die Partei ergänzte für einige Politikbereiche die Hauptaussagen des Godesberger Programms. Die wichtigsten Zusätze bezogen sich auf die [[Bildungspolitik]], die [[Rechtspolitik]] und die Deutschlandpolitik. Mit ihren „''Bildungspolitischen Leitsätzen''“ konturierte die Parteiführung 1964 ihre Vorstellungen zur [[Bildungsreform#Die_bundesdeutsche_Bildungsreform_der_1960er_und_1970er_Jahre| Bildungsreform der 1960er und 1970er Jahre]]. 1968 verabschiedete der SPD-Parteitag in Nürnberg eine „''Rechtspolitische Plattform''“. Die Partei forderte hier die Einschränkung des politischen Strafrechts, betonte die Gedanken der [[Resozialisierung]] und der [[Kriminalprävention]] und warb für eine Reform der [[Rechtspflege|Justiz]], die diese durchschaubarer und effizienter machen sollte. In der Deutschland- und [[Ostpolitik]] suchte die Partei nach neuen Wegen. Auslöser war der Schock, den im August 1961 der Bau der [[Berliner Mauer]] auslöste. Die Nicht-Anerkennung der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] sollte genauso überwunden werden wie die Ablehnung der [[Oder-Neiße-Grenze]] als deutsche Ostgrenze. 1968 billigte der SPD-Parteitag in Nürnberg die „''Sozialdemokratischen Perspektiven im Übergang zu den siebziger Jahren''“. Die gemachten Erfahrungen in der Regierung, die jüngeren SPD-Konzepte für die verschiedenen Politikbereiche und die erwarteten Zukunftsperspektiven sollen mit diesem Papier auf Basis der Godesberger Programmaussagen zusammengefasst werden. Größere Bedeutung erlangte diese Synthese allerdings nicht, denn praktische Fragen der Politik – dazu zählten die Debatte um die [[Deutsche Notstandsgesetze|Notstandgesetze]], die Zustimmung zur Großen Koalition und das Verhältnis zum [[Deutscher Gewerkschaftsbund|Deutschen Gewerkschaftsbund]] – dominierten die Diskussion. Für die am Ende der 1960er Jahre sich wieder stärker artikulierenden Linken führten die „''Perspektiven''“ überdies in die falsche Richtung. Den Pragmatikern ging dagegen das Maß an gesamtgesellschaftlicher Analyse, das sich in den „''Perspektiven''“ fand, zu weit.<ref>Zur Programmgeschichte der SPD in den 1960er Jahren siehe Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2069–2072.</ref>

=== Orientierungsrahmen 85 ===
Die 1970er Jahre erlebten intensive Programmdiskussionen mit weiter Ausstrahlung in die Partei. Die SPD war bestrebt, eine mittelfristige politische Konzeption für die nächsten zehn bis 15 Jahre zu entwickeln. Der erste Entwurf des so genannten ''Orientierungsrahmens'', entwickelt seit Anfang der 1970er Jahre unter der Leitung von [[Helmut Schmidt]], [[Hans Apel]] und [[Jochen Steffen]], fiel 1973 innerparteilich durch. Die [[Jusos]] und Vertreter der Parteilinken kritisierten die fehlende sozialistische Perspektive.

Eine neue, auf 30 Personen erheblich vergrößerte Kommission unter Vorsitz von Peter von Oertzen entwickelte einen zweiten Entwurf. Schmidt und Sozialdemokraten wie [[Hans-Jochen Vogel]], die sich im „''Godesberger Kreis''“ organisierten, warnten allerdings davor, die programmatischen Fundamente zu verändern. Sie fürchteten eine Verengung und Dogmatisierung der theoretischen Grundannahmen der SPD – ein deutlicher Hinweis an die Parteilinke, es mit der Revitalisierung marxistischer Positionen nicht zu übertreiben. Die Parteiführung, insbesondere Wehner und Brandt, machten sich diese Warnungen zu Eigen und wussten dabei die Parteimehrheit hinter sich. Die Kommission um Peter von Oertzen berücksichtigte diese Signale und versuchte einen Mittelweg. Das Godesberger Programm sollte nicht revidiert werden, eine einseitig marktwirtschaftliche Lesart des Programms, wie sie in den 1960er Jahren vorgeherrscht habe, hielt sie allerdings ebenfalls für unangemessen.

Im November 1975 wurde schließlich in Mannheim der zweite Entwurf des [[Orientierungsrahmen 85|Orientierungsrahmens 85]] per Parteitagsbeschluss angenommen. Auf dem Parteitag kam es zu längeren Debatten über die Positionen zu „''Markt und Lenkung''“. Die Parteilinke war mit dem entsprechenden Abschnitt des Orientierungsrahmens nicht einverstanden und brachte Anträge zur Investitionslenkung, zu Investitionsverboten und zur Vergesellschaftung von Produktionsmitteln ein. Nach dieser demonstrativen Unmutsäußerung, die am Entwurf nichts änderte, stimmte auch sie dem vorgelegten Entwurf zu, der mit nur zwei Enthaltungen und einer Gegenstimme verabschiedet wurde.

Der Orientierungsrahmen erreichte keinen handlungsleitenden Status, denn die ökonomischen Rahmenbedingungen verschlechterten sich in einem Maß, das selbst die zurück gestutzten Wachstumserwartungen des Orientierungsrahmens zur [[Makulatur]] werden ließ. Innerparteilich geriet er bald in Vergessenheit. Einzig der Entstehungsprozess des Orientierungsrahmens blieb vielen Beteiligten in positiver Erinnerung. Parteilinke und die Parteirechte hatten sich einer überwiegend sachlichen Auseinandersetzung auf einen vorzeigbaren Kompromiss einigen können.<ref> Zur Programmdebatte in der SPD bis zum Mannheimer Parteitag von November 1975, zum Orientierungsrahmen selbst und zur praktischen und innerparteilichen Bedeutung des Textes siehe Heimann, ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', S. 2075–2085 sowie Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 492–496.</ref>

=== Berliner Programm von 1989 ===
Noch Ende der 1970er Jahre hatte es Brandt als Parteivorsitzender abgelehnt, Schritte zur Formulierung eines neuen Programms einzuleiten, das jenes von Bad Godesberg ablösen sollte. 1982 verkündete er allerdings, dass die Partei in eine Phase gehen werde, „''in der wir Godesberg kritisch abklopfen''“.<ref>Zitiert nach Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 556.</ref> Die [[Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD]] legte dazu zwei Jahre später einen Bericht vor. Er enthielt eine Reihe von Empfehlungen, welche weiteren Aspekte ein neues Grundsatzprogramm enthalten sollte und welche Passagen des Godesberger Programms zu präzisieren seien. Der beschleunigte [[Technischer Fortschritt |technische Wandel]], der gravierende Anstieg der [[Arbeitslosigkeit]], Probleme der [[Umweltschutz|Umweltzerstörung]], die internationale Schuldenkrise, das [[Wettrüsten]] und das Aufkommen der [[Neue soziale Bewegungen|neuen sozialen Bewegungen]] verlangten demnach neue Antworten.<ref>Zu den Empfehlungen der Grundwertekommission siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 557 f.</ref> Ein erster Entwurf lag 1986 vor. Er rief allerdings scharfe Kritik linker Sozialdemokraten hervor.<ref>Zu den Inhalten ihrer Kritik siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 579 f.</ref>

