Gnothi seauton

Gnôthi sautón auf einem Fenster im Kulturhaus der Stadt Ludwigshafen

Gnothi seauton (griech. Vorlage:Polytonisch, transkribiert auch Gnōthi seauton oder Gnôthi seautón, altgr. Aussprache [gnɔ̂ːtʰi seau̯tón]; auch Gnôthi sautón, Vorlage:Polytonisch, „Erkenne dich selbst!“) ist die mittlere der drei apollonischen Weisheiten, neben Vorlage:Polytonisch (éi „Du bist“) und Vorlage:Polytonisch ('mēdèn ágān „Nichts im Übermaß“).

Dieser Ausspruch wird dem griechischen Philosophen Chilon von Sparta zugeschrieben. Als Inschriften begrüßten gnôthi seautón und medèn ágan einst die Besucher des Apollonheiligtums im Tempelbezirk des Orakels von Delphi.

Gnothi Sauton ist außerdem der Titel der von Karl Philipp Moritz zwischen 1783 und 1793 herausgegebenen Zeitschrift Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Die Zeitschrift beschäftigt sich mit Fragen der Psycho-Pathologie. Viele der dort angestellten Überlegungen ähneln in Grundzügen der viel später entstandenen Psychoanalyse Freuds.

Philosophischer Hintergrund

Erkenne dich selbst, das kann meinen: Erkenne, dass du ein Mensch und kein Gott bist. Erkenne die Grenze, die du doch nicht überschreiten kannst, und richte dich danach.[1], oder auch: Erkenne Deine wahre Natur und handle dementsprechend (z.B. erkenne dass Du ein Prinz bist, obwohl Du Dich für einen Frosch hältst)[2]. Der Hintergrund des Satzes ist beim Orakel von Delphi zu suchen, wo dieser Ausspruch über dem Eingang stand. Der Grund dafür ist, dass der antike Wallfahrer auf dem Weg ins Orakel von Delphi einen langen Weg den Berg hinauf gehen musste, der mit vielen Schatzhäusern bebaut war. Auf diesem Weg hatte der Wallfahrer viel Zeit kluge Zitate auf Steintafeln nachzulesen. Dazu kam, dass er aufgrund des langen Weges auch viel Zeit dazu hatte, über sein ursprüngliches Anliegen, unter Einbeziehung der ganzen gelesenen Sprüche, nachzudenken. Bis er beim eigentlichen Orakel oben am Berg ankam, hatte er sich so meist schon „selbst erkannt“; sprich seine Frage, die er stellen wollte von selbst beantwortet.

Die Herkunft des Spruchs ist umstritten. Der Aristoteles-Schüler Theophrastos von Eresos bezeichnet ihn in seiner Schrift über die Sprichwörter als Sprichwort. Chamaileon ordnet ihn in seinem Buch über die Götter Thales zu. Die meisten Quellen nehmen aber an, dass der Spruch von Chilon stamme.

Hermippos schreibt in seinem ersten Buch über Aristoteles, dass ein Eunuche Labys in Delphi, der Tempelwächter im Heiligtum war, diesen Spruch geäußert habe. Klearchos wiederum behauptet, es sei ein Gebot des pythischen Apoll gewesen und wurde Chilon als Orakelspruch gegeben, als er fragte, was die Menschen am ehesten lernen sollten.

Aristoteles schreibt Gnothi seauton in seinem Dialog über Philosophie der Pythia zu. Auch Antisthenes behauptet, der Spruch stamme von Phemonoe, der ersten Pythia in Delphi, und Chilon habe ihn sich nur angemaßt.

Siehe auch

Erkenntnis, Selbsterkenntnis

Fußnoten

  1. Kingner, Humanität und Hunanitas, in: Römische Geisteswelt, S. 726
  2. Eine Deutung gehört hier meines Erachtens eigentlich gar nicht hinein, die zweite Deutung habe ich eingefügt um deutlich zumachen, dass es sich hier um eine von jedem selbst zu beantwortende Aufgabenstellung handelt.

Literatur

  • Friedrich Klingner: Humanität und humanitas. In: Ders.: Römische Geisteswelt. Essays zur lateinischen Literatur. Reclam, Stuttgart 1979, ISBN 3-15-010284-7 (Repr. d. Ausg. München 1965)