Geschichte Bulgariens

Vor der Staatsgründung

Das Territorium des heutigen Bulgarien ist bereits seit der Steinzeit besiedelt. Ein bei Warna gefundener Goldschatz wird auf die Zeit zwischen 4600 v. Chr. und 4200 v. Chr. datiert und gilt damit als älteste derartige Ausgrabung weltweit. Die in der Bronzezeit hier lebenden Thraker wurden bereits von Homer erwähnt. Vom 11. bis 6. Jahrhundert v. Chr. bestand ein erstes thrakisches Staatsgebilde, welches im 7. Jh. v. Chr. seine Blüte erlebte.

Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde die Region von Rom erobert und nach der Teilung verblieb sie im 5. Jahrhundert bei Byzanz. Nach der slawischen Besiedlung der Balkanhalbinsel ab dem 6. Jahrhundert verschmolz die verbliebene thrakische Bevölkerung allmählich mit den Neuankömmlingen.

Erstes Bulgarisches Reich

In der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts kam nach dem Zerfall des Großbulgarischen Reiches ein Teil des Turkvolks der Hunno-Bulgaren (Protobulgaren) in den Nordosten des heutigen Staatsgebietes. Slawen und Bulgaren verbündeten sich gegen Byzanz und bildeten unter Khan Asparuch den ersten bulgarischen Staat mit der Hauptstadt Pliska, welcher 681 von Byzanz anerkannt wurde.

Das Territorium des Reiches wurde unter Asparuchs Nachfolger Khan Terwel (700-718) beträchtlich erweitert. In dieser Zeit entwickelte sich Bulgarien zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft. Unter Khan Krum (803-814) erstreckte sich der Staat vom Reich Karls des Großen im Westen bis an die Mauern Konstantinopels im Osten.

Nachdem Fürst Boris I. Michail (852-889) im Jahr 864 das Christentum zur offiziellen Religion erklärte, verschwanden nach und nach die ethnischen Unterschiede zwischen Slawen und Protobulgaren und es bildete sich eine bulgarische Nationalität heraus. Die typisch bulgarische Kirchenmusik begann sich zu entwickeln. Simeon I. (893-927) nannte sich erstmals Zar und machte Weliki Preslaw zur Hauptstadt.

Am Ende des 9. Jahrhunderts entwarfen die aus Solun stammenden Brüder Kyrill und Methodius das erste slawische Alphabet (Glagolica) und übersetzten als erste das Neue Testament in eine heute Altkirchenslawisch genannte Sprache. Am Hof des Zaren entwickelte einer ihrer Schüler, Kliment von Ochrid wenige Jahre später das kyrillische Alphabet. Mit seiner Tätigkeit als Missionar und Schriftsteller leistete er einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung der slawischen Literatur. Ohrid und Pliska sowie später die neue Hauptstadt Weliki Preslaw wurden zu Zentren des Goldenen Jahrhunderts der bulgarischen Kultur. Unter Zar Samuil (976-1014) wurde Ohrid Hauptstadt.

Zweites Bulgarisches Reich

Nach andauernden Kämpfen musste sich Bulgarien 1018 Byzanz unterwerfen. Die bulgarische Nation war jedoch schon so weit entwickelt, dass sich bald Widerstand gegen die fremden Herrscher erhob. Im Gebiet zwischen Balkan und Donau waren die von den Brüdern Asen und Peter geführten Aufstände 1185-1187 erfolgreich und gipfelten 1186 in der Errichtung des zweiten bulgarischen Reiches. Das Zentrum der Bewegung war die Stadt Tarnowo, die daher die vierte Hauptstadt wurde. In den folgenden Jahrzehnten konnte Bulgarien die Schwäche des Byzantinischen Reiches ausnutzen, das nach der Eroberung Konstantinopels durch die Lateiner 1204 schließlich in mehrere Teilstaaten zerfiel. Inzwischen stieg Bulgarien zur stärksten Macht auf dem Balkan auf. Seit der Rückeroberung Konstantinopels durch die Griechen (1261) kam es wieder zu verstärkten Auseinandersetzungen mit Byzanz und seit Ende des 13. Jahrhunderts erwuchs dem Bulgarischen Reich im aufstrebenden Serbien ein ernsthafter Konkurrent an der Westgrenze.

Osmanische Herrschaft

Am Ende des 14. Jahrhunderts musste sich Bulgarien dem Osmanischen Reich unterwerfen. 1393 wurde die Hauptstadt Tarnowo erobert, 1396 fiel schließlich auch der letzte Teil um Widin. Hiermit begann die fünf Jahrhunderte währende Fremdherrschaft unter dem Osmanischen Joch. Die frühen Jahrzehnte waren durch sporadische unorganisierte Versuche zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit gekennzeichnet, später konnte sich jedoch eine gut organisierte nationale Befreiungsbewegung entwickeln.