Eine zweite, von [[Oskar Lafontaine]] angeführte Kommission präsentierte im März 1989 einen überarbeiteten Entwurf, der Grundlage des vom 18. bis zum 20. Dezember in Berlin tagenden Parteitags wurde. Dieser Parteitag verabschiedete das neue Grundsatzprogramm der SPD, das [[Berliner Programm]]. Ökologische Fragen und Forderungen, der Appell an eine nachhaltige Ausrichtung der Industriegesellschaft, das Bestreben nach [[Gleichberechtigung]] der Frau und die Forderung nach einem neuen Rollenverhältnis der Geschlechter, die Erweiterung der Solidarität auf kommende Generationen, der Wille zur erweiterten Teilhabe der Arbeitnehmer am [[Produktivvermögen]] sowie zum Aus- und Umbau des [[Sozialstaat]]es kennzeichneten diese Schrift.<ref>Zum Berliner Programm siehe Grebing, ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', S. 580–584.</ref>

<!-- == Wissenschaftliche Bewertungen == -->


Zum Selbstverständnis der SPD heißt es: „''Der Sozialismus ist eine dauernde Aufgabe – Freiheit und Gerechtigkeit zu erkämpfen, sie zu bewahren und sich in ihnen zu bewähren.''“


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/DieZuspitzungDesKaltenKrieges_programmGodesbergerProgramm/ Gesamter Text des Godesberger Programms]
* Godesberger Programm, [http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/DieZuspitzungDesKaltenKrieges_programmGodesbergerProgramm/ online] einsehbar auf der Internetseite des [[Deutsches Historisches Museum|Deutschen Historischen Museums]]
* [http://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/retro-scans/fa-57721.pdf Godesberger Programm als PDF-Datei] auf der Webpräsenz der [[Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn]]
* [http://www.frankfurter-hefte.de/gespraech/gespraech_04_07b.html Interview mit Susanne Miller, Historikerin und damals Schriftführerin der Programmkommission zu Entstehung und Hintergründen]
* [http://www.frankfurter-hefte.de/gespraech/gespraech_04_07b.html Gespräch zu Entstehung und Hintergründen des Programms] zwischen [[Sigmar Gabriel]] und [[Susanne Miller]], Historikerin und damals Schriftführerin der Programmkommission, abgedruckt in den [[Frankfurter Hefte|Frankfurter Heften]]
* Tobias Hintersatz: ''Das Godesberger Programm der SPD und die Entwicklung der Partei von 959 – 1966. Welche Bedeutung hatte das Godesberger Programm für die Entwicklung der SPD zur Regierungspartei 1966?'', Magisterarbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der [[Universität Potsdam]], (Potsdam) 2006. ([http://potsdamer-koepfe.de/u/PolWi_Dittb/tips/arbeiten/dipl_hintersatz.pdf pdf-Datei], 357 KB)

== Literatur ==
* [[Helga Grebing]]: ''Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland'', Teil II, in: ''Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. Sozialismus – katholische Soziallehre – protestantische Sozialethik. Ein Handbuch,'' hrsg. von Helga Grebing, 2. Auflage, VS, Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden 2005, S. 353 – 595, ISBN 3-531-14752-8.
* Siegfried Heimann: ''Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands'', in: Richard Stöss (Hrsg.): ''Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980'', Band II: FDP bis WAV, mit Beiträgen von Jürgen Bacia, [[Peter Brandt]] u. a. (Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der [[Freie Universität Berlin|Freien Universität Berlin]], Bd. 39), Westdeutscher Verlag, Opladen 1984, S. 2025-2216, ISBN 3-531-11592-8.
* Kurt Klotzbach: ''Der Weg zur Staatspartei. Programmatik, praktische Politik und Organisation der deutschen Sozialdemokratie 1945 bis 1965'', Verlag J.H.W. Dietz Nachf. Berlin/Bonn 1982, ISBN 3-8012-0073-6.
* Detlev Lehnert: ''Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983'' ([[edition suhrkamp]], Neue Folge, Bd. 248), Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-11248-1.
* Christoph Meyer: ''Herbert Wehner. Biographie'', Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2006, ISBN 3-423-24551-4.
* [[Susanne Miller]]: ''Die SPD vor und nach Godesberg'' (Kleine Geschichte der SPD, Band 2, Theorie und Praxis der deutschen Sozialdemokratie), Verlag Neue Gesellschaft, Bonn 1974, ISBN 3-87831-157-5.
* Hartmut Soell: ''Fritz Erler. Eine politische Biographie'', Dietz, Berlin, Bonn-Bad Godesberg 1976, ISBN 3-8012-1100-2.

== Einzelnachweise ==
<references/>


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Version vom 25. April 2008, 14:04 Uhr

Das Godesberger Programm war von 1959 bis 1989 das Parteiprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Ein außerordentlicher SPD-Parteitag in der Stadthalle von Bad Godesberg, heute ein Stadtbezirk Bonns, verabschiedete es mit großer Mehrheit am 15. November 1959. Der Wandel der SPD von einer sozialistischen Arbeiterpartei hin zu einer Volkspartei kam mit diesem Grundsatzprogramm zum Ausdruck. Zentrale Elemente des Godesberger Programms gelten bis heute.

Datei:Broschuere Godesberger Programm 1959.jpg
Deckblatt der Broschüre, die das Parteiprogramm enthält

Vorgeschichte

Umbrüche seit 1925

Das Heidelberger Programm der SPD von 1925 war für die SPD bis zum Ende der 1950er Jahre als parteipolitisches Grundsatzprogramm verbindlich. Seit seiner Verabschiedung in der Mittelphase der Weimarer Republik hatten in Deutschland und Europa gravierende politische Umbrüche stattgefunden: Scheitern der ersten deutschen Republik, Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Teilung Deutschlands und Europas, Kalter Krieg, Stalinismus und Expansion des Realsozialismus. Die Verfasser des Heidelberger Programms konnten diese Erschütterungen nicht vorhersehen, sie erwarteten eine sozialistische Zukunft. Mehr noch: In vielen Punkten war dieses Programm kaum etwas anderes als eine Neuauflage des Erfurter Programms, das nach Ende des Sozialistengesetzes 1891 verfasst worden war. Die Formulierung einer revolutionären Perspektive stand neben gegenwartsbezogenen Reformforderungen.

Politik der SPD unter Kurt Schumacher

Kurt Schumacher, bis zu seinem Tod im August 1952 unumstrittener Führer der SPD in den Westzonen und in den Anfangsjahren der Bundesrepublik, lehnte Diskussionen um ein neues Grundsatzprogramm stets als unzeitgemäß ab. Was die Sozialdemokratie im Grundsatz wolle, „ist uns allen klar“ – so Schumacher.[1] Wichtiger war ihm die Formulierung einer klaren Alternative zur Regierungspolitik, insbesondere auf den Feldern der Deutschland- und Außenpolitik.

Schumacher war ein scharfer Gegner von Bündnissen mit Kommunisten. Seine Weimarer Erfahrungen mit dem Antiparlamentarismus der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der Sowjetischen Besatzungszone motivierten ihn zu dieser Haltung. Dennoch war Schumachers Denken und Reden von Begriffen des Marxismus geprägt, dem er als Instrument zur Analyse der Gesellschaft große Bedeutung zumaß. Auch standen für ihn – wie für viele Sozialdemokraten – der Sozialismus als Gesellschaftsform und Sozialisierungen als Weg zu ihrer Durchsetzung nach den Erfahrungen des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs auf der Tagesordnung. Gleichzeitig betonte er nach 1945 die weltanschauliche Offenheit seiner Partei. Insbesondere Menschen, die aus christlichen Überzeugungen heraus den Sozialismus bejahten, forderte er auf, in der SPD ihr politisches Wirkungsfeld zu sehen. Der SPD kam in Schumachers Augen die führende Rolle beim wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau zu, dies umso mehr, wenn es ihr gelingen würde, neben der Arbeiterschaft auch Angestellte, Beamte, Kleinhändler, Handwerker und Bauern anzuziehen.[2]

Als Vorsitzender der Partei prägte Schumacher die Bejahung des Parlamentarismus und des Staates innerhalb der Partei sowie das unbedingte Bestehen auf inneren und äußeren Freiheiten der Deutschen. Letzteres brachte ihn und die SPD in Gegensatz zur Bundesregierung. Er warf ihr vor, das Politikziel der nationalen Einheit der Deutschen zugunsten einer Westbindung Westdeutschlands aufzugeben. Gemeinsame politische Institutionen Westeuropas wie den Europarat lehnte er als „konservativ, klerikal, kapitalistisch und kartellistisch“ ab. Insgesamt prägte er das Bild einer scharfen Opposition der SPD gegenüber wichtigen politischen Weichenstellungen im Nachkriegsdeutland.[3]

Opposition auf Bundesebene

Die im Mai 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland erlebte in den 50er Jahren eine Zeit des raschen wirtschaftlichen Wiederaufbaus, Wirtschaftswunder genannt, und eine Politik der zunehmenden Westbindung, die von den Regierungen unter Bundeskanzler Konrad Adenauer vorangetrieben wurde. Auf Bundesebene dominierten die Unionsparteien, also Christlich Demokratische Union (CDU) und Christlich Soziale Union (CSU).

Die SPD war seit der ersten Bundestagswahl, bei der sie einen Sieg erwartet hatte, im Deutschen Bundestag auf die Oppositionsbank verwiesen, während sie in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen und einigen Flächenstaaten die Regierung stellte. Auch die zweite Bundestagswahl, durchgeführt im September 1953, ging aus Sicht der Sozialdemokraten enttäuschend aus – die SPD musste leichte prozentuale Verluste hinnehmen und blieb Oppositionspartei, während CDU und CSU erhebliche Wählerzugewinne verbuchen konnten. Als Reaktion auf diese Umstände intensivierten sich Überlegungen zur Formulierung und Verabschiedung eines neuen Grundsatzparteiprogramms.

Programmatische Vorarbeiten

Prinzipienerklärung der Sozialistische Internationale

In kleineren Zirkeln und von der Gesamtpartei wenig beachtet begannen Programmdiskussionen bereits Anfang der 1950er Jahre. Vielfach bezogen sich die Teilnehmer dabei auf die Prinzipienerklärung der Sozialistischen Internationale, die 1951 in Frankfurt am Main gegründet worden war und den europäischen Sozialisten nach 1945 erstmals eine programmatische Orientierung angeboten hatte. Die Präambel der Resolution über die „Ziele und Aufgaben des Demokratischen Sozialismus“ äußerte deutliche Kritik am Kapitalismus und grenzte die Sozialisten von den Kommunisten ab. Ferner hob sie die unterschiedlichen Motivationen des Einzelnen für die Unterstützung der sozialistischen Ideen hervor – marxistische oder anders begründete Gesellschaftsanalysen, religiöse Werthaltungen und humanistische Überlegungen standen hier gleichrangig nebeneinander. Schließlich behauptete sie, dass die Demokratie im Sozialismus ihre höchste Form entfalten werde, der Sozialismus zugleich aber nur durch die Demokratie verwirklicht werden könne. Ein größeres gesamtparteiliches Echo in der SPD blieb jedoch auch dieser Grundsatzerklärung versagt.[4]

Dortmunder Aktionsprogramm von 1952

Unter der Federführung von Willi Eichler, der sich innerparteilich bereits seit längerem für eine programmatische Erneuerung der SPD stark machte, erarbeitete ab April 1952 ein von der Parteiführung eingesetzter zehnköpfiger Ausschuss den Entwurf eines so genannten Aktionsprogramms. Im September des gleichen Jahres verabschiedete der Dortmunder Parteitag der SPD diesen Entwurf als Dortmunder Aktionsprogramm einstimmig. Hintergrund war der sich bereits ankündigende Wahlkampf für die Bundestagswahlen, die ein Jahr später stattfinden sollte. Der erste Entwurf hatte aus der Sicht der Parteifunktionäre den Erfordernissen der Wahlagitation kaum Genüge getan und wurde daher vor dem Parteitag formal und inhaltlich erheblich modifiziert. Aber auch die verabschiedete Fassung hatte – so der Historiker Kurt Klotzbach – nur den „Charakter eines achtbaren Zeugnisses penibler praktischer Selbstverständigung“.[5] Außenwirkung und Interesse in der Öffentlichkeit weckte es nicht. Die gemäßigten Reformforderungen der Partei im eigentlichen Aktionsprogramm standen zudem unverbunden neben der apodiktisch-kritischen Gegenwartsbeschreibung des Vorworts, das noch Kurt Schumacher verfasst hatte, der im August 1952 verstorben war. Alle Versuche, die die Partei nach 1952 unternahm, um das Dortmunder Aktionsprogramm bekannt und populär zu machen – hierzu gehörten Fachkonferenzen, eine eigene Schriftenreihe und ein Handbuch sozialdemokratischer Politik, das das Programm umfangreich kommentierte – blieben ohne den gewünschten Erfolg. Das Dortmunder Aktionsprogramm erreichte allein jene Funktionäre, die auch ohne ein solches Papier fest zur Partei standen.[6]

Berliner Fassung des Aktionsprogramms von 1954

Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl von 1953 intensivierte die Parteiführung um den neuen Vorsitzenden Erich Ollenhauer das Streben, ein neues Parteiprogramm zu formulieren. Zunächst erarbeitete eine Studienkommission bis April 1954 die so genannten Mehlemer Thesen.[7] Diese wurden anschließend durch eine Kommission aus 60 Personen, wiederum unter Vorsitz von Willi Eichler, genutzt, um für den Berliner Parteitag von Juli 1954 das Dortmunder Aktionsprogramm zu überarbeiten und ihm eine Präambel mitzugeben. Der Parteitag verabschiedete diese Aktualisierung und Ergänzung. Der Sozialismus wurde dabei als „Menschheitsziel“ bezeichnet. Er sei allerdings kein Endziel, sondern eine Daueraufgabe. Sozialistische Ideen seien ferner keine „Ersatzreligion“. Christentum, klassische Philosophie und Humanismus galten als Wurzeln der sozialistischen Gedankenwelt. Die Abkehr der SPD von der reinen Arbeiterpartei hin zur Volkspartei wurde bereits in diesem Parteitagsbeschluss von 1954 ausgeführt: „Die Sozialdemokratie ist aus einer Partei der Arbeiterklasse, als die sie erstand, zur Partei des Volkes geworden. Die Arbeiterschaft bildet dabei den Kern ihrer Mitglieder und Wähler.[8] Den wirtschaftspolitischen Abschnitt des Programms hatte Karl Schiller maßgeblich beeinflusst. Seine bereits ein Jahr zuvor geprägte griffige Formel „Soviel Markt wie möglich, soviel Planung wie nötig[9] leitete den Unterabschnitt über „Planung und Wettbewerb“ ein. Die SPD kehrte damit ihre Wertschätzung von plan- und marktwirtschaftlichen Prinzipien um; von nun an genoss der Markt die Priorität vor der Planung. Über Sozialisierungen wurde im Aktionsprogramm nicht mehr gesprochen. Es forderte allein die Überführung der Grundstoffindustrie in Gemeineigentum mit dem Ziel der Vollbeschäftigung.[10]