Nationale Wiedergeburt

Eingangs des 18. Jahrhunderts begann sich unter dem Einfluss der entstehenden bulgarischen Aufklärung ein eigenes Nationalgefühl zu entwickeln. Die 1762 von dem Mönch Paisij Hilendarski erarbeitete "Slowobulgarische Geschichte" gab dazu einen wichtigen Anstoß.

Diese Nationale Wiedergeburt führte zur Errichtung der selbständigen nationalen Kirche und zum Erstarken bulgarischer Bildung und Kultur. Bedeutende Köpfe der Befreiungsbewegung waren u.a. Wassil Lewski, Ljuben Karawelow und Christo Botew.

Drittes Bulgarisches Reich

um 1888

Der Aprilaufstand von 1876 war der erste organisierte wegweisende Versuch, Bulgarien aus der osmanischen Herrschaft zu lösen. Im Ergebnis des Russisch-Türkischen Kriegs (1877/1878) erlangte Bulgarien im Frieden von San Stefano die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Nach dem Berliner Kongress wurde dies teilweise revidiert. Bulgarien wurde ein autonomes, aber an Byzanz tributpflichtiges Fürstentum. Alexander von Battenberg wurde zum Fürsten gewählt. Ostrumelien blieb zunächst osmanische Provinz.

Die erste demokratische Verfassung wurde 1879 erlassen. 1885 gelang die Vereinigung Ostrumeliens mit dem Fürstentum Bulgarien. Alexander von Battenbergs Nachfolger Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha setzte 1908 die formelle Unabhängigkeit Bulgariens durch und ließ sich zum Zaren krönen.

Bulgarien, Serbien, Griechenland und Montenegro schlossen sich 1912 zum Balkanbund zusammen und griffen im 1. Balkankrieg die Türkei an, um das türkische Makedonien für sich zu gewinnen. Die Türkei musste als Verlierer den Großteil seines europäischen Gebietes abtreten. Wegen eines Streits um die Aufteilung Makedoniens begann Bulgarien, das die Hauptlast des ersten Krieges getragen hatte, 1913 den 2. Balkankrieg gegen Serbien und Griechenland. Im Frieden von Bukarest (10. August 1913) verlor Bulgarien die zuvor gewonnenen Gebiete und musste die Süd-Dobrudscha an Rumänien abtreten. Makedonien kam an Serbien und Griechenland, Adrianopel zurück an die Türkei.

Unter der Abkehr von Russland näherte sich Bulgarien dem Deutschen Kaiserreich an und nahm an der Seite der Mittelmächte am Ersten Weltkrieg teil. Nach der Niederwerfung Serbiens und Rumäniens erhielt Bulgarien 1915 die Süd-Dobrudscha zurück. Im Frieden von Neuilly (1919) musste Bulgarien seinen Zugang zum Ägäischen Meer, den Landbereich Thrakien, an Griechenland abgeben. Rumänien erhielt den südlichen Teil der Dobrudscha, die Strumica fiel an Serbien.

Der unglückliche Ausgang des Krieges veranlaßte den Zaren, zugunsten seines Sohnes Boris III. zurückzutreten. Dessen Person sicherte eine gewisse Stabilität der Politik des von Unruhen, Verschwörungen, Attentaten und Ministerwechseln beunruhigten Landes. 1933 trat er auch durch eine Annäherung an Jugoslawien in die kleine Balkan-Entente ein, der Jugoslawien, Griechenland, Türkei und auch England und Frankreich in verschiedenen Büdnissen angehörten. Damit schienen Beziehungen zu den Nachbarstaaten geregelt zu sein.

Nach einem Militärputsch (1934) und der Auflösung der politischen Parteien erfolgte eine autoritäre Regierung unter Zar Boris III. Bulgarien sah sich aber 1940 sowohl durch Russland, als auch durch die Türkei bedroht. Griechenland selbst hatte Pläne, falls Bulgarien nicht auf Seiten der Griechen stünde, den Südteil zu besetzen.

Der griechische Chef des Generalstabes der Armee, General A. Papagos hatte am 13. März 1940 ein Papier erstellt, in dem er klare Ziele festhielt. In Punkt A –Bulgarien- beschrieb er, dass Bulgarien zu neutralisieren sei und hierfür besetzt werden müsse, oder es träte in ein Bündnis mit Griechenland ein. Eine Besetzung im Fall einer Neutralität oder einer Gegnerschaft sei aus verkehrstechnischen, operativen Gründen und der Einsparung von Streitkräften (Grenzsicherung) notwendig.
(Dokument, Generalstab, A.P. Geheim 115078, Athen, 13. Jan. 1940, an den Ministerpräsidenten und Kriegsminister)

Derart auf dem Balkan isoliert näherte sich Bulgarien den Achsenmächten an. Durch den 2. Wiener Schiedsspruch vom 30. 8. 1940 erhielt Bulgarien auf deutschen Druck den südlichen Teil der Dobrudscha wieder von Rumänien zurück (im Versailler Vertrag 1920 Rumänien zugeschlagen).