Entwurf des Grundsatzprogramms und Organisationsreform

Zu den Ergebnissen des Berliner Parteitags der SPD von 1954 gehörte der Beschluss, eine Kommission einzusetzen, die das neue Parteiprogramm entwerfen sollte. Diese „Große Programmkommission“ aus 34 Personen nahm ihre Arbeit, die in fünf Unterausschüssen stattfand und ebenfalls von Willi Eicher gesteuert wurde, im März 1955 auf. Die Progammarbeit kam dabei anfangs nur schleppend voran. Ein erster Streitpunkt war die Frage, ob das Grundsatzprogramm durch eine so genannte „Zeitanalyse“ eingeleitet werden sollte oder nicht. Die Aufgabe einer solchen Analyse wäre die wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Beschreibung der Gesellschaft und der Gegenwart aus Sicht der Partei gewesen sowie eine geschichtsphilosophisch belastbare Zukunftsprognose. Die Diskussion darüber verlief zäh und wirkte auch auf Beteiligte gelegentlich ermüdend. Aufstrebende Parteipolitiker wie Herbert Wehner, Fritz Erler oder Willy Brandt hielten sich in dieser Phase der Programmentwicklung zurück. Sie konzentrierten sich stattdessen darauf, wichtige organisatorische und personelle Veränderungen vorzubereiten. Das Ziel dieser Pläne war die Beseitigung der Einflüsse des „Büros“, also des Parteiapparats der hauptamtlichen Funktionäre des Parteivorstands. Die Reformer in der Partei streben danach, dem „Apparat“ allein die notwendigen Verwaltungsaufgaben zuzuweisen. Die Parteispitze selbst sollte die politische Richtung formulieren. Diese Veränderung gelang auf dem Stuttgarter Parteitag von Mai 1958. Der Einfluss der hauptamtlich Besoldeten ging zurück durch den Beschluss, als Zentrum der Parteiführung aus der Mitte des Parteivorstands das so genannte Präsidium zu wählen. Zu Stellvertretern Ollenhauers wurden überdies Wehner und Waldemar von Knoeringen gewählt. Bereits im Oktober 1957 hatten die Reformer in der SPD einen Etappensieg verzeichnet. Bei der Neuwahl des Vorstands der SPD-Fraktion im Bundestag setzen sich drei ihrer profiliertesten Vorderleute durch: Wehner, Erler und Carlo Schmid lösten die als Traditionalisten geltenden Erwin Schoettle und Wilhelm Mellies im Amt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden ab und bestimmten fortan die Grundlinien der Fraktionsarbeit.

Eine Ursache für diese Entscheidungen des Stuttgarter Parteitags waren die Vorarbeiten der Reformer. Wichtiger war dafür allerdings der Schock, den das Ergebnis der Bundestagswahl von 1957 auslöste. Die Unionsparteien holten die absolute Mehrzeit. Adenauers Popularität war ungebrochen. Ihm war kurz zuvor die Wiedereingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik gelungen. Zudem erwies sich die Rentenreform als wahlwirksamer Schachzug. Die Niederschlagung des Ungarnaufstandes wusste der Bundeskanzler zudem gegen die SPD auszulegen. All diese Faktoren wirkten aus der Sicht der SPD negativ und bescherten ihr ein Ergebnis von knapp 31,8 Prozent der Wählerstimmen.

Eichler hatte aus den Entwürfen der Unterkommissionen im April 1958 einen ersten Gesamtentwurf zusammengestellt und dem Parteitag vorlegt. Im Sommer wurde dieser in Stuttgart in erster Lesung diskutierte Entwurf an alle Parteimitglieder verschickt. Anschließend begann ein breiter innerparteilicher Diskussionsprozess mit einer Intensität, die viele in der Parteiführung überraschte. Das Interesse griff erstmals über die Zirkel der Wenigen aus, die sich bereits seit Jahren mit Programmfragen befasst hatten. Insbesondere Eichler und Heinrich Deist, ein Vordenker aktualisierter wirtschaftpolitischer Grundsätze der SPD, diskutierten den Entwurf auf mehreren hundert Parteiveranstaltungen mit den Mitgliedern. Viele Genossen äußerten auf diesen Treffen ihre Unzufriedenheit mit der Textlänge. Aus diesem Grund setzte der Parteivorstand, der nun die Zügel der Programmdiskussion in die Hand nahm, im Februar eine so genannte Redaktionskommission ein, der der Journalist Fritz Sänger vorstand. Diese kürzte den von Eichler vorlegten Entwurf deutlich. Zugleich entfernten sie – wie es hieß – „verbalradikale Restbestände“. Außerdem wurde die umstrittene „Zeitanalyse“ fallengelassen. Im Juni 1959 legte Sänger dem Parteivorstand die Überarbeitung vor. Vier Personen – Eichler, Sänger, Ollenhauer und Benedikt Kautsky, Sohn von Karl Kautsky – feilten anschließend erneut am Entwurf. Der Rechtsexperte Adolf Arndt integrierte ein deutlicheres Bekenntnis der Partei zum Grundgesetz, während Erler, Fachmann für Wehrfragen, eine Stellungnahme zur Landesverteidigung einfügte. Die gestrichene Zeitanalyse wurde durch eine Präambel, die Sänger und Heinrich Braune verfassten, ersetzt. Der Parteivorstand beschloss am 3. September 1959, die nun vorliegende Fassung auf dem Godesberger außerordentlichen Parteitag von November 1959 einzubringen.[11]

Godesberger Parteitag 1959

Der in der Stadthalle von Bad Godesberg vom 13. bis 15. November 1959 tagende außerordentliche Parteitag der SPD befasste sich ausschließlich mit der Frage eines neuen Grundsatzprogramms. Ollenhauer eröffnete den Parteitag und stellte dabei klar, dass das neue Programm keinen wissenschaftlichen Anspruch erhebe, sondern als politisches Programm einer politischen Partei zu verstehen sei.

Zu Beginn der Aussprache stand die Frage an, ob die Beschlussfassung über den Programmentwurf zu vertagen sei. Ein Antrag von Parteitagsdelegierten aus Bremen forderte eine solche Verschiebung, weil die Zeit bis zum Parteitag nicht gereicht habe, um den letzten, den nun vorliegenden Entwurf des Parteivorstands ausführlich zu diskutieren. Dieser Antrag fand keine Mehrheit.

Im Verlauf des Parteitags zeigte sich, dass die Kritiker des Entwurfs, die sich auf dem linken Parteiflügel fanden, deutlich in der Minderheit und zudem in sich zerstritten waren. Zwei Gegenstände des neuen Programms erzeugten intensivere Debatten. Zum einen verlangte eine Reihe von Delegierten Änderungen im Abschnitt über „Eigentum und Macht“. Der Ortverein Backnang forderte die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum – diesem Antrag stimmten immerhin 69 Delegierte des Parteitags zu. 89 Delegierte votierten für den Antrag des Bezirks Hessen-Süd, der die Schutzwürdigkeit des Privateigentums nur dann festgeschrieben sehen wollte, wenn dieser Schutz eine gerechtere Sozialordnung nicht behindere. Zum anderen entfachte die Neufassung des Verhältnisses zu den Kirchen eine größere Kontroverse. Das neue Programm sprach hier von einer „freien Partnerschaft“. Das ging vielen Delegierten zu weit, allein der Appell an die Geschlossenheit der Partei bewahrte den Parteivorstand in dieser Frage vor einer Niederlage.

Veränderungen gegenüber dem Entwurf des Parteivorstands gab es nur in Details. Eine Redaktionskommission um Fritz Sänger arbeitete diese Details ein. Am 15. November verabschiedete der Parteitag den Programmentwurf mit 324 gegen 16 Stimmen. Dem Engagement von zwei Personen ist dieses Ergebnis in besonderem Maße zu verdanken. Herbert Wehner setzte vehement für die Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms ein. Von marxistischem Gedankengut solle man sich verabschieden. Mehrfach gebrauchte er in diesem Zusammenhang seine berühmt gewordene Beschwörungsformel „Glaubt einem Gebrannten!“.[12] Die Parteilinke überraschte Wehners Position, wähnte sie ihn doch vor dem Parteitag in den Reihen der Kritiker des Programmentwurfs. Auch Ollenhauer kamen große Verdienste zu. Aus Loyalität zum Parteivorsitzenden stimmten viele Delegierte dem Programm zu, selbst wenn sie nicht mit allen Punkten einverstanden waren.[13]

Inhalt

Einleitung

Das Godesberger Programm[14] gliedert sich in sieben Teile, denen eine Einleitung vorangestellt ist.[15] Diese thematisiert den „Widerspruch unserer Zeit“, der darin bestünde, die zivile Nutzung der Atomkraft zu ermöglichen, zugleich aber dem Risiko eines Atomkrieges ausgesetzt zu sein. Der demokratische Sozialismus erstrebe eine „neue und bessere Ordnung“. Sie solle allen in friedlichen Verhältnissen einen gerechteren Anteil am gemeinsam geschaffenen Reichtum verschaffen.

Grundwerte

Er erste Abschnitt widmet sich den so genannten „Grundwerten des Sozialismus“ – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Der demokratische Sozialismus habe drei ideengeschichtliche Wurzeln: die christliche Ethik, den Humanismus und die klassische Philosophie. Der Hinweis auf eine weitere Wurzel, den Marxismus, fehlt, obwohl diese Wurzel in allen vorangegangenen Grundsatzprogrammen die entscheidende Rolle gespielt hatte. Die SPD, so das Godesberger Programm, wolle keine „letzten Wahrheiten“ verkünden, das die Partei einigende Band seien die Grundwerte und das gemeinsame Ziel des demokratischen Sozialismus. Sozialismus sei dabei nicht das Endziel historischer Entwicklungen, sondern die dauernde Aufgabe, „Freiheit und Gerechtigkeit zu erkämpfen, sie zu bewahren und sich in ihnen zu bewähren“.

Grundforderungen

Der zweite Abschnitt stellt „Grundforderungen“ vor. Krieg wird als Mittel der Politik abgelehnt. Eine „internationale Rechtsordnung„ solle das Zusammenleben der Völker regeln. Kommunistische Regime werden abgelehnt, weil der Sozialismus nur durch Demokratie verwirklicht werden könne. Die Demokratie sei nicht nur durch Kommunisten gefährdet. Jede Macht, auch wirtschaftliche Macht, müsse öffentlich kontrolliert werden, geschehe dies nicht, sei Demokratie ebenfalls gefährdet. Aus diesem Grund erstrebe der demokratische Sozialismus eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung.

Aussagen zur staatlichen Ordnung

Ausdrücklich bekannte sich die SPD mit dem dritten Abschnitt des Godesberger Programms zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Daraus leite sich das Eintreten für die nationale Einheit der Deutschen ab und zugleich das Bekenntnis zur Landesverteidigung. In diesem Zusammenhang wurden eine atomwaffenfreie Zone in Europa und Schritte der Abrüstung gefordert.

Wirtschafts- und Sozialordnung

Der vierte Abschnitt, der sich mit der „Wirtschafts- und Sozialordnung“ befasst, ist der längste. Die Schillersche Formel „Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig!“ ging in das Programm ein und prägte die Aussagen zur Wirtschafts- und Sozialordnung. Ein stetiger wirtschaftlicher Aufschwung und die Chance auf allgemeinen Wohlstand für alle würden durch die zweite industrielle Revolution sichergestellt werden. Aufgabe der staatlichen Wirtschaftspolitik sei es, diese Wohlstandsmöglichkeiten durch vorausschauende Konjunkturpolitik auf Basis einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und eines Nationalbudgets zu verwirklichen. Weitere Beeinflussungen des Marktgeschehens hätten jedoch zu unterbleiben, denn „freier Wettbewerb und freie Unternehmerinitiative sind wichtige Elemente sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik“. Wenn private wirtschaftliche Macht zur Gefahr für die Demokratie zu werden drohe, sei öffentliche Kontrolle durch Investitionskontrollen, durch Kartellgesetze und durch den Wettbewerb von privaten und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen geboten. Allein wenn eine „gesunde Ordnung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse“ nicht gewährleistet werden könne, habe Gemeineigentum Berechtigung. Von Sozialisierungen spricht das Godesberger Programm nicht. Innerhalb der Betriebe müsse es eine wirksame Mitbestimmung geben. Für die freie und eigenverantwortliche Entfaltung des Einzelnen habe die Sozialpolitik die Grundlagen zu schaffen.

Kulturelles Leben

Der fünfte Abschnitt thematisiert „das kulturelle Leben“. Die Aussagen dieses Programmteils dienten vor allem einer Veränderung des Verhältnisses von Partei und Kirchen. In der Interaktion dieser Institutionen sei die „gegenseitige Toleranz“ aus der Position einer „freien Partnerschaft“ geboten. Ferner formuliert das Programm knapp: „Der Sozialismus ist kein Religionsersatz.

Internationale Gemeinschaft

Im sechsten Abschnitt präsentierte die Partei ihre Vorstellungen über die „internationale Gemeinschaft“. Dabei griff sie Forderungen auf, die sie bereits seit Jahrzehnten vortrug. Die Sicherung der Freiheit und die Bewahrung des Friedens seien hier die vorrangigen Ziele. Hierzu zählten die Forderung nach allgemeiner Abrüstung und internationalen Schiedsgerichten. Die Vereinten Nationen sollen zu einem wirksamen Garanten des Friedens werden. Überdies hätten Entwicklungsländer Anspruch auf Solidarität und uneigennützige Hilfe der reicheren Völker.

Rückblick und Perspektive

Im Schlussabschnitt mit der Überschrift „Unser Weg“ wird der Blick zunächst zurückgeworfen auf die Geschichte der Arbeiterbewegung. Früher „Ausbeutungsobjekt der herrschenden Klasse“ habe der Arbeiter in Jahrzehnten dabei seinen anerkannten Platz als gleichberechtigter Staatsbürger erstritten. Der Kampf der Arbeitbewegung sei ein Kampf für die Freiheit Aller gewesen. Aus diesem Grund sei die Sozialdemokratie „aus einer Partei der Arbeiterklasse zu einer Partei des Volkes geworden“. Die Aufgabe des demokratischen Sozialismus sei damit aber noch nicht erfüllt, denn die kapitalistische Welt sei nicht in der Lage, „der brutalen kommunistischen Herausforderung das überlegene Programm einer neuen Ordnung politischer und persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung, wirtschaftlicher Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit entgegenzustellen“ und zugleich die Emanzipationsbestrebungen der Entwicklungsländer zu berücksichtigen. Die „Hoffnung der Welt“ sei hier der demokratische Sozialismus, der eine „menschenwürdige Gesellschaft“ anstrebe, „frei von Not und Furcht, frei von Krieg und Unterdrückung“.

Gegenentwürfe

Entwurf von Wolfgang Abendroth

Wolfgang Abendroth, in den Nachkriegsjahren einer der wenigen westdeutschen Marxisten mit Lehrstuhl an einer Universität, bemühte sich in der SPD darum, die Partei auf Beibehaltung marxistischer Grundpositionen zu verpflichten.[16] Aus diesem Grund beteiligte er sich intensiv an den Debatten über eine Neufassung des Grundsatzprogramms. Nach sechsjähriger Mitarbeit in den Programmkommissionen schickte er Eichler am 15. April 1959 einen Gegenentwurf zu. Dieser orientierte sich grundlegend an den Positionen von Karl Marx und Friedrich Engels.