Am 18. November 1940 kam Zar Boris III. von Bulgarien nach Berlin. In seinem Staat überschnitten sich deutsche und sowjetische Interessen schon wegen seiner geographischen Lage. Einen Beitritt zum Dreimächtepakt hatte der König einen knappen Monat vorher abgelehnt, doch gab er später eine verklausulierte Zusage (23. November 1940). Eine offene Teilnahme an militärischen Maßnahmen gegen Griechenland wurde nicht rundweg verweigert, doch von Bedingungen abhängig gemacht: Modernisierung der bulgarischen Armee und Verschleierung bzw. Unterlassung eines Aufmarsches auf bulgarischem Boden "bis zum letzten Moment". Die Zurückhaltung Bulgariens war für Hitler deshalb noch besonders unangenehm, weil sie unmittelbar auf Jugoslawien abfärbten konnte, da nur noch Jugoslawien nicht dem Dreimächtepakt beigetreten war. Am 22.-23. 01. 1941 erfolgte eine Besprechung von Gfm. List mit seinem Chef des Generalstabes, General von Greiffenberg und der bulgarischen Generalstabsdelegation unter General Boydeff in Predeal, südwestlich von Kronstadt. Bulgarien war auf die militärische Hilfe Deutschlands angewiesen. Da man sich nicht in der Lage sah, das Land vor Angriffen von Russland, der Türkei und Griechenland zu schützen, mussten deutsche Truppen im Lande stehen und auch Luftverteidigungsaufgaben übernehmen. Erst wenn dies gewährleistet sei, sei Bulgarien bereit dem Dreimächtepakt beizutreten. Den gleichen Eindruck gewann von Richthofen am 23. 1. 1941 bei den Besprechungen mit der Führung der bulgarischen Luftwaffe. Er vertraute seinem Tagebuch an:

...fürchterliche Angst vor allem.... sie sind schrecklich arm.... versuche Mut zu machen....

Schließlich trat Bulgarien an der Seite der Achsenmächte gegen Jugoslawien und Griechenland in den 2. Weltkrieg ein und besetzte Thrakien und Mazedonien. Im Dezember 1940 erfolgte die Kriegserklärung an Großbritannien und die USA, jedoch nicht gegen die UdSSR.

17. 02. 1941: Bulgarisch-türkischer Freundschafts- und Nichtangriffspakt.

28. 02. 1941 Gegen 07.00h erfolgte der Brückenschlag über die Donau bei Giurgiu südlich von Bukarest durch die Deutsche Armee in Rumänien. Zur gleichen Zeit überschritten bei Dobrudscha bereitgestellte deutsche Truppen die bulgarische Grenze und marschierten nach Varna. Die Sowjetunion reagierte naturgemäß heftig auf die Mitteilung, Bulgarien sei dem "Dreimächtepakt" beigetreten, und nannte die Besetzung Bulgariens eine Bedrohung der eigenen Sicherheit.

Das Königshaus und die Bevölkerung widersetzten sich erfolgreich der Verfolgung und der Deportation der bulgarischen Juden (Holocaust). Nach dem Tod des Zaren Boris III. 1943 bestieg der minderjährige Simeon II. den Thron, dieser wurde von einem Regentschaftsrats unter Prinz Kyril vertreten.

Volksrepublik Bulgarien

Die Sowjetunion erklärte am 5. September 1944 Bulgarien den Krieg und besetzte darauf das Land. Bulgarien wurde unter Leitung Dimitrows am 15. 9. 1946 zur Volksrepublik erklärt.

Demokratisierung

In den Jahren nach dem Sturz des kommunistischen Diktators Todor Schiwkow am 10. November 1989 lösten sich verschiedene Regierungen relativ schnell ab. Eine Ende 1994 gewählte Regierung unter der BSP, der Nachfolgerpartei der kommunistischen Partei, konnte sich bis Anfang 1997 halten.

Als die BSP als Ausweg aus der schweren wirtschaftlichen Krise Ende 1996 mit dem IWF eine Fixierung der bulgarischen Währung verhandelte, mobilisierte die konservative SDS die Massen mit dem Argument, die BSP könne diese Währungsreform nicht bewältigen. Damit erreichte sie Anfang 1997 die Auflösung des Parlaments und den Verzicht der Sozialisten auf eine Interimsregierung.

Drei Monate lang regierte die SDS zunächst interimsmäßig mit Hilfe von Dekreten und handelte in dieser Zeit die Modalitäten für eine neue Finanzpolitik aus, die die Situation im Land bis heute wesentlich bestimmt (siehe: Wirtschaft). Während sich die Stellung Bulgariens in der Weltwirtschaft unter der konservativen Regierung verbesserte, verschlechterte sich die soziale Lage der Bevölkerung.

Siehe auch: Liste der bulgarischen Zaren