Bereits mit dem ersten Kapitel seines Gegenentwurfs markierte Abendroth den wesentlichen Unterschied zum späteren Godesberger Programm. Dieses Kapitel – „Die gesellschaftliche Lage im kapitalistisch organisierten Teil der Welt“ genannt – ging von der anhaltenden Monopolisierung und Konzentration des Kapitals aus. Eine kleine Gruppe von Kapitalisten und von ihnen bestelle Manager dirigiere die körperliche und geistige Arbeit der Bevölkerungsmehrheit. Ansprüche dieser Mehrheit nach gleichberechtigter Mitwirkung an der Steuerung des „gesellschaftlichen Arbeitsprozesses“ würden von dieser Machtgruppe erfolgreich abgewehrt, ebenso wie alle Forderungen nach vollem Anteil am materiellen und kulturellen Fortschritt. Der Zusammenschluss zu finanzkapitalistischen Blöcken sowie die Monopolisierungstendenz insgesamt verhindere demokratische Kontrollversuche. Der Staat verschmelze vielmehr mit den Interessen dieser übermächtigen Kapitalistengruppe. Öffentliche Gewalt könne daher stets in den Dienst ihrer Sonderinteressen gestellt werden.

Auf Änderung dieses Zustands sei nur zu hoffen, wenn der „Kampf der Arbeitnehmer“ um die Verteidigung und Verbesserung ihrer Lebenslage sowie um die Einführung der sozialistischen Produktionsweise erweitert werde zum „Kampf um die Staatsmacht“. Nach Abendroth schließe das Grundgesetz den friedlichen Übergang zum Sozialismus keineswegs aus. Notwendig sei dafür die „Mobilisierung der Arbeiterklasse“. Ein solches Vorgehen habe Aussichten, wenn die Klassenverhältnisse in der Gesellschaft und im politischen System der Bundesrepublik analytisch herausgearbeitet und den Massen vermittelt werden würden. Die Aufklärung der Massen über die wirklichen Klassenstrukturen werde durch manipulativ agierende Parteiführungsschichten in der SPD allerdings sabotiert.

Abendroth erzielte mit seinem Gegenentwurf parteiintern kaum ein Echo. Nur der Unterbezirk Marburg und der Ortsverein aus Senne bezogen sich auf ihn. Der Parteitag diskutierte nicht über die entsprechenden Anträge. Abendroth selbst war es nicht gelungen, ein Mandat für den Godesberger Parteitag zu erhalten.

Gegenentwurf von Peter von Oertzen

Ein weiterer Gegenentwurf kam von Peter von Oertzen, auch er ein Vertreter des linken Parteiflügels.[17] Am 8. November 1959 unterrichtete v. Oertzen einige Parteifreunde davon, dass er einen Alternativentwurf konzipiert habe. Diesen legte er bewußt als Kompromiss an, „die schlimmsten Ecken“ des Vorstandsentwurfs wollte er damit ausbügeln. Abendroths Gegenentwurf war ihm bekannt, er lehnte ihn jedoch ab. Inhaltlich sei der Abendroth-Entwurf zwar richtig. Form, Gedankengang und Argumentationsweise waren ihm allerdings zu dogmatisch.

Peter von Oertzen beharrte auf der traditionellen Trias Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Diese sei dem neuen Grundwerte-Dreiklang „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“ vorzuziehen. Die Schillersche Formel vom Primat des Marktes gegenüber der Planung strich v. Oertzen nicht. Er stellte allerdings einen Sozialisierungskatalog für eine Reihe von Industriezweigen auf. Energieerzeugende Unternehmen vor allem der Atomwirtschaft, die Montanindustrie, Unternehmen der Großchemie, Großbanken, Versicherungsgesellschaften sowie marktbeherrschende Unternehmen anderer Branchen seien reif für entsprechende Maßnahmen. Außerdem formulierte v. Oertzen einen Abschnitt über die Demokratisierung der Wirtschaft.

Die Initiative v. Oertzens kam zu spät, um in den Beratungen des Parteitags Beachtung zu finden. Sein Redebeitrag[18] erzeugte keinen Meinungswandel der Delegiertenmehrheit. v. Oertzen blieb einer der 16 Delegierten, die dem Godesberger Programm ihre Stimme versagten.

Wirkungen

Reaktionen führender SPD-Politiker

Viele führende Politiker in der SPD begrüßten das neue Grundsatzprogramm ausdrücklich. Willy Brandt etwa hielt es für eine „zeitgemäße Aussage“, die die praktische Arbeit der Partei fördere. Den Gegnern der SPD werde es erschwert, sie mit verzerrenden Aussagen anzugreifen, anstatt sich ernsthaft mit der Sozialdemokratie auseinanderzusetzen. Das Grundsatzprogramm portraitiere die SPD zudem als „kämpferisch demokratische Freiheitsbewegung“. Außerdem seien in einer Reihe wichtiger Punkten Klärungen erfolgt, so im Verhältnis zu den Kirchen, zum Staat und zur Landesverteidigung.[19] Willi Eichler betonte und begrüßte, dass Grundwerte ausdrücklich formuliert worden seien und unter ihnen die Freiheit die zentrale Rolle spiele. Carlo Schmid stellte heraus, der Sozialismus sei gemäß dem Godesberger Programm keine Weltanschauung und schon gar keine Ersatzreligion mehr. Obwohl es noch Klassen gebe, sei Klassenkampf nicht mehr nötig, denn der Staat bewirke den Ausgleich der Klasseninteressen. Erler begrüßte insbesondere das veränderte Verhältnis zu den Kirchen und dass Manches aus dem 19. Jahrhundert „aufgeräumt“ worden sei.[20]

Innerparteiliche Kritik

Innerparteiliche Kritik blieb die Ausnahme und war auf den kleinen Kreis traditionell argumentierender Marxisten begrenzt. Abendroth missfiel beispielsweise die Loslösung von den traditionell marxistischen Grundvorstellungen. Auf eine kritische Analyse von Gesellschaft und Staat werde im neuen Programm gänzlich verzichtet. Zentrale „Bewegungsgesetze und Widersprüche“ blieben darum verborgen und damit auch die Ansatzpunkte für die „Zielsetzung, Strategie und Taktik der Partei“. Von ihrer Erziehungsaufgabe, ihrer Pflicht zur Förderung des Klassenbewusstseins wende sich die SPD ab.[21]

Peter von Oertzen blieb gleichfalls auf Distanz zum neuen Programm. Es richte die Partei „einseitig auf die parlamentarische Auseinandersetzung aus“. Es verwische „die Klassenlage und die Klasseninteressen der Arbeitnehmerschaft“, in diesem Zusammenhang seien auch die Angebote an den selbständigen Mittelstandfragwürdig“. Zudem wies v. Oertzen darauf hin, dass das Programm insgesamt von einem kaum gerechtfertigten wirtschaftlichen Optimismus getragen sei. „Die Verfasser glauben im Grunde nicht an die Möglichkeit ernsthafter konjunktureller Rückschläge“ – so v. Oertzen.[22]

Die SPD auf dem Weg zur Macht

Die programmatische Neuorientierung der Partei war ein Faktor, der zur veränderten öffentlichen Wahrnehmung der SPD beitrug. Sie wurde immer weniger als intransigente Oppositionspartei angesehen. Das landesväterliche, repräsentative, populäre und gelegentlich auch überparteiliche Auftreten führender Sozialdemokraten in den Ländern, zu denen etwa Max Brauer, Wilhelm Kaisen, Hinrich Wilhelm Kopf, Georg August Zinn und Willy Brandt gehörten, tat hier ein Übriges.[23]

Die Annäherung an gesinnungsethische Protestanten gelang bereits im gemeinsamen Engagement gegen die Wiederbewaffnung und in der Bewegung Kampf dem Atomtod. Dass evangelische Christen aus dem Bürgertum die SPD als ihr Wirkungsfeld betrachten konnten, demonstrierten die Parteieintritte von Gustav Heinemann, Johannes Rau oder Erhard Eppler.[24] Der lang ersehnte Einbruch in das Milieu der katholischen Arbeitnehmerschaft erfolgte allerdings nur nach und nach. Im Ruhrgebiet brauchte es hierfür die Krise der Eisen- und Stahlindustrie, die Mitte 1960er Jahre einsetzte.[25]

Auf Bundesebene entschied die SPD, sich nicht als kompromissloser Widerpart der Regierungsparteien darzustellen, sondern als „bessere Partei“. Sie legte Wert darauf, Gemeinsamkeiten mit der Regierung herauszustellen und sprach von ihrer Gemeinsamkeits-Politik.[26] Nach links zog die Partei deutliche Grenzen, indem sie sich 1961 vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund trennte. Auch Ausschlüsse prominenter Linker aus der SPD signalisierten den Trennungsstrich zum Marxismus. Von entsprechenden Beschlüssen waren zum Beispiel Wolfgang Abendroth, sein akademischer Kollege Ossip K. Flechtheim und Viktor Agartz, ein lange Jahre einflussreicher Gewerkschafter, betroffen.[27]

In den 1960er Jahren wuchs der Stimmenanteil der SPD bei Bundestagswahlen stetig. Die Wählerschaft setzte sich im Kern weiterhin aus Arbeitern zusammen. Die Partei erreichte aber auch weitere Bevölkerungskreise nachhaltig. Die Behauptung des Godesberger Programms, die SPD sei eine Volkspartei geworden, fand nun ihre materielle Basis. Das politische Gewicht der SPD verstärkte sich damit. 1966 gelang ihr der mit der Bildung der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger der Eintritt in die Regierung. 1969 verweis sie mit der Bildung der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt die Unionsparteien auf die Oppositionsbank und bei der Bundestagswahl von 1972 zog sie schließlich mehr Wählerstimmen auf sich als die Union.

Programmatische Ergänzungen und Erneuerungen

Diskussionen bis Ende der 1960er Jahre

In den 1960er Jahren hatten Programmdiskussionen insgesamt eine nur geringe Bedeutung. Die Partei ergänzte für einige Politikbereiche die Hauptaussagen des Godesberger Programms. Die wichtigsten Zusätze bezogen sich auf die Bildungspolitik, die Rechtspolitik und die Deutschlandpolitik. Mit ihren „Bildungspolitischen Leitsätzen“ konturierte die Parteiführung 1964 ihre Vorstellungen zur Bildungsreform der 1960er und 1970er Jahre. 1968 verabschiedete der SPD-Parteitag in Nürnberg eine „Rechtspolitische Plattform“. Die Partei forderte hier die Einschränkung des politischen Strafrechts, betonte die Gedanken der Resozialisierung und der Kriminalprävention und warb für eine Reform der Justiz, die diese durchschaubarer und effizienter machen sollte. In der Deutschland- und Ostpolitik suchte die Partei nach neuen Wegen. Auslöser war der Schock, den im August 1961 der Bau der Berliner Mauer auslöste. Die Nicht-Anerkennung der DDR sollte genauso überwunden werden wie die Ablehnung der Oder-Neiße-Grenze als deutsche Ostgrenze. 1968 billigte der SPD-Parteitag in Nürnberg die „Sozialdemokratischen Perspektiven im Übergang zu den siebziger Jahren“. Die gemachten Erfahrungen in der Regierung, die jüngeren SPD-Konzepte für die verschiedenen Politikbereiche und die erwarteten Zukunftsperspektiven sollen mit diesem Papier auf Basis der Godesberger Programmaussagen zusammengefasst werden. Größere Bedeutung erlangte diese Synthese allerdings nicht, denn praktische Fragen der Politik – dazu zählten die Debatte um die Notstandgesetze, die Zustimmung zur Großen Koalition und das Verhältnis zum Deutschen Gewerkschaftsbund – dominierten die Diskussion. Für die am Ende der 1960er Jahre sich wieder stärker artikulierenden Linken führten die „Perspektiven“ überdies in die falsche Richtung. Den Pragmatikern ging dagegen das Maß an gesamtgesellschaftlicher Analyse, das sich in den „Perspektiven“ fand, zu weit.[28]

Orientierungsrahmen 85

Die 1970er Jahre erlebten intensive Programmdiskussionen mit weiter Ausstrahlung in die Partei. Die SPD war bestrebt, eine mittelfristige politische Konzeption für die nächsten zehn bis 15 Jahre zu entwickeln. Der erste Entwurf des so genannten Orientierungsrahmens, entwickelt seit Anfang der 1970er Jahre unter der Leitung von Helmut Schmidt, Hans Apel und Jochen Steffen, fiel 1973 innerparteilich durch. Die Jusos und Vertreter der Parteilinken kritisierten die fehlende sozialistische Perspektive.

Eine neue, auf 30 Personen erheblich vergrößerte Kommission unter Vorsitz von Peter von Oertzen entwickelte einen zweiten Entwurf. Schmidt und Sozialdemokraten wie Hans-Jochen Vogel, die sich im „Godesberger Kreis“ organisierten, warnten allerdings davor, die programmatischen Fundamente zu verändern. Sie fürchteten eine Verengung und Dogmatisierung der theoretischen Grundannahmen der SPD – ein deutlicher Hinweis an die Parteilinke, es mit der Revitalisierung marxistischer Positionen nicht zu übertreiben. Die Parteiführung, insbesondere Wehner und Brandt, machten sich diese Warnungen zu Eigen und wussten dabei die Parteimehrheit hinter sich. Die Kommission um Peter von Oertzen berücksichtigte diese Signale und versuchte einen Mittelweg. Das Godesberger Programm sollte nicht revidiert werden, eine einseitig marktwirtschaftliche Lesart des Programms, wie sie in den 1960er Jahren vorgeherrscht habe, hielt sie allerdings ebenfalls für unangemessen.

Im November 1975 wurde schließlich in Mannheim der zweite Entwurf des Orientierungsrahmens 85 per Parteitagsbeschluss angenommen. Auf dem Parteitag kam es zu längeren Debatten über die Positionen zu „Markt und Lenkung“. Die Parteilinke war mit dem entsprechenden Abschnitt des Orientierungsrahmens nicht einverstanden und brachte Anträge zur Investitionslenkung, zu Investitionsverboten und zur Vergesellschaftung von Produktionsmitteln ein. Nach dieser demonstrativen Unmutsäußerung, die am Entwurf nichts änderte, stimmte auch sie dem vorgelegten Entwurf zu, der mit nur zwei Enthaltungen und einer Gegenstimme verabschiedet wurde.

Der Orientierungsrahmen erreichte keinen handlungsleitenden Status, denn die ökonomischen Rahmenbedingungen verschlechterten sich in einem Maß, das selbst die zurück gestutzten Wachstumserwartungen des Orientierungsrahmens zur Makulatur werden ließ. Innerparteilich geriet er bald in Vergessenheit. Einzig der Entstehungsprozess des Orientierungsrahmens blieb vielen Beteiligten in positiver Erinnerung. Parteilinke und die Parteirechte hatten sich einer überwiegend sachlichen Auseinandersetzung auf einen vorzeigbaren Kompromiss einigen können.[29]

Berliner Programm von 1989

Noch Ende der 1970er Jahre hatte es Brandt als Parteivorsitzender abgelehnt, Schritte zur Formulierung eines neuen Programms einzuleiten, das jenes von Bad Godesberg ablösen sollte. 1982 verkündete er allerdings, dass die Partei in eine Phase gehen werde, „in der wir Godesberg kritisch abklopfen“.[30] Die Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD legte dazu zwei Jahre später einen Bericht vor. Er enthielt eine Reihe von Empfehlungen, welche weiteren Aspekte ein neues Grundsatzprogramm enthalten sollte und welche Passagen des Godesberger Programms zu präzisieren seien. Der beschleunigte technische Wandel, der gravierende Anstieg der Arbeitslosigkeit, Probleme der Umweltzerstörung, die internationale Schuldenkrise, das Wettrüsten und das Aufkommen der neuen sozialen Bewegungen verlangten demnach neue Antworten.[31] Ein erster Entwurf lag 1986 vor. Er rief allerdings scharfe Kritik linker Sozialdemokraten hervor.[32]

Eine zweite, von Oskar Lafontaine angeführte Kommission präsentierte im März 1989 einen überarbeiteten Entwurf, der Grundlage des vom 18. bis zum 20. Dezember in Berlin tagenden Parteitags wurde. Dieser Parteitag verabschiedete das neue Grundsatzprogramm der SPD, das Berliner Programm. Ökologische Fragen und Forderungen, der Appell an eine nachhaltige Ausrichtung der Industriegesellschaft, das Bestreben nach Gleichberechtigung der Frau und die Forderung nach einem neuen Rollenverhältnis der Geschlechter, die Erweiterung der Solidarität auf kommende Generationen, der Wille zur erweiterten Teilhabe der Arbeitnehmer am Produktivvermögen sowie zum Aus- und Umbau des Sozialstaates kennzeichneten diese Schrift.[33]


Literatur

  • Helga Grebing: Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, Teil II, in: Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. Sozialismus – katholische Soziallehre – protestantische Sozialethik. Ein Handbuch, hrsg. von Helga Grebing, 2. Auflage, VS, Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden 2005, S. 353 – 595, ISBN 3-531-14752-8.
  • Siegfried Heimann: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, in: Richard Stöss (Hrsg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Band II: FDP bis WAV, mit Beiträgen von Jürgen Bacia, Peter Brandt u. a. (Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, Bd. 39), Westdeutscher Verlag, Opladen 1984, S. 2025-2216, ISBN 3-531-11592-8.
  • Kurt Klotzbach: Der Weg zur Staatspartei. Programmatik, praktische Politik und Organisation der deutschen Sozialdemokratie 1945 bis 1965, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. Berlin/Bonn 1982, ISBN 3-8012-0073-6.
  • Detlev Lehnert: Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983 (edition suhrkamp, Neue Folge, Bd. 248), Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-11248-1.
  • Christoph Meyer: Herbert Wehner. Biographie, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2006, ISBN 3-423-24551-4.
  • Susanne Miller: Die SPD vor und nach Godesberg (Kleine Geschichte der SPD, Band 2, Theorie und Praxis der deutschen Sozialdemokratie), Verlag Neue Gesellschaft, Bonn 1974, ISBN 3-87831-157-5.
  • Hartmut Soell: Fritz Erler. Eine politische Biographie, Dietz, Berlin, Bonn-Bad Godesberg 1976, ISBN 3-8012-1100-2.

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2047.
  2. Zur beanspruchten Führungsrolle und der angestrebten Attraktivität der SPD für soziale Kreise über die Arbeiterschaft hinaus siehe Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2048.
  3. Zur Bedeutung Schumachers für die Politik und das Programm der Nachkriegs-SPD siehe Miller, Die SPD vor und nach Godesberg, S. 9 – 30. Zitat „konservativ, klerikal …“ bei Lehnert, Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983, S. 177.
  4. Zur Prinzipienerklärung der Sozialistischen Internationale siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 438 und Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 259 f.
  5. Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 262.
  6. Zum Dortmunder Aktionsprogramm siehe Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 260 – 264 sowie Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 438 f.
  7. Hierzu Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 320 f.
  8. Zitiert nach Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 440.
  9. Karl Schiller auf der Wirtschaftspolitischen Tagung der SPD im Februar 1953, zitiert nach Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2056.
  10. Zur Berliner Fassung des Aktionsprogramms siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 439 f und Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 319 – 324.
  11. Informationen zur Programmentwicklung vom Berliner Parteitag 1954 bis zum Godesberger Parteitag 1959 bei Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 440 f und Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2058 f. Gründlich hierzu Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei: Arbeit der Großen Programmkommission bis zum Stuttgarter Parteitag (S. 433 – 440); organisatorische und personelle Entscheidungen des Stuttgarter Parteitags (S. 421 – 431); Programmdiskussion auf dem Stuttgarter Parteitag (S. 440 – 442); Programmarbeit vom Stuttgarter Parteitag bis zum Parteitag in Godesberg (S. 442 – 447). Zum Wechel an der Fraktionsspitze im Oktober siehe Meyer, Herbert Wehner, S. 208 f und Hartmut Soell, Fritz Erler, S. 300 – 302.
  12. Zitiert nach Gunter Hofmann: Frei, aber links, in Die Zeit, 39/1999.
  13. Zum Parteitag siehe Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 448 f sowie Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2061.
  14. Online einsehbar auf der Internetseite des Deutschen Historischen Museums sowie als PDF-Datei auf der Webpräsenz der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn.
  15. Die Übersicht über die wesentliche Aspekte des Godesberger Programms stützt sich auf Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2061–2063.
  16. Zu Abendroths Gegenentwurf siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 447–449, dort auch alle Zitate Abendroths.
  17. Zum Gegenentwurf v. Oertzens siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 449–451, dort auch die Zitate v. Oertzens.
  18. In Auszügen zitiert bei Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 448 f, Anm. 460.
  19. Brandts Einschätzung bei Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 449.
  20. Belege für Stellungnahmen von Eichler, Schmid und Erler bei Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 445.
  21. Zu dieser Kritik von Wolfgang Abendroth siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 447, dort auch die Abendroth-Zitate.
  22. Zu dieser Kritik von Oertzens siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 450, dort auch die Zitate von Oertzens.
  23. Siehe Miller, Die SPD vor und nach Godesberg, S. 39.
  24. Vgl. Lehnert, Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983, S. 182 f.
  25. Vgl. Lehnert, Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983, S. 194.
  26. Zur Gemeinsamkeits-Politik siehe Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, S. 497–532.
  27. Zur Abgrenzung nach links siehe Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2110 f und S. 2166 f. Information zum Ausschluss von Flechtheim bei Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 470.
  28. Zur Programmgeschichte der SPD in den 1960er Jahren siehe Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2069–2072.
  29. Zur Programmdebatte in der SPD bis zum Mannheimer Parteitag von November 1975, zum Orientierungsrahmen selbst und zur praktischen und innerparteilichen Bedeutung des Textes siehe Heimann, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2075–2085 sowie Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 492–496.
  30. Zitiert nach Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 556.
  31. Zu den Empfehlungen der Grundwertekommission siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 557 f.
  32. Zu den Inhalten ihrer Kritik siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 579 f.
  33. Zum Berliner Programm siehe Grebing, Ideengeschichte des Sozialismus in Deutschland, S. 580–584